1967 mit dem Besuch des Schahs in der Deutschen Oper und den Protesten gegen ihn und dem tödlichen Schuss auf Benno Ohnesorg begann die heiße Phase der Studentenbewegung in Deutschland. Der Aufstand richtete sich gegen den Vietnam-Krieg und den Imperialismus auf internationaler Ebene und auf nationaler Ebene gegen die oft noch aus der Nazi-Zeit stammenden Autoritäten, die deutschen Notstandsgesetze und die Art und Weise der Presseberichterstattung, besonders der Springer-Presse. An den Universitäten wollte man eine grundlegende Hochschul- und Bildungsreform durchsetzen mit mehr Mitsprache und anderen Studieninhalten. Es ging um eine Demokratisierung der Gesellschaft und die Emanzipation aller Menschen.
Durch einen Zusammenschluss mit der arbeitenden Bevölkerung sollte [ich zitiere aus der taz vom 27. Januar 2018]
das System als Ganzes zum Umsturz gebracht werden.
Die Technische Universität stand in dieser Zeit oft im Mittelpunkt. Zum Beispiel rief Rudi Dutschke, einer der führenden Köpfe der Studentenbewegung, am 17.2.1968 auf dem Internationalen Vietnamkongress die Weltrevolution aus.
Am Gründonnerstag 1968 wurde auf Rudi Dutschke ein Attentat verübt, was er schwer verletzt überlebte, an dessen Folgen er aber elf Jahre später verstarb. Am Abend nach dem Attentat auf Rudi Dutschke versammelten sich hier im Audimax der TU an die 2000 fassungslose Studierende und Jugendliche. Mit der Nachricht vom Attentat auf Dutschke sprang der Funke der Revolte von West-Berlin nach West-Deutschland über. In 27 Städten kam es an den Ostertagen zu Protesten und Straßenkämpfen. Aber nicht nur die Studierenden radikalisierten sich, auch die öffentliche Meinung äußerte sich immer feindlicher. Man verstand die Forderungen der Studierenden als Angriff auf die eigenen Wertvorstellungen.
Mit und in Opposition zur Studentenbewegung entstand auch die neue Frauenbewegung. In linken Kreisen war die Frauenfrage ein sogenannter „Nebenwiderspruch“ der nach Lösung des „Hauptwiderspruchs“, das heißt nach der Revolution in der Gesellschaft, gelöst werden sollte. Damit wollten sich die Frauen nicht abfinden, sie wollten ihre Rechte jetzt. Das Private wurde politisch: Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, auf antiautoritäre, geschlechtsneutrale Erziehung durch beide Eltern, auf eine eigene Karriere der Frauen waren die wichtigsten Forderungen.
Ein Jahrzehnt später, in dem sogenannten Berufsverbotestreik in Berlin 1976/77 spielten die Studierenden der TU eine entscheidende Rolle, als sie sich in unerwartet großer Zahl dem von der Freien Universität ausgehenden Ausstand anschlossen.
Am 16. Dezember 1976 meldete der Der Tagesspiegel [ich zitiere]:
TU-Präsident Wittkowsky hat zu dem Boykott der Lehrveranstaltungen aus Protest gegen Berufsverbote und verschlechterte Studienbedingungen, der jetzt auf 15 Fachbereiche [von 21] der TU übergegriffen hat, erklärt, er unterstütze die wesentlichen Forderungen der Studenten und halte die studentischen Protestmaßnahmen für zulässig.
Bei den Protesten wurde auch starke Kritik an den miteinander verfeindeten sogenannten K-Gruppen geübt. Die K-Gruppen waren kleine sozialistisch-kommunistisch ausgerichtete Gruppen, die sich über die Auslegung von Karl Marx‘ Denken und den richtigen Weg zum Sozialismus stritten und in den Jahren zuvor die studentischen politischen Bewegungen dominiert hatten.
Während der bundesweiten Streikbewegung kam es auch zu einer Vielfalt praktischer Aktionen, die in die neuen sozialen Bewegungen mündeten.
Es wurden alternative Buchhandlungen gegründet (zum Beispiel die Buchhandlung Stodieck, die wir im Mai besucht haben), Anti-Atomkraftwerk-Initiativen kämpften gegen die Atommeiler, Bio- und Vollwertbäckereien sprossen wie Pilze aus dem Boden, Kinderläden wurden eingerichtet.
Im Januar 1978 fand hier im Audi Max der TUNIX-Kongress statt. Er markiert das Ende der Dominanz der 68er-Generation und den Übergang zur alternativen Projektarbeit der 70er- und 80er-Jahre, u.a. wurde im Oktober 1978 die Alternative Liste Berlin gegründet.
Hier eine Zusammenfassung aus der taz vom 27.1.2018:
[…] zehn Jahre nach 68 [waren] die Fundamente für eine buntere, offenere, alternative Bundesrepublik längst gelegt. [… Der TUNIX-Kongress wurde] zu so etwas wie einem Treibhaus oder einem Nährboden oder vielleicht auch zum Richtfest der bundesrepublikanischen Alternativkultur und damit zum Teil der deutschen Gesellschaftsgeschichte. […] Entscheidend aber war ein Paradigmenwechsel, der sich eben erst nach 68 vollzog und durch Tunix institutionalisiert wurde:
der Wechsel vom Veränderungswillen des Ganzen dazu, die bestehenden Strukturen sozusagen links liegen zu lassen, die in ihnen entstandenen Nischen kreativ zu nutzen und so eine alternative Infrastruktur aufzubauen. […] Den Initiativgruppen von 78 ging es um die Durchsetzung konkreter Projekte. Alternative Parteien, alternatives Leben, alternative Zeitungen. Verbunden mit der Hoffnung, dass diese vielen kleinen Projekte in ihrer Fülle und Diversität zur Entwicklung einer besseren Gesellschaft zusammenfinden würden.
Wir alle wissen aber auch: In diese Zeit fiel auch die Verirrung, zu Gewalt und Terror zu greifen. Beispielhaft sei hier an die RAF erinnert, die vor Morden nicht zurückschreckte. Der demokratische Rechtsstaat war hier aufs Äußerste gefordert.
Ähnlich wie heute, wo nach den Morden der NSU und beispielhaft mit Blick auf die schlimmen Ereignisse in Chemnitz die demokratische Zivilgesellschaft Flagge zeigen muss. Ich war gestern beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zum Bürgerfest eingeladen und auch er fand klare Worte für Menschlichkeit und Zusammenhalt! Ich zitiere:
Menschlichkeit ist, was uns verbindet und wärmt. Ohne sie gelingt kein Zusammenhalt, ohne sie ist jedes Zusammenleben schwer. Menschlichkeit ignoriert nicht Unterschiede, Vorlieben und Abneigungen, sie ignoriert nicht Angst und Ärger. Aber sie ist ein Schutz, dass nicht alles, was Unzufriedenheit hinterlässt, in grenzenlose Wut und offenen Hass umschlägt. Eine offene Gesellschaft, wie sie die Mehrheit in unserem Land will, leugnet nicht die Schattenseiten und muss die Debatte über diese Schattenseiten auch wollen. Aber vor allem ist sie ein Angebot, nicht nur das Düstere zu sehen, sondern sich um das Licht zu versammeln. Sie muss Offenheit zeigen, auch Kritik und abweichende Meinungen zulassen. Aber – und darauf kommt es mir an: sie darf sich nicht einschüchtern lassen! Und deshalb ist es gut, dass Menschen nicht nur gegen etwas auf die Straße gehen; es ist gut, dass sich auch diejenigen, die für Demokratie und für Zusammenhalt stehen, zeigen.
Wir gehen nun mit Frau Schubert in den Lichthof der TU, wo uns Frau Schubert Aktuelles zur TU Berlin sagen wird.