Kiezspaziergang am 12.3.2005

vom Savignyplatz zur Schlüterstraße: Bedeutende Frauen in Charlottenburg

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: vor dem Bücherbogen am Savignyplatz Ecke Knesebeckstraße, unweit des S-Bahn-Ausgangs

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem Kiezspaziergang. Der März ist in unserem Bezirk traditionell der Monat des Frauenfrühlings. Das ist auch in diesem Jahr so – trotz der winterlichen Temperaturen. Seit 1911 wird der Internationale Frauentag am 8. März weltweit begangen. Der Kampf der Frauen für das Allgemeine Wahlrecht und für die Gleichberechtigung war zunächst Teil der Arbeiterbewegung, hat sich aber längst zur allgemeinen Emanzipationsbewegung entwickelt, die alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppen umfasst. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten in unserem Land einiges erreicht wurde, gibt es noch immer Diskriminierung und Benachteiligung von Frauen – weltweit, aber auch in unserer Gesellschaft. Daran wollen wir im Frauenfrühling erinnern.

Diesen Kiezspaziergang will ich deshalb vor allem einigen bedeutenden Frauen widmen, die in Charlottenburg gelebt und gearbeitet haben. Auch der Namenspatronin Charlottenburgs werden wir begegnen, Sophie Charlotte – obwohl wir heute nicht an ihrem Schloss vorbeikommen.

Das Schloss Charlottenburg soll der Ausgangspunkt für unseren nächsten Kiezspaziergang sein. Am 5. April werden wir den 300. Geburtstag Charlottenburgs feiern. Denn am 5. April 1705 hat König Friedrich I. verfügt, dass die wenigen Häuser am Schloss Stadtrechte erhalten und nach seiner früh verstorbenen Frau Sophie Charlotte benannt werden sollten. Deshalb wollen wir im April den Ursprüngen Charlottenburgs vom Schloss bis zum Rathaus nachgehen. Treffpunkt ist am Sonnabend, dem 9. April, um 14.00 Uhr vor dem Heimatmuseum an der Schloßstraße 69 gegenüber dem Schloss Charlottenburg. Und es wird nicht nur ein Spaziergang zum Jubiläum Charlottenburgs sein, sondern es wird selbst ein Jubiläums-Kiezspaziergang sein, nämlich der vierzigste

Heute aber soll es um bedeutende Frauen Charlottenburgs gehen. Wir haben vor einigen Tagen eine neue Straße in der Spreestadt, abgehend vom Salzufer am Landwehrkanal bis zur Spree nach Margarete Kühn benannt, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Schloss Charlottenburg vor dem Abriss bewahrt hat. Auch dorthin werden wir bald einen Kiezspaziergang unternehmen.

Hier am Savignyplatz finden wir keine weibliche Straßennamen, denn die Straßen hier in der westlichen City wurden am Ende des 19. Jahrhunderts angelegt, und da wurden Straßen nicht nach Frauen benannt. Hier begegnen uns auf den Straßenschildern berühmte Geisteswissenschaftler, Philosophen, Juristen und Generäle wie die Herren Kant, Savigny, Grolmann, Bleibtreu, Knesebeck, Mommsen, Wieland, Niebuhr, Sybel, Leibniz und Giesebrecht.

Else-Ury-Bogen

Aber immerhin wurde hier am 7. Juli 1999 der Gehweg, auf dem wir gerade stehen, zwischen Bleibtreustraße und Knesebeckstraße nach Else Ury benannt. Da er an den S-Bahn-Bögen entlang führt, heißt er “Else-Ury-Bogen”. Wir werden nachher an dem Wohnhaus von Else Ury vorbeikommen, an dem auch eine Gedenktafel für sie angebracht ist. Deshalb will ich dort etwas über sie sagen.

Savignyplatz

Für viele ist der Savignyplatz das eigentliche Zentrum Charlottenburgs. Hier im Umkreis gibt es jede Menge Restaurants, Bars, Cafés, Jazzclubs, Kinos und Buchläden. Der Bücherbogen hier ist wohl die profilierteste Kunst- und Architekturbuchhandlung Berlins. Die S-Bahn-Bögen sind inzwischen restauriert und vermietet.

1896 wurde der S-Bahnhof Savignyplatz eröffnet, und er wurde zum Ausgangspunkt für eine starke Bautätigkeit, wie bereits zuvor schon die Bahnhöfe Zoologischer Garten seit 1882 und Charlottenburg am Stuttgarter Platz seit 1890. Dieses Stadtviertel entstand also kurz vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts als Teil der westlichen City rund um den Kurfürstendamm

Der Platz wurde 1887 benannt nach dem Juristen Friedrich Karl von Savigny, der von 1779 bis 1861 lebte. 1926/27 wurde der Platz von dem Städtischen Gartenbaudirektor Erwin Barth mit Sitzlauben und Staudenrabatten umgestaltet. Barth war nicht nur ein engagierter Verfechter städtischer Grünanlagen, sondern auch besonders sozial engagiert.

Sein Credo lautete: “Wenn irgendwo eine reiche Ausstattung der Plätze mit verschwenderischer Blumenfülle, mit Brunnen und dergleichen angebracht ist, so ist es da, wo Leute wohnen, die sich keine eigenen Gärten leisten können.” Er gestaltete viele Plätze in Charlottenburg und den Volkspark Jungfernheide. Nach zahlreichen zwischenzeitlichen Veränderungen wurde der Savignyplatz 1987 für das Stadtjubiläum Berlins nach den Plänen Erwin Barths wiederhergestellt.

Knesebeckstraße, Grolmannstraße

Die Knesebeckstraße wurde bereits 1866 nach dem preußischen General Karl Friedrich Freiherr von dem Knesebeck benannt, der von 1768 bis 1848 gelebt hatte, und auch der Name der Grolmannstraße bezieht sich seit 1874 auf einen preußischen General, nämlich Karl Wilhelm Georg von Grolmann, der von 1777 bis 1843 lebte.

Grolmannstr.33

Agnes von Zahn-Harnack

Agnes von Zahn-Harnack wurde am 19. Juni 1884 in Gießen als Tochter des berühmten Theologieprofessors Adolf von Harnack geboren. Er ging 4 Jahre später mit seiner Familie nach Berlin. Agnes ging nach dem Besuch einer privaten Schule an das Lehrerinnenseminar von Ida Klockow in Charlottenburg und absolvierte 1903 ihr Examen. Sie unterrichtete an verschiedenen privaten Schulen in Berlin und studierte Theologie, Germanistik und Anglistik. 1912 promovierte sie an der Universität in Greifswald über Brentanos “Aloys und Imelde”.

Anschließend wurde sie Oberlehrerin hier in der Grolmannstraße am Institut Wellmann von Elpons. Dieses war ein vornehmes privates Internat, in dem 14- bis 16jährigen Mädchen die “höhere Bildung” eines Lyceums vermittelt wurde. Hier lernten Schülerinnen aus ganz Preußen, die aus Familien von Industriellen, Gutsbesitzern und Beamten kamen aber auch aus wohlhabenden jüdischen Familien Berlins. Agnes Harnack unterrichtete Religion, Deutsch und Englisch. Nach dem Ersten Weltkrieg 1919 heiratete sie den Juristen Dr. Karl von Zahn und beendete ihre Schultätigkeit in Charlottenburg.

1921 wurde ihre Tochter und 1923 ihr Sohn geboren, aber Agnes von Zahn-Harnack beschränkte sich nicht wie so viele andere Frauen nach der Heirat auf das Familienleben, sondern sie engagierte sich mehr und mehr in der bürgerlichen Frauenbewegung. Sie beschäftigte sich als Publizistin mit den Schwierigkeiten von Akademikerinnen und kämpfte politisch für die Mitwirkung von Frauen an der Gesetzgebung. 1926 gründete sie den Akademikerinnen-Verband und war von 1931 bis 1933 Vorsitzende des Bundes deutscher Frauenvereine, den sie vor der drohenden nationalsozialistischen Gleichschaltung auflöste. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gründete sie den Berliner Frauenbund e.V. und engagierte sich in der Flüchtlingshilfe. Sie schrieb eine Biografie ihres Vaters, für die ihr die theologische Fakultät der Universität Marburg die Ehrendoktorwürde verlieh. Am 22. Mai 1950 starb sie im Alter von 65 Jahren in Berlin.

Kurfürstendamm 29

Jeanne Mammen

Die Gedenktafel wurde am 11.3.1995 enthüllt:

BERLINER GEDENKTAFEL
Hier – im IV. Stock des Hinterhauses -
lebte und arbeitete in ihrem Atelier
von 1919 bis 1976 die Malerin und Grafikerin
JEANNE MAMMEN
21.11.1890-22.4.1976
Im Mittelpunkt ihres Schaffens standen die
realistischen Schilderungen aus dem Berliner
Großstadtleben der zwanziger Jahre

Jeanne Mammen wurde 1890 als jüngste Tochter einer wohlhabenden Fabrikantenfamilie in Berlin geboren. Aber sie verbrachte ihre unbeschwerte Kindheit in Paris, wo ihre Eltern sich 1895 niedergelassen hatten. Dort besuchte sie von 1906 bis 1908 die Académie Julian, darauf zwei Jahre die Académie Royale des Beaux-Arts in Brüssel und schließlich studierte sie in Rom. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste ihre Familie nach Holland fliehen und verlor ihr Vermögen. 1915 kam Jeanne Mammen völlig mittellos nach Berlin und schlug sich als Graphikerin mit Gelegenheitsjobs durch.

Aber in den 20er Jahren wurden ihre gesellschaftskritischen Zeichnungen und Aquarelle anerkannt und brachten ihr Erfolg. Mit manchmal sarkastischem Humor porträtierte sie das Berliner Großstadtleben der 20er Jahre für satirische Zeitschriften wie Simplizissimus, Uhu, Ulk und Jugend, bis diese 1933 verboten wurden oder sich dem NS-Regime unterwarfen. Jeanne Mammen ging in die innere Emigration, konnte kaum noch publizieren und wechselte von ihrem sozialkritischen Realismus zu einem kubistisch-expressionistischen Stil, der im Nationalsozialismus verpönt war. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwarf sie Bühnendekorationen und Kostüme für das existentialistische Kabarett “Die Badewanne”. Künstlerisch experimentierte sie mit lyrischen Abstraktionen, Glanzpapier-Collagen und sogenannten numinosen Bildern.

In ihrem Atelier hier am Kurfürstendamm arbeitete die Einzelgängerin zurückgezogen fast 57 Jahre bis zum ihrem Tod am 22.4.1976. Das Atelier kann auch heute noch besichtigt werden. 1997 hat ihr die Berlinische Galerie eine umfassende Retrospektive gewidmet.

Kurfürstendamm 211

Maison de France, Cinema Paris

Das Haus wurde 1897 als Mietwohnhaus erbaut; 1927-29 im Stil der Neuen Sachlichkeit umgebaut zum “Haus Scharlachberg”. Nach den Kriegsschäden wurde es von 1948 bis 1950 durch die französische Militärregierung Berlins nach Plänen von Hans Semrau um- und teilweise neu gebaut als französisches Kulturhaus.

Entstanden ist ein schmuckloser Flachdachbau mit gerundeten Ecken und geschwungenen Formen. Vor allem im Innern ist es ein wichtiges Beispiel der frühen 1950er-Jahre-Architektur. Das Haus beherbergt das Institut Français, das Bureau du Théatre und das Kino Cinema Paris.

Das französische Kultur- und Informationszentrum bietet Kulturprogramme, Sprachkurse, die Veranstaltung von Seminaren, Konferenzen, Lesungen, Ausstellungen undsoweiter. Eine Mediathek und Bibliothek enthält 13.000-Bände.

U-Bhf Uhlandstraße

Der Bahnhof der Kurfürstendammlinie wurde 1910-13 von Alfred Grenander gebaut. Die U-Bahnlinie hatte die damals selbständige Großstadt Charlottenburg verlangt als Kompensation für die Linie 2 durch Wilmersdorf nach Zehlendorf, weil man eine Abwanderung der vermögenden Steuerzahler aus Charlottenburg befürchtete. Die Kurfürstendammlinie sollte ursprünglich unter dem gesamten Kurfürstendamm bis nach Grunewald führen. Der U-Bahnhof Adenauerplatz ist als Kreuzungsbahnhof angelegt, um diese Option auch für die Zukunft offen zu halten.

Kurfürstendamm 213

Hier befand sich von 1898 bis 2000 das Café Möhring. Die Schließung löste heftige öffentliche Debatten über den Niedergang der Caféhauskultur am Kurfürstendamm aus.

Die Galerie Brusberg residiert hier seit 1982.

Kurfürstendamm 35

Lotte Jacobi

Lotte Jacobi wurde am 17.8.1896 in Thorn in Westpreußen in eine jüdisch-liberale Familie geboren. Als sie 12 war, schenkte ihr Vater ihr eine Fotokamera. Er führte wie schon seine Eltern und Großeltern ein Fotoatelier in Posen und weihte seine Tochter in die Geheimnisse der Fotokunst ein. 1921 eröffnete er in Charlottenburg in der Augsburger Straße 23 ein Atelier, wo sie weiterhin lernte und mitarbeitete.

1925 bis 1927 absolvierte sie die Ausbildung an der Staatlichen Höheren Fachhochschule für Fototechnik in München und übernahm bald darauf das väterliche Atelier, das sie zu einem der bekanntesten Porträtstudios der Stadt machte, von 1927 bis 1932 an der Joachimsthaler Straße 5, dann bis 1934 am Kurfürstendamm 216 und schließlich bis 1935 hier am Kurfürstendamm 35.

Unzählige Prominente ließen sich von ihr fotografieren, darunter Kurt Tucholsky, Albert Einstein und Lotte Lenya. Ihr Credo war: “Mein Stil ist der Stil der Menschen, die ich photographiere.” 1932 engagierte sie sich mit einer Porträtserie für die Wahl Ernst Thälmanns zum Reichspräsidenten, die dann allerdings Hindenburg gewann. Anschließend dokumentierte sie eine Reise durch die Sowjetunion und Zentralasien.

Sie hatte zwar 1931 ihren jüdischen Glauben abgelegt, aber seit 1933 musste sie unter verschiedenen Decknamen arbeiten und schließlich 1935 in die USA emigrieren. Bis ins hohe Alter war sie künstlerisch aktiv und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1983 den Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie und mehrere Ehrendoktorwürden. Am 6.5.1990 starb sie im Alter von 93 Jahren in Concord in den USA. Ihr Werk wurde 1997 in einer umfassenden Werkschau im Verborgenen Museum in Charlottenburg gewürdigt.

Kurfürstendamm 208-209

Komödie und Theater am Kurfürstendamm, Kudamm-Karree

Beide Boulevardtheater wurden zwar immer von Männern geleitet, aber für die Erfolge waren die populären Schauspielerinnen mindestens genau so wichtig wie die Schauspieler.

Die Komödie am Kurfürstendamm wurde 1924 mit Goldonis “Diener zweier Herren” als elegantes, intimes Boulevardtheater eröffnet. Der Architekt Oscar Kaufmann hatte es im Auftrag von Max Reinhardt gebaut. Zur ersten Premiere kam ganz Berlin – angeführt vom Reichskanzler Wilhelm Marx und Außenminister Gustav Stresemann.

1933 wurde Max Reinhardt enteignet und emigrierte in die USA. 1934 übernahm Hans Wölffer die Direktion, zu der auch das benachbarte 1928 eröffnete Theater am Kurfürstendamm gehörte. Er beschäftigte Schauspieler, Regisseure und spielte Werke, die an Staatstheatern verboten waren. Das brachte ihm keine Freunde bei den Behörden ein, aber seine Bühnen waren beliebt. Sogar einen Prozess gegen den Preußischen Staat musste er führen. Die meisten Stücke wurden danach von der Reichstheaterkammer kurz vor der Premiere verboten. Er fand jedoch Tricks, dies zu umgehen. Schließlich wurde auch er 1943 enteignet. Drei Tage später brannte die Komödienpracht aus.

1946 wurde das Haus mit Schillers “Kabale und Liebe” wieder eröffnet. Im selben Jahr wurde das Theater am Kurfürstendamm mit Shakespeares “Ein Sommernachtstraum” wiedereröffnet. 1950 kehrte Hans Wölffer nach Berlin zurück und wurde gemeinsam mit Dr. Raeck Direktor der Komödie.

Im selben Jahr ließ Hans Wölffer das Haus von den Architekten Schwebes und Schossberger vollständig wiederaufbauen und renovieren. 1951 wurde er wieder alleiniger Chef der Komödie. Das Theater am Kudamm kam 1962 zurück in seine Obhut. Bis dahin war es feste Spielstätte der “Freien Volksbühne”.

Wölffer ließ auch dieses Haus renovieren und umbauen. Drei Jahre später wurden die Söhne von Hans Wölffer, Jürgen und Christian, Mitgesellschafter der Theater. 1971 wurde das Theater am Kurfürstendamm erneut aufwändig renoviert. Zwischen 1971 und 1974 entstand das “Kudamm Karree”. Die beiden Theater blieben zwar mit ihren nun schon historischen Mauern und ihrer wechselvollen Geschichte innerhalb des neuen Gebäudekomplexes erhalten, wurden aber von dem modernen Gebäude umschlossen. Viele Passanten meinten, es handele sich um zwei kleine moderne Boulevardtheater. Besonders dem vorher freistehenden Theater am Kurfürstendamm auf der linken Seite sieht man seitdem weder seine Größe noch seine Bedeutung an.

1986 wurde die KOMÖDIE nochmals umgebaut und renoviert und bekam ein neues Gestühl.

Die Söhne Hans Wölffers wurden schon früh Mitgesellschafter an den Bühnen. Jürgen, der Ältere, leitete ab Mitte der sechziger Jahre mit dem Vater zusammen die Häuser, seit dem Tod Hans Wölffers 1976 dann gemeinsam mit seinem Bruder Christian. Die Besetzungslisten der beiden Häuser lesen sich wie ein Who is Who deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler: Lil Dagover, Grete Weiser, Rudolf Platte, Horst Buchholz, Walter Giller, Nadja Tiller, Edith Hancke, Peer Schmidt, Harald Juhnke, Johanna von Koczian, Georg Thomalla, O.E. Hasse,

Claus Biederstaedt, Curd Jürgens, Günther Pfitzmann, Wolfgang Spier, Wolfgang Völz, Hans-Jürgen Schatz und so weiter.

1990 entschied sich Martin, der Sohn Jürgen Wölffers, in die Direktion einzutreten und eröffnete bald das “magazin”, ein 100-Plätze-Theater. Heute ist er als Regisseur sehr gefragt und längst etabliert. Seine “Comedian Harmonists” waren mit über 600 Vorstellungen einer der größten Theatererfolge in Berlin.

Seit Mitte der 90er Jahre sind die Zeiten schwerer geworden, aber die Direktion Wölffer behauptet sich noch immer ohne jede Subvention. Ihre Theater gehören nach wie vor zu den beliebtesten der Stadt. Damit das fortgeführt wird, ist Martin Woelffer mit 40 Jahren der Chef der Direktion geworden. Am 100. Geburtstag seines Großvaters, dem 11. September 2004 hat er die Verantwortung für die Berliner Traditionshäuser übernommen.

Das Kudamm-Karree wurde von 1969 bis 74 als Gebäudeensemble auf einem 20.000 qm großen Areal mit einem 20-geschossigen Hochhaus im Zentrum von einer Frau, nämlich von Sigrid Kressmann-Zschach gebaut. Sie wurde vor allem bekannt und berüchtigt durch den Steglitzer Kreisel. Insgesamt gibt es hier 40.000 qm Büro- und Geschäftsfläche, ein Parkhaus an der Uhlandstraße, Restaurants und die beiden Theater Komödie und Theater am Kurfürstendamm. Der Grundriss ist wenig gelungen. Die unzureichende Erschließung durch Passagen und Galerien machte bereits ein Jahr nach der Fertigstellung kostspielige Umbauten notwendig, in den Folgejahren waren hohe Zuschüsse durch das Land nötig.

Im Hochhaus war bis vor einigen Jahren die Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege untergebracht, eine Art indirekte Subventionierung des Gebäudes durch den damaligen Berliner Senat.

Seit 1999 gibt es auf 7.000 qm die multimediale Berlin-Ausstellung “The Story of Berlin”, zu der auch die Besichtigung eines Atom-Bunkers gehört.

Am Kudamm-Karree wurde eine Gedenktafel angebracht, die an die Berliner Secession erinnert:

Hier befand sich von 1905 bis 1914
das zweite Ausstellungsgelände der
BERLINER SECESSION
1898 – 1932
die für Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland
von wesentlicher Bedeutung war.

Die Berliner Secession war eine wichtige Institution der kulturellen Avantgarde am Kurfürstendamm. Hier stellten die Maler aus, die zur kaiserlichen Kunstpolitik in Opposition standen. Kaiser Wilhelm II hatte ihre Werke als “Rinnsteinkunst” verteufelt, was eine der heftigsten Kunstdebatten der Kaiserzeit auslöste, aus der letztlich die Maler der Secession als Sieger hervorgingen.

Die wohl berühmteste Frau der Berliner Secession war die Bildhauerin und Malerin Käthe Kollwitz. Nicht weit von hier in der Fasanenstraße zeigt das Käthe-Kollwitz-Museum ihre Werke.

Kurfürstendamm 43

Gertrud Kolmar

Die 1894 in Berlin geborene Gertrud Kolmar gehörte zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen des 20. Jahrhunderts. An dem Haus Ahornallee 37 in Westend wurde am 24.2.1993 eine Gedenktafel für sie enthüllt mit dem Text:

In dem Vorgängerbau dieses Hauses
verbrachte die Lyrikerin
GERTRUD KOLMAR
10.12.1894
ihre Kindheit und Jugend
Als Jüdin nach 1933 zur Zwangsarbeit
verpflichtet, wurde sie 1943 nach
Auschwitz deportiert und dort ermordet

Ihr Geburtsname war Gertrud Käthe Chodziesner. Aufgewachsen ist sie als älteste Tochter in einer großbürgerlichen jüdischen Familie. Ihr Vater Ludwig Chodziesner war ein bekannter Strafverteidiger, und die Mutter Elise entstammte einer wohlhabenden Gelehrten- und Kaufmannsfamilie. Bald nach der Geburt der Tochter Gertrud zogen die Eltern in den Villenvorort Westend. Sie besuchte die Weyrowitzsche Höhere Mädchenschule in Charlottenburg und eine Hauswirtschaftsschule in Leipzig, machte eine Ausbildung als Sprachlehrerin und arbeitete ab 1919 als Erzieherin in verschiedenen Privathäusern. Von 1921 bis 1923 lebte sie hier am Kurfürstendamm.

Bereits 1917 war der erste Gedichtband unter dem Pseudonym Gertrud Kolmar erschienen. Kolmar ist der deutsche Name des Posener Ortes Chodziesen, aus dem die väterlichen Vorfahren stammten. Ihr Cousin Walter Benjamin sorgte dafür, dass Gertrud Kolmar ab 1928 mit ihren Gedichten verstärkt öffentlich bekannt wurde. In den folgenden Jahren entstanden mehrere Gedichtzyklen, darunter 1933 “Das Wort der Stummen”, ein Buch, in dem sie scharfe Kritik am Nationalsozialismus übte. In Erzählungen thematisierte sie das Scheitern der deutsch-jüdischen Symbiose. Zuletzt erschien 1938 ihr Zyklus “Die Frau und die Tiere”, in dem sie in eindringlichen Sprachbildern ihr Fremdsein als Frau und als Jüdin beschreibt. Dieses Buch wurde allerdings sofort nach Erscheinen von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und eingestampft. Ihre Lyrik ist eine bilderreiche Naturdichtung zwischen Märchenhaftem und Askese.

1928 hatte sie ihre berufliche Tätigkeit weitgehend aufgegeben und war in die elterliche Villa im brandenburgischen Finkenkrug bei Falkensee gezogen. Nach dem Tod der kranken Mutter 1930 führte sie ihrem Vater den Haushalt und unterstützte ihn in seiner Anwaltskanzlei bis zur zwangsweisen Umsiedlung 1938 in ein sogenanntes Judenhaus. Da ihr Vater nicht emigrieren wollte, blieb sie bei ihm, ohne ihn jedoch retten zu können. 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert. Ab 1941 wurde sie zur Zwangsarbeit verpflichtet, am 27. Februar 1943 im Rahmen der ‘Fabrikaktion’ verhaftet, am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Kurfürstendamm 44

geplante Gedenktafel:

Hier will die Historische Kommission zu Berlin eine Gedenktafel anbringen lassen, die erinnern soll an das Historiker-Ehepaar Otto und Hedwig Hintze. Der Text soll lauten:

Hier lebte und arbeitete von 1912 bis 1933 das Historiker-Ehepaar
Otto Hintze
27.8.1861 – 25.4.1940
Hedwig Hintze geb. Guggenheimer
9.2.1884 – 19.7.1942
“So harren wir der dunklen Schicksalswende,
Die dies verworrene Trauerspiel beende!”
(Aus einem Sonett Otto Hintzes für seine Frau Hedwig vom 3.1.1940)

Die NS-Rassegesetze zwangen Hedwig Hintze zur Emigration. Im holländischen Exil setzte sie, von der Deportation in ein Vernichtungslager bedroht, ihrem Leben ein Ende. Ihr Mann war hoch betagt in Berlin zurückgeblieben, wo er vereinsamt starb.

Kurfürstendamm 200

In diesem Haus hatte in den 20er Jahren der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten seinen Sitz. Er wurde unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gegründet und wollte sich gegen die Vorwürfe wehren, Juden hätten sich während des Krieges gedrückt.

Er konnte nachweisen, dass im Ersten Weltkrieg relativ zu ihrem Anteil an der Bevölkerung mehr jüdische als nichtjüdische deutsche Soldaten starben. Der Reichsbund war eine Vereinigung konservativer Juden und setzte sich für einen Einwanderungsstop gegenüber armen Ostjuden aus Polen und aus der Sowjetunion ein. Nach Ansicht des Reichsbundes wurde durch ihre große Zahl in Deutschland der Antisemitismus verstärkt. 1938 wurde der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten von den Nationalsozialisten aufgelöst.

Bleibtreustraße

Die Bleibtreustraße wurde 1897 nach dem Maler und Grafiker Georg Bleibtreu benannt, der 1828 in Xanten geboren wurde und 1892 in Berlin starb. Bekannt wurde er vor allem durch seine Schlachtengemälde. Er hatte bis zuletzt in der Knesebeckstraße gelebt und wurde auf dem Kirchhof der Luisengemeinde am Fürstenbrunner Weg in Charlottenburg begraben.

Mommsenstraße

Die Mommsenstraße wurde 1897 nach dem Historiker Theodor Mommsen benannt. Er wurde 1817 in Garding geboren und starb 1903 in Charlottenburg. Ein Jahr zuvor, 1902, hatte er für seine “Römische Geschichte” den Literatur-Nobelpreis erhalten.

Mommsenstr. 6

Damen-Wohnungen

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Berlin die “Vereinigung für Frauenwohnungen” gegründet, deren Ziel es war, für berufstätige und alleinstehende Frauen Wohnungen zu schaffen.

Aus der Vereinigung ging die Genossenschaft “Die Frauenwohnung” hervor, welche für die alleinstehende Frau Häuser in den verschiedensten Gegenden Groß-Berlins errichten wollte. In beiden Organisationen gehörte Hedwig Rüdiger, die Vorsitzende des Vereins der Berliner Postbeamtinnen zum Vorstand.

In der Mommsenstraße 6 wurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts sogenannte Damenwohnungen angeboten. Eine Annonce in der Zeitschrift “Die Frau” von 1903 inserierte diese Wohnungen mit folgendem Text:

“1-4 Zimmer mit Kochgelegenheit, vollständig in sich abgeschlossen. Billiger Lebensunterhalt durch gemeinschaftlichen Haushalt. Schutz für Person und Eigentum. Gemeinsame Interessen, keine spekulative Ausbeutung.

Geselliger Verkehr ohne persönliche Beschränkung. Kein Stift, sondern genossenschaftliche Vereinigung.”’

Die Entstehung dieser Wohnungen war Anfang des 20. Jahrhunderts eingebettet in eine kontroverse Diskussion über Vorzüge und Nachteile von unterschiedlichen Modellen des Wohnens und Lebens von Frauen, Die einen bevorzugten berufsbezogene Wohnheime wie zum Beispiel Lehrerinnen-Heime, Wohnheime für Postbeamtinnen, Wohnheime für Angestellte undsoweiter, die anderen bevorzugten kleine Wohngemeinschaften mit zwei bis drei Frauen, die sich innerhalb von Familiensiedlungen befinden sollten.

Das dritte bevorzugte Modell war die Vereinigung selbständiger Mietwohnungen mit einem größeren Hauswirtschaftsbetrieb unter einem Dach. Hier sollte die “Bürgerlichkeit” und “Sterilität eines falschen Individualismus” überwunden und die Gemeinsamkeit gestärkt werden.

Bleibtreustr. 15

Tilla Durieux

Die Gedenktafel wurde am 30.10.1987 enthüllt:

BERLINER GEDENKTAFEL
Hier lebte von 1966 bis 1971
TILLA DURIEUX
18.8.1880-21.2.1971
Große deutsche Schauspielerin.
Ab 1903 an den Reinhardt-Bühnen in Berlin.
Emigration 1933, Rückkehr nach Berlin 1952

Tilla Durieux bezeichnete sich selbst als “Fanatikerin des Theaters”. Aufgewachsen war sie in Wien, wo sie 1880 mit dem Namen Ottilie Godeffroy als einzige Tochter eines hugenottischen Chemieprofessors und seiner Frau geboren wurde.

Nach dem frühen Tod des Vaters besuchte sie 1898 eine Theaterschule – gegen den Willen der Mutter, die eine Laufbahn als Pianistin für standesgemäßer und schicklicher hielt. Auf Wunsch der Mutter legte sie sich deshalb das Pseudonym Tilla Durieux zu. Nach Engagements in der Provinz wurde sie 1903 bei Max Reinhardt in Berlin verpflichtet. Das war damals der Gipfelpunkt jeder Theaterkarriere. Für das Publikum und die Kritiker jener Zeit waren ihre unpathetische, realistische Darstellungskunst und ihr herbes Äußeres ungewöhnlich.

Dennoch wurde sie bald zur gefeierten Schauspielerin, vor allem auf Berliner Bühnen. In zweiter Ehe seit 1910 mit dem einflussreichen Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer verheiratet, war ihr Haus im Tiergartenviertel Treffpunkt für alle prominenten Kunstschaffenden, und vielen von ihnen, darunter Liebermann, Corinth und Slevogt, saß sie selbst Modell. 1926 bis 1928 war sie als Dozentin für Schauspiel an der Hochschule für Musik in der Hardenbergstraße tätig, und 1927 beteiligte sie sich finanziell und künstlerisch an Erwin Piscators Theater am Nollendorfplatz. Mit ihrem dritten Ehemann, dem jüdischen Großindustriellen Ludwig Katzenellenbogen floh sie am 31. März 1933 via Prag über die Schweiz nach Jugoslawien.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges spielte sie auf Gastspieltourneen in vielen europäischen Ländern. Erfolglos bemühte sich das Ehepaar um ein Visum für die USA.

Nach der Besetzung Jugoslawiens durch die deutsche Wehrmacht 1941 wurde Katzenellenbogen verhaftet und deportiert; Tilla Durieux tauchte unter und schloss sich der kroatischen Widerstandsbewegung an. Als Näherin an einem Puppentheater hielt sie sich nach dem Krieg über Wasser.

Ihre Eindrücke beschrieb sie 1945 in dem Stück Zagreb, das 1946 in der Schweiz uraufgeführt wurde. Nach 19 Jahren in der Emigration kehrte Tilla Durieux erstmals 1952 wieder nach Berlin zurück. Hier gelang ihr ein Come back, und so stand sie erneut bis ins hohe Alter auf der Bühne und wirkte auch in über 30 Filmen mit. Von 1955 bis 1966 lebte sie in der Bleibtreustraße 24, danach bis zu ihrem Tod 1971 hier in der Bleibtreustraße 15.

Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz. Die Schauspielerin, die die Theatergeschichte und den Darstellungsstil des 20. Jahrhunderts wesentlich mitbestimmte und -prägte, wurde auf dem Friedhof in der Charlottenburger Heerstraße beerdigt.

Niebuhrstr. 78

Lene Schneider Kainer

Lene Schneider wurde am 16.5.1885 als Tochter des jüdischen Malers Sigmund Schneider in Wien geboren, wo sie auch ihr Studium begann, um es in München, Paris und Amsterdam fortzusetzen. 1910 heiratete sie den Maler Ludwig Kainer. Hier in der Niebuhrstraße 78 in Charlottenburg, wo sie von 1912 bis 1926 lebten versammelten sie einen Kreis von Künstlern und Intellektuellen um sich, darunter Else Lasker-Schüler, Herwarth Walden und Arnold Schönberg.

Nach der Scheidung 1924 eröffnete sie in der Rankestraße 14 einen exklusiven Wäscheladen und Kunstsalon. Sowohl die Verkaufsräume als auch die handgefertigte Wäsche entwarf sie selbst.

Mit dem Schriftsteller Bernhard Kellermann bereiste sie im Auftrag des Berliner Tageblattes 1926 Russland, Persien, Indien, Burma, Thailand, Vietnam, Tibet, Hongkong und China, und dies oft unter abenteuerlichen Umständen per Esel oder Karawane. Stets erregten ihre Erscheinung und Maltätigkeit Aufsehen.

In ihren Erinnerungen schrieb sie: “Wir reisten durch viele Länder und Regionen, in denen noch niemals fotografische Geräte gesehen wurden, wo die Eingeborenen entweder vor der Kamera flohen oder schier unüberwindliche Hindernisse durch ihre grenzenlose Wissbegierde aufbauten. Es war … unglaublich für sie, dass eine Frau Gesichter und Formen wie Briefe auf .Papier schrieb”.

Nach gut zwei Jahren kehrte das Team mit der transsibirischen Eisenbahn zurück. Mit im Gepäck war das Filmmaterial zu der Dokumentation Im Reich des Silbernen Löwen, für die Lene Schneider nicht nur gezeichnet, sondern auch fotografiert hatte. Die Arbeiten wurden in verschiedenen Berliner Museen und später auch in den USA ausgestellt. Lene Schneider malte, vor allem beeinflusst vom Impressionismus, ihre Ölbilder und Aquarelle atmosphärisch-farbbetont.

Auch für Zeitschriften wie zum Beispiel Die Dame illustrierte sie. 1931 erhielt sie ein Stipendium der Deutschen Akademie in Rom. Von einer Balearen-Reise 1932 kehrte sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nicht mehr zurück und lebte zunächst auf Mallorca, später auf Ibiza, wo sie in ihrem Haus eine gastoffene Künstlerkolonie gründete. Nach dem Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs emigrierte sie nach New York. Unter Pseudonym gab sie dort wasch- und kaubare Kinderbücher heraus, bevor sie 1954 nach Bolivien weiterzog.

In Cochabamba leitete sie mit ihrem Sohn eine Textilfabrik – mit dem Ziel, die einheimische Teppich- und Stoffherstellung zu fördern. Am 15.6.1971 starb sie im Alter von 86 Jahren in Cochabamba in Bolivien.

Bleibtreustr. 10-11

Mascha Kaléko

Die Gedenktafel wurde am 21.1.1990 enthüllt:

BERLINER GEDENKTAFEL
Hier lebte von 1936-1938
die Dichterin
MASCHA KALÉKO
7.06.1907-21.01.1975
Das Deutschland von damals
trieb sie ins Exil und verbot ihre Bücher.
Sie emigrierte 1938 nach New York,
lebte seit 1966 in Jerusalem.

In ihren späteren Jahren ist ein Grundthema ihrer Lyrik die Sehnsucht nach der verlorenen Heimat Berlin. In ihrem Gedicht “Minetta Street” heißt es:

Ich bin, vor jenen “tausend Jahren”,
Viel in der Welt herumgefahren.
Schön war die Fremde; doch Ersatz.
Mein Heimweh hieß Savignyplatz.

Mascha Kaléko wurde 1907 in Schidlow in Galizien im heutigen Polen geboren. Sie wuchs in einer russisch-jüdischen Familie auf und war Emigrantin schon als Kind: 1914 zog sie mit ihren Eltern nach Deutschland, 1918 nach Berlin-Spandau. Nach der Mittleren Reife arbeitete sie ab 1925 als Sekretärin für die jüdische Gemeinde, abends schrieb sie erste Gedichte und fand Anschluss an die Künstlerszene im Romanischen Cafe. Seit 1929 veröffentlichten verschiedene Zeitungen wie die Vossische oder das Berliner Tageblatt ihre Großstadtlyrik, die eine unnachahmliche Mischung aus Ironie und Melancholie prägte. 1933 erschien ihr erster Band mit Gedichten, die den Nerv der Zeit trafen und vom Alltag der kleinen Leute handeln.

Das “lyrische Stenogrammheft” war sofort ein großer Erfolg. Ein zweiter Gedichtband, “Das kleine Lesebuch für Große”, wurde nach seinem Erscheinen 1935 wegen Kalékos jüdischer Herkunft von den Nationalsozialisten verboten.

Mit ihrem zweiten Ehemann, dem Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver und dem zweijährigen Sohn emigrierte sie 1938 nach New York, wo sie – neben gelegentlichen Veröffentlichungen in deutschsprachigen Zeitschriften – hauptsächlich ihren Mann bei seiner Arbeit unterstützte, was 1960 zu einer Übersiedlung nach Jerusalem führte. Dort wurde Kaléko jedoch nie ganz heimisch. Pläne einer Rückkehr nach Berlin nach dem Tode ihres Mannes 1973 konnte sie nicht mehr verwirklichen. Erst in den 80er Jahren wurde ihr Werk von einer größeren Öffentlichkeit neu entdeckt.

Kantstr. 30

Else Ury

1995 wurde die Gedenktafel für Else Ury enthüllt:

In diesem Hause lebte von 1905 bis 1933
die Schriftstellerin
Else Ury
1.11.1877 – 12.1.1943
Die Verfasserin der “Nesthäkchen-Romane”
wurde 1935 aus der
Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen
1943 wurde sie nach Auschwitz deportiert
und dort umgebracht

Else Ury war das dritte von vier Kindern einer liberal-bürgerlichen Fabrikantenfamilie. die im Zentrum Berlins wohnte. Elses Interesse an Literatur und Theater wurde besonders von der musisch begabten und gebildeten Mutter Franziska gefördert. Vater Emil Ury, hauptberuflich Tabakfabrikant, machte sich auch als wortgewandter Festredner im alten Berlin einen Namen. Die vier Ury-Kinder erhielten die bestmögliche Schulbildung des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Else besuchte zehn Jahre eine angesehene städtische Mädchenschule. Zeitlich fielen ihre schriftstellerischen Erfolge mit dem Umzug der Familie 1905 in die Kantstraße zusammen.

Hier entstanden ihre Erfolgsserien über “Nesthäkchen” mit einer Auflage von 5 Millionen und “Professors Zwilling” mit einer Auflage von 7 Millionen. Else Ury wurde damit zur Lieblingsautorin mehrerer Mädchengenerationen. Insgesamt verfasste sie 38 Bücher und zahlreiche Erzählungen, die in Kinder- und Jugendkalendern gedruckt wurden.

1935 wurde Else Ury als Jüdin aus der Reichsschriftumskammer ausgeschlossen. Die 65jährige wurde am 12. Januar 1943 vom Bahnhof Grunewald aus deportiert, am 13. Januar im Konzentrationslager Auschwitz als arbeitsunfähig eingestuft und am selben Tag ins Gas geschickt.

Schlüterstr. 62

Else Lasker-Schüler

An dem Haus Katharinenstraße 5 in Halensee wurde am 22.11.1991 eine Gedenktafel für Else Lasker-Schüler und Herwarth Walden enthüllt.

In dem Haus, das früher hier stand, lebten und arbeiteten
von 1909 bis 1912

HERWARTH WALDEN
16.9.1878 – 31.10.1941
Verleger, Komponist ELSE LASKER-SCHÜLER
11.2.1869 – 22.1.1945
Schriftstellerin, Lyrikerin

Walden gründete hier 1910 seine Zeitschrift “Der Sturm”, Forum des Expressionismus. Emigrierte 1932 in die UdSSR, starb in stalinistischer Gefangenschaft.
Else Lasker-Schüler flüchtete 1933 in die Schweiz, starb verarmt in Jerusalem

Die 1869 in Wuppertal-Elberfeld geborene Else Lasker-Schüler lebte eine ruheloses Leben. Hier in Berlin lebte sie von 1900 bis 1933 und zwar zunächst bis 1901 zwei Jahre hier in der Schlüterstraße 62, dann Wielandstraße 3, Katharinenstraße 5 Nürnberger Straße 46, Kleiststraße 22, Nürnberger Straße 26 und Motzstraße 7. Ihr Lebensmittelpunkt war der Berliner Westen. Schauplatz ihres 1912 entstandenen Briefromans “Mein Herz” sind die Cafés rund um den Kurfürstendamm, in denen sie Stammgast war.

Als jüngstes von sechs Kindern des jüdischen Privatbankiers Aron Schüler und seiner Frau Jeanette verlebte Else eine behütete Kindheit in Wuppertal-Elberfeld. 1894 heiratete sie den Arzt Berthold Lasker, mit dem sie nach Berlin zog und im Tiergartenviertel ein eigenes Atelier einrichtete. Sie nahm privaten Malunterricht bei Simon Goldberg. Die Begegnung mit dem Dichter Peter Hille um 1898 dürfte sie ermutigt haben, konsequent ihren eigenen Weg als Künstlerin, und jetzt vor allem als Schriftstellerin, zu gehen. 1902 erschien ihr erster Gedichtband, “Styx”, mit dem ihr sofort der literarische Durchbruch gelang.

Nach der Scheidung von Lasker 1903 heiratete sie Georg Levin, den sie Herwarth Walden nannte. Er wurde als Musiker, Verleger und Förderer des Expressionismus berühmt. In den folgenden Jahren erschienen neben weiteren Lyrikbänden auch Theaterstücke und Erzählungen.

Sowohl ihre Zeichnungen, mit denen sie viele ihrer Bücher illustrierte, als auch ihre Dichtung sind geprägt von Motiven und Figuren, die aus einer orientalischen und alttestamentarischen Phantasiewelt stammen.

1932 erhielt sie den Kleist-Preis. Doch trotz ihres zunehmenden Ruhms war ihr Leben von Armut und Krisen geprägt; 1927 war der einzige Sohn Paul an Tbc gestorben. Nach der Scheidung von Walden hatte sie keine eigene Wohnung mehr. Sie lebte in Pensionen und Hotels, und die Cafes am Kudamm waren ihr eigentliches Zuhause.

Nachdem sie im April 1933 auf der Straße von Nazis überfallen worden war, verließ sie Berlin fluchtartig. Ihre Werke wurden verboten, ihre Zeichnungen 1937 als “entartet” verkauft. Sie emigrierte in die Schweiz und reiste nach Palästina. Nach Kriegsausbruch konnte sie von dort nicht mehr zurückkehren. 1945 starb sie arm und vergessen in Jerusalem.