Lokale Agenda Wilmersdorf - Veranstaltungsprotokoll

Protokoll

DER 10. VERANSTALTUNG ZUR REIHE “BAUSTEINE FÜR EINE LOKALE AGENDA” AM

30. 06. 1998, 16.00 UHR, GEMEINDESAAL DER KIRCHENGEMEINDE AUE

Referent: Herr Elmar Lakenberg, Leiter der Berliner Forsten

Folgende Kopien der Overhead-Folien liegen dem schriftlich verteilten Protokoll bei:
- Folgen des Kahlschlages und der Monokulturen;
- Naturnaher Waldbau;
- Hilfsmöglichkeiten für den Wald.

Herr BzStR Straßmeir begrüßt die Gäste der Veranstaltung und stellt ihnen den Referenten, Herrn Elmar Lakenberg, vor. Er führt in das Thema mit dem Hinweis auf den Begriff der Nachhaltigkeit und seiner Tradition in der Forstwirtschaft, die besondere Bedeutung des Grunewaldes für Wilmersdorf (44% der Fläche des Bezirkes bestehen aus Wald) und erwähnt das modellhafte Müllkonzept der Berliner Forsten.

Herr Lakenberg beginnt seinen Vortrag mit einem Rückblick auf die Geschichte und die Funktion des Waldes als Ökosystem, Erholungsgebiet, Trinkwasserspeicher, “Grüner Lunge” und Wirtschaftsfaktor. Er leitet über zur speziellen Situation des Grunewaldes und Berliner Forsten (ca. 60 Mitarbeiter), geht auf interne Strukturveränderung der Berliner Forsten ein und stellt die Leitlinien ihrer Arbeit vor. Berlin ist die größte waldbesitzende Kommune Deutschlands (ca. 100 Millionen Besucher jährlich allein im Grunewald). Die Förster sammeln bereits seit einigen Jahren Erfahrungen im Umgang mit Richtlinien zur Gestaltung und Pflege naturnahen Waldes, die gemeinsam mit Naturschutzvertretern entwickelt wurden.

Leitlinien der Waldbaurichtlinien der Berliner Forsten:

  • Standort- und florengerechte Baum- und Strauchartenwahl.
  • Dauerwald, in dem Kahlschlag verboten wird ( Folgen eines Kahlschlages:

p(. CO2-Senken verschwinden, Biotope und deren Lebensgemeinschaften wer-

p(. den zerstört, Bodenerosion u.a.).

  • Naturverjüngung.
  • Erzieherische Wirkung des Halbschattens.
  • Naturgemäße, intensive Bestandspflege.
  • Förderung der Mischbaumarten.
  • Misch- statt Reinbestände ( Erhalt und Förderung der Biodiversität).
  • Totholzerhaltung.
  • Hiebruhe in Brut- und Setzzeiten.
  • Chemikalienverbot.
  • Verzicht auf Bodenbearbeitung, Düngung.
  • Integrierte Biotoppflege.
  • Naturschutzkonzepte für Sonderstandorte.
  • Bodenschonende Holzbringung mit Pferden.
  • Art- und biotopverträgliche Wildhege.
  • Extensive, schonende Erschließung.

Er geht auf aktuelle Schwerpunkte und Probleme der Forsten ein:

  • Der Holzverkauf als ein „Standbein“ der Forsten subventioniert z.Zt. die „Standbeine“

p(. hoheitlicher Aufgaben und Dienstleistungen.

  • Versuche, mehr Einnahmen zu erzielen, sind größtenteils nicht durchsetzbar.
  • Aufgrund des Personalmangels ist der „Service“ rückläufig. Eine positive

p(. Konsequenz daraus ist das Müllkonzept, wo in einem Modellgebiet die

p(. Papierkörbe entfernt wurden. Sowohl Müllaufkommen als auch Entsorgungs

p(. kosten gingen drastisch zurück.

  • Der Nutzungs- und Verkaufsdruck auf Waldflächen wächst.
  • Die Berliner Forsten werden bei Grundstücksverkäufen nicht an den Erlösen

p(. beteiligt. Dies ist jedoch erforderlich, um Rücklagen bilden zu können und dem gesetzlichen Auftrag der Walderhaltung Rechnung zu tragen.

  • Er spricht sich trotz der finanziell schwierigen Situation im Land Berlin für

p(. den Ankauf zusätzlicher Waldflächen in Brandenburg aus.

  • Probleme bestehen mit Hunden und Hundenutzern sowie mit Mountain-

p(. bikern. Aus Sicht der Förster wäre es wünschenswert, die Hundeauslaufge-

p(. biete zu verkleinern.

In der sich dem Vortrag anschließenden Diskussion wurden aktuelle Probleme erörtert.

Diskussion:

Frau Duvinage schlägt vor, die Aktivitäten der Mountainbiker zu kanalisieren, indem man Arenen schafft; für Hunde sollten Auslaufgebiete geschaffen werden, um das Wild zu schützen. Bei Nichteinhaltung, sollten die betroffenen Hundehalter und Mountainbiker zu einer Zahlung verpflichtet werden.

Herr Lakenberg berichtet, daß versucht wurde, das Problem der Radfahrer über Vereine wie den Landessportbund zu regeln, leider ohne Erfolg. Nach der Rechtslage dürften sich die Radfahrer wie jedermann im Wald aufhalten, Mountainbiker eingeschlossen. Es besteht die Festlegung, dass Wege benutzt werden müssen. Hier ist großer Interpretationsspielraum, ob zum Beispiel ein Trampelpfad ein Weg ist. Dennoch müßten sich Radfahrer so verhalten, daß sie nicht stören.

Was die Hunde betrifft ist festzustellen, daß angestrebt wurde, die Hundeauslaufgebiete zu verkleinern, leider erfolglos. Die Hundeverordnung schreibt allerdings vor, daß die Badestellen nicht betreten werden dürfen. Herr Lakenberg stellt sich vor, Waldflächen außerhalb der Stadt zu kaufen, da die Städte größer werden. Um zukunftsweisend zu investieren, müßten die politisch Verantwortlichen einen Kapitalgrundstock schaffen. Da diese z.Zt. an solchen Investitionen nicht interessiert sind, sollten Sponsoren in der freien Wirtschaft gefunden werden, die diese Aufgabe übernehmen. Gedacht sei an gemeinnützige Spenden, die aber zweckgebunden für den Wald sind. Durch den Landkauf sollen andererseits die Zuschüsse für die Entschädigung an die Eigentümer eingespart werden. Darüberhinaus brauche der Wald Menschen, die Visionen umsetzen wollen, da ein Umdenken in vielen Bereichen unumgänglich sei. Spätere Generationen würden sonst unbequeme Fragen stellen. Der Planungszeitraum der Politik stünde bislang im krassen Widerspruch zu dem Wachstumszeitraum des Waldes.

Auf die Frage, ob es denn Sinn mache, in der Stadt für die Bebauung Wald zu verkaufen und in Brandenburg Wald anzukaufen, antwortet Herr Lakenberg, daß der Erhalt des innerstädtischen Waldes natürlich Priorität hat.

BzStR Straßmeir bestätigt, daß die Stadtplanung die bauliche Grenze zum Wald einzuhalten hat.

Herr Tack nennt als mögliche Vorbereitung für die Bebauung von Waldflächen starke Pflegedefizite wie sie z.B. am Teufelsberg vorhanden sind (Treppen am Drachenberg sind stark reparaturbedürftig). Die Erfahrung zeigt, wenn Zerstörungen nicht beseitigt werden, ziehen sie weitere Zerstörungen nach sich.

BzStR Straßmeir stellt fest, daß dies auf keinen Fall der Grund für die Bebauung des Teufelsberg sei. Herr Lakenberg ist der Meinung, das eine Grundsanierung des Teufelsberges erforderlich sei, aber die finanziellen Mittel fehlen und somit müßten gezielt Geldgeber angesprochen werden; naußerdem sollten auch Anwohner auf Eigeninitiative angesprochen werden.

Frau Duvinage weist auf ehrenamtliche Tätigkeit für solche Arbeiten hin, schlägt zusätzlich die Gründung eines Fördervereines vor.

Frau Luther vom NGA Köpenick fragt, warum geschlagene Bäume lange Zeit gelagert werden. Diese Holzhaufen würden den Borkenkäferbefall oder auch Waldbrände fördern und wären eine Gefahr für spielende Kinder.

Herr Lakenberg antwortet, da der Wald gut durchmischt sei und die natürlichen Feinde des Borkenkäfers auf einem höheren Niveau als in Kiefer-Reinbeständen sind, ist das Risiko des Borkenkäferbefalls sehr gering. Waldbrände werden in der Regel durch Brandstiftung oder Fahrlässigkeit verursacht.

Liegenbleibende Holzstapel sind verkauft und wurden vom Eigentümer nicht abgeholt, weil die Holzpreise dem Weltmarktpreis unterliegen und die Holzpreise auf dem Weltmarkt starken Schwankungen unterliegen. Was die eventuellen Unfälle mit Kindern betrifft, die auf diesen Holzhaufen herumklettern, ist dafür der Eigentümer des Holzes verantwortlich, soweit im Wald überhaupt die Versicherungspflicht greift

Herr Mieland möchte wissen, wie die von Herrn Lakenberg angesprochenen Visionen auf reale Basis gestellt werden, und ob die Ziele als Funktionsziele für die Waldwirtschaft überprüft werden?

Herr Lakenberg antwortet, daß es hierüber natürlich Grundsatzdiskussionen mit verschiedenen Interessenten gibt. Außerdem erscheint 1/4jährlich eine Zeitung, die auch auf Veranstaltungsprogramme zu diesen Themen aufmerksam macht. Allerdings gibt es ein Verteilungsproblem, weshalb nicht alle Interessierten wirklich erreicht werden können.

Die Überprüfung der Funktionsziele erfolgt durch externe Gutachter und die Aufsicht durch die zuständige Senatsverwaltung.

Frau Duvinage schlägt vor, in Tageszeitungen über den Forstzustand allerort zu berichten oder TV-Werbespots zu senden, um das Verteilungsproblem zu lösen.

Herr Lakenberg berichtet, daß die Bereitschaft der Abendschau wachse sich solcher Themen anzunehmen. Bei der Presse hänge es aber letztendlich starkvom Interesse des Redaktionschefs ab, ob ein Thema transportiert werde.

Herr Tack meint, daß Berlin seinen Wald erhalten muß und es somit Aufgabe aller Bürger dieser Stadt sein sollte, den Erholungswald zu unterhalten.

Herr Lakenberg entgegnet, der Wald zur Erholung sei zwar attraktiv, aber es kostet keinen Eintritt. Das Forstamt hätte z.B. für 1,5 Mill. Pflanzen an Kitas, Schulen etc. ohne Verrechnung verteilt. Diese tauchen im Etat nicht auf.

Aus zeitlichen Gründen mußte die Diskussion an dieser Stelle abgebrochen werden. Die Teilnehmer sprachen sich jedoch dafür aus, die erwähnten Vorschläge im Rahmen weiterer Treffen zu erörtern.

BzStR Straßmeir bedankt sich bei dem Referenten, den Gästen und der Auenkirche und beschließt die Veranstaltung mit dem Hinweis auf die am 29.08 98, im Ökowerk stattfindende Leitbilddiskussion.

Voß/Porzner