Die schlichte Feldsteinkirche im Herzen von Schmargendorf ist leicht zu übersehen. Das liegt nicht nur an den Bäumen, die sie malerisch umgeben, sondern auch an ihrer Größe. Lediglich 66 Quadratmeter misst der Innenraum. Das macht die Dorfkirche von Schmargendorf zur kleinsten aller Dorfkirchen auf dem Gebiet von Berlin. Siebenhundert Jahre war die Größe der Kirche aber völlig ausreichend. Kirche und Dorf entstanden wohl im frühen 13. Jahrhundert. Wahrscheinlich ist der Name Schmargendorf von „Margrevendorf“, dem „Markgrafendorf“ abgeleitet. Denn unter dem Schutz brandenburgischer Markgrafen wurde in dieser Zeit die ganze Gegend rund um Berlin besiedelt. Die Neuankömmlinge betrieben Landwirtschaft und Schafzucht und fischten im Wilmersdorfer See. Mehrere hundert Jahre gehörte das Dorf zum Privatbesitz der Familie Wilmersdorf. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts wurde den Bauern die Gelegenheit gegeben, das von ihnen bewirtschaftete Land zu erwerben. Zu dieser Zeit
gab es in Schmargendorf aber immer noch weniger als einhundert Bewohner.
Das 19. Jahrhundert brachte nicht nur für die Bauern, sondern auch für die kleine Schmargendorfer Dorfkirche ein paar Veränderungen. Der Giebel der Kirche wurde mit einem Turm aus Fachwerk verziert, der heute lediglich mit Holzbrettern versehen ist. Das Kirchenschiff wurde umgestaltet und es wurden endlich Kirchenbänke eingebaut. Bis dahin mussten die Kirchgänger beim Gottesdienst stehen – und sich zum Beten auf den nackten Steinboden knien. 1937 gab es noch einmal größere Umbaubauarbeiten. Der ursprüngliche gotische Innenraum wurde rekonstruiert und der Boden aufgerissen, um eine Heizung einzubauen. Die Überraschung war groß, als dabei einige Gebeine zum Vorschein kamen. Sie gehörten zu sieben Mitgliedern der berühmten Familie Wilmersdorf, die dreihundert Jahre zuvor in der Kirche beigesetzt worden waren, unter ihnen auch der beliebte und weit über die Grenzen Schmargendorfs bekannte Hans von Wilmersdorf. Er war Hofrat in Berlin gewesen und hatte sich
diplomatische Verdienste im Dreißigjährigen Krieg erworben. Als er 1636 starb, wurde ihm zu Ehren sogar ein Trauergottesdienst in der Nikolaikirche von Berlin abgehalten. Auf eigenen Wunsch fand er aber in der Dorfkirche bei seinen Schmargendorfern die letzte Ruhestätte – und geriet dann doch Vergessenheit. Zum Glück half sein goldener Ehering am Finger, die verfallenen Knochen zuzuordnen.
Wer jetzt in der richtigen Stimmung für noch mehr Grabstätten ist, sollte dem beschaulichen Friedhof hinter der Dorfkirche einen Besuch abstatten. Das terrassenförmig gestaltete Gelände lädt zu einer kleinen morbiden Entdeckungstour ein. Neben dem Maler Max Pechstein (1881– 1955) und dem Gründer des in Schmargendorf ansässigen Schulbuchverlags Franz Cornelsen (1908–1989) wurde hier auch die Flugpionierin Melli Beese (1886–1925) beigesetzt. Sie war die erste deutsche Frau, die einen Pilotenschein machte, eine eigene Flugschule gründete und selbst sogar Motorflugzeuge konstruierte und baute.