HIER WOHNTE
ADOLF HERBST
JG. 1879
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Adolf Herbst wurde am 24. November 1879 als jüngstes von insgesamt vier Kindern in Rackwitz (Rakoniewice, Polen) geboren. Bei seiner Geburt war sein Vater, der Kaufmann Max Herbst (* 1834), 45 Jahre und seine Mutter Johanna Herbst geborene Lazar (* 1844) 35 Jahre alt. Sein Bruder Bruno (* 1866) war 13 Jahre älter als er, sein Bruder Ludwig (* 1868) 11 Jahre und seine Schwester Lea (1872 – 1944) 7 Jahre.
Adolfs Mutter starb 1892 in Rackwitz, als er 13 Jahre alt war. Es ist anzunehmen, dass die Familie nach dem Tod der Mutter nach Berlin ging. 1900 war sein Vater Rentner und lebte mit seinen Kindern Ludwig, Adolf und Lea in der Yorckstraße 75 in Berlin-Kreuzberg.
Adolfs ältester Bruder Bruno war schon 1884 im Alter von 18 Jahren in die Berliner Handels-Gesellschaft eingetreten, eine auf die Finanzierung von Industrie ausgerichtete Bank. Er verlobte sich im August 1900 in Berlin mit Margarethe Bodenstein aus Posen. Die Hochzeit fand am 1. Dezember 1900 statt. Am 26. Oktober 1901 wurden die beiden Eltern einer Tochter, die sie nach Brunos verstorbener Mutter Johanna nannten. Gut einen Monat später, am 5. Dezember 1901, starb Margarethe. Bruno veranlasste daraufhin, dass Johanna nachträglich mit zweitem Namen Margarethe genannt wurde. Am 1. Dezember 1904 heiratete der 36-jährige Bruno die 24-jährige Elisabeth Schreiber, genannt Lisbeth, aus Königsberg. Sie zogen nach Charlottenburg in die Goethestraße 80. Ab 1907 wohnten sie in der Mommsenstraße 17 und spätestens ab 1917 in der Fasanenstraße 67 in Berlin-Wilmersdorf.
Adolfs ältere Schwester Lea heiratete am 12. April 1901 den Apotheker Oskar Skaller (* 31. Juli 1874 in Ostrowo). Ein Jahr später, am 16. Februar 1902, wurde ihre erste Tochter Hanna Judith geboren. Als diese 8 Jahre alt war, bekam sie am 3. Oktober 1910 eine kleine Schwester, Marianne. Oskar Skaller gelangte mit seinen um 1900 gegründeten Verbandsstoff- und Thermometer-Fabriken (seit Juni 1921 „Oskar Skaller AG“) in Berlin im Ersten Weltkrieg zu großem Reichtum.
Am 2. Januar 1903 starb Adolfs Vater, der Rentner Max Herbst, in Berlin-Charlottenburg in der Wohnung seines Sohnes Ludwig. Adolf war damals 23 Jahre alt.
Wie sein Bruder Bruno wurde auch Adolf von Beruf Kaufmann und stieg ins Bankgeschäft ein. 1915 wohnte er in der Meinekestraße 22. Bruno war zu dem Zeitpunkt schon Direktor der Berliner Handels-Gesellschaft und ein Jahr später ihr Geschäftsinhaber. Am 27. Juni 1918 starb Bruno Herbst im Alter von 51 Jahren. Seine Witwe Elisabeth Herbst geborene Schreiber wohnte bis 1931 in der Fasanenstraße 67. Was aus ihrer Stieftochter Johanna Margarethe, genannt Gretel, wurde, konnte nicht recherchiert werden.
Adolf Herbst fand in der Pariser Straße 58 in Berlin-Wilmersdorf eine Wohnung mit Büro.
Hier gründete er 1919 mit 39 Jahren das Handelsunternehmen „Adolf Herbst Banken und Versicherungen“, welches er in das Handelsregister eintragen ließ.
Drei Jahre nach der Gründung seiner Firma heiratete der inzwischen 43-jährige Adolf Herbst am 8. Dezember 1922 die 33-jährige Erna Wollmann (* 18. Juni 1889) aus Krotoschin (Krotoszyn, Polen). Trauzeugen waren Ernas Vater, der Kaufmann Samuel Wollmann aus Breslau, und Adolfs Bruder Ludwig Herbst, der damals in der Westfälischen Straße 18 in Berlin-Wilmersdorf wohnte.
Erna wohnte vor der Heirat ganz in Adolfs Nähe in der Düsseldorfer Straße 14 und zog nach der Heirat zu ihm in die Pariser Straße 58. Die Ehe blieb kinderlos.
1931 meldete Adolf auf dem Standesamt in Berlin-Wilmersdorf den Tod seines Bruders Ludwig, der mit 63 Jahren gestorben war.
Das Berliner Adressbuch führte Adolf Herbst 1936 noch als Börsenmakler in der Pariser Straße 58 und erstmals 1937 als Kaufmann in der Emser Straße 15. Obwohl er sich im Berliner Adressbuch 1938 wieder Börsenmakler nannte, durfte er ab 1938 seinen Beruf nicht mehr ausüben und war gezwungen, sein Unternehmen im Handelsregister löschen zu lassen.
Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 wohnten Adolf und Erna noch in der Emser Straße 15. Es ist anzunehmen, dass sie Ende 1939 in die Freisinger Straße 5 a in Berlin-Schöneberg zogen. Hier wohnte seit 26 Jahren die Witwe Hedwig Brühl geborene Wasser in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Ihr Ehemann, der Chemiker Dr. phil. Ernst Georg Brühl, war am 22. August 1938 im Jüdischen Krankenhaus mit 61 Jahren an einer Magenblutung gestorben.
Adolf und Erna Herbst wohnten bei Hedwig Brühl für 75 RM zur Untermiete in einem Leerzimmer im 4. Stock des Vorderhauses. Ein weiteres Zimmer hatte Hedwig Brühl seit dem 17. November 1939 an Max Moses Goldschmidt und seine Ehefrau Lotte geborene Gans aus Eschwege vermietet. Die Tochter der Goldschmidts hatte noch im November 1939 in Berlin geheiratet und emigrierte mit ihrem Ehemann im Februar 1940 nach New York, USA.
Adolfs Schwester Lea und ihrem Ehemann Oskar Skaller gelang noch am 29. Juli 1939 vollkommen mittellos die Flucht nach Südafrika, wo ihre Töchter Hanna und Marianne schon lebten. Marianne hatte in Berlin Reinhold Cassirer, einen Neffen des Kunsthändlers Paul Cassirer, geheiratet. Die Ehe wurde geschieden. In zweiter Ehe heiratete Reinhold Cassirer in Südafrika die spätere Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer.
Oskar Skaller hatte ab 1910 wertvolle Kunst, ostasiatische Keramik und impressionistische Gemälde von van Gogh, Lovis Corinth, Walter Leistikow u. a. gesammelt. Max Liebermann porträtierte ihn 1924. Einen Teil seiner Sammlung musste er schon 1927 versteigern lassen. Ca. 1938 wurde er gezwungen, seine Anlagebeteiligungen u. a. an der Firma M. Pech AG zu verkaufen.
Das für die Mitnahme ins Exil vorgesehene Umzugsgut der Skallers wurde von der Gestapo beschlagnahmt und auf Anweisung des Finanzamtes Berlin-Moabit durch den vereidigten Versteigerer Bernhard Schlüter in Berlin am 30. Juni 1942 für 8.000 RM versteigert. Dr. jur. Conrad Doebekke war seit 1931 Mitglied der NSDAP und kaufte im großen Stil Kunstwerke vorwiegend aus jüdischem Besitz. Als er sah, dass in dem Versteigerungsprotokoll vom 16. Januar 1942 das Gemälde „Mädchenakt“ von Lovis Corinth nicht aufgeführt war, erkundigte er sich am folgenden Tag brieflich bei Adolf Herbst, ob dieser etwas über den Verbleib des Bildes wisse. Sollte er, Doebekke, das Bild erwerben können, bliebe es bei ihrer Vereinbarung. Es ist anzunehmen, dass Adolf Herbst schon vorher Geschäfte mit Dr. jur. Conrad Doebekke gemacht hatte.
Adolf musste ab 1941 Zwangsarbeit als Hilfsmechaniker bei der Firma Willi Popp in der Wiener Straße 1 – 10 in Berlin-Kreuzberg leisten.
Zu Beginn des Jahres 1943 wurden Adolf und Erna Herbst sowie Hedwig Brühl und Max und Lotte Goldschmidt aufgefordert, sich in der Sammelstelle Hamburger Straße 26 einzufinden. Auch Adolfs Schwägerin, die Witwe seines ältesten Bruders Bruno, Elisabeth Herbst geborene Schreiber, hatte den Deportationsbefehl für diesen Transport erhalten. Am 7. Januar 1943 füllten Adolf und Erna Herbst ihre Vermögenserklärung aus. Als Vermögen gab Adolf zwei Ölbilder und vier Radierungen sowie 300 RM auf seinem Postscheckkonto an.
Am 12. Januar 1943 verließ der 26. Osttransport mit 1.190 Personen den Güterbahnhof Berlin-Moabit. Er erreichte das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau am 13. Januar 1943. Die meisten der Insassen des Zuges wurden sofort ermordet.
Vermutlich starb Adolf Herbst mit 63 Jahren, seine Ehefrau Erna mit 53 Jahren und seine Schwägerin Elisabeth Herbst mit 62 Jahren.
Die Räumung des untervermieteten Zimmers von Adolf und Erna Herbst erfolgte am 29. April 1943 durch den Obergerichtsvollzieher Engelmann. In der Auflistung des Inventars waren 10 Bilder mit einem geschätzten Wert von 20 RM angegeben.
Lea Skaller geborene Herbst starb am 9. Mai 1944 in Johannesburg, Südafrika. Nur wenige Monate später, am 21. Oktober 1944, starb auch Oskar Skaller in Johannesburg.
Für Elisabeth Herbst wurde am 15. August 2013 in der Mommsenstraße 4 in Berlin-Charlottenburg ein Stolperstein verlegt.
Recherche und Text: Gundula Meiering, Januar 2025
Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945;
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin;
Arolsen Archives – Deportationslisten;
Mapping the Lives;
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über Ancestry;
My Heritage;
Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA), Potsdam – Vermögenserklärung,Reg.36A (II) 14538
Adolf Herbst; Neumeister Website, Magazin Nr. 16, 4. Dez. 2024: Dr. Monika Tatzkow: Fakten-Check auf den Spuren der Kunstsammlung von Oskar Schaller