Kiezspaziergang am 12.4.2003

durch den Grunewald

mit Bezirksstadtrat Joachim Krüger und Förster Elmar Kilz
Treffpunkt auf dem Schmetterlingsplatz am Bahnhof Grunewald

Bezirksstadtrat Joachim Krüger und Förster Elmar Kilz, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Bezirksstadtrat Joachim Krüger und Förster Elmar Kilz, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Sehr geehrter Herr Kilz,
Sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich willkommen zu unserem heutigen Kiezspaziergang.

Wie immer zuerst der Hinweis auf den nächsten Termin: Am 10. Mai feiern wir auf dem Prager Platz unser Bezirksfest, das Fest der Nationen. Deshalb haben wir den Kiezspaziergang an diesem Tag so geplant, dass er zum Prager Platz führt. Treffpunkt ist am 10. Mai um 14.00 Uhr am U-Bahnhof Blissestraße vor dem Gesundheitsamt an der Kreuzung Brandenburgische Straße, Gasteiner Straße und Sigmaringer Straße. Von da aus wird es dann mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen durch die Wilhelmsaue, den Volkspark Wilmersdorf und die Prinzregentenstraße zum Prager Platz gehen, wo alle herzlich eingeladen sind, mit uns das Fest der Nationen zu feiern.

Heute wird uns der Leiter des Forstamtes Grunewald, Herr Kilz, “seinen” Grunewald vorstellen. Ich bin schon sehr gespannt darauf und danke Herrn Kilz sehr für seine Bereitschaft, uns mit seiner Fachkompetenz heute zu begleiten. Lassen Sie mich zuvor noch ein paar Bemerkungen zu dem Ort machen, an dem wir uns befinden.

Bahnhof Grunewald

Der Bahnhof Grunewald wurde am 1.8.1879 als “Bahnhof Hundekehle” eröffnet, seit 1884 heißt er “Bahnhof Grunewald”. Der Tunnel wurde Tunnel 1884-85 gebaut, der Bahnsteig 1 ebenfalls 1885. Das Bahnhofsgebäude auf der anderen Seite der Geleise wurde 1899 von Karl Cornelius in Anlehnung an die Grunewaldvillen der Umgebung gebaut. Der Bahnsteig 2 entstand 1935.

Von Oktober 1941 bis Februar 1945 wurden vom Güterbahnhof Grunewald aus mehr als 50.000 jüdische Bürger Berlins in die Vernichtungslager deportiert und dort ermordet; daran erinnern heute mehrere Mahnmale.

Am 3.4.1987 wurde eine Gedenktafel mit hebräischer Inschrift am Stellwärterhaus angebracht, am 18.10.1991 wurde das neben dem Bahnhofsgebäude im Auftrag des Berliner Senats von Karol Broniatowski geschaffene Mahnmal enthüllt, das aus einer langen Betonmauer mit Negativabdrücken menschlicher Körper und einer Gedenktafel aus Bronze besteht. Ein Mahnmal der Deutschen Bahn AG, geschaffen von Nicolaus Hirsch, Wolfgang Lorch und Andrea Wandel, dokumentiert seit dem 27.1.1998 auf den ehemaligen Verladebahnsteigen rechts und links des Gleiskörpers mit aneinander gereihten Metallplatten die Deportationszüge in die Konzentrationslager. Zu diesem Mahnmal gibt es einen Zugang von der Unterführung.

Wir haben die Mahnmale bereits in zwei frühere Kiezspaziergänge einbezogen. Deshalb verzichten wir heute darauf.

AVUS

Die AVUS wurde als Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße, von 1913 bis 1921 gebaut. Ursprünglich war es eine 10km lange, in zwei Schleifen endende Strecke, zunächst eine Privatstraße, heute Teil der Bundesautobahn. 1999 fand das letzte Rennen auf der AVUS statt.

Villenkolonie

Die Villenkolonie Grunewald wurde 1889 auf 234 ha Grunewaldgelände östlich der Bahngleise gegründet. 1899 erhielt sie den Status als selbständige Amtsgemeinde, 1920 wurde sie als Bestandteil des Bezirks Wilmersdorf nach Berlin eingemeindet. Zur Villenkolonie gehört der natürliche Halensee und die vier künstlich angelegten Seen Diana-, Hertha-, Koenigs- und Hubertussee.

Im Grunewald, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Im Grunewald, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Eichkamp

Die Siedlung Eichkamp wurde 1918-29 von Max und Bruno Taut, Martin Wagner und Franz Hoffmann unmittelbar neben der AVUS angelegt und war als preisgünstiger Wohnraum für Angestellte und Beamte konzipiert. Die Siedlung wurde benannt nach der Revierförsterei Eichkamp im Forst Grunewald. Max Tauts Bebauungsplan hatte ursprünglich ein wesentlich größeres Areal zwischen Teufelssee Chaussee und Avus vorgesehen, im Westen vom Grunewald, im Osten durch einen Exerzierplatz, das heutige Messegelände begrenzt. Wenn dieser Plan so realisiert worden wäre, dann könnten wir heute diesen Spaziergang nicht durch den Grunewald machen. Ludwig Marcuse sprach von “…einem lichten Berliner Dörfchen mit kindlich-schlichten Straßen und Häuschen…” Bei der Bildung von Groß-Berlin 1920 kam die Siedlung zum Bezirk Wilmersdorf. 1938 wurde sie bei einer Gebietsreform mit relativ geringfügigen Korrekturen dem Bezirk Charlottenburg zugeschlagen. Jetzt gehört sie zu Charlottenburg-Wilmersdorf. Prominente Bewohner waren Arnold Zweig, Ludwig Marcuse, Elisabeth Langgässer, Horst Krüger, Max Taut und Herta Heuwer, die Erfinderin der Currywurst.

Im Grunewald, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Im Grunewald, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Bezirksgärtnerei

Die Bezirksgärtnerei Charlottenburg-Wilmersdorf wurde 1969 auf dem 2 ha großen Gelände der früheren Tiergarten-Baumschule im Grunewald eröffnet Es gibt hier 5.000 qm Gewächshausfläche und 0,6 ha Freilandfläche.

Für die Berliner Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte, Marzahn-Hellersdorf und Pankow und für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg werden im Frühjahr 300.000 Pflanzen kultiviert, darunter Stiefmütterchen, Primeln, Tulpen, Osterglocken, Hyazinthen, Vergissmeinnicht und Tausendschön; im Sommer 290.000 Pflanzen, darunter Studentenblumen, Geranien, Begonien, Salvien, Petunien, Fuchsien, Fleißige Lieschen und Männertreu; im Herbst 30.000 Herbstastern. Für Dekorationen in Seniorenheimen, Standesämtern, auf Friedhöfen und für Kranzniederlegungen und Jubiläen werden 150.000 Schnitt- und Topfpflanzen kultiviert, darunter Azualeen, Weihnachtssterne, Alpenveilchen, Usambaraveilchen, Grünpflanzen, Rosen, Tulen, Gladiolen und Chrysanthemen. Ein Pflanzenverkauf an Private ist nicht möglich.

Die Produktion der Pflanzen erfolgt in der Regel vom Samenkorn bis zum Endprodukt, so dass wenig Zukauf nötig ist und die Auszubildenden den gesamten Kulturablauf erlernen können.

An der Kiesgrube, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

An der Kiesgrube, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Der Standort mitten im Grunewald bringt Vor- und Nachteile mit sich: Günstig ist die Lage im Landschaftsschutzgebiet wegen der günstigen Umwelteinflüsse. Es gibt weniger Luft- und Bodenverschmutzung und weniger Staub als im innerstädtischen Gebieten. Es gibt keine Beschattung durch umliegende Gebäude. Das Klima ist etwas ausgeglichener, allerdings im Durchschnitt etwas kälter. Die Unkrautbildung ist hier im Wald stärker als in der Stadt.

Der Nachteil besonders strenger Umweltauflagen hat sich inzwischen als Vorteil herausgestellt. Denn weil kaum chemischer Pflanzenschutz und chemische Düngung erlaubt sind, hat die Bezirksgärtnerei eine Vorreiter-Rolle übernommen beim Einsatz von überwiegend biologischem Pflanzenschutz mit Nützlingseinsatz. Eigene Komposte dienen der Herstellung von Substraten und zur Bodenverbesserung. Um Energie zu sparen, gibt es Solarstromanlagen, eine Solarheizung, Isolierverglasung der Gewächshäuser und Wasserversorgung fast ausschließlich aus Regenwassersammelanlagen.

An der Kiesgrube, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

An der Kiesgrube, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Kolonie Grunewald

Diese Kleingartenkolonie ist nach dem Zweiten Weltkrieg um 1948 entstanden. Sie ist zweifellos ein Fremdkörper im Wald und schon wegen der Brandgefahr nur mit entsprechenden Auflagen zu nutzen. Das Gelände gehört den Berliner Forsten. Ursprünglich wurde für die Kolonie eine Schutzfrist bis 8 Jahre nach der Wiedervereinigung festgelegt. Aber die Kleingärtner haben in Verhandlungen mit den Berliner Forsten und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erreicht, dass ihre Kolonie als Dauerkleingartenkolonie ein unbegrenztes Bleiberecht erhielt.

Am Teufelssee, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Am Teufelssee, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Ökowerk Teufelssee e.V.

Das Ökowerk wurde 1982 als Naturschutzzentrum im ehemaligen Wasserwerk Teufelssee gegründet. Die Gesamtanlage steht unter Denkmalschutz. 1872/73 wurde das Wasserwerk von Hanshent und Schmetzer zur Versorgung der westlichen Vororte Berlins gebaut. Das Maschinenhaus ist im Originalzustand erhalten. Das Wasserwerk ist das älteste erhaltene Werk in Berlin. Es wurde 1969 wegen technischer und hygienischer Mängel stillgelegt. 1978 wurden die Heizkessel verschrottet.

Im Ökowerk werden Seminare, Exkursionen, Wandertage und Führungen angeboten. Auf dem 2,8 ha großen Gelände gibt es eine Bibliothek, ein Labor, einen Biogarten, Teiche und eine Veranstaltungshalle. Geplant ist außerdem die Einrichtung eines Wassermuseums in den alten Filterhallen.

Teufelsberg mit Radarstation, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Teufelsberg mit Radarstation, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Teufelsberg

Der Teufelsberg wurde als 115 m hoher Trümmerberg von 1950 bis 1972 aus 26 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt auf dem Gelände der 1937 erbauten Wehrtechnischen Fakultät aufgeschüttet. Es ist der größte Trümmerberg Berlins und gemeinsam mit den gleich hohen natürlichen Müggelbergen die höchste Erhebung der Stadt.

Auf dem “Gipfel” befindet sich die ehemalige US-Radar-Abhörstation, außerdem mehrere Freizeitanlagen. Die ehemalige Spionagestation wurde 1992 von den Amerikanern aufgegeben. Das 48.000 qm große Gelände wurde von einer Investorengruppe mit dem Bauunternehmer Gruhl an der Spitze gekauft. Diese plante die Errichtung von Eigentumswohnungen, Restaurants, Sportanlagen, eines Fünf-Sterne-Hotels, sowie eines Spionagemuseum unter Beibehaltung der markanten Kuppeltürme. Ursprünglich war 1998 als Baubeginn vorgesehen. Gegen dieses Projekt inmitten des Landschaftsschutzgebietes Grunewald protestiert die Aktionsgemeinschaft Teufelsberg. Auch das Bezirksamt wandte sich gegen das Projekt und weigerte sich, einen entsprechenden Bebauungsplan aufzustellen. Deshalb zog der Senator für Stadtentwicklung das Projekt an sich.

Im Grunewald, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Im Grunewald, 12.4.2003, Foto: Alexandra Voigt

Nach bauvorbereitenden Maßnahmen wurden im Sommer 2002 die Bauarbeiten vorläufig eingestellt, obwohl die für den Baubeginn gesetzte Frist bereits verstrichen war. Jetzt gibt es eine weitere Gnadenfrist bis 2004. Da sich die bisherigen Pläne offensichtlich nicht realisieren lassen, wurde von den Investoren zuletzt der Plan ins Spiel gebracht, eine reine Wohnbebauung mit Einfamilienhäusern zu realisieren. Gegen eine solche Splittersiedlung im Wald sind aber Bezirk und Senat gleichermaßen.
Vergnügungsanlagen wie Skilifte und ähnliches sind planungsrechtlich nicht möglich. Die Kuppel wurde erneuert und vom Besitzer an die Deutsche Flugsicherung verpachtet. Darin befindet sich derzeit die zentrale Berliner Flugsicherung für alle drei Flughäfen, eine unbesetzte, ferngesteuerte Anlage. Relativ gut erhalten ist das Restaurant, das als Ausflugsrestaurant durchaus vorstellbar wäre.
In den 70er Jahren war auf dem Teufelsberg vorübergehend das Wilmersdorfer “Teufelströpfchen” angebaut worden. Der Wilmersdorfer Partnerlandkreis Rheingau-Taunus hatte dem Bezirk die Rebstöcke geschenkt und die geernteten Trauben ausgebaut. Der “Weinberg” ist inzwischen verwildert. Eine Rekultivierung wäre zwar möglich, aber Weinbau verträgt sich mit dem Forst nicht gut.
Deshalb wurden am 7.5.1984 wurden an den nördlichen Tribünenhängen des Stadions Wilmersdorf auf 250 m² je 100 Rebstöcke der Sorten Weißer Riesling und Ehrenfelser ebenfalls aus dem Partnerlandkreis Rheingau-Taunus angepflanzt. 1986 war die erste Ernte. Seither werden jährlich aus ca. 250 kg Trauben etwa 120 Liter “Wilmersdorfer Rheingauperle” ausgebaut.