Wir stehen hier auf dem Theodor-Heuss-Platz. Der Platz ist Teil der Ost-West-Verbindung, die am Alexanderplatz beginnt und über die Magistralen Unter den Linden, Straße des 17. Juni, Bismarckstraße und Kaiserdamm hierherführt. Der Platz wurde von 1904 bis 1908 als Schmuckplatz in dem neuen Wohnviertel Neu-Westend angelegt. In der ersten Zeit hieß er Reichskanzlerplatz.
Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, am 21. April 1933, wurde der Platz in Adolf-Hitler-Platz umbenannt. Albert Speer plante eine monumentale Kolonnade und ein Denkmal für Mussolini auf dem Platz. Die Säulen für das Monument wurden in Stuttgart angefertigt und stehen dort noch heute an der Neckartalstraße. Hier wurde die Basisplattform fertiggestellt, auf der man 1952 einen Brunnen errichtete. Am 31. Juli 1947 bekam der Platz seinen ursprünglichen Namen Reichskanzlerplatz zurück.
Am 12. Dezember 1963 starb der erste Bundespräsident der jungen Bundesrepublik, Theodor Heuss. 6 Tage darauf bekam der Platz seinen Namen und eine Gedenktafel wurde enthüllt.
Auf ihr steht: THEODOR HEUSS 31.1.1884 – 12.12.1963 1. BUNDESPRÄSIDENT DER BUNDESREPUBILIK DEUTSCHLAND VON 1949 – 1959
Theodor Heuss war von 1949 bis 1959 der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Der liberale Politiker und Journalist ist Gründungsmitglied der FDP nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Bundespräsident ist er bestrebt, das Demokratieverständnis der Deutschen zu fördern, dem Vergessen des Holocausts entgegenzuwirken und das Ansehen Deutschlands in der Weltöffentlichkeit zu verbessern.
Ab 1948 war er Mitglied des Parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland entwarf. Heuss hatte großen Einfluss auf Inhalt und Form des Grundgesetzes. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz mit großer Mehrheit vom Parlamentarischen Rat verabschiedet. 1949 wurde er zum ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Heuss prägte das Amt mit seiner überparteilichen Amtsführung. Als Repräsentant der demokratisch-liberalen und kulturellen Traditionen Deutschlands konnte er im In- und Ausland Vertrauen für die Nachkriegsrepublik gewinnen.
Nun drehen wir uns einmal zum Mahnmal:
1.1 Mahnmal mit der ewigen Flamme
Das Mahnmal mit der Ewigen Flamme wurde 1955 von den “Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen” auf dem damaligen Reichskanzlerplatz aufgestellt und von Bundespräsident Theodor Heuss durch das Entzünden der Flamme eingeweiht. Es handelt sich um einen Kunststeinquader mit einer eisernen Opferschale, in der eine ewige Flamme bis zur Wiedervereinigung brennen sollte. Sie wurde aber nach der Wiedervereinigung nicht entfernt, sondern als Denkmal für die Opfer von Flucht und Vertreibung erhalten.
Die Flamme wurde durch die GASAG AG am 30. September 2022 infolge des Ukrainekrieges gelöscht. Die Kritik daran war jedoch so groß, dass die Flamme nach 12,5 Tagen wieder angestellt wurde.
Dabei verfeuert die symbolische Opferschale laut Gasag pro Jahr rund 210.000 kWh – das entspricht dem Verbrauch von rund 15 Einfamilienhäusern oder fast 40 Ein-Personen-Haushalten.
Wir schauen auf die Westseite des Platzes: zum Blauen Obelisk.
1.2 Blauer Obelisk
Der 15 Meter hohe Brunnen wurde als Brunnenanlage konzipiert. Mit dem zentralen Monument, einem Obelisken aus bläulich schimmernden Glas, gewann die Berliner Künstlerin Hella Santarossa einen Wettbewerb. Sie besteht aus übereinander gestapelten Kuben aus mundgeblasenem blauem Antikglas und wurde 1995 fertiggestellt. Das Brunnenwasser wird mittels einer Pumpe von oben über die Skulptur laufen gelassen.
Wegen der Gefahr einer raschen Verkalkung befand sich jahrelang nur “stilles” Wasser im Brunnenbecken am Fuß der Skulptur.
An der Westseite stehen in blauer Farbe von der Künstlerin handschriftlich geschriebene Texte „Zur Geschichte und zu Fragmenten zu unserer Zeit“ (Geschichte des Theodor-Heuss-Platzes bis hin zur Entstehung des Denkmals). Die blaue Säule ist ein Symbol für Völkerverständigung und Frieden.
Mehr von Hella Santarossa werden wir auch noch sehen, wenn wir am alten Messegebäude am Hammersköld-Platz vorbeikommen. Dort hat sie 2000 Quadratmeter Glaskunst in den Fassaden geschaffen.
Wir drehen uns ein Stück weiter und schauen auf das weiße Gebäude:
1.3 Deutschlandhaus
Auf der südwestlichen Seite des Platzes wurden von 1928 bis 1930 zwei sechsgeschossige Geschäftshäuser im Stil der Neuen Sachlichkeit gebaut, das Deutschland- und das Amerikahaus. Architekt war Heinrich Straumer. In den Häusern gab es Hotels, Cafés, Läden und das Kino Oberon. Das Kino war ursprünglich für 1200 Zuschauer geplant, musste aber nach baupolizeilichem Einspruch und siebenjähriger Überarbeitungszeit des Entwurfes auf 750 Plätze reduziert werden. 1937 wurde das Deutschlandhaus von der Deutschen Reichspost für Fernsehzwecke ausgebaut und ein Jahr später der im Turm des Amerikahauses installierte Fernsehsender in Betrieb genommen. Am 1. November 1938 war der Beginn des regelmäßigen Studiobetriebs. 1943 wurde der Sender durch alliierte Bomben zerstört, das Gebäude dabei aber nur geringfügig beschädigt.
1954 erwarb der Sender Freies Berlin das Deutschlandhaus für seine Fernsehabteilung und sendete von hier aus von 1955 bis 1970. Im Deutschlandhaus befand sich bis zur Wende auch der Sitz der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin und der Deutschen Kinemathek sowie der Deutschen Welle. Das Amerikahaus wurde nach dem Krieg von den Britischen Streitkräften als Naafi-Club (Navy-Army-Air Force-Institution) genutzt.
1.4 Edinburgh House
Östlich des Deutschlandhaus‘ befindet sich das Edinburgh House, das heute Max-Kade-Haus heißt. Es war früher das Gästehaus der britischen Militärregierung. Es grenzt direkt an das Deutschlandhaus, von dem der britische Rundfunksender BFS (British Forces Network) von 1945 bis 1954 gesendet hat. Das Edinburgh House wurde nach Entwürfen von Werner Düttmann 1960 bis 1962 als sechsgeschossiger flachgedeckter Stahlskelettbau errichtet. Die Balkone sind mit weißen Keramik- und Aluminiumelementen verkleidet. Der östlichen Fassade ist ein Treppenhaus hinzugefügt. Mit dem Abzug der britischen Streitkräfte wurde das Edinburgh House auf Initiative Helmut Kohls und François Mitterands in eine Begegnungsstätte ausländischer Stipendiaten aus den vier Ländern der alliierten Schutzmächte umfunktioniert. Heute wird das Max-Kade-Haus als Wohnheim des Internationalen Studienzentrums Berlin betrieben. Dort können fortgeschrittene Studierende und junge Nachwuchsforscher:innen, vor
allem aus dem Ausland, günstige Wohnungen für ihren Studien- und Forschungsaufenthalt anmieten. Es gibt 66 barrierefreie möblierte Zimmer. Neben der Möglichkeit für den gemeinsamen Austausch im Max-Kade-Saal gibt es auch ein Kulturprogramm, zum Beispiel Autorenlesungen, Diskussionen mit Politikern und Exkursionen zu architektonisch und geschichtlich interessanten Städten und Orten.
Nun schauen wir auf das Berliner Kabarett-Theater rechts des Deutschlandhauses – hier befindet sich das Kabarett „Die Wühlmäuse“
1.5 Wühlmäuse
Die Wühlmäuse ist eine Kabarett-Bühne mit gleichnamigem Ensemble, das im Dezember 1960 von Dieter Hallervorden mit Wilfried Herbst und einigen anderen Schauspielerkollegen in Berlin gegründet wurde. Die Kabarettbühne „Die Wühlmäuse“ hatte ihr erstes Domizil ab 1960 in Teilen des ehemaligen Scala-Gebäudes in Berlin-Schöneberg. Mitte der 1960er erfolgte der Umzug in die wesentlich größeren Räumlichkeiten des Theaters an der Lietzenburger. Wegen steigender Mieten entschloss sich Hallervorden 40 Jahre nach der Gründung zu einem weiteren Umzug und erwarb das einstige Summit House (vormals Amerikahaus) am Theodor-Heuss-Platz in Berlin-Westend. Hier errichtete er ab 2000 einen Theatersaal mit zwei Ebenen und insgesamt 516 Sitzplätzen.
Namensgebend für das Kabarett-Ensemble war eine Maus, die während einer Probe eine Zeitlang auf einem Klavier saß.
Als Dieter Hallervorden in den 1970er-Jahren seine Didi-Figur entwickelte und darauf aufbauend die Nonstop-Nonsens-Sendungen entstanden, wurde das Ensemble aufgelöst. 1992 kehrte Dieter Hallervorden zurück zu seinen Wurzeln und dem politischen Kabarett.
Er gründete die Filmgesellschaft Halliwood und produzierte in den folgenden Jahren unzählige Sendungen und Satire-Serien.
2010 beging das Theater seinen 50. Geburtstag. Damit zählen Die Wühlmäuse auch weiterhin zu den traditionsreichsten Kabarett- und Comedybühnen Deutschlands.
1.6 Skulptur: Zwei Köpfe
Wenn Sie nun alle auf die andere Seite Richtung RBB-Haus schauen, sehen Sie gleich hier vorne zwei Skulpturen.:
Die zwei Kopfskulpturen, die Sie sehen, sind von Rainer Kriester. Einige von Ihnen erinnern sich vielleicht: Der Spaziergang im Oktober führte am ehemaligen Wohnhaus von Rainer Krieser in der Barraschsstraße vorbei, in dessen Garten auch einige seiner Kopfskulpturen zu sehen sind.
Diese beiden wurden 1989 aufgestellt. Sie sind 2,60 Meter hoch. Der dunkle Kopf heißt „Großes Berliner Kopfzeichen“ und ist aus Bronze. Das Gesicht ist von einer Maske bedeckt, die voller Einschnitte und Kerben ist. Der helle Kopf heißt „Großer verschnürter Kopf“ und ist aus Kalkstein. Bis auf den Mund ist er verschnürt, zugenäht und verhüllt.
Rainer Kriester wurde 1935 in Plauen geboren und starb 2002 in Italien. Er war vor allem Bildhauer. Ein großer Teil seiner künstlerischen Arbeiten aus den 1970er-Jahren sind abstrahierte Köpfe, wie diese hier, deren Oberflächen bearbeitet sind.
Wir gehen nun über die Ampel und auf dem Hammarskjöldplatz.