Station 4.5: Pestalozzistraße 66
Wir stehen vor der Hofeinfahrt zur Pestalozzistraße 66. Hier befinden sich die Stolpersteine für Else Flatau und Max Danielsohn. Sie wurden am 24.3.2014 verlegt.
HIER WOHNTE
ELSE FLATAU
GEB. RAESENER
JG. 1888
FLUCHT BELGIEN
INTERNIERT MECHELEN
DEPORTIERT 26.9.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
HIER WOHNTE
MAX DANIELSOHN
JG. 1879
“SCHUTZHAFT“ 1938
SACHSENHAUSEN
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942
Hier ein paar Ausschnitte aus ihrer Biographie von ihrem Enkel Daniel Eger:
Else Flatau, geb. Raesener, und Max Danielsohn lernten sich 1920 kennen, als sie das Grab von Rosa Luxemburg auf dem Sozialistenfriedhof in Friedrichsfelde besuchten. Else war Witwe, der Mann war im Krieg gefallen. Max arbeitete als Buchhalter, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Nach einem Jahr trennte sich Max von seiner Frau und zog zu Else.
Beide waren Kommunisten, und laut Lea, ihrer gemeinsamen Tochter, folgten sie dem Rat der KPD, aus Sicherheitsgründen nicht zu heiraten und nur ein Kind zu haben. Max betrieb das Geschäft weiter, das Else von ihrem gefallenen Ehemann Leo geerbt hatte, in dem Borten, Bordüren, Spitzen und andere Ziergegenstände hergestellt wurden. Die beiden zogen in eine Einzimmerwohnung in der Michaelkirchstraße 8 in Kreuzberg. Sie waren politisch und sozial aktiv und eröffneten eine Suppenküche, die regelmäßig sonntags Essen an Bedürftige austeilte.
1931 zogen sie in eine größere Wohnung in der Pestalozzistraße 66. Hier fanden Abende mit Literatur und Musik statt. Else spielte Klavier und sang dazu, und Jean, Max‘ Sohn aus der ersten Ehe, spielte Geige. Andere lasen vor. Nach dem NS-Machtantritt durchsuchte die SS die Wohnung, Max wurde verhaftet und wegen seiner kommunistischen Aktivitäten zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. 1938 wurde er erneut verhaftet und im Rahmen der „Aktion Arbeitsscheu Reich“ als sogenannter Asozialer in das Lager Sachsenhausen deportiert, wo er von Juni bis September 1938 gefangen war.
Im Juli 1940 konnten Max und Else die Ausreise ihrer Tochter nach Palästina ermöglichen. Einigen Freunden der beiden gelang es ebenfalls, Deutschland zu verlassen. Ihnen aber war es nicht möglich, denn kein Land wollte einen vorbestraften Kommunisten aufnehmen. 1942 versuchten sie, Deutschland heimlich zu verlassen. Im April oder Mai des Jahres zogen sie in eine Hütte in der Nähe der deutsch-schweizerischen Grenze. Max machte sich daran, die Gegend zu erkunden, um eine Möglichkeit zum illegalen Grenzübertritt zu finden. Er verließ eines Tages die Hütte und kam nicht zurück. Daraufhin ging Else nach Berlin zurück und versteckte sich in der Wohnung eines Freundes. Schließlich floh sie nach Brüssel. Einen Monat später wurde sie verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Max war vermutlich an der deutsch-schweizerischen Grenze verhaftet und nach Berlin gebracht worden. Sein Name findet sich auf einer Liste deportierter Juden, die nach Riga verschleppt und
dort erschossen wurden.
Wir gehen nun weiter bis zur Wilmersdorfer Straße, in die wir links einbiegen, dann rechts in die Goethestraße und links in die Sesenheimer Straße. Wir treffen uns wieder im Spielhaus an der Ecke Sesenheimer / Schillerstraße.