Treffpunkt: Olympische Straße/ Ecke Preußenalle/ Mittelinsel
Länge: ca. 1,8 km
199. Kiezspaziergang
Von der Olympischen Straße zum Ruhwaldpark
Station 1: Steubenplatz
Station 1.1: Steubenplatz / Herkunft des Namens
Der Platz wurde um 1930 angelegt und nach Friedrich Wilhelm Graf von Steuben benannt. Von Steuben lebte von 1730 bis 1794. Er war preußischer General und kämpfte unter Friedrich II. in den Schlesischen Kriegen. 1777 schloss er sich im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kontinentalarmee an, in der er preußische Exerziermethoden und Dienstvorschriften einführte. Zudem nahm er mit eigenen Truppenkommandos am Kampf gegen die Engländer teil.
Auf der Mittelinsel des Platzes steht seit 1961 die Reiterskulptur Der Sieger. Sie wurde 1902 von Louis Tuaillon ursprünglich für den Wannseer Wohnsitz von Geheimrat Hans Arnhold, dem heutigen Sitz der American Academy, geschaffen. 1997 wurde die Plastik restauriert.
Station 1.2: Steubenplatz 2 und 3/5
Die Randbebauung auf der Nord- und Ostseite des Steubenplatzes entstand in der Zeit des Nationalsozialismus, zwischen 1936 und 1938. Architekt war Peter Jürgensen. Es sind großzügige Wohnanlagen mit Kinos und Geschäften.
Station 1.3: Olympische Straße 1-1B / Preußenallee 41 / Wohnhaus
Auch dieses Gebäude stammt, wie die Randbebauung am nördlichen und östlichen Steubenplatz, von Peter Jürgensen. Es wurde 1937 gebaut. Typisch für die Zeit des Nationalsozialismus sind die Embleme über den Haustüren. Das Gebäude hat 37 Wohneinheiten.
Station 1.4: Reichsstraße 80b / Westend-Klause
Die Wohnanlage an der Reichsstraße 80b wurde von 1924 bis 1927, also ein paar Jahre früher, ebenfalls von Peter Jürgensen gebaut. Achten Sie nachher beim Weitergehen in der Olympischen Straße auf die ungewöhnliche Lösung des Innenhofes als einen Grünstreifen zwischen Olympischer Straße und Reichsstraße. In dem Gebäude an der Reichsstraße wurde gleich 1927 die Westend-Klause eröffnet. Die Alt-Berliner Kneipe ist u.a. aus zwei Gründen besonders bekannt, zum einen wurden hier in den 80er-Jahren zahlreiche Folgen der Drei Damen vom Grill mit Brigitte Mira und Brigitte Grothum gedreht. Zum anderen wurde sie die Stammkneipe von Joachim Ringelnatz, als er 1930 von München nach Berlin zog. Berühmt war Ringelnatz nicht nur seiner schrägen Gedichte wegen, sondern auch und vor allem, wie er sie auf Kleinkunstbühnen vortrug. Dort wurden er und seine Gedichte lebendig. Die Nazis machten seiner Kunst ein Ende und verbrannten seine Werke. Ringelnatz zog sich zurück. 1934 starb er in bitterer Armut in seinem Wohnhaus am Brixplatz in Neu-Westend. Dort werden wir noch mehr über ihn hören.
Hier eine erste Kostprobe Ringelnatzscher Dichtkunst:
Morgenwonne
Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.
Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich »Euer Gnaden«.
Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben.
Station 1.5: Preußenallee / Markt
In der Preußenallee findet seit 1925 der zweitgrößte Markt in Charlottenburg-Wilmersdorf statt. Der größte ist der Markt am Karl-August-Platz. Marktzeiten in der Preußenallee sind dienstags und freitags von 8 bis 13 Uhr.
Eine Neuerung seit dem 5. Juli ist die Verlängerung der Buslinie 349. Die Buslinie 349 ist ein sogenannter Taxi-Bus mit einer Kapazität von 9 Personen. Er fährt nun von der Reichsstraße zum Steubenplatz, biegt dort links in die Preußenallee ein und weiter in Richtung Heerstraße und nimmt dann seine übliche Strecke wieder auf. Es ist ein Ringbus, der alle 40 Minuten von Montag bis Freitag fährt. Die Verlängerung findet im Rahmen eines zweijährigen Projekts statt.
Nun noch ein paar Worte zu dem U-Bahnhof Neu-Westend, in dem sicher einige von Ihnen ausgestiegen sind.
Station 1.6: U-Bahnhof Neu-Westend
Der U-Bahnhof Neu-Westend wurde 1922 eröffnet. Die ersten Bauarbeiten wurden allerdings bereits vor dem Ersten Weltkrieg begonnen, um die U-Bahnlinie weiter in Richtung Ruhleben zu verlängern. Es wohnten damals aber noch zu wenig Menschen in der Gegend, als dass sich ein U-Bahnhof wirtschaftlich hätte rechtfertigen lassen. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich die Wohnsituation geändert, so dass die Hochbahngesellschaft den Ausbau des Bahnhofs fortführte. Sie beauftragte Alfred Grenander mit dem Entwurf. Aufgrund der damaligen schlechten Wirtschaftslage und den damit einhergehenden knappen Mitteln erhielt der Bahnhof nur einen grünen Anstrich. Eine Besonderheit hat der Bahnhof dennoch: Nach dem Neubau des Bahnhofs Nollendorfplatz 1926 gab es für das Eingangsportal des alten U-Bahnhofs keine Verwendung mehr, sodass dieser nun den U-Bahnhof Neu-Westend ziert. Der aus Muschelkalk bestehende Eingang mit Säulen und Laternen ist demnach älter als der Bahnhof selbst.
Wir gehen nun in die Olympische Straße und treffen uns wieder vor dem Haus Nummer 10a.
Station 2: Olympische Straße 10a
Station 2.1: Olympische Straße / Herkunft des Namens
Die Olympische Straße führt zur östlichen Seite des Olympiastadions und erhielt ihren Namen im Vorfeld der XI. Olympischen Sommerspiele 1936.
Station 2.2: Olympische Straße / Kanzlei Roland Freisler
In der Olympischen Straße, leider konnten wir die Hausnummer nicht herausfinden, hatte Roland Freisler eine Wohnung, in der er eine Kanzlei einrichtete. Freisler war Präsident des Volksgerichtshofes während der nationalsozialistischen Diktatur und für tausende Todesurteile verantwortlich ist. Er wurde 1893 in Celle geboren und starb am 3.2.1945 bei einem Bombenangriff.
1912 begann Freisler ein Jurastudium, unterbrach sein Studium bei Beginn des Ersten Weltkrieges, zu dem er sich als Freiwilliger meldete. 1915 kam er in russische Gefangenschaft. Auch nach seiner Freilassung blieb er in der Sowjetunion, er trat den Bolschewiki bei und wurde während des Bürgerkriegs in der Sowjetunion Kommissar für Nahrungsmittelverteilung. 1920 kehrte er nach Deutschland zurück und trat 1925 in die NSDAP ein. 1933 wurde er Staatssekretär im Justizministerium. Er war maßgeblich an der Entwicklung eines nationalsozialistischen Strafrechts beteiligt. Zudem wurde er zu einer der wichtigsten Autoren der nationalsozialistischen Zeitschrift Deutsche Justiz. Er vertrat darin die Meinung, dass nicht nur die Tat an sich, sondern bereits der Wille zur Tat strafwürdig sei.
Am 20. Januar 1942 war er Teilnehmer der Wannseekonferenz. Diese Konferenz sollte die Verfahren zur Deportation der gesamten jüdischen Bevölkerung zur Vernichtung organisieren und koordinieren. Im August 1942 wurde Freisler Präsident des Volksgerichtshofes. Unter seiner Präsidentschaft stieg die Anzahl der Todesurteile stark an: Ungefähr 90 Prozent aller Verfahren endeten mit einer oft bereits vor Prozessbeginn feststehenden Todesstrafe oder mit lebenslanger Haftstrafe. Zwischen 1942 und 1945 wurden mehr als 5000 Todesurteile gefällt, davon über 2600 durch den von Freisler geführten Ersten Senat des Gerichts. Damit war Freisler in den drei Jahren seines Wirkens am Volksgerichtshof für ebenso viele Todesurteile verantwortlich wie alle anderen Senate in der Zeit von 1934 bis 1945. Daher haftete ihm schon bald der Ruf eines „Blutrichters“ an.
Freisler leitete den Schauprozess gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose im Februar 1943, zu dem die Mitglieder des Ersten Senats eigens von Berlin nach München geflogen wurden. Im zweiten Prozess gegen Mitglieder der Weißen Rose im April 1943 schrie er gleich zur Eröffnung den Angeklagten entgegen, dass der Nationalsozialismus gegen solche „Verräter“ überhaupt kein Strafgesetzbuch benötige. Er werde „ganz ohne Recht“ kurzen Prozess machen. Freisler korrigierte sich und verbesserte: „ganz ohne Gesetz“. Als ihm ein Beisitzer dennoch wortlos das Strafgesetzbuch hinüberreichte, schleuderte er es in Richtung der Anklagebank, wo sich Angeklagte duckten, um nicht am Kopf getroffen zu werden
Station 2.3: Olympische Straße 10-12
Das eindrucksvolle Mietshaus wurde von 1929 bis 1930 gebaut. Bauherr war Ludwig Meilchen.
Station 2.4: Olympische Straße 9 / Wohnhaus Bingel
Das rosa Haus gegenüber ist das Wohnhaus Bingel. Es wurde von dem Architekten Hans Hertlein entworfen und 1925 gebaut. Hans Hertlein wurde 1883 in Regensburg geboren und starb 1963 in der Schweiz. Er war Bauleiter bei Siemens & Halske und beeinflusste dadurch stark die Industriearchitektur in Deutschland. Zudem war er Hochschullehrer und Mitglied des Deutschen Werkbundes, der Akademie der Künste und der Preußischen Akademie des Bauwesens. Die Villa vor uns ist ein Beispiel für seine Wohnarchitektur.
Station 2.5: Botschaft von Paraguay
Links neben dem Wohnhaus Bingel in der weißen Villa befindet sich die Residenz des Botschafters der Republik Paraguay. Paraguay ist ein kleiner Staat in Südamerika und hat in etwa die Größe von Deutschland und der Schweiz zusammen. Die Mehrheit der Bevölkerung besteht aus Mestizen, Nachkommen der in der Zeit der spanischen Eroberung zwischen Indianerinnen und den Kolonialherren gezeugten Kinder. 86% der Bevölkerung sprechen Guaraní als Muttersprache, nur 11% Spanisch. Die Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle: 39 Prozent der Bevölkerung arbeitet im Agrarsektor, der immer noch von Großgrundbesitzern dominiert wird. Die industrielle Produktion beschränkt sich weitgehend auf land- und forstwirtschaftliche Güter. Vorherrschende Zweige sind Holz- und Fleischverarbeitung und die Produktion von pflanzlichen Ölen. 22% der Erwerbstätigen sind in der Industrie beschäftigt.
Wir gehen nun weiter, biegen rechts in die Oldenburgallee ein und treffen uns wieder vor dem Haus Schaumburgallee 5.
Kontakt
- Raum: 228
- Tel.: (030) 9029-12359
- Fax: (030) 9028-12908
- E-Mail presse@charlottenburg-wilmersdorf.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
U Richard-Wagner-Platz
- M45
- N7
-
U Richard-Wagner-Platz