Auszug - DS-Nr. 459/4 - Beantwortung der Großen Anfrage - Aussprache -  

 
 
12. Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Arbeit
TOP: Ö 5
Gremium: Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit Beschlussart: erledigt
Datum: Do, 28.02.2013 Status: öffentlich
Zeit: 17:30 Anlass: ordentliche Sitzung
Raum: 1138
Ort: Fehrbelliner Platz 4, 10707 Berlin
 
Wortprotokoll
Beschluss

Herr Peikert erläutert das Arbeitsmarktintegrationsprogramm des Jobcenters Charlottenburg-Wilmersdorf

Herr Peikert erläutert das Arbeitsmarktintegrationsprogramm des Jobcenters Charlottenburg-Wilmersdorf. Es ist auf der Internetseite des Jobcenters veröffentlicht und wird zusätzlich als Papierexemplar verteilt. Zusätzlich lässt Herr Peikert ein Übersichtsblatt zur Zielerreichung im Jahr 2012 verteilen.

 

Er führt aus, dass das vorliegende Arbeitsmarktintegrationsprogramm des Jobcenters Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf die Arbeitsplanung des Jobcenters mit ca. 500 Mitarbeitern unter Darstellung der aktuellen Rahmenbedingungen darstellt. Es ist geprägt durch die Ziele des Jobcenters, also vorrangig Menschen aus dem Bezirk des Jobcenters Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf aus der Hilfebedürftigkeit herauszuführen.

 

Die übergreifenden Ziele, die permanent gemessen werden und mit denen sich das Jobcenter bundesweit vergleichen lässt, sind  die Integrationserfolge (Messgröße ist die Integrationsquote)  und die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit (gemessen an der Bestandsveränderung). Hinzu kommt als wichtige Orientierungsgröße die Summe passiver Leistungen.

 

Wird das Arbeitsmarktprogramm genauer betrachtet, so orientiert es sich an der aktuellen Entwicklung ebenso wie an den politischen und geschäftspolitischen Vorgaben durch die beiden Träger, d. h. des Landes Berlin und der Bundesagentur für Arbeit. Dennoch kommt es auch ohne Einfluss der beiden Träger des Jobcenters zu Veränderungen. Werden neue berufliche Kenntnisse  gefordert, muss mehr in spezifische Bildung investiert werden. Siedelt sich ein neuer Arbeitgeber an und es entstehen Arbeitsplätze, kann es zu mehr Fällen von Eingliederungszuschüssen kommen. Gibt es viele neue Ideen zur Selbstständigkeit, muss mehr Einstiegsgeld eingeplant werden.

 

Klar ist, dass ein solches Programm einem permanenten Anpassungsprozess unterliegt. Steigen unerwartet Kosten in einem Bereich, muss aus einem anderen umgesteuert werden.

 

Herr Peikert weist darauf hin, dass in der Öffentlichkeit zwei Dinge diskutiert werden, die jedoch keine direkten Ziele für die Jobcenter-Mitarbeiter darstellen:

 

a)     die Arbeitslosenzahl und

b)     die Ausschöpfung der Haushaltsmittel.

 

Die Arbeitslosenzahl wird in erster Linie durch die Wirtschaft und die Aufnahmefähigkeit des Marktes beeinflusst. Die Arbeitsverwaltung hat auf diesen Prozess nur mittelbar Einfluss. Gemessen werden deshalb die Integrationen im Verhältnis zur Gesamtsumme der erwerbsfähigen Kunden des Jobcenters. Indirekt ist die Anzahl der Arbeitslosen dennoch ein Indikator: So ist es erfreulich, wenn die Anzahl der Arbeitslosen im Bezirk im SGB II um ca. 1.000 von Dezember 2011 bis Dezember 2012 gesunken ist.

 

Herr Peikert führt weiter aus, dass auch die Ausschöpfung der Haushaltmittel kein Ziel ist und es in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte auch nicht sein kann. Dennoch möchte das Jobcenter die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bestmöglich nutzen.

 

Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist die Anzahl der Arbeitsplätze am 2. Arbeitsmarkt deutlich gesunken, was einerseits den Entwicklungen am 1. Arbeitsmarkt geschuldet ist, andererseits aber auch mit einem Strategiewechsel des Jobcenters zu tun hat, der sich immer an den Menschen und den Möglichkeiten in Richtung des 1. Arbeitsmarktes orientiert.

 

Wenn weniger Menschen arbeitslos sind, deutlich mehr Integrationen erfolgen, jeder der ihn braucht, einen Bildungsgutschein erhält, Plätze am 2. Arbeitsmarkt mangels Interessenten frei bleiben, macht es wenig Sinn, Steuergelder ohne entsprechende Wirkung auszugeben.

 

Dennoch muss die Nachsteuerung besser werden, denn die Wirtschaft bleibt nicht stehen. Sie entwickelt sich permanent weiter. Beispielhaft sind die Arbeitsplätze an den Flughäfen zu nennen. Es wurden viele Menschen qualifiziert, die jetzt nicht in dem erwarteten Maße gebraucht werden - etwa für Wachschutz und Abfertigung. Ein anderes Beispiel ist die Altenpflege, wo Fachkräfte dringend benötigt werden. Aber erst jetzt, voraussichtlich ab 01.04.2013, darf wieder 3 Jahre die Umschulung zur Altenpfleger/in gefördert werden, was bei hoher Nachfrage zu Anpassungen führen muss. Künftig wird das Jobcenter alle drei Monate die Planungen nachbessern bzw. anpassen.

 

Abschließend erklärt Herr Peikert, dass die Schwerpunkte des Programms aber gleich bleiben. Das heißt, Menschen, die vermittelbar sind, mit den zur Verfügung stehenden Hilfen zu integrieren und das möglichst dauerhaft. Menschen, die noch nicht so weit sind, sollen durch Zwischenschritte an den ersten Arbeitsmarkt herangeführt werden.

 

BV Dittner fragt nach den Angeboten für Lernschwache Schülerinnen und Schüler zur Einmündung in Betrieben und nach der Problematik von Umschülern, die nach Abschluss der Umschulung keine Arbeitsstelle finden. Sie möchte wissen,  inwieweit Umschulungen mit dem Bedarf des Arbeitsmarktes abgestimmt werden. Zur Frage der Umschulung erläutert Herr Peikert zunächst das System der Bildungszielplanung. Sie wird von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter in jedem Jahr neu auf der Grundlage einer Arbeitsmarktanalyse vorgenommen. Da Weiterbildungen bzw. Umschulungen aber oft länger als ein Jahr dauern, ist keine eindeutige Vorhersage möglich. Als Beispiel nennt er den Flughafen BER, für den viele Weiterbildungen gefördert wurden. Bei der individuellen Entscheidung für eine Förderung müssen immer Motivation und Neigung zum angestrebten Förderziel passen, dann kann gefördert werden. Grundsätzlich soll die Integrationswahrscheinlichkeit nach geförderter Weiterbildung deutlich bei 50 % liegen.

 

Zur Frage der Berufsorientierung für Schulabsolventen ist das Jobcenter nicht originär zuständig. Die Betreuung der Schülerinnen und Schüler erfolgt durch die Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Dort gibt es zahlreiche Angebote zur Berufsorientierung und auch individuelle Beratung. Eine abgeschlossene Berufsausbildung bringt in der Regel immer einen höheren Schutz vor Arbeitslosigkeit, auch wenn der erlernte Beruf nicht unmittelbar ausgeübt wird.

 

Herr Engelmann bittet um Erläuterungen zum Förderinstrument FAV (Förderung von Arbeitsverhältnissen). Dazu erläutert Herr Peikert, dass dieses Instrument konzipiert wurde, um Arbeitgebern am ersten Arbeitsmarkt, die einen Arbeitslosen mit multiplen Vermittlungshemmnissen einstellen, einen hohen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 % für bis zu zwei Jahren bieten. Leider gibt es bisher so gut wie keine Bereitschaft von Arbeitgebern, dieses Förderinstrument zu nutzen. Herr Peikert wirbt selbst sehr für dieses Instrument und bittet um Unterstützung aller Beteiligten, damit weitere Arbeitgeber gefunden werden. Zusätzlich kann dieses Instrument durch eine Kofinanzierung durch das Land Berlin gefördert, wenn bei Beschäftigungsträgern Arbeitsstellen im öffentlichen Interesse eingerichtet werden.. Die Zahl dieser Arbeitsstellen wurde in der Planung des Jobcenters auf Wunsch des Landes Berlin auf 180 Plätze festgelegt. Es gelingt bisher nicht, die vorgesehenen Plätze entsprechend dem Zeitplan einzurichten. Herr Peikert rechnet allerdings im Jahresverlauf mit einer deutlichen Steigerung und wird in der Trägerversammlung dazu berichten.

 

BV Böhm bedankt sich für die offene Diskussion und die frühzeitige Publikation des Arbeitsmarktintegrationsprogrammes auch im Internet. Sie begrüßt ausdrücklich die darin enthaltenen Positionierungen. Unklar sind ihr die an verschiedenen Stellen genannten Quoten zum Anteil von Arbeitslosen mit Migrationshintergrund. Außerdem bittet sie um Erläuterung in der Zielgruppe U25: Warum finden die Maßnahmen im Landesprogramm keine Erwähnung und, wie viele Kunden U25 sind über ein Jahr arbeitslos?

 

Herr Peikert erläutert dazu, dass die Zahlen zum Migrationshintergrund aus unterschiedlichen Quellen stammen. Teilweise sind es Zahlen des statistischen Landesamtes. In der eigenen Erhebung des Jobcenters sind die Zahlen zum Migrationshintergrund nicht belastbar, weil die Angabe freiwillig ist. Belastbar ist nur die Zahl der Ausländer. Er geht davon aus, dass jeder zweite Kunde des Jobcenters einen Migrationshintergrund hat. Sagt aber zu, dass er Frau Böhm nach Überprüfung gesondert Informationen zukommen lässt.

 

Zu den Maßnahmen U25 erläutert Herr Peikert, dass sich das Jobcenter am Zukunftsprogramm Berlin-Brandenburg engagiert beteiligt. Die Maßnahmen dort aber Konzepte enthalten, die eher langfristig wirken und aus vielen Elementen bestehen, die oft bereits in vorhandenen Maßnahmen eingesetzt werden. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Arbeitsmarktprogrammes standen aber auch noch nicht die konkreten neuen Maßnahmen für das Jobcenter fest.

 

Zur Zahl der Langzeitarbeitslosen U25 weist Herr Peikert darauf hin, dass ein Rückgang von Langzeitarbeitslosen in dieser Zielgruppe nicht nur auf Aktivitäten des Jobcenters zurückzuführen sind, sondern auch mit der Tatsache zu tun haben können, dass junge Leute in eine eigene Wohnung umziehen, und diese nicht im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf finden. Mit dem Umzug wechselt dann die Zuständigkeit in ein anderes Jobcenter.

 

BD Schöne fragt nach der Vermittlung von Maßnahmeplätzen für Langzeitarbeitslose. Gibt es signifikante Zahlen dazu, welche Angebote von Arbeitslosen nicht angenommen werden?

 

Eine entsprechende Erhebung gibt es nach Auskunft von Herrn Peikert nicht. Alle Angebote werden immer nach Möglichkeit individuell an den einzelnen Arbeitslosen angepasst. Er geht aber davon aus, dass es einen Anteil von Leistungsbeziehern im Jobcenter gibt, die nebenbei dem Leistungsbezug "schwarz" arbeiten. Dazu gibt es aber keine belastbaren Daten. Wenn der Verdacht besteht, versucht das Jobcenter durch Angebote Druck auszuüben. Das führt aber auch nicht immer zum Erfolg.

 

BV Kaas-Elias bedankt sich für die ausführlichen Auskünfte. Er bittet um Bestätigung der Aussage, dass kein Antrag auf Weiterbildung im vergangenen Jahr im Jobcenter abgelehnt wurde. Er bittet um Erläuterung in welchen Bereichen aktuell Fachkräftemangel erwartet wird. Außerdem bittet er um Erläuterung, wie das Jobcenter selbst durch Presseaktivitäten dazu beitragen kann, dass eine geringe Ausschöpfung des Eingliederungstitels in der Öffentlichkeit nicht nur negativ wahrgenommen wird.

 

Herr Peikert bestätigt zunächst die erste Aussage. Es gab nur eine ganz geringe Zahl von Ablehnungen, die dann aber individuell aus der Arbeitsmarktlage begründet waren. Eine Umschulung kann nicht gefördert werden, wenn sie in Berufe erfolgt, in denen einen hohe Arbeitslosigkeit besteht. Das Jobcenter fördert eine Weiterbildung/Umschulung für jeden, der will und kann. (Motivation / Eignung)

 

Die Voraussage von Fachkräftemangel ist eine schwierige Aufgabe. Neben den Unsicherheiten am Arbeitsmarkt gibt es bei der Bewirtschaftung des Eingliederungstitels aber auch interne technische Probleme, die sich daraus ergeben, dass die Kosten im Verwaltungsbudget für den Umzug des Jobcenters nicht punktgenau vorhergesagt werden können. Soweit das Verwaltungsbudget nicht ausreicht, müssen die Mittel dafür aus dem Eingliederungstitel bereitgestellt werden. Solche Notwendigkeiten sind schwer in der Presse zu erklären.

 

BV Hansen fragt vor dem Hintergrund, dass die Trägerversammlungen in Zukunft nur noch viermal im Jahr stattfinden sollen, ob es Möglichkeiten des Jobcenters gibt, sich am  One-Stop-Government zu beteiligen.

 

Herr Peikert erklärt dazu, dass er großes Interesse an einer Beteiligung habe. Das Jobcenter würde insbesondere in der Kooperation mit dem Jugendamt jederzeit Beratungen auch außerhalb des Jobcenters anbieten oder Räume für Beratungsangebote des Jugendamtes im Jobcenter zur Verfügung stellen. In dem neuen Gebäude gebe es auch Reserveflächen, die zusätzlich angemietet werden können.

 

Der Vorsitzende bedankt sich herzlich bei Herrn Peikert und seinen Mitarbeitern für den Bericht.

 


 

 
 

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