Stolpersteine Bundesallee 26 (früher Kaiserallee 26)

Hauseingang Bundesallee 26

Hauseingang Bundesallee 26

Der Stolperstein für Margarete Kuttner wurde von Paul Kuttner jr. (New York) gespendet und am 15. Mai 2006 verlegt.

Die Stolpersteine für Annemarie und Paul Kuttner wurden am 24. April 2014 verlegt.

Die Stolpersteine für August, Debora Dora, Hans Alexander, Viktor Meigners wurden und Boris Peter Meigners wurden am 24. Juni 2023 verlegt.

Stolperstein für Margarete Kuttner

Stolperstein für Margarete Kuttner

HIER WOHNTE
MARGARETE
KUTTNER
GEB. FRAENKEL
JG. 1884
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Margarete Kuttner geb. Fraenkel, wurde am 28. Mai 1884 in Hamburg geboren. Sie war die Tochter von Eugen Fraenkel und Marie Fraenkel, geb. Deutsch. Sie heiratete 1910 den am 13. Januar 1878 in Glogau (Oberschlesien) geborenen Paul Kuttner, mit dem 1912 und 1922 sie zwei Kinder, Annemarie und Paul, bekam.

1927 ließen sie sich jedoch scheiden. Paul Kuttner hatte sich in eine seiner Patientinnen verliebt. Im Scheidungsprozess wurde festgelegt, dass die Kinder den Vater in seiner neuen Wohnung mit Praxis am Kurfürstendamm 72, Ecke Waitzstraße, einmal wöchentlich besuchen sollten. Die 15-jährige Annemarie widersetzte sich aber, als sie sah, wie verzweifelt die Mutter war, und weigerte sich viele Jahre, überhaupt noch irgendetwas mit dem Vater zu tun zu haben.

Margarete Kuttner lebte in der Kaiserallee 26 (heute Bundesallee). Anfangs ging es der Familie materiell sehr gut, aber nach 1933 und erst recht nach 1936, als Paul Kuttner einen Schlaganfall erlitt und halbseitig gelähmt war, konnte er die Praxis nicht mehr weiterführen und den Unterhalt nicht mehr bestreiten. 1939 gelang es ihr, den 16-jährigen Sohn Paul mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Die Tochter Annemarie überlebte den Holocaust illegal in einem Versteck in Berlin und übersiedelte später nach New York, wohin ihr der Bruder von England aus folgte.

Am 26. Februar 1943 wurde Margarete Kuttner, die Zimmer untervermieten musste, um zu überleben, nach Auschwitz deportiert. Dort ist sie vergast worden.

An ihren Vater, den bedeutenden Arzt Prof. Dr. Eugen Fraenkel, erinnert im Krankenhaus Hamburg Eppendorf ein Denkmal, dort ist auch eine Straße nach ihm benannt. Sein Grabmal auf dem Ohlsdorfer Friedhof wurde von den Nazis schon 1938 wegen seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft vernichtet. Seine Frau Marie Fraenkel, geb. Deutsch, geboren am 23. Mai 1861 in Neustadt (Oberschlesien), wurde am 24. März 1943 mit 81 Jahren von Hamburg nach Theresienstadt deportiert und dort am 12. Oktober 1943 umgebracht. Zum Gedenken an Marie Fraenkel und an Eugen Fraenkels Bruder Max liegen Stolpersteine in Hamburg.

Text: Paul Kuttner jr., ergänzt von der Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf (siehe auch Paul Kuttner, Kurfürstendamm 72 ). Literatur: Paul Kuttner: An Endless Struggle – Reminiscences and Reflections. Vantage Press, New York, 2010.

Stolperstein Annemarie Kuttner

Stolperstein Annemarie Kuttner

HIER WOHNTE
ANNEMARIE KUTTNER
JG. 1912
SEIT 1942
VERSTECKT GELEBT
ÜBERLEBT

Annemarie Kuttner, geboren am 15. Oktober 1912, wuchs in Berlin auf. Ihre Eltern waren Margarete Kuttner geb. Fraenkel und der Allgemeinmediziner Dr. Paul Kuttner, die 1911 heirateten. Beide waren evangelisch getauft. Während des Ersten Weltkriegs war ihr Vater als Oberstabsarzt eingesetzt und geriet ab 1917 in französische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung 1919 ließ er sich in Berlin mit einer Praxis erst in der Regensburger Straße, dann am Kurfürstendamm 72 nieder. 1922 wurde Annemaries Bruder Paul geboren. Beide Kinder wurden evangelisch getauft.
1925 trennte sich Paul Kuttner von seiner Familie und ging eine neue Ehe ein. Margarete Kuttner zog mit ihren beiden Kindern in die Kaiserallee 26 (heute Bundesallee). Sie erteilte Klavierunterricht. 1936 erlitt Paul Kuttner einen Schlaganfall. Margarete Kuttner versuchte mit ihren Kindern auszuwandern, doch nur ihrem Sohn Paul gelang 1939 vor Kriegsbeginn das rechtzeitige Entkommen mit einem Kindertransport nach England. Dies kam durch die Bemühungen des Büros des Pfarrers Grüber zustande.

Annemarie besuchte das Flecksche Lyzeum bis zum Abschluss und absolvierte bei der Rackow Handelsschule eine Büro-Ausbildung. Im Anschluss daran bildete sie sich als Zahnarzthelferin weiter. In diesem Beruf arbeitete sie, als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Sie arbeitete zwischen 1936 und 1939 bei dem Zahnarzt Dr. L. Wolff in Berlin-Wedding. Am 31.3.1939 wurde der Familie die Wohnung gekündigt, weil es den „Ariern“ nicht zuzumuten sei, in Hausgemeinschaft mit Juden zu leben. Nach diesem Zeitpunkt hausten sie in diversen Pensionen, bis Margarete und Annemarie Kuttner ab Oktober 1939 in der Holsteinischen Straße 24 bei Robert Müller wohnen konnten. Annemarie Kuttner wurde ab 1940 zur Zwangsarbeit herangezogen, die sie in der Tempelhofer Fesselballonfirma „Luftschiffbau Zeppelin“ verrichten musste.
Die Arbeitsbedingungen waren unvorstellbar hart, weil sie als Kleberin giftigen Dämpfen ausgesetzt war. Die Deportationen ab Herbst 1941 zeigten der jungen Annemarie, dass irgendwann jeder Jude an der Reihe sein wird. Ihre Mutter Margarete fühlte sich zu alt für einen Versuch, durch Untertauchen ihr Leben zu retten. Sie wurde am 26. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde.
Annemarie tauchte vorher unter, und zwar Ende Dezember 1942. Sie trug nicht immer den verordneten Stern. Ende 1942 flüchtete sie zu Paul und Lola Radtke nach Neuenhagen bei Berlin, die dort in der Hohe Allee 68 wohnten. Dort blieb sie bis Ende Februar 1943.
Von Anfang März 1943 konnte sie bei der Familie Fritz Schwarz in der Rigaer Straße 5 bleiben, wo sie als Kindermädchen der drei Söhne Günther (* 1938), Gerhard (* 1939) und Reiner (* 1940) galt. Wegen der Bombengefahr zog Familie Schwarz im August 1943 nach Brätz ins östliche Brandenburg, und Annemarie Kuttner kam nun bei Dr. Helmut von Frankenberg in der Xantener Straße 11 in Berlin-Charlottenburg bis Ende September 1943 unter.
Ab 25. September 1943 wurde sie langfristig von Margarethe Hübner geb. Troll (* 16.2.1890) und Otto Hübner in der Neuköllner Emser Straße 10 (oder 130) beherbergt. Hübners kannten Annemarie Kuttner als Zwangsarbeits-Kollegin und Freundin ihrer Pflegetochter, die als Jüdin galt. Annemarie nächtigte in der Mädchenkammer. Hübners sorgten auch für ihre Ernährung, was nicht leicht war. Als Annemarie Kuttner zwischendurch ernsthaft erkrankte, behandelte sie der in „Mischehe“ lebende Arzt Dr. Erich Gottschalk.
Ende März 1945 meldete sie sich unter dem falschen Namen Annemarie Paetzold als Flüchtling aus Glogau bei Hübners polizeilich offiziell an. Nun bekam sie ganz legal Lebensmittelrationen. Sie überlebte in Hübners Obhut. Sie wollte auswandern, was ihr im Sommer 1946 gelang. Ende August 1946 gelangte sie vom Zehlendorfer United Nations Relief and Rehabilitation (UNRRA)-Lager in die USA.
1955 heiratete sie den Sohn einer ihrer Helferinnen, Joachim Klimmeck, in den USA. 1964 starb sie an Knochenkrebs.

Für ihren Vater Paul Kuttner ist ein Stolperstein am Kurfürstendamm 72 verlegt.

Quelle: Gedenkstätte Stille Helden, Berlin

Stolperstein Paul Kuttner

Stolperstein Paul Kuttner

HIER WOHNTE
PAUL KUTTNER
JG. 1922
FLUCHT 1939
ENGLAND

Stolperstein August Meigners

Stolperstein August Meigners

HIER WOHNTE
AUGUST
MEIGNERS
JG. 1887 (fälschlicherweise 1887 angegeben, tatsächlich 1890 geboren)
DEPORTIERT 18.10.1941
ŁODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 8.5.1942

Am 10. Juli 1890 wurde August Rudolf Meigners (ursprünglich Rudolf Kaufmann) in der turkmenischen Hauptstadt Aschabad (Asgabat) geboren. Er besuchte dort ein Gymnasium. Sein Vater war der Kaufmann Georg Meigners, seine Mutter hieß Sophie, geb. Okser. August hatte zwei Geschwister, Simon und Raja-Rita, verh. Eglow.

Aschabat lag am Kreuzungspunkt mehrerer Karawanenstraßen und wurde an die Transkaspische Eisenbahn angeschlossen, die ab 1885 Mittelasien mit dem Kaspischen Meer verband. Möglicherweise betrieb der Vater dort Handel.
1906 oder 1912 floh die Familie aus dem damals russischen Aschabad und ließ sich in Berlin nieder. Mit der Flucht erfolgte eine Namensänderung. Die Eltern und August hießen bis dahin Kaufmann und nannten sich nun Meigners, Augusts Bruder Simon hingegen behielt den alten Namen. Den Gesetzen des Deutschen Reiches nach erhielten die Meigners, auch die Söhne, nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie galten als staatenlos und bekamen lediglich Fremdenpässe ausgestellt.

August arbeitete in Berlin zunächst als Buchdrucker, später als Kaufmann für technische Geräte und Radioteile.
Als August Meigners 1919 Debora Schragin in Berlin heiratete, wurde als Wohnort der Familie Meigners noch Simferopol/Krim angegeben. Allerdings war in der Heiratsanzeige auch die Berliner Adresse Elisabethstraße 6 in Schlachtensee vermerkt. Vermutlich handelte es sich dort um ein Hotel und somit eine vorübergehende Unterkunft. Im Berliner Adressbuch ist als Eigentümer dieses Hauses „F. Adler, Hotelier“ eingetragen.
Debora ist ebenfalls auf der Krim – in Feodossija – geboren worden.
Im Laufe der Jahre kamen drei Söhne zur Welt:
am 10. Juni 1920 Boris Peter Leo
am 6. Juni 1923 Viktor
und am 11. November 1930 Hans Alexander

Die Familie wohnte zuerst in Wilmersdorf in der Neckarstraße 2, ab 1931 in der Kaiserallee 26 (heute Bundesallee) in einer 4-Zimmerwohnung im Gartenhaus II. Zusammen mit seinem Bruder Simon betrieb August Meigners ein Radio – Elektrogeschäft in der Neanderstraße 33 (heute Heinrich-Heine-Straße). Er war zunächst als Teilhaber vorwiegend im Außendienst tätig, nach Simons Flucht im Jahr 1938 nach Frankreich, wurde er jedoch alleiniger Inhaber mit einigen Angestellten.

Im Februar 1939 wurde das Elektro – Radio Geschäft abgewickelt und geschlossen, bis dahin galt August Meigners laut Vermögensverwertungsakte als selbstständig. Große Teile des Warenlagers brachte er in der Wohnung in verschiedenen Räumen, in Schränken und in Kellerräumen unter – um die Waren in besseren Zeiten zu verkaufen, wie er einem Freund gegenüber äußerte.
August Meigners wurde in der Folgezeit bis zu seiner Deportation wahrscheinlich nicht zur Zwangsarbeit herangezogen. In der Vermögenserklärung, die er kurz vor der Deportation abzugeben hatte, erwähnte er keine Stelle der Zwangsarbeitertätigkeit. In derselben Akte gab er den Wert der im Lager verbliebenen Waren mit 3000 RM an. 200 RM führte er zuletzt an Bargeld bei sich.

Am 16. Oktober 1941 befand sich August Meigners zusammen mit seiner Frau Debora und dem jüngsten Sohn Hans in der als Sammelstelle für die Transporte in die Vernichtungslager missbrauchten Synagoge in der Levetzowstraße 7a. Dort wurde ihm die „Verfügung zur Einziehung des Vermögens“ zugestellt.
Zwei Tage später, am 18. Oktober, wurden August, Debora und Hans nach Łodz deportiert. In dem Ghetto wurde die Familie in einer der primitiven Unterkünfte im Hanseatenweg 70 untergebracht. Am 8. Mai 1942 wurde August Meigners zusammen mit seiner Familie in Chełmno (Kulmhof) in einem der Gaswagen grausam ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch
Entschädigungsakte
Landesarchiv über Ancestry
BLHA Vermögensverwertungsstelle
Berliner Adressbücher
Angaben überprüft von Doron Meigners

Stolperstein Debora Dora Meigners

Stolperstein Debora Dora Meigners

HIER WOHNTE
DEBORA DORA
MEIGNERS
GEB. SCHRAGIN
JG. 1890 (fälschlicherweise 1890 angegeben, tatsächlich 1900 geboren)
DEPORTIERT 18.10.1941
ŁODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 8.5.1942

Debora Dora Schragin wurde am 1. Januar 1900 in Feodossija auf der Krim geboren. Ihre Eltern waren der Ingenieur Chonon (Kuno) Schragin (1. März 1872 – 9. November 1942 Frankreich) und seine Frau Sophie, geb. Isakson (1876 – 1942). Die Familie Schragin war bis 1931 in der Alexanderstraße 30 gemeldet. Die 1908 in Sebastopol/Krim geborene und 1999 in Paris verstorbene Frida Schragin verh. Kouczinski war Deboras Schwester und der Schauspieler Isaak Schragin, geboren 1905 ebenso in Sebastopol/Krim, der Bruder. Dieser wanderte in die USA aus und starb in 1998 in Dallas/Texas. Von der Schwester Raya fehlen die Geburts- und Sterbedaten. Weiteren Hinweisen zufolge wanderten die Eltern Schragin nach 1931 mit Frida, Isaak und Raya nach Frankreich aus.
Am 30. August 1919 heiratete Debora August Meigners. Ein Jahr darauf, am 10. Juni 1920, kam der erste Sohn Boris Peter Leo auf die Welt. Am 6. Juni 1923 wurde Viktor geboren und 7 Jahre später, am 11. November 1930 folgte der dritte Sohn, Hans Alexander. Alle Familienmitglieder galten nach den Gesetzen des Deutschen Reiches als staatenlos und ihnen wurde lediglich ein Fremdenpass ausgestellt.

Familie Meigners wohnte seit 1931 in einer großen 4–Zimmerwohnung im 2. Stock des Gartenhauses in der Kaiserallee 26 (heute Bundesallee).
Die Geschäfte ihres Mannes ermöglichten Debora einen gehobenen Lebensstandard, wie Freunde der Familie später bezeugen konnten. Bei der Bewältigung ihres Haushaltes erfuhr sie Unterstützung durch eine Hausangestellte, sodass sie nebenher im Geschäft ihres Mannes mitarbeiten konnte. Sie betreute die Kasse, führte die Bücher und bediente zeitweise auch die Kundschaft.
Die Söhne Boris und Viktor besuchten nach der Grundschule in der Nachodstraße das Treitschke-Gymnasium in der Prinzregentenstraße. Hans war von vornherein der Besuch einer staatlichen Schule verwehrt, er wollte deshalb nach Abschluss der Volksschule, angeregt durch die geschäftliche Tätigkeit seines Vaters, den Beruf des Elektrotechnikers erlernen.
Alle schulischen und beruflichen Perspektiven der Söhne mussten jedoch verworfen werden. Boris flüchtete als 19-Jähriger nach Frankreich und trat dort gezwungenermaßen in die Fremdenlegion ein. Viktor begab sich 1939 in die „Haschara Gut Winkel“ bei Fürstenwalde, um sich auf ein Leben in Palästina vorzubereiten. Der jüngste Sohn Hans blieb bei seinen Eltern und ging mit ihnen in den Tod.

Am 11. Oktober 1941 füllten August, Debora und Hans ihre „Vermögenserklärung“ aus, in der sie alle persönlichen Gegenstände aufzuführen hatten, die ihnen bis dahin verblieben waren. Diese wurden „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen. Debora hatte bis dahin noch bei Siemens – Schuckertwerke in Spandau Zwangsarbeit leisten müssen.
Am 18. Oktober 1941 wurde Debora mit Ehemann und Sohn in das Ghetto Łodz verschleppt. Man brachte die Familie in einer der primitiven und überfüllten Unterkünfte im Hanseatenweg 70, Wohnungsnummer 42 unter.

Kaum waren Debora, August und Hans Meigners deportiert und die Wohnung geräumt worden, meldete der Hausverwalter Ansprüche an die Oberfinanzdirektion an. „Das Quartier- und Wehrleistungsamt Wilmersdorf hat von mir gefordert, dass der Klosettspülkasten und die Jalousien instandgesetzt werden.“ Weiterhin verlangte er die Zahlung des Mietrückstandes für Oktober und November 1941 in Höhe von 149,90 RM aus dem Auktionserlös des Wohnungsinventars. Der „evakuierte Jude Meigners“ habe im Übrigen Schönheits- und Grundreparaturen in der Wohnung durchzuführen gehabt, die nicht erfolgt seien. Die geschätzten Kosten in Höhe von 920 RM stellte der Hausverwalter ebenfalls dem Oberfinanzpräsidenten in Rechnung.

Am 8. Mai 1942 wurden Debora, August und Hans Meigners ermordet. Zusammen mit hunderten anderer Menschen wurden sie in Lastwagen gepfercht, zum Gut Kulmhof (Chełmno) gefahren, wo sie durch Einleitung von Gas in den Lastwagen qualvoll ersticken mussten.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein – Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch
Landesarchiv über Ancestry
BLHL Vermögensverwertungsakte
Berliner Adressbücher
Angaben überprüft von Doron Meigners

Stolperstein Hans Alexander Meigners

Stolperstein Hans Alexander Meigners

HIER WOHNTE
HANS ALEXANDER
MEIGNERS
JG. 1930
DEPORTIERT 18.10.1941
ŁODZ / LITZMANNSTADT
1942 CHELMNO / KULMHOF
ERMORDET 8.5.1942

Hans Alexander Meigners, geboren am 11. November 1930, wurde nur 12 Jahre alt. Er war der jüngste von drei Brüdern. Boris kam 1920 auf die Welt und Viktor 1923. Seine Eltern waren August und Debora Meigners, die ein Radio Zubehör Geschäft in der Neanderstraße (heute Heinrich-Heine-Straße) besaßen.

Hans wurde am 1. April 1937 in die Joseph – Lehmann – Schule, einer jüdischen Reformschule in der Joachimsthaler Straße, eingeschult. Doch schon im November 1941 gab es den lapidaren Eintrag auf der Schulmeldekarte: „Tag des Austritts aus der Schule: November 1941 Neue Schule: evakuiert“.
Hans durfte also nur vier Jahre zur Schule gehen und musste in dieser Zeit mitbekommen, wie das Geschäft seines Vaters liquidiert wurde und seine Brüder unter dem Druck der immer aggressiver werdenden Verfolgung der jüdischen Bevölkerung das Land verließen. Er selbst war für diesen Schritt noch zu jung, blieb so bei seinen Eltern und ging mit ihnen in den Tod.

Er war in der großen Wohnung in der Kaiserallee 26 zu Beginn noch in relativem Wohlstand aufgewachsen. Um so härter müssen ihn die primitiven Lebensbedingungen des Ghettos Łodz, in das die Familie Meigners am 18. Oktober 1941 verschleppt wurde, getroffen haben. „….. eine unvorstellbare Enge, bei der sich stets mehrere Personen ein Zimmer teilen mussten; auf jede Person kam durchschnittlich ein Wohnraum von 3 Quadratmetern. Darüber hinaus waren die Häuser im Ghetto…….in einem außerordentlich schlechten Zustand, es gab keine Kanalisation und fließendes Wasser – wenn überhaupt – nur im Hof.“(Ingo Loose „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941 -1944“)

Am 8. Mai 1942 lud man Hans und seine Eltern unter Hieben auf einen Lastwagen, der zum etwa 55 Kilometer entfernten Gut Kulmhof (Chełmno) fuhr. Hier wurde der Massenmord an Juden durch Einsatz von Kohlenmonoxid seit einigen Monaten praktiziert. Schläuche leiteten die Abgase der Lastwagen in das Wageninnere, was zum qualvollen Ersticken der Menschen führte. Anschließend wurden die leblosen Körper in die Wälder der Umgebung gefahren und in Massengräbern verscharrt. Hans und seine Eltern waren unter ihnen.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein – Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch
Landesarchiv über Ancestry
BLHL Vermögensverwertungsakte
Berliner Adressbücher
Angaben überprüft von Doron Meigners

HIER WOHNTE
VIKTOR MEIGNERS
JG. 1923
FLUCHT 1940
PALÄSTINA
MIT MS PATRIA
UNTERGANG ÜBERLEBT

Viktor Meigners wurde am 6. Juni 1923 in Berlin als zweiter von drei Söhnen von August und Debora Meigners geboren. Er besuchte 4 Jahre lang die Volksschule in der Nachodstraße und wechselte 1933 auf das Treitschke-Gymnasium in der Prinzregentenstraße. Sein Vater musste für diese Schule doppeltes Schulgeld zahlen, da er als staatenlos galt, weil er aus der Krim in Russland geflohen war. Viktor wollte nach dem Abitur Medizin studieren, doch der Ausschluss jüdischer Kinder von staatlichen Schulen im Jahr 1938 machte seinem Traum ein Ende. Ab dem 15. November 1938 durfte er nicht mehr zur Schule gehen.
Nach dem Beispiel seines Bruders Boris beschloss er, Deutschland zu verlassen. Er bereitete alles vor, um nach Palästina auszuwandern.
Er erhielt eine 3-monatige landwirtschaftliche Ausbildung auf der Hachschara „Gut Winkel“ in Brandenburg und reiste dann 1940 illegal nach Palästina aus.
Nur mit einem „Staatenlosenpass“ ausgestattet, war seine erste Station Tulcea/Rumänien, wo er an Bord der „SS Pacific“ ging, die ihn nach Haifa bringen sollte. Auch die „SS Atlantic“ und die „SS Milos“ stachen zur gleichen Zeit mit insgesamt 3.500 jüdischen Flüchtlingen an Bord in See. Die „SS Pacific“ konnte jedoch nicht im Hafen von Haifa anlegen, und die britischen Behörden beschlossen, alle Flüchtlinge an Bord auf die „SS Patria“ umzusiedeln und nach Mauritius zu deportieren. Um dies zu verhindern, platzierte die jüdische Untergrundorganisation Haganah Sprengsätze unter dem Schiff. Die Patria sank und 200 Menschen ertranken. Die Überlebenden dieser Katastrophe erhielten von den britischen Behörden die Erlaubnis, im Land zu bleiben. Unter ihnen war auch Viktor Meigners. Er wurde zunächst im Flüchtlingslager Atlith interniert – schwer erkrankt von der Seereise und dem stundenlangen Schwimmen unter Lebensgefahr. Von November 1940 bis Juni 1941 blieb er in Atlith inhaftiert.

Nach seiner Entlassung aus dem Gefangenenlager schloss sich Viktor einem Kibbuz an, Merhavia in Emek Yisrael, wo er als Landarbeiter und später als Pferdetrainer arbeitete. Nach 6 Jahren kämpfte er 1,5 Jahre lang im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Nach dem Krieg verließ er den Kibbuz und zog in die Stadt Tel Aviv. Nach seiner Entlassung aus dem Militär arbeitete er als Chauffeur und als Vertreter in der Lebensmittelindustrie.

1951 heiratete Viktor seine Frau Rosa, ließ sich in der Stadt Ramat Gan nieder und das Paar bekam zwei Kinder. Doron wurde 1954 und Liora 1962 geboren. 1963 zogen sie in die Stadt Givataim, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Viktor arbeitete die meiste Zeit seines Berufslebens als Verkaufsleiter bei der Israel Can Company in Petah Tikva, wo er beliebt und geschätzt war. Mit 69 Jahren ging er in den Ruhestand. In den 1960er- Jahren leitete er ein Verfahren zur Wiedergutmachung ein, das ihm eine monatliche Entschädigung einbrachte. Später half er vielen anderen ehemalig deutschen Israelis, ihre ihnen zustehende Entschädigung von Deutschland zu erhalten.

Ende der 1980er- Jahre wurde ihm von der Stadt Berlin die Ehrenwürde „Bürger von Berlin“ verliehen und er wurde mit seiner Frau Rosa nach Berlin geflogen, um die Ehre entgegenzunehmen.
Er litt lange Zeit unter gesundheitlichen Problemen, die sich aufgrund der Folgen des Verlustes seiner Familie durch die Nazis verschlimmert hatten. Viktor starb am 3. März 1997 in Ramat Gan. Er hinterließ seine beiden Kinder Doron und Liora sowie vier Enkelkinder, Dorons Kinder Ben und Itai und Lioras Kinder Elia und Erez.Sein Sohn Doron Meigners und sein Enkel Itai Meigners nahmen an der Stolpersteinverlegung in Berlin teil.

Recherche und Text: Karin Sievert und Doron Meigners

Quellen:
Gedenkbuch
Entschädigungsbehörde
BLHA Vermögensverwertungsakte
Berliner Adressbücher
Angaben von Dorn Meigners

Stolperstein Boris Peter Meigners

Stolperstein Boris Peter Meigners

HIER WOHNTE
BORIS PETER
MEIGNERS
PIERRE KAUFMANN
JG. 1920
FLUCHT 1939
FRANKREICH
VERHAFTET
FREMDENLEGION
ÜBERLEBT

Boris Peter Leo Meigners wurde als ältester Sohn des Ehepaares August und Debora Meigners am 10. Juni 1920 in Berlin geboren.
Nach Beendigung der Volksschule bestand er 1934 die Aufnahmeprüfung der Fachschule für Drucker, wurde aber nicht aufgenommen, weil er Jude war. Bis zu seiner illegalen Auswanderung nach Frankreich arbeitete er in dem Radiogeschäft seines Onkels Simon Kaufmann.

Er war 19 Jahre alt, als er im April 1939 Berlin verließ.
In Frankreich drohte ihm die Abschiebung zurück nach Deutschland, deshalb trat er mehr oder weniger freiwillig irgendwann zwischen dem 1. September 1939 und dem 25. Juni 1940 für 10 Jahre in die Fremdenlegion ein. Er hatte sich für die Rekrutierung 2 Jahre älter gemacht, auf den Listen des „ministère des la defense“ war er mit dem Geburtsdatum 10. Juni 1918 eingetragen. Der Rekrutierungsort war Metz in Lothringen.
Vermutlich wurde er wie viele andere jüdische Flüchtlinge auch in ein Zwangsarbeiterlager in Französisch – Marokko gebracht, das die Legion dort unterhielt. Die dort internierten jüdischen Legionäre wurden zum Bau der Trans–Sahara–Eisenbahn, einem Prestigeprojekt der Vichy – Regierung, eingesetzt.

In den französischen Listen wurde er als Pierre Léon Meigners geführt, 1947 nahm er den Nachnamen Kaufmann, den ursprünglichen Namen seines Vaters an.
Nach dem Krieg war er in Paris bei der Organisation JOINT angestellt.
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt kehrte er nach Berlin zurück. Unter dem Namen Pierre Kaufmann lebte er 1962 in der Motzstraße 15.

1966 ließ er sich – nun wieder Boris Peter Leo Meigners – eine Kopie seiner Geburtsurkunde ausstellen. Er besaß noch einen französischen Pass, ausgestellt am 31. März 1966, gültig bis 20. März 1969 durch das französische Konsulat Berlin.
Boris Meigners wollte in seiner Geburtsstadt offenbar wieder beruflich Fuß fassen. Am 1. Juli 1966 unterzeichnete er, zusammen mit seinem Partner Max Wolpert, einen Mietvertrag über 10 Jahre für ein An- und Verkaufsgeschäft samt Kellerräumen in der Bergmannstraße 112 Berlin Kreuzberg. Er selbst wohnte in der Pannwitzstraße 3.

1966 stellte Boris Peter Meigners, auch im Namen seines Bruders Viktor, einen Entschädigungsantrag wegen Schadens an Vermögen und beruflichem Fortkommen.

Boris Meigners starb im Alter von 71 Jahren am 19. Juli 1991 in Frankreich.

Quellen:
Entschädigungsakte
Berliner Adressbücher
https://www.memoiredeshommes.sga.defense.gouv.fr/de/article.php?larub=237&titre=engages-volontaires-etrangers-en-1939-1940

  • Liora, Rosa, Viktor und Boris Meigners

    Liora, Rosa, Viktor und Boris Meigners

  • Hans, Viktor und Debora Meigners

    Hans, Viktor und Debora Meigners

  • Viktor Meigners

    Viktor Meigners

  • August und Debora Meigners in der Mitte

    August und Debora Meigners in der Mitte