Stolpersteine Hektorstr. 20

Hausansicht Hektorstraße 20

Hausansicht Hektorstraße 20

Die Stolpersteine für Recha Gotthilf, Oskar Hamburger, Max und Anna Marcus, Ida und Franz Oliven, Selma Oppenheim, Rosa Simson, Erna Steckel, Claire Kaiser wurden am 20. Oktober 2009 verlegt.

Die Stolpersteine für Hertha und Franz Kuhn wurden am 17. Juli 2007 verlegt.

Stolperstein für Recha Gotthilf

Stolperstein für Recha Gotthilf

HIER WOHNTE
RECHA GOTTHILF
GEB. WOLFSOHN
JG. 1875
DEPORTIERT 22.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET SEPT. 1942 IN
TREBLINKA

Recha Gotthilf geb. Wolfsohn, am 16.04.1875 in Neustadt, wurde vom Hospital Auguststr. 14-16 am 22.07.1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 26.09.1942 nach Treblinka verschleppt und ermordet.

Stolperstein für Oskar Hamburger

Stolperstein für Oskar Hamburger

HIER WOHNTE
OSKAR HAMBURGER
JG. 1873
VOR DEPORTATION
FLUCHT IN DEN TOD
2.1.1943

Oskar Hamburger kam am 25. März 1873 im oberschlesischen Sternalitz (heute Sternalice in Polen) als Sohn des Kaufmanns Salomon Hamburger (1820-1911) und dessen Frau Charlotte geborene Epstein (1840-1915) zur Welt.

1896 heiratete er die sechs Jahre jüngere Bertha Neumark. Das Ehepaar bekam zwei Söhne, Erwin (* 11.01.1898) und Günther (* 21.10.1902), und eine Tochter, Ruth. Die Familie lebte weiterhin in Oberschlesien.

Postkarte von Oskar Hamburgers Gasthaus im ehemaligen Friedenshütte, heute Nowy Bytom (Oberschlesien)

Ab der Jahrhundertwende besaß Oskar Hamburger ein großes Gasthaus in Friedenshütte/Beuthen (Nowy Bythom), bestehend aus Hotel, Restaurant und Schankwirtschaft. Außerdem hatte er in Bielschowitz (Bielszowice) eine Firma, die 1908 ins Handelsregister eingetragen wurde, wahrscheinlich ein landwirtschaftliches Handelsunternehmen.

Seine Tochter Ruth starb jung und unverheiratet am 19. September 1922.
Bald darauf zogen Oskar und Bertha Hamburger nach Berlin. Sie wohnten am Kurfürstendamm, Ecke Albrecht-Achilles-Straße. Auch ihre Söhne Erwin und Günther, die beide kaufmännisch tätig waren, zogen nach Berlin. Günther hatte zuvor Jura studiert.
Erwin blieb unverheiratet.

Günther, der in der Hardenbergstraße 10 lebte, lernte 1936 oder 1937 in einem jüdischen Bridgeclub die junge Witwe des Stummfilmstars Erwin Reicher kennen, Susanne Reicher geborene Fehl (* 07.09.1909). Susannes Mutter, Kamilla Fehl geborene Sorger, unterhielt diesen Bridgeclub in der Waitzstraße in Charlottenburg, wo Mutter und Tochter auch lebten. Günther und Susanne verliebten sich und wurden ein Paar. 1939 kratzte die Familie genügend Geld zusammen, um die hochschwangere Susanne in Sicherheit zu bringen. Im Mai 1939 gelang ihr die Flucht nach Großbritannien. Die finanzielle Situation von Günther und Kamilla – und von Günthers Eltern Oskar und Bertha Hamburger – war zu diesem Zeitpunkt schon so desolat, dass sie keine weiteren Garantiesummen aufbringen konnten. Am 19. Juli 1939 bekam Susanne in Cricklewood/London einen Sohn und nannte ihn Peter.

Aus dem Jahr 1939 sind einige herzzerreißende Briefe und Postkarten von Günther Hamburger in Berlin an Susanne Reicher in London erhalten geblieben, deren Abschriften in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme verwahrt werden. Das auseinandergerissene Paar war verzweifelt; aber Günther versuchte mit seinem „nie versiegendem Optimismus“, wie er schrieb, immer weiter, einen Fluchtweg zu finden: für sich, für Susannes Mutter und für seinen Vater Oskar Hamburger; seine Mutter Bertha war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich bereits verstorben. Günther träumte von den Vereinigten Staaten, wohin er „Susele“ und „Peterchen“ nachholen wollte, von Lateinamerika und natürlich von Großbritannien – alle seine Hoffnungen wurden enttäuscht. Nach 1939 sind keine weiteren Briefe erhalten.

Nach dem Tod seiner Frau Bertha heiratete Oskar Hamburger ein zweites Mal, die dreißig Jahre jüngere Berlinerin Elvira Cronheim (* 23.01.1903). Spätestens ab 1941 wohnte er mit ihr und ihrem verwitweten Vater Max Cronheim in einer kleinen Parterrewohnung in der Hektorstraße 20, wahrscheinlich zur Untermiete; alle jüdischen Familien waren zu diesem Zeitpunkt völlig verarmt. Oskars junge Frau Elvira musste Zwangsarbeit verrichten. Ihr Vater Max Cronheim wurde im August 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Oskar und Elvira wollten die Deportation nicht abwarten. Wahrscheinlich nahmen sie gemeinsam am ersten Tag des Jahres 1943 eine Überdosis Schlaftabletten ein. Sie wurden noch ins jüdische Krankenhaus eingeliefert, wo sie starben – Oskar Hamburger am 2. Januar und Elvira Hamburger am 3. Januar 1943. Oskar wurde 69 Jahre alt, seine zweite Frau 39. Sie sind auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beigesetzt.

Oskars Sohn Günther wurde festgenommen und in Plötzensee inhaftiert, dann ins KZ Neuengamme verschleppt, wo er als Tiefbauarbeiter schwerste Zwangsarbeit verrichten musste. Im Sommer 1942 wurde er, weil man ihn wohl als nicht mehr arbeitsfähig eingestuft hatte, in die Tötungsanstalt Bernburg überstellt, wo man ihn am 17. Juni 1942 ermordete. Günther Hamburger hat seine Susanne nie wiedergesehen und seinen Sohn Peter nie kennengelernt. Er wurde 39 Jahre alt.

Susannes Mutter Kamilla Fehl war bereits im Oktober 1941 von Berlin ins Ghetto Łódź deportiert worden. Ihr Todesdatum ist unbekannt. Susannes Vater Ernst, der von ihrer Mutter getrennt war und in Wien lebte, wurde 1941 deportiert und wahrscheinlich in Auschwitz ermordet.

Auch Oskar Hamburgers älterem Sohn Erwin war es nicht gelungen, zu emigrieren. Der Junggeselle, der in der Dahlmannstraße 1 in einem möblierten Zimmer wohnte, verrichtete in den 1940er-Jahren Zwangsarbeit in Reinickendorf, wohl in der Rüstungsindustrie. Im September 1942 wurde er nach Estland verschleppt, das zu diesem Zeitpunkt deutsch besetzt war. Wahrscheinlich wurde er im Hinterland des Bahnhofs Raasiku erschossen. Sein Todesdatum ist unbekannt.

Susanne Reicher blieb in Großbritannien, wo sie später wieder heiratete. Sie starb 2001. Von ihrer Vergangenheit hat sie nie erzählt.

Günther Hamburgers Sohn – Oskar Hamburgers Enkel – Peter Hartley lebt ebenfalls in Großbritannien. Er ist seit 56 Jahren verheiratet und hat mit seiner Frau Catherine drei Kinder und fünf Enkelkinder.

Text und Recherche: Christine Wunnicke (2024), mit Dank an Gundula Meiering und Peter Hartley

Quellen:
Yad Vashem
Gedenkbuch
Berliner Adressbücher
„Der oberschlesische Wanderer“ 1905 ff
Amtliche Urkunden über MyHeritage und Ancestry
Vermögenserklärungen
Deportationslisten
Transkript der Korrespondenz von Günther Hamburger in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Persönliche Auskunft von Oskar Hamburgers Enkelsohn Peter Hartley

Stolperstein für Max Marcus

Stolperstein für Max Marcus

HIER WOHNTE
MAX MARCUS
JG. 1881
DEPORTIERT 1.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Max Marcus, geboren am 25.07.1881 in Lüneburg, wurde am 01.03.1943 nach Auschwitz deportiert. Seine Ehefrau Anna Marcus geb. Nathan, am 03.03.1891 in Berlin, wurde an ihrem 52. Geburtstag, am 03.03.1943 nach Auschwitz deportiert. Beide wurden ermordet.

Stolperstein für Anna Marcus

Stolperstein für Anna Marcus

HIER WOHNTE
ANNA MARCUS
GEB. NATHAN
JG. 1891
DEPORTIERT 3.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein für Ida Oliven

Stolperstein für Ida Oliven

HIER WOHNTE
IDA OLIVEN
GEB. DANZIGER
JG. 1868
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 24.11.1943

Ida Oliven geb. Danziger, am 17.09.1868 in Auras, wurde am 03.10.1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 24.11.1943,ermordet. Ihr Sohn Franz Oliven, geboren am 01.12.1897 in Berlin, wurde am 04.03.1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Stolperstein für Franz Oliven

Stolperstein für Franz Oliven

HIER WOHNTE
FRANZ OLIVEN
JG. 1897
DEPORTIERT 4.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein für Selma Oppenheim

Stolperstein für Selma Oppenheim

HIER WOHNTE
SELMA OPPENHEIM
GEB. BARON
JG. 1874
DEPORTIERT 14.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET SEPT. 1942 in
TREBLINKA

Selma Oppenheim geb. Baron, am 21.09.1874 in Grätz, wurde am 14.08.1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 26.09.1942 nach Treblinka verschleppt und ermordet.

Stolperstein für Rosa Simson

Stolperstein für Rosa Simson

HIER WOHNTE
ROSA SIMSON
JG. 1878
DEPORTIERT 29.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 1944 IN
AUSCHWITZ

Rosa Simson, geboren am 20.07.1878 in Memel, wurde am 29.10.1942 nach Theresienstadt und von dort am 16.05.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Stolperstein für Erna Steckel

Stolperstein für Erna Steckel

HIER WOHNTE
ERNA STECKEL
JG. 1909
DEPORTIERT 29.10.1941
LODZ
ERMORDET 4.5.1942
KULMHOF

Erna Steckel, geboren am 01.03.1909 in Neustadt, wurde am 29.10.1941 nach Litzmannstadt deportiert und am 04. Mai 1942 im Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) ermordet.

Stolperstein für Claire Kaiser

Stolperstein für Claire Kaiser

HIER WOHNTE
CLAIRE KAISER
GEB. KUZNITZKY
JG. 1886
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
27.11.1939

Claire Kaiser geb. Kuznitzky, am 28.07.1886 in Halle a. S., wählte schon am 27.11.1939 den Freitod.

Stolperstein für Franz Kuhn

Stolperstein für Franz Kuhn

Verlegt am 17.07.2007

HIER WOHNTE
FRANZ KUHN
JG. 1896
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Franz Kuhn, geboren am 4.4.1896 in Breslau, und Hertha Kuhn geb. Löwenthal, am 1.10.1899 in Magdeburg, wohnten seit dem 2.9.1939 in der Hektorstraße 20. Sie waren aus Cottbus nach Berlin gekommen.

Hertha Kuhn wurde am 14.12.1942 mit dem „25. Osttransport“ und Franz Kuhn am 19.2.1943 mit dem „29. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Ihre Tochter konnte den Nazis am 19.4.1939 mit einem Kindertransport nach England entkommen, sie war 10 Jahre alt. Sie hat die Stolpersteine gespendet.

Stolperstein für Hertha Kuhn

Stolperstein für Hertha Kuhn

HIER WOHNTE
HERTHA KUHN
GEB. LÖWENTHAL
JG. 1899
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ