98. Kiezspaziergang am 13.2.2010
Vom Adenauerplatz zur Kommunalen Galerie
Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: Adenauerplatz, U-Bahnausgang Lewishamstraße Ecke Wilmersdorfer Straße
Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 98. Kiezspaziergang. Wir wollen
heute am Ende unseres Spaziergangs unsere Kommunale Galerie am
Hohenzollerndamm besuchen. Dort können Sie sich dann nicht nur
aufwärmen, sondern die aktuelle Ausstellung unter dem Titel
“Kunstaffaire Charlottenburg-Wilmersdorf” studieren
und sich von der Leiterin Elke von der Lieth über die
Geschichte und die Zukunftspläne der Kommunalen Galerie
informieren lassen. Unterwegs werden wir unter anderem das
jüdische Bildungs- und Familienzentrum besuchen, das uns
Rabbiner Teichtal selbst vorstellen wird.
Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen mitteilen, wo der
Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang sein wird.
Wie Sie wissen findet unser Kiezspaziergang immer am zweiten
Sonnabend des Monats statt, also das nächste Mal am 13. März
2010, und Start ist wie immer um 14.00 Uhr, und zwar am
S-Bahnhof Grunewald vor dem Bahnhofsgebäue. Der März ist für
uns in Charlottenburg-Wilmersdorf traditionell der Frauenmonat,
denn am 8. März ist der Internationale Tag der Frau, und wir
haben bisher in jedem Jahr auf den Kiezspaziergang einen
entsprechenden Schwerpunkt gelegt.
Am Rande der Villenkolonie, auf dem Gelände des früheren
Güterbahnhofs Grunewald, entsteht eine neue Wohnsiedlung. Eine
neue Straße zur Erschließung dieser Siedlung wurde nach einer
Frau benannt, und zwar nach Hilde Ephraim. Und in der
Villenkolonie haben viele bedeutende Frauen gelebt, darunter
Vicki Baum, Judith Kerr, Brigitte Bermann Fischer und Isadora
Duncan. Es ist also ein besonders interessanter Ort für einen
Spaziergang im Frauenmonat März.
Zu unserem 100. Kiezspaziergang im April habe ich eine Anregung
aus Ihrem Kreis aufgegriffen und den Regierenden Bürgermeister
Klaus Wowereit als prominenten Charlottenburg-Wilmersdorfer
eingeladen.
Ich bin gespannt, ob er dabei sein wird. Beim nächsten Mal
kann ich Ihnen mehr sagen.
Adenauerplatz
Die Beziehung zwischen Konrad Adenauer und Berlin war nicht
ganz einfach. Am 26. April 1967, eine Woche nach Adenauers Tod,
wurde der Kaiserdamm umbenannt in Adenauerdamm. Gegen diese
Umbenennung aber gab es so heftige Proteste, dass sie bereits
am 15. Januar 1968 wieder rückgängig gemacht wurde.
Ersatzweise hat man dann, 5 Jahre später, am 21. Juni 1973
diesen Platz nach Adenauer benannt. Der Platz war neu
entstanden durch einen Umbau der Straßenkreuzung. Die
Wilmersdorfer Straße wurde verkürzt und verschwenkt, so dass
sie nicht mehr direkt in den Kurfürstendamm einmündet,
sondern in die Lewishamstraße.
Seit dem Frühjahr 2005 ist Konrad Adenauer auf seinem Platz am
Kurfürstendamm auch selbst präsent.
Dank einer Stiftung des Unternehmers Hans Wall konnten wir am
19.4.2005 die 1,85 m hohe Bronzestatue von Helga Tiemann
enthüllen.
Mit dabei war die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel, die damals
noch nicht als Nachfolgerin Konrad Adenauers im Kanzleramt
saß. Die Statue wurde von Helga Tiemann geschaffen. Sie zeigt
einen dynamischen Adenauer mit wehendem Mantel und Hut in der
Hand. Als Vorbild diente ein legendäres Foto vom 21.9.1949. Es
zeigt Adenauer beim Verlassen des Sitzes der Hohen Kommission
auf dem Petersberg in Königswinter bei Bonn. Dabei hatte er
bewusst die Anweisung missachtet, nicht auf den Teppich zu
treten, auf dem die Vertreter der Besatzungsmächte standen. Er
demonstrierte damit Selbstbewusstsein der neu entstehenden
Bundesrepublik Deutschland.
Einige Meter hinter der Figur von Konrad Adenauer erinnert ein
Gedenkstein aus rotem Granit an den Tod des damals 19jährigen
Mete Eksi. Der Text auf dem Stein lautet:
METE EKSI
GEB. 1972 STARB
AM 13. NOVEMBER 1991 AN DEN
SCHWEREN VERLETZUNGEN DIE
ER
AN DIESEM ORT BEI EINER
GEWALTÄTIGEN AUSEINANDERSETZUNG
ZWISCHEN BERLINER JUGENDLICHEN
UNTERSCHIEDLICHER HERKUNFT ERLITT
GEGENSEITIGER RESPEKT UND
DER WILLE
ZUR GEWALTFREIHEIT HÄTTEN
SEIN
LEBEN SCHÜTZEN KÖNNEN
Mete Eksi selbst war gar nicht an der Auseinandersetzung
beteiligt, sondern er wollte schlichtend eingreifen. Das wurde
ihm zum Verhängnis.
1992 haben die GEW BERLIN und der Türkische Elternverein den Mete-Eksi-Fonds gegründet, um jährlich einen Preis an Kinder und Jugendliche zu vergeben, die sich in besonderem Maße für das friedliche Zusammenleben von Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft in Berlin bemüht haben.
Der Straßentunnel unter dem Kurfürstendamm wurde 1972
eröffnet. Im Rahmen der Untertunnelung des Kurfürstendammes
wurde 1974 auch der Platz neu angelegt mit Pflasterung, Bäumen
und Sitzbänken. Im Zentrum steht die Brunnenskulptur
“Säule in der Brandung” aus Chromnickelstahl mit
einem flachen Rundbecken aus Stein von Brigitte und Martin
Matschinsky-Denninghoff.
Der U-Bahnhof wurde 1978 eröffnet. Er ist angelegt als
Kreuzungsbahnhof, denn die Kurfürstendammlinie sollte über
den Bahnhof Uhlandstraße hinaus bis zum Henriettenplatz
verlängert werden. Diese Planungen wurden bisher nicht wieder
aufgegriffen.
An der Ecke Kurfürstendamm 70 / Lewishamstraße baute Helmut
Jahn 1992 bis 1994 das schmalste Bürogebäude Berlins auf
einem nur 2,5 Meter tiefen Grundstück mit einer
Stahl-Glasfassade.
Zur Vergrößerung der Grundfläche kragt das Gebäude ab der
ersten Etage fünf Meter vor. – Die ungewöhnliche
Grundstückssituation ergab sich aus dem Abriss eines Hauses im
Zuge der Straßenverbreiterung und der Untertunnelung des
Kurfürstendammes. Mieter sind vor allem Anwaltskanzleien.
Kurfürstendamm
Über den Kurfürstendamm will ich Ihnen heute nicht viel
erzählen. Er ist seit der Zeit um 1900 Deutschlands
bekanntester Boulevard. Das ist er bis heute geblieben, und
sein Markenzeichen ist der schnelle Wandel, denn ein Boulevard
muss immer up to date sein. Aber wir müssen auch aufpassen,
dass der Kurfürstendamm seine Vielfalt behält. Denn die
besondere Mischung macht’s. Als reine Geschäftsstraße
wird er seine Besonderheit verlieren. Eine Reihe von Kinos
mussten schließen, und noch immer kämpfen wir um den Erhalt
der beiden Bühnen Komödie und Theater am Kurfürstendamm. Sie
sind lebensnotwendig für den Boulevard denn entscheidend für
den Erfolg war von Anfang an die Mischung: Kunst und Kommerz,
Kultur und Gastronomie, Wohnen, Einkaufen, Amüsement, Sehen
und Gesehen Werden.
Brandenburgische Straße
Als wichtigste Verbindungsstraße zwischen Charlottenburg und
Wilmersdorf hieß diese Straße bis 1885
“Charlottenburger Weg” und danach bis 1888
“Wilmersdorfer Chaussee”, bevor sie schließlich
ausgebaut und in Brandenburgische Straße umbenannt wurde.
Brandenburgische Str. 36: Lotto-Haus, Gedenktafel für
Moriz Seeler
Die erste Berliner Stadtlotterie wurde am 16. August 1945 von
der Alliierten Kommandantur genehmigt. Durch ein Gesetz des
Landes Berlin wurde am 28.7.1952 die Zahlenlotterie der
Deutschen Klassenlotterie Berlin erlaubt, und die DKLB wurde eine Anstalt öffentlichen Rechts, die
zunächst bei der Landesfinanzverwaltung im Haus Cumberland am
Kurfürstendamm 193/194 untergebracht war. 1954/55 wurde hier
an der Brandenburgischen Straße 36 das Lotto-Haus gebaut und
1956 bezogen.
Im Lotto-Haus arbeiten 190 Beschäftigte. Inzwischen werden
jährlich rund 30 Millionen Spielaufträge bearbeitet. Seit
Juni 1997 werden die Spielaufträge in der Verkaufsstelle
elektronisch erfasst und per Datenleitung in die Zentrale im
Lotto-Haus geschickt.
Am 4. November 2000 wurde an dem Haus eine Gedenktafel für
Moriz Seeler enthüllt. Sie trägt folgenden Text:
An dieser Stelle wohnte
von 1916 bis Mitte der 20er Jahre
Moriz Seeler
Jüdischer Dichter
Filmproduzent und Theaterleiter
Der ‘Jungen Bühne’
Geb. 1896 in Greifenberg
1942 Deportiert nach Riga und dort
verschollen
Die Erneuerung des Berliner Theaters nach dem Ersten Weltkrieg, sein Aufblühen in der Weimarer Republik, sind durch die von Dr. Moriz Seeler im Jahre 1921 begründete “Junge Bühne” wesentlich angeregt und gefördert worden. Die “Junge Bühne existierte bis 1927.
Unter der Leitung von Moriz Seeler konnten nicht nur in der
“Jungen Bühne”, sondern auch am Deutschen Theater,
am Lessing- und Renaissance-Theater und im Theater am
Schiffbauerdamm die Werke junger Dramatiker vorgestellt und
durchgesetzt werden, die wegen ihrer gesellschaftskritischen
Tendenz und formalen Neuheit sonst nur geringe Chancen gehabt
hätten. Dazu gehörten Stücke von Arnolt Bronnen, Ernst
Weiß, Carl Zuckmayer, Bertolt Brecht und Marieluise Fleisser.
Auch neue Regietalente wie Leopold Jessner, Heinz Hilpert und
Lothar Müthel hat Moriz Seeler gefördert.
Seiner jüdischen Herkunft wegen war Seeler gezwungen, seine
Heimat zu verlassen. Er ging nach Wien, kehrte aber noch einmal
nach Berlin zurück. Im November 1938 wurde er verhaftet und in
ein Konzentrationslager eingeliefert, doch nach ein paar Wochen
entlassen. Er hielt sich dann illegal in Berlin auf und wurde
unter anderem von Isolde Kauffmann und Michael Piel vom
Tanzensemble der Deutschen Staatsoper unterstützt. Seeler
wohnte heimlich bei Piel in Wilmersdorf in der Mommsenstraße
53. 1942 fand er bei dem Schriftsteller August Scholtis in der
Joachimsthaler Straße 15 in Wilmersdorf illegal
Unterkunft.
Kurz darauf wurde er verhaftet und 1942 von den Nazis nach Riga
deportiert und vermutlich umgebracht. Trotz seiner Popularität
damals scheint er in Deutschland in Vergessenheit geraten zu
sein. Inzwischen wurde auch ein Straße in Adlershof nach Moriz
Seeler benannt.
Xantener Straße
Die Straße wurde bereits 1892 nach der Stadt in
Nordrhein-Westfalen benannt.
Xantener Str. 23: Gedenktafel für Felix
Nussbaum
Die Berliner Gedenktafel für Felix Nussbaum wurde 1989
enthüllt:
In dem Haus, das früher hier stand
lebte und arbeitete von 1928 bis 1932
FELIX NUSSBAUM
11.12.1904 – 9.8.1944
Maler des Neuen Realismus, seit 1933 in der Emigration,
zuletzt in Belgien. 1944 in seinem Brüsseler Versteck
von der Gestapo verhaftet, nach Auschwitz
deportiert und dort ermordet
Felix Nussbaum wurde 1904 als Sohn des jüdischen
Eisenwarenhändlers Philipp Nussbaum und seiner Ehefrau Rahel
in Osnabrück geboren. Seit 1923 studierte er an der
Kunstakademie in Berlin, und seit 1928 lebte er hier in der
Xantener Straße mit der polnischen Malerin jüdischen Glaubens
Felka Platek zusammen. Von 1929 bis 1933 zeigte er seine Werke
in den Ausstellungen der Berliner Secession. Von 1932 bis 1935
lebte er überwiegend in Italien, bevor er schließlich nach
Ostende ging. 1937 heiratete er dort Felka Platek. Nach dem
Einmarsch deutscher Truppen in Belgien 1940 wurde Felix
Nussbaum als “unerwünschter Ausländer” verhaftet.
Während eines Transports nach Bordeaux gelang ihm die
Flucht.
Von 1942 bis 1944 lebte er mit seiner Frau versteckt im Haus
eines befreundeten Kunsthändlers in Brüssel. 1943 malte er
sein “Selbstbildnis mit Judenpaß” und 1944 sein
Bild “Triumph des Todes”.
Am 20. Juni 1944 wurden Felix Nussbaum und seine Frau
denunziert und in Brüssel von der Wehrmacht verhaftet. Am 31.
Juli wurden beide mit dem letzten Deportationszug vom
Sammellager Mechelen in das Vernichtungslager Auschwitz
verschleppt.
Am 2. August wurde Felix Nussbaum dort ermordet. Seine Frau
wurde aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls in Auschwitz
umgebracht.
Felix Nussbaum war in den ersten Nachkriegsjahren nur wenigen
Kunstfreunden bekannt. Er wurde in den 1980er Jahren als
bedeutender Künstler wiederentdeckt. In seiner Geburtsstadt
Osnabrück wurde 1998 ein von Daniel Libeskind entworfenes
Felix-Nussbaum-Haus eröffnet. Dort werden 170 Werke von ihm in
einer Dauerausstellung gezeigt.
Xantener Str. 20: Stolperstein für Elen
Cahen
In diesen Wochen sind die meisten Stolpersteine unter Schnee
und Eis nicht zu sehen. Aber das Stolpersteine-Projekt des
Kölner Bildhauers Gunter Demnig ist eine erstaunliche und
erfreuliche Erfolgsgeschichte. 1996 hat Gunter Demnig in Köln
die ersten Stolpersteine verlegt: 10 × 10 cm große aus
Beton gegossene Steine mit eingelassener Messingtafel, in die
der Künstler mit Hammer und Schlagbuchstaben “Hier
wohnte”, Namen, Jahrgang und Stichworte zum weiteren
Schicksal eines einzelnen Menschen einstanzt.
Die im Gehweg vor dem früheren Wohnort eingelassenen
Stolpersteine sollen an die Opfer von Holocaust und Euthanasie
in der Zeit des Nationalsozialismus erinnern. Entscheidend ist
dabei die persönliche Erinnerung an die Namen der Opfer.
Inzwischen hat Gunter Demnig über 22.000 Steine in etwa 530
Städten und Gemeinden in Deutschland, den Niederlanden,
Belgien, Österreich, Polen, Tschechien, der Ukraine und Ungarn
gesetzt. In Charlottenburg-Wilmersdorf wurden bisher rund 700
Stolpersteine verlegt, und in diesem Jahr werden wohl rund 900
weitere hinzu kommen.
Hier, vor dem Haus Xantener Straße 20, erinnert ein
Stolperstein mit folgendem Text an Ellen Cahen:
HIER WOHNTE
ELLEN CAHEN
GEB. PLAUT
JG. 1886
DEPORTIERT 19.02.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET
Konstanzer Straße
Die Konstanzer Straße wurde 1908 nach der Stadt am Bodensee
benannt.
Konstanzer Str. 54 Ecke Zähringerstraße: Geburtshaus
von Heinz Berggruen
In dem Haus, das früher hier stand, wurde am 6.1.1914 Heinz
Berggruen geboren. In seinem Buch “Hauptweg und
Nebenwege” schrieb er:
“Wurde ich als Kind gefragt, wo ich herkäme, sagte ich
nicht, aus Berlin, sondern antwortete: aus Wilmersdorf, und das
war nicht etwa Ausdruck von Snobismus oder kindlichem Trotz,
sondern entsprach den städtischen Realitäten vor 1914.
‘Wilmersdorf war wirklich beinahe noch ein Dorf’,
schrieb ich 1935 in der Frankfurter Zeitung.
Dort wor jetzt Neubauten in langen Reihen stehen, waren weite,
freie Plätze, und die Häuser bildeten eigentlich nur die
Ausnahmen. Die Straßen waren teilweise noch nicht gepflastert,
und von den städtischen Errungenschaften wie Kinos,
Konditoreien und so weiter konnte man in Wilmersdorf nichts
merken…. Meine eigentliche Heimat blieb Wilmersdorf. Hier
kenne ich so ziemlich jedes Haus, jede Straße, jeden Platz. Im
Preußenpark haben wir uns mit den Jungen der Nebenklasse
herumgeprügel, und auf dem Fehrbelliner Platz, wo alljährlich
einmal Zirkus Krone seine Zelte aufstellte, sah ich zum ersten
Mal Löwenbändiger, Seiltänzer und Jongleure.”
In seinem Buch “Spielverderber, nicht alle”, hat
Heinz Berggruen die elterliche Wohnung beschrieben: “Vor
dem Krieg wohnten wir im Berliner Westen in einem
gutbürgerlichen Haus, das dann im Krieg total zerstört und
später von einem scheußlichen Plattenbau ersetzt wurde.
Unsere Wohnung im ersten Stock bestand aus einer Diele, einer
Art Berliner Zimmer, einem Flur, der zur linken Seite auf die
Küche, das Badezimmer und eine trostlos fensterlose Kammer
führte, in dem Mariechen,unser pommersches
“Mädchen” untergebracht war. Am Ende des Flurs lag
das Schlafzimmer meiner Eltern, daneben, auf der anderen Seite
vom Korridor, war mein eigenes Schlafzimmer, dann kam das
Eßzimmer, ein großer Salon und schließlich das sogenannte
Herrenzimmer.”
Die Eltern hatten mit ihrem Schreibwarengeschäft am Olivaer
Platz ein gutes Einkommen.
Heinz Berggruen emigrierte 1936 nach San Francisco und erwarb
die amerikanische Staatsbürgerschaft, kam 1941 als US-Soldat
zurück nach Europa und eröffnete 1947 eine eigene Galerie in
Paris. Er wurde zu einem der international angesehensten
Experten für die Kunst der klassischen Moderne. Mit Pablo
Picasso verband ihn eine enge Freundschaft. Er baute eine der
weltweit bedeutendsten Privatsammlungen mit Werken der
Klassischen Moderne auf, die er 1995 seiner Vaterstadt Berlin
als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte. Sie wurde am 6.
September 1996 im westlichen der beiden Stülerbauten
gegenüber dem Schloss Charlottenburg unter dem Titel
“Picasso und seine Zeit – die Sammlung
Berggruen” eröffnet, später in “Museum
Berggruen” umbenannt. Am 21. Dezember 2000 ging die
Sammlung in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
über. Picasso ist mit 80 Exponaten vertreten, den zweiten
Schwerpunkt bilden Arbeiten von Paul Klee. Das Museum ist einer
der bedeutendsten kulturellen Anziehungspunkte Berlins.
Berggruen selbst wohnte seit 1996 in seinem Museum, mischte
sich häufig unter die Besucherinnen und Besucher seiner
Kunstwerke und war stolz auf seine Charlottenburger Adresse
Schloßstraße 1.
Bereits 1973 hatte Berggruen seine amerikanische
Staatsbürgerschaft aufgegeben und wieder die deutsche
angenommen: “Obwohl es mir in Paris gutging, sah ich
nicht ein, warum ich mich um einen französischen Pass bemühen
sollte. Es erschien mir viel sinnvoller, die Nationalität
wieder zu erwerben, die mir ein barbarisches Regime ein halbes
Menschenalter zuvor weggenommen hatte. Durch Sprache,
Literatur, Geschichte und durch die deutsche Landschaft habe
ich Bindungen an meine Heimat, die kein ‘Tausendjähriges
Reich’ je zerstören konnte.”
Er starb am 23.2.2007 in Paris und wurde in Berlin auf dem
Dahlemer Waldfriedhof beerdigt. Die Erben von Heinz Berggruen
wollen das Museum um fünfzig Werke der Klassischen Moderne
erweitern, darunter Picasso, Matisse, Klee und Cézanne.
Berggruens Bücher sind bewegende Zeugnisse seiner großen
Heimatliebe: “Auf den Haupt- und Nebenwegen des Sammelns
führten die Spuren zurück zu meinen Anfängen, ins Berlin
meiner Kindheit und Jugend. Dies erscheint mir als glückliche
Fügung. Ich verstehe diesen Schritt aber auch als ein Zeichen
der Versöhnung, als einen Beitrag zur Anerkennung und
Bestätigung eines wieder in die Völkergemeinschaft
integrierten, friedfertigen und demokratischen Staates. …
Mein Freund Ernst Stiefel sagte: ‘Man kann einen Menschen
aus der Heimat vertreiben, aber nicht die Heimat aus dem
Menschen.’ … Mit zweiundzwanzig Jahren bin ich aus
Berlin fortgegangen, in eine ungewisse Zukunft. Als
Zweiundachtzigjähriger bin ich zurückgekommen. Und das ist
gut so.”
Zähringerstraße
Die Zähringerstraße wurde 1910 benannt, und sie wird sehr
häufig fälschlicherweise in zwei Wörtern geschrieben. Aber
der Name hat nichts mit dem Freiburger Ortsteil
“Zähringen” zu tun. Sondern die Straße wurde
benannt nach dem süddeutschen Fürstengeschlecht der
“Zähringer” und wird deshalb in einem Wort
geschrieben. Das Gleiche trifft auch auf die benachbarte
Wittelsbacherstraße zu.
Zähringerstr. 13: Gedenktafel für Anita
Berber
Die polierte Messingtafel für Anita Berber mit dem Bildnis der
Künstlerin wurde von dem Bildhauer Hans Scheib entworfen und
am 10.11.2003 zu ihrem 75. Todestag enthüllt. Sie enthält
folgenden Text:
In diesem Hause lebte von 1919-1928
Anita Berber (1899 – 1928)
Tänzerin und Schauspielerin
Anita Berber war wohl vor allem eine begnadete
Selbstdarstellerin. Ricarda D. Herbrand schrieb über sie in
ihrem Buch “Göttin und Idol”:
“Anita Berber galt als verrucht, Vamp und Femme fatale,
das Sinnbild des puren Exzesses und der neuen, begehrenden Frau
zugleich… Ihre exzessive Lebensweise sorgte immer wieder
für Anstoß und Aufsehen. Sie zog Skandale förmlich an, sie
nahm Morphin und Kokain, trank pro Tag eine Flasche Cognac und
prügelte sich mit jedem, der ihr quer kam. Ihre
Hemmungslosigkeit verkörperte den wilden Drang ihrer
Generation zu leben, ohne Gedanken an eine schon verlorene
Zukunft. …
1925 stand sie komplett nackt für Otto Dix Modell, der sie so
alt malte, wie sie nie wurde: ausgezehrt, eingefallen, faltig,
der Mund blutrot, der Teint blass und die Augen todesdunkel.
… Ihre oft nackt dargebotenen Tänze mit Titeln wie
„Kokain“ oder „Tänze des Lasters, des Grauens und der
Ekstase“ führten immer wieder zu tumultartigen Szenen
während der Auftritte. Bald war sie bekannt und ebenso
skandalumwittert und berüchtigt.
1920 trat Anita Berber im Kabarett „Schall und Rauch“ auf.
In den weiteren Jahren erhielt sie mehrere internationale
Engagements und auch Filmangebote.
Sie drehte mit Richard Oswald “Unheimliche
Geschichten”. Anita Berber war berüchtigt für ihre
Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit. So manches Mal fiel
ein Auftritt aus, weil sie betrunken war oder von Morphium und
Kokain benebelt.“
Soweit der Auszug aus dem Buch „Göttin und Idol“.
1927 machte sie eine ausgedehnte Tournee durch den Nahen Osten.
Am 13. Juni 1928 brach sie in Damaskus auf der Bühne zusammen.
Geschwächt durch langjährigen Drogenmissbrauch erkrankte sie
unheilbar an Tuberkulose. Nur mit Hilfe von Spenden konnte sie
nach Berlin zurückkehren, wo sie im Alter von 29 Jahren am 10.
November 1928 im Bethanien-Krankenhaus an den Folgen ihrer
Tuberkulose starb.
Bayerische Straße
Die Straße wurde 1908 nach dem Freistaat Bayern benannt.
Wittelsbacherstraße
Die Straße wurde 1910 nach dem bayerischen Herrschergeschlecht
der Wittelsbacher benannt.
Wittelsbacherstr. 18: Gedenktafel für Will
Meisel
Die Berliner Gedenktafel am Haus Wittelsbacherstraße 18 wurde
1988 enthüllt. Der damals noch ziemlich unbekannte
Musikstudent Max Rabe sang dazu, begleitet vom Palast
Orchester, Lieder von Will Meisel.
Der Text auf der Gedenktafel lautet:
Hier lebte und wirkte ab 1934
WILL MEISEL
17.9.1897 – 29.4.1967
Operetten- und Filmkomponist
Gründer der Meisel Musik- und Bühnenverlage
Will Meisel wurde 1897 in Berlin-Neukölln, im damaligen
Rixdorf geboren. Seit 2008 erinnert dort an dem Haus
Jonasstraße 22, wo er lange gelebt hat, eine zweite
Gedenktafel an ihn. Will Meisel wurde zunächst Tänzer an der
Königlichen Hofoper und an der Staatsoper Berlin. 1926 wurde
er Verleger und gründete die Edition Meisel & Co., in der
er vor allem eigene Musiktitel veröffentlichte. Am 1. Mai 1933
wurde er Mitglied der NSDAP. Während
der Zeit des Nationalsozialismus schrieb er vor allem populäre
Filmmusik und Operetten.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde er als Verleger und
Komponist “unabkömmlich” (uk) gestellt, musste
also nicht als Soldat in den Krieg.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb Meisel in Berlin und
wurde auch als Filmproduzent tätig. Er wurde mit dem
Paul-Lincke-Ring und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Will Meisel schrieb die Musik zu 44 Tonfilmen, 8 Operetten
sowie unzählige Evergreens und Lieder, darunter vielleicht
sein bekanntestes “Berlin bleibt doch Berlin”.
Seine Operetten Königin einer Nacht und Die Frau im Spiegel
wurden verfilmt.
Will Meisel und Eliza Illiard wurden auf dem Friedhof
Wilmersdorf beigesetzt.
In dem Haus befindet sich auch heute noch die Geschäftsstelle
der von Will Meisel 1926 gegründeten Meisel Musikverlage.
Brandenburgische Str. 17: Erich Hamann
KG
Die Firma Hamann wurde 1916 am Kurfürstendamm gegründet. 1928
siedelte sie in die Brandenburgische Straße um. Die
Inneneinrichtung des Ladengeschäftes blieb seither
unverändert, ebenso die zum Markenzeichen avancierte
altmodisch gemusterte Verpackung mit der blauen Schleife.
Hamann ist bekannt als Hersteller bitterer Schokoladen in der
dritten Generation und vertreibt seine Produkte weltweit.
Brandenburgische Str. 18: Frauenhotel
Artemisia
Das Hotel wurde 1989 als erstes Frauenhotel Deutschlands
eröffnet und konnte im letzten Jahr sein 20jähriges Bestehen
feiern. Es beherbergt ausschließlich weibliche Gäste. 2006
wurde es als frauenfreundlichster Betrieb des Bezirks
Charlottenburg-Wilmersdorf ausgezeichnet. Inzwischen gibt es in
vielen deutschen Städten Hotels nur für Frauen.
Brandenburgische Str. 51: Ev.
Daniel-Kirche
Die Kirche wurde 1965-67 von Bodo Fleischer errichtet. Die
zweigeschossige dreiflügelige Anlage mit Saaltrakt,
Kindertagesstätte und Wohntrakt wurde am 17.9.1967 eingeweiht.
Münstersche Straße
Münstersche Str. 6: Jüdisches Bildungs- und
Familienzentrum Chabad Lubawitsch mit Synagoge und Tora
Kolleg
Das alte Umspannwerk der Bewag an der Münsterschen Straße 6
wurde im Auftrag der jüdisch-orthodoxen Vereinigung Chabad
Lubawitsch von dem russischen Architekten Sergei Tchoban
umgebaut zu einem Bildungs- und Familienzentrum mit Synagoge,
Kita, Medienzentrum, Mehrzweckräumen und einer Nachbildung der
Jerusalemer Klagemauer auf rund 1.000 Quadratmetern. Es ist das
größte jüdische Bildungszentrum in Europa und eine
Begegnungsstätte verschiedener Kulturen. Am 18.2.2007 wurde
mit einer feierlichen Zeremonie die neue Tora-Rolle
eingeführt. Am 2.9.2007 war die Einweihung mit
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Die Szloma-Albam-Stiftung, die jüdisches Leben und jüdische
Bildung in Deutschland unterstützt, hatte den Kauf des
Bewag-Gebäudes mit unterstützt. Finanziert wurde der Bau
durch zahlreiche Spenden. Zum Schuljahresbeginn 2008 wurde ein
Tora-Kolleg eröffnet, das am 14.10.2009 vom Regierenden
Bürgermeister Klaus Wowereit offiziell eingeweiht wurde. Das
Internat bietet jungen jüdischen Männern die Möglichkeit, in
Berlin die Schule zu besuchen und gleichzeitig intensive
jüdische Studien zu betreiben.
Der Rabbiner und Direktor des Zentrums, Yehuda Teichtal, kam
1996 als Vertreter der weltweit aktiven jüdischen Organisation
Chabad Lubawitsch aus New York nach Berlin. In der
Wochenzeitschrift der Zeit gab es vor einer Woche ein sehr
sympathisches Porträt von ihm zu lesen. Darin wurde er unter
anderem mit dem Satz zitiert: “:Lasst uns die Schönheit
der jüdischen Tradition wieder hier verwurzeln.” Sehr
geehrter Herr Teichtal: Ich freue mich sehr, dass Sie hier
sind. Das gilt ganz generell für Sie und Ihr Haus. Es gilt
aber vor allem für heute. Ich hatte befürchtet, dass Sie es
als unhöflich empfinden, wenn wir Sie darum bitten, heute, am
Schabbat Ihr Haus besuchen zu dürfen. Aber Sie wollen es uns
sogar selbst vorstellen. Herzlichen Dank dafür!
Münstersche-Str. 15-17: Katharina-Heinroth-Grundschule
Die Katharina-Heinroth-Grundschule befindet sich in der 1905
bis 1907 von Otto Herrnring für das damalige
Goethe-Reformrealgymnasium errichteten Anlage. Später befanden
sich auf dem Gelände die Michael-Grzimek- und die
Paul-Eipper-Grundschule. Nach Vereinigung der beiden Schulen
wurde im März 2000 die Katharina-Heinroth-Schule gegründet.
Mit der Namensgebung wurde Katharina Heinroth geehrt. Sie lebte
von 1897 bis 1989 und war die erste Direktorin des Berliner
Zoologischen Gartens nach dem Zweiten Weltkrieg.
Westfälische Str. 16a: Jugend- und Kulturzentrum Spirale
Das Jugend- und Kulturzentrum bietet Workshops, Probenräume,
ein Tonstudio, Konzerte und vieles mehr für Kinder und
Jugendliche in ihrer Freizeit an.
Westfälische Str. 86: Botschaft der Republik Malawi
Westfälische Str. 87: Schornsteinfeger-Innung
Westfälische Straße Ecke Konstanzer Straße:
DRV Bund
1921 entstand zwischen der Westfälischen Straße 90 und der
Ruhrstraße 2 das erste Gebäude der damaligen
Reichsversicherungsanstalt für Angestellte.
1929/30 wurde es an der Ruhrstraße 3-4 durch einen Klinkerbau
von Georg Reuter erweitert.
Am 7.8.1953 wurde die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA) als personell stärkste Bundesbehörde mit
Sitz in Berlin eröffnet.
1957-59 entstand der Backsteinbau von Heinz Behnke an der
Konstanzer Straße 42
1965 der Hochhausbau von Heinz Kroh an der Westfälischen
Straße 57
1970-73 das Bürohaus von Jan und Rolf Rave am Fehrbelliner
Platz 5
1974-77 ein 23-stöckiges aluminiumverkleidetes Hochhaus von
Hans Schaefers und Hans-Jürgen Löffler am Hohenzollerndamm
47
Am 1.10.2005 ging die BfA in der neu gebildeten Deutschen
Rentenversicherung Bund auf, bei der insgesamt rund 22.000
Beschäftige mehr als 20 Millionen Renterinnen und Rentner und
mehr als 52 Millionen Versicherte ohne Rentenbezug betreuen.
Konstanzer Straße
Ruhrstraße
Hohenzollerndamm
Hohenzollerndamm 176: Kommunale Galerie
Die Kommunale Galerie ist in einem Verwaltungsgebäude
untergebracht, das 1930-35 als Haus des Deutschen
Versicherungskonzerns von Emil Fahrenkamp im Stil der neuen
Sachlichkeit zeitgleich mit dem Shell-Haus in Tiergarten
entworfen und gebaut wurde. Der ursprünglich rote Klinkerbau
wurde später mit Kunststeinplatten verblendet. Die
geschwungene Haupteingangsfront entspricht dem ursprünglich
geplanten Verlauf des Fehrbelliner Platzes, der wesentlich
größer geplant wurde, als dann am Ende realisiert. Während
der Zeit des Nationalsozialismus war hier der Hauptsitz der
Deutschen Arbeitsfront DAF. In den
Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude als
“Riverboat-Haus” bekannt. Die gleichnamige
Diskothek befand sich im Dachgeschoss.
1974 wurde im Erdgeschoss die Kommunale Galerie eröffnet. 1994
kam das Theater Coupé hinzu. Der Vorplatz wurde am 2.9.1996
als Julius-Morgenroth-Platz benannt. 2003 wurde das Bürgeramt
Hohenzollerndamm eröffnet. Im obersten Stockwerk befindet sich
das PC-Center der Volkshochschule City West. Außerdem betreibt
dort die Künstlervereinigung Kulturplus e.V. in den ehemaligen
Räumen der Diskothek Riverboat neun Künstlerateliers. 1995/6
wurden die Räume aus Mitteln des Ateliersofortprogramms zu
Ateliers umgebaut, die über den Atelierbeirat der
Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten vergeben
wurden. 2005/6 hat der Verein kulturplus e.V. die Räume
übernommen.
Die Kommunale Galerie ist sonnabends nicht geöffnet, aber die
Kunstamtsleiterin Elke von der Lieth ist heute extra aus
Potsdam gekommen, um uns die Galerie und die aktuelle
Ausstellung vorzustellen. Herzlichen Dank dafür!