Drucksache - 0814/4
Die BVV hat in ihrer Sitzung am 20. März 2014 beschlossen:
Die BVV bittet das Bezirksamt, sich bei den zuständigen Stellen des Landes Berlins für die Einführung einer Ausführungsvorschrift einzusetzen, die bei Errichtung oder umfangreichen Umbauten von Verkaufsstätten zwischen 800 und 2000 qm Verkaufsfläche öffentlich zugängliche und kostenlos nutzbare barrierefreie Toiletten vorsieht.
Weiterhin soll sich das Bezirksamt dafür einsetzen, dass bei Verkaufsstätten über 2000 qm eine Betriebsvorschrift in die Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (BetrVO) aufgenommen wird, die den Bau von Toiletten als zwingend vorsieht.
Weiterhin sollen für Senioren geeignete Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich verpflichtend vorgesehen werden.
Das Bezirksamt teilt hierzu Folgendes mit:
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wurde von dem Beschluss unterrichtet. Die Senatsbaudirektorin hat sich mit Schreiben vom 29. August 2014 dazu wie folgt geäußert:
"Sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Schulte,
da Ihr Anliegen in meine Zuständigkeit fällt, beantworte ich Ihr Schreiben, für das ich mich bedanke. Mit Interesse habe ich den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf vom 20. März 2014 zur Kenntnis genommen.
Die Bauordnung für Berlin (BauO Bln) stellt keine Qualitätsanforderungen, sondern Mindestanforderungen und fordert daher, keine Toilettenräume für Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume eine Brutto-Grundfläche bis 800 m² haben. Eine Toilettenforderung wird für kleinere Verkaufsstätten als überzogen angesehen, kleinteiliger Einzelhandel sollte mit solchen Ausstattungen nicht belastet werden. Dies gilt auch für die geforderten Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich.
An Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Brutto-Grundfläche von insgesamt mehr als 800 m² haben und die gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 4 BauO Bin Sonderbauten sind, können im Baugenehmigungsverfahren besondere Anforderungen gestellt werden. Daher können nach § 52 Abs. 1 Nr. 17 BauO Bin auch öffentlich nutzbare Toiletten gefordert werden. Dies geschieht für Verkaufsstätten im Größenbereich zwischen 801 m² und 2 000 m² jedoch nur im Einzelfall, weil man von einer nur kurzfristigen Aufenthaltsdauer der Kunden ausgeht. Vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft könnte man jedoch ermessenssteuernd durch Einführung einer Ausführungsvorschrift Einfluss nehmen, damit im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens regelmäßig Toiletten in Verkaufsstätten dieser Größenordnung eingefordert werden. Grundsätzlich können Sie als Baustadtrat bereits heute auf eine entsprechende bauaufsichtliche Entscheidungspraxis Einfluss nehmen.
Für Verkaufsstätten mit mehr als 2000 m² Brutto-Grundfläche der Verkaufsräume und Ladenstraßen (größere Verkaufsstätten) sind auf Grund der Ausführungsvorschriften zu § 52 der Bauordnung für Berlin (AV Mustervorschriften) im Baugenehmigungsverfahren die Anforderungen der Muster-Verkaufsstättenverordnung der Bauministerkonferenz heranzuziehen, die jedoch keine Regelungen über Toiletten enthält. Eine Toilettenanforderung für den Neubau dieser größeren Verkaufsstätten könnten in Form einer Betriebsvorschrift in die Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (Betriebs-Verordnung - BetrVO) aufgenommen werden, auch wenn die Betreiber bereits heute schon aus Wettbewerbsgründen ein angemessenes Toilettenangebot für alle Kunden - und nicht nur für ältere Menschen - bereitstellen.
Bevor erwogen werden kann, ob durch Einführung ermessenssteuernder Regelungen Ihrem Anliegen entsprochen werden kann, hat die Oberste Bauaufsicht meiner Abteilung eine Abfrage an die Bauaufsichtsbehörden aller Bezirke versandt, um zunächst zu eruieren, wie viel % der genehmigten Discounter Lidl, Aldi, Edeka, Rewe, Netto, etc. eine Verkaufsfläche von mehr als 800 m² aufweisen. Über das Ergebnis der Abfrage und die beabsichtigte weitere Verfahrensweise werde ich Sie zu gegebener Zeit informieren.
Zusätzlich möchte ich darauf hinweisen, dass - soweit Kundentoiletten für Verkaufsstätten bauordnungsrechtlich gefordert oder vom Betreiber bereit gestellt werden - gemäß § 51 Abs. 3 Satz 9 BauO Bin mindestens ein Toilettenraum für Menschen mit Behinderungen geeignet sowie barrierefrei erreichbar und nutzbar sein muss.
Bauordnungsrechtliche Vorschriften, die der Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dienen, sind allerdings nicht geeignet, um Betreiber baulicher Anlagen zur Bereitstellung von für Senioren geeigneten Sitzgelegenheiten im Eingangsbereich von Verkaufsstätten zu verpflichten."
Das Bezirksamt wird im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten die Empfehlungen der BVV bei der bauaufsichtlichen Entscheidungspraxis berücksichtigen. Über das Ergebnis der Abfrage und die angekündigte weitere Verfahrensweise wird im zuständigen Fachausschuss berichtet werden.
Reinhard Naumann Marc Schulte Bezirksbürgermeister Bezirksstadtrat
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