265. Kiezspaziergang – 8. März Weltfrauentag

265. Kiezspaziergang Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch

Herzlich willkommen zum 265. Kiezspaziergang am Weltfrauentag. Ich bin Kirstin Bauch, Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, und freue mich, Sie heute zu begrüßen.

Bevor wir in das heutige Thema eintauchen, ein kurzer Ausblick: Der nächste Spaziergang findet am Samstag, den 12. April, statt. Wir erkunden den Spandauer Damm, der in diesem Jahr 75 Jahre alt wird. Bezirksstadtrat Detlef Wagner wird Sie begleiten. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Wasserturm, Spandauer Damm 165.

Der 8. März ist mehr als nur ein Datum – er steht für den Kampf gegen Diskriminierung und gegen die Ausbeutung von Frauen und Mädchen weltweit. Seit 1975 ist der Weltfrauentag von den Vereinten Nationen anerkannt, und wird in vielen Ländern mit Demonstrationen und Veranstaltungen begangen. Sein Ziel ist es, auf bestehende Ungleichheiten aufmerksam zu machen, wie den Gender Pay Gap – also die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen – und Maßnahmen zur Stärkung der Rechte von Frauen zu fördern.

Die Herausforderungen für Frauen im 21. Jahrhundert sind vielfältig: gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt, gleiche Bezahlung und die Anerkennung von der Sorgearbeit, die meist Frauen leisten. Es geht um Schutz vor Gewalt, um sichere Gesundheitsversorgung und um politische Mitsprache. Frauen weltweit müssen weiterhin für ihre Rechte kämpfen.

Doch dieser Kampf ist weder abstrakt noch weit entfernt. Er hat sich über Jahrhunderte hinweg auch direkt in unserer Stadt abgespielt. Genau das wollen wir heute sichtbar machen. Auf unserem Spaziergang durch Charlottenburg begegnen wir Frauen, die für mehr Gerechtigkeit gestritten, bahnbrechende Entdeckungen gemacht oder gesellschaftliche Strukturen verändert haben. Ohne ihr Engagement wäre dieser Bezirk nicht das, was er heute ist: lebendig, vielfältig und kreativ.

Charlottenburg war schon immer ein besonderer Ort für Frauen. Hier lebten und wirkten Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Sportlerinnen, Unternehmerinnen und Politikerinnen. Einige wurden berühmt, andere gerieten in Vergessenheit – doch alle haben Spuren hinterlassen. Sie kämpften für ihre Rechte, revolutionierten ihre Berufe oder prägten das kulturelle und soziale Leben. Und das oft zu Zeiten, in denen Frauen kaum Möglichkeiten hatten und um Anerkennung ringen mussten.

Schon der Name Charlottenburg erinnert an eine Frau: Kurfürstin Sophie Charlotte. Sie machte ihr Schloss zu einem kulturellen Zentrum und legte damit den Grundstein für die geistige und künstlerische Tradition des Bezirks. Später, in den Goldenen Zwanzigern, war Charlottenburg ein Hotspot der Avantgarde. Schauspielerinnen, Schriftstellerinnen und Wissenschaftlerinnen fanden hier Inspiration und Entfaltungsmöglichkeiten.

Doch nicht nur Kunst und Kultur blühten auf. Charlottenburg war auch ein Ort gesellschaftlicher Errungenschaften. Viele Frauen engagierten sich für Bildung, soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte. Sie gründeten Schulen, kämpften für bessere Arbeitsbedingungen und unterstützten Bedürftige.
Trotz ihrer Erfolge blieb ihr Wirken oft unbeachtet. Ihre Namen fehlen in Geschichtsbüchern, ihre Biografien sind schwer zu rekonstruieren. Umso wichtiger ist es, sie heute sichtbar zu machen.

Auf unserem Spaziergang lernen wir einige dieser beeindruckenden Frauen kennen. Wir beginnen am Rathaus Charlottenburg, danach werfen einen Blick auf die sozialen Einrichtungen, die Frauen hier im Kiez mit aufgebaut haben Wir begegnen Frauen wie Marie-Elisabeth Lüders, einer Wegbereiterin für Frauenrechte in der Politik, und Ottilie von Hansemann, die Studentinnen ein Zuhause gab. Wir hören von Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen und Pionierinnen, deren Beiträge oft im Schatten blieben. Und wir erinnern uns an Sophie Charlotte, deren Einfluss bis heute spürbar ist.

Unser Spaziergang zeigt: Die Geschichte der Frauen ist nicht nur eine Geschichte des Kampfes, sondern vor allem eine des Gestaltens, des Aufbruchs und der Veränderung. Lassen Sie uns gemeinsam auf Entdeckungstour gehen!

265. Kiezspaziergang Rathaus Charlottenburg

Rathaus Charlottenburg

Wir stehen hier vor dem Rathaus Charlottenburg. Ein Gebäude mit Geschichte – auch für Frauen in der Politik. Als Charlottenburg 1705 gegründet wurde, hatten Frauen kein Mitspracherecht. Und als 200 Jahre später dieses Rathaus eröffnet wurde, war Politik noch immer reine Männersache. Doch das hat sich zum Glück verändert – zwar langsam, aber stetig.

1918 erhielten Frauen in Deutschland das Wahlrecht. In der Weimarer Republik zogen erstmals Frauen in Parlamente und Stadtverordnetenversammlungen ein. Eine von ihnen war Elise Deutsch, die 1919 Stadtverordnete in Charlottenburg wurde und sich für soziale Themen einsetzte. Eine weitere Pionierin war Anna von Gierke. Sie engagierte sich in der Kinder- und Jugendfürsorge, gründete soziale Einrichtungen und wurde in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Später war sie Stadtverordnete in Charlottenburg. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, verlor sie alle Ämter.

Trotz solcher Vorreiterinnen dauerte es lange, bis Frauen Spitzenpositionen erreichten. Die erste Bezirksbürgermeisterin Charlottenburgs, Monika Wissel, trat ihr Amt erst 1989 an. In Wilmersdorf gab es bis zur Fusion unserer Bezirke 2001 keine Frau an der Spitze.

Heute sieht das anders aus. Charlottenburg-Wilmersdorf hat eine Bezirksbürgermeisterin: Mich. Auch die Vorsitzende der Bezirksverordnetenversammlung Judith Stückler ist eine Frau. Und fast die Hälfte der Bezirksverordneten sind weiblich. Der Frauenanteil bei den Mitarbeitenden im Bezirksamt liegt bei 64 Prozent. Ein Zeichen, dass sich etwas bewegt.

Doch echte Gleichberechtigung? Die fehlt noch. Ein Blick auf die Equal Pay Day-Flagge vor dem Rathaus zeigt es. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer, selbst bei gleicher Arbeit und Qualifikation.

Charlottenburg-Wilmersdorf will das ändern. Seit Mai 2024 ist der Bezirk Teil des Bündnisses „Gemeinsam gegen Sexismus“. Diese Initiative wurde vom Familienministerium ins Leben gerufen. Ziel ist es, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sichtbar zu machen, sie zu bekämpfen und für Gleichberechtigung zu sorgen – in der Arbeitswelt, im öffentlichen Raum, überall.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Das Bezirksamt hat das Gütesiegel „Familienfreundlicher Arbeitgeber Land Berlin“ erhalten. Wir fördern flexible Arbeitszeiten. Davon profitieren besonders Frauen, denn sie übernehmen oft den Großteil der Erziehungs- und Pflegearbeit in Familien.

265. Kiezspaziergang Cecilienhaus

Cecilienhaus - Otto-Suhr-Allee 59

Wir stehen vor dem Cecilienhaus, einem beeindruckenden Bau im strengen Jugendstil. Zwischen 1907 und 1909 errichtete der Vaterländische Frauenverein Charlottenburg es als Wohlfahrtseinrichtung. Hier gab es eine Frauenklinik mit Entbindungsstation, eine Kinderkrippe, eine Volksküche, ein Sanatorium mit 50 Betten und viele weitere soziale Angebote. Der Verein, der dem Roten Kreuz angehörte, hatte sich der Wohltätigkeit verschrieben – allerdings mit einem sehr traditionellen Frauenbild: Die Frau als Mutter, Erzieherin und Pflegerin. Politische Gleichberechtigung oder Emanzipation spielten für den Verein keine Rolle.

Anfang des 20. Jahrhunderts machte die Frauenmedizin bedeutende Fortschritte, besonders in der Hygiene. Im 19. Jahrhundert war das Kindbettfieber eine der häufigsten Todesursachen nach der Geburt. Ärzte untersuchten Frauen oft ohne Händewaschen – oft direkt nach der Untersuchung von Leichen. Dass dadurch tödliche Keime übertragen wurden, erkannte der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis. Er führte Mitte des 19. Jahrhunderts in Wiener Kliniken die Händedesinfektion mit Chlor ein – und die Sterblichkeitsrate sank drastisch. Doch seine Erkenntnisse stießen zunächst auf Widerstand, da sie das Selbstbild der Ärzte infrage stellten. Semmelweis‘ Arbeit rettete unzählige Frauenleben, wurde aber erst nach seinem frühen Tod anerkannt. Heute ist es selbstverständlich, dass in Kliniken höchste Hygienestandards gelten – eine der wichtigsten Errungenschaften der modernen Medizin.

Seit den Anfängen der Frauenkliniken in Deutschland hat sich vieles verbessert. Die Müttersterblichkeit ist drastisch gesunken, Hebammen und Ärztinnen sind selbstverständlich geworden. Doch große Herausforderungen bleiben. Ein zentrales Problem ist der Hebammenmangel. Obwohl es in Deutschland rund 27.000 Hebammen gibt, herrscht vor allem in der Geburtshilfe ein akuter Personalmangel. Besonders freiberufliche Hebammen kämpfen mit hoher Arbeitsbelastung, schlechter Bezahlung und enormen Haftpflichtkosten. Viele geben ihren Beruf auf, sodass immer mehr Schwangere Probleme haben, eine Betreuung zu finden. Dabei ist eine gute Begleitung während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett entscheidend für die Gesundheit von Mutter und Kind.

Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema ist das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. In Deutschland ist der Abbruch einer Schwangerschaft nach § 218 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich strafbar – mit wenigen Ausnahmen. In den ersten zwölf Wochen bleibt er nur straffrei, wenn eine verpflichtende Beratung stattgefunden hat. Viele Organisationen und Politiker:innen fordern seit Jahren eine Reform, um Frauen mehr Selbstbestimmung zu ermöglichen. Doch die Debatte bleibt hitzig, und eine gesetzliche Änderung ist umstritten.

265. Kiezspaziergang Marie-Elisabeth-Lüders-Straße

Marie-Elisabeth-Lüders-Straße

Der Name der Straße erinnert an eine Frau, die ihr Leben dem Kampf für Frauenrechte gewidmet hat. Marie-Elisabeth Lüders war eine Pionierin der deutschen Frauenbewegung – eine Politikerin, Juristin und Sozialreformerin, die viele Barrieren durchbrach und unermüdlich für Gleichberechtigung kämpfte.

Lüders wurde 1878 in eine gutbürgerliche Berliner Familie geboren. Schon früh weigerte sie sich, den damals üblichen Lebensweg einer Frau einzuschlagen. Statt sich auf Ehe und Haushalt zu beschränken, kämpfte sie für Bildung und berufliche Chancen. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die in Deutschland Staatswissenschaften studieren durften, und promovierte 1912 als erste Frau überhaupt in diesem Fach. Ihre Dissertation behandelte die berufliche Ausbildung von Frauen – ein Thema, das sie ihr Leben lang begleitete.

Nach dem Ersten Weltkrieg begann ihr politischer Weg. Lüders trat der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei und wurde Abgeordnete des Reichstags. Ihr zentrales Anliegen: die rechtliche und wirtschaftliche Gleichstellung von Frauen. Sie setzte sich besonders für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen ein – höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und Schutz vor Ausbeutung. Ein Meilenstein war ihre Rede im Reichstag zur Zulassung von Frauen zu juristischen Berufen. Ihr Einsatz führte dazu, dass Frauen in Deutschland ab 1922 als Richterinnen, Anwältinnen und Staatsanwältinnen arbeiten durften.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete Lüders politische Karriere abrupt. Sie wurde verfolgt, inhaftiert und durfte nicht mehr publizieren. Doch sie ließ sich nicht brechen. Nach dem Krieg kämpfte sie weiter – für den Wiederaufbau der Demokratie und die Gleichberechtigung der Frauen. In der Bundesrepublik wurde sie für die FDP in den Bundestag gewählt und leitete als Alterspräsidentin als erste Frau das Parlament. Eine ihrer wichtigsten Errungenschaften war das Gleichberechtigungsgesetz von 1957, das die rechtliche Benachteiligung von Frauen in der Ehe beseitigte. Doch ihr Einsatz endete nicht dort. Als der Bundestag entschied, dass bei Sorgerechtsfragen der Vater das letzte Wort haben sollte, klagte sie vor dem Bundesverfassungsgericht – und gewann.

Und eine weitere Errungenschaft verdanken wir Marie-Elisabeth Lüders: Sie setzte sich dafür ein, dass jede erwachsene Frau unabhängig vom Ehestand als „Frau“ angesprochen wird. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Gleichstellung von verheirateten und unverheirateten Frauen. Lange Zeit galt eine unverheiratete Frau nicht als vollwertig – sie war ein „Fräulein“. Ein Begriff, der sie klein hielt, als halbfertig oder nicht ganz angekommen in der Gesellschaft. 1954 kam das Thema in den Bundestag. Lüders setzte sich mit Nachdruck dafür ein, dass auch unverheiratete Frauen amtlich als „Frau“ bezeichnet werden dürfen. Mit Erfolg: Der Antrag wurde angenommen – mit nur wenigen Gegenstimmen. Doch es dauerte noch fast zwei Jahrzehnte, bis das „Fräulein“ endgültig aus dem Amtsdeutsch verschwand. Erst 1972 wurde die Anrede offiziell abgeschafft.

Lüders war eine streitbare, kluge und unbeirrbare Kämpferin. Sie wusste: Rechtliche Gleichstellung allein reicht nicht. Frauen müssen ihre Rechte auch praktisch durchsetzen – in der Bildung, im Beruf und in der Politik. Sie forderte, dass mindestens ein Drittel der Bundestagsabgeordneten Frauen sein sollten. Diese Vision erreichen wir heute nur knapp: Nach der aktuellen Bundestagswahl sind rund 32 Prozent der Abgeordneten weiblich – das ist sogar weniger als nach der Wahl 2021. Damals lag der Anteil bei knapp 35 Prozent.

Viele der von Lüders Forderungen bleiben aktuell: Gleiche Bezahlung, faire Arbeitsbedingungen und eine stärkere politische Beteiligung von Frauen. Der heutige Weltfrauentag ist ein guter Anlass, sich daran zu erinnern und ihren Kampf weiterzuführen.

265. Kiezspaziergang Haus Ottilie von Hansemann

Haus Ottilie von Hansemann - Otto-Suhr-Allee 18-20

Heute stehen wir vor dem Haus Ottilie von Hansemann, einem wichtigen Gebäude in der Geschichte der Frauenbildung. 1915 öffnete es als erstes Studentinnenwohnheim Europas seine Türen – ein sicherer Ort für Frauen, die gerade erst Zugang zu Universitäten erlangt hatten. Die Architektin war Emilie Winkelmann, die erste freiberufliche Architektin Deutschlands.

Bis 1908 durften Frauen in Preußen nicht regulär studieren. Erst nach zähem Ringen öffneten sich die Hochschulen für sie. Doch damit war es nicht getan: Es fehlte an Wohnraum, an Netzwerken und an finanzieller Unterstützung. Genau da setzte das Haus an. Finanziert durch die Stiftung der Frauenrechtlerin Ottilie von Hansemann, bot es 96 Einzelzimmer, eine Bibliothek, Arbeitsräume, eine Turnhalle und sogar eine Dunkelkammer. Es war mehr als ein Wohnheim, es war eine echte Bildungsstätte.

Emilie Winkelmann, die das Gebäude entwarf, war selbst eine Pionierin. 1902 erkämpfte sie sich eine Ausnahmegenehmigung für das Architekturstudium, obwohl Frauen offiziell ausgeschlossen waren. Zur Abschlussprüfung ließ man sie nicht zu, doch sie gab nicht auf: 1907 gründete sie ihr eigenes Architekturbüro und entwarf zahlreiche Wohnhäuser, Villen und öffentliche Gebäude. Viele ihrer Kundinnen waren Frauen – ein Beleg dafür, wie wichtig weibliche Netzwerke damals schon waren. Mit ihrem Stil, der Tradition und Moderne verband, behauptete sie sich in einer Männerdomäne.

Das Haus Ottilie von Hansemann diente bis in die 1960er Jahre als Studentinnenwohnheim. Später nutzte man es unter anderem als Theater und Bürogebäude. Heute steht es unter Denkmalschutz.

Die Geschichte dieses Hauses zeigt, wie hart Frauen um Bildung kämpfen mussten. Auch heute gibt es noch Barrieren – sei es durch finanzielle Hürden, mangelnde Gleichstellung in akademischen Karrieren oder gesellschaftliche Vorurteile. Zwar ist der Anteil von Frauen unter Studierenden inzwischen hoch ist, doch in vielen naturwissenschaftlichen Fächern bleiben sie unterrepräsentiert. Auch in Führungspositionen an Universitäten sind Frauen weiterhin in der Minderheit. Hinzu kommen strukturelle Probleme wie ungleiche Bezahlung oder der Balanceakt zwischen Beruf und Familie. Doch Frauen wie Ottilie von Hansemann und Emilie Winkelmann haben den Weg geebnet – für alle, die heute ohne große Hindernisse studieren können.

Private Mädchenschule Ida Klockow - Otto-Suhr-Allee 22

Für unseren nächsten Stopp müssen wir uns gar nicht bewegen, der ist nämlich gleich nebenan: An der Otto-Suhr-Allee 22 – damals Berliner Straße 39 – befand sich die private Mädchenschule von Ida Klockow.

1871 gründete sie das Klockow’sche Lyzeum und bot Mädchen eine höhere Schulbildung. Es war eine der wenigen Einrichtungen, die Mädchen damals eine qualifizierte Ausbildung boten – in einer Zeit, in der Frauen oft nur auf das Hausfrauenleben vorbereitet wurden. 1926 zählte das Lyzeum 332 Schülerinnen.

Ida Klockow betrieb ihre Schule nicht nur, sie besaß sie auch. Seit 1894 war sie Erbpächterin, später Eigentümerin des Gebäudes. Bildung und Politik gingen für sie Hand in Hand: Von 1919 bis 1929 saß sie in der Charlottenburger Stadt- und später Bezirksverordnetenversammlung, wo sie sich in Ausschüssen für Mädchenschulen und Volksbildung engagierte. Sie kämpfte für bessere Bildungschancen, setzte sich für die Rechte von Lehrerinnen und Schülerinnen ein und war Ehrenvorsitzende des „Bundes privater deutscher Mädchenschulen“.

1929 wurde ihre Schule verstaatlicht und als VI. Städtisches Lyzeum weitergeführt. Im Zweiten Weltkrieg zerstörte eine Bombe das Gebäude, 1945 wurde die Schule endgültig geschlossen.

Ida Klockow bleibt dennoch eine beeindruckende Figur der Bildungsgeschichte unseres Bezirks – eine Frau, die mit ihrer Schule und ihrem politischen Engagement dazu beitrug, Mädchen den Weg zu mehr Bildung und Selbstbestimmung zu ebnen.

265. Kiezspaziergang Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Von 1922 bis 1935 arbeitete die Chemikerin Ida Noddack an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Sie leistete Großes in der Wissenschaft, erhielt jedoch lange nicht die Anerkennung, die sie verdiente.

Ida Eva Noddack, geborene Tacke, kam 1896 am Niederrhein zur Welt. hr Vater, ein Lackfabrikant, hatte sich einen Sohn gewünscht. Stattdessen bestimmte er Ida dazu, später die Leitung der Fabrik zu übernehmen. Ida war klug, zielstrebig und entschied sich für ein Studium der Chemie – ein mutiger Schritt in einer Zeit, in der Frauen in den Naturwissenschaften kaum vertreten waren.

1921 promovierte sie an der Technischen Hochschule Berlin. In der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Charlottenburg begann sie mit der Suche nach neuen chemischen Elementen.

Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt war für ihre Forschungen ein idealer Ort. Das Berliner Institut wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und stand für höchste Präzision in Wissenschaft und Technik. Die Gebäude in der Abbestraße wurden speziell für genaue Messungen entworfen: dicke Mauern verhinderten Erschütterungen, große Fenster sorgten für Tageslicht, und die Labore waren mit modernster Technik ausgestattet. Bis heute zählt die PTB zu den bedeutendsten Forschungseinrichtungen Deutschlands.

Zusammen mit Walter Noddack, ihrem späteren Ehemann, gelang ihr 1925 die Entdeckung des Elements Rhenium, benannt nach dem Rhein, Idas Heimatfluss.

Ida Noddack war nicht nur eine brillante Chemikerin, sondern auch eine Visionärin. 1934 wagte sie die kühne Hypothese, dass Atomkerne unter Neutronenbeschuss zerbrechen könnten – ein Prozess, den wir heute als Kernspaltung kennen. Die wissenschaftliche Welt lachte sie aus, darunter auch Otto Hahn, der später für die experimentelle Entdeckung der Kernspaltung den Nobelpreis erhielt. Erst kurz vor seinem Tod gab Hahn zu: „Die Ida hatte doch recht.“

Sie war Mitglied der Leopoldina, erhielt die Liebig-Denkmünze und das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland – doch die höchste wissenschaftliche Ehrung, der Nobelpreis, blieb ihr verwehrt.

Ida Noddacks Lebensweg zeigt, wie schwer es Frauen in der Wissenschaft oft hatten – und leider oft noch haben. Es gibt Fortschritte, doch Frauen sind in Naturwissenschaften und Technik noch immer unterrepräsentiert. Initiativen wie das Professorinnenprogramm oder „Women in Science“ setzen sich für mehr Chancengleichheit ein.

Ida Noddack starb 1978. Ihr Name ist heute vielen unbekannt, doch ihre Arbeit hat die Chemie nachhaltig geprägt.

265. Kiezspaziergang

Gertrud Kolmar - Ahornallee 37, 14050 Berlin

Hier geht es um eine Frau, die selbst keine Wissenschaftlerin war, aber die Wissenschaft prägte: Anna von Helmholtz. Als Ehefrau des berühmten Physikers Hermann von Helmholtz lebte sie von 1889 bis 1895 in diesem Haus. Doch sie war weit mehr als nur eine „Professorengattin“ – sie war eine Salonnière, eine Netzwerkerin und eine Vermittlerin zwischen Wissenschaft und Gesellschaft.

Anna von Helmholtz, geboren 1834 als Anna von Mohl, wuchs in einer gebildeten Familie auf. Schon früh erhielt sie eine umfassende Bildung, lebte zeitweise in Paris und lernte dort von ihrer Tante, wie man einen Salon führt. Ein Salon war damals mehr als nur ein Treffpunkt – es war ein Ort, an dem Ideen ausgetauscht und diskutiert wurden.

Nach ihrer Heirat 1861 zog sie mit ihrem Mann nach Heidelberg und später nach Berlin. Dort startete sie ihre berühmten „Dienstage“ zu denen sie führende Wissenschaftler, Künstler und Literaten einlud. Zu ihren Gästen zählten unter anderem der Arzt Rudolf Virchow, die Schriftstellerin Fanny Lewald und der Maler Adolf Menzel. Ihr Salon verband Wissenschaft, Kunst und Politik – er bot Forschern eine Bühne und machte ihre Arbeit sichtbar.

Doch obwohl sie eine zentrale Rolle im wissenschaftlichen Leben Berlins spielte, blieb ihre Arbeit weitgehend unbeachtet. Wie viele Frauen ihrer Zeit wirkte sie im Hintergrund: Sie organisierte, übersetzte wissenschaftliche Texte und brachte Menschen zusammen – ohne dafür Anerkennung zu erhalten.

Erst in jüngster Zeit beginnt man, ihren Beitrag zu würdigen. 2023 wurde auf dem Forschungscampus der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ein Neubau nach ihr benannt: der Anna-von-Helmholtz-Bau. Er steht symbolisch für das, was sie tat – Wissenschaftler vernetzen, Austausch fördern und Wissen zugänglich machen.

Marchstraße 7e: Sängerin Fritzi Massary und Marchstraße 7f: Sozialarbeiterin Helene Weber

Fritzi Massary zählte zu den bekanntesten Sängerinnen und Schauspielerinnen ihrer Zeit. In den 1920er-Jahren feierte man sie als Operettenstar, ihr Name stand für Eleganz, Witz und Charme. Sie spielte auf den großen Bühnen Berlins und arbeitete mit Komponisten wie Ralph Benatzky und Oscar Straus. Ihre Stimme, ihre Ausstrahlung – das Publikum liebte sie.

Doch Massary war mehr als eine brillante Künstlerin – sie war eine selbstbewusste Frau. Sie verhandelte ihre Gagen hart und baute sich in einer Zeit, in der Frauen oft finanziell abhängig waren, ein eigenes Vermögen auf. Dennoch blieb ihre Karriere nicht von den politischen Umbrüchen verschont.

Als Jüdin drängten die Nationalsozialisten sie nach 1933 aus dem öffentlichen Leben. Sie floh zunächst in die Schweiz, dann nach England und schließlich in die USA. Ihr Mann, der Schauspieler Max Pallenberg, starb 1934 bei einem Flugzeugabsturz. In der Emigration konnte sie nie an ihre früheren Erfolge anknüpfen. 1969 starb sie in Los Angeles – weit entfernt von der Stadt, die sie einst gefeiert hatte.

Heute erinnert in Berlin kaum noch etwas an sie. Dabei war sie eine der größten Künstlerinnen ihrer Zeit.

Gleich nebenan, aber einige Jahre vor Massary, lebte von 1907 bis 1914 Helene Weber. Sie war eine der bedeutendsten Frauenrechtlerinnen und Sozialpolitikerinnen Deutschlands. 1881 in Wuppertal-Elberfeld geboren, kämpfte sie ihr Leben lang für soziale Gerechtigkeit, Bildung und die politische Teilhabe von Frauen.
Ihre Laufbahn begann als Lehrerin, doch schon früh engagierte sie sich in der katholischen Sozialbewegung. Während des Ersten Weltkriegs leitete sie eine Soziale Frauenschule, die Frauen für soziale Berufe ausbildete – eine Pionierleistung in einer Zeit mit wenigen beruflichen Chancen für Frauen.

Nach dem Krieg trat sie in die Politik ein und wurde 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt, wo sie an der Weimarer Verfassung mitarbeitete. Später saß sie im Reichstag und setzte sich vor allem für soziale Themen ein. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor sie ihre Ämter und zog sich aus der Politik zurück.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie zu den vier Frauen im Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz erarbeitete. Obwohl sie zunächst mit dem Gleichberechtigungsartikel haderte, unterstützte sie schließlich die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – ein Meilenstein für die Frauenrechte in Deutschland.

Helene Weber war Mitglied des ersten Deutschen Bundestages und eine enge Vertraute von Konrad Adenauer. Sie kämpfte vehement für Frauenbildung und soziale Absicherung ein, hielt aber gleichzeitig an traditionellen Familienstrukturen fest. Trotz ihrer konservativen Haltung ermutigte sie viele junge Politikerinnen und trug dazu bei, dass 1961 mit Elisabeth Schwarzhaupt die erste Frau Ministerin wurde.

Für ihr Engagement erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Sie starb 1962, doch ihr Vermächtnis lebt weiter – viele Schulen und Institutionen tragen heute ihren Namen.

Helene Weber zeigte, wie schwer es Frauen hatten, sich politisch durchzusetzen, und wie viel sie dennoch erreichen konnten. Ihr Mut und ihr Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Frauenrechte prägen bis heute.

265. Kiezspaziergang Charlottenburger Tor und Sophie Charlotte

Charlottenburger Tor und Sophie Charlotte

Das Charlottenburger Tor ist ein eindrucksvolles Wahrzeichen unseres Bezirks. Es wurde 1907–1908 erbaut, um den Eingang zur damals eigenständigen Stadt Charlottenburg zu markieren – als westliches Gegenstück zum Brandenburger Tor. Ursprünglich stand es enger zusammen, doch in den 1930er-Jahren wurde es für die breitere Ost-West-Achse auseinandergesetzt. Die beeindruckenden Säulenhallen und kunstvollen Kandelaber erinnern noch heute an seine einstige Pracht.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Tor schwer beschädigt, einige Figuren gingen verloren. Erst in den 2000er-Jahren wurde es umfassend saniert. Heute steht es als Symbol für die bewegte Geschichte Charlottenburgs – und erinnert uns daran, wie eng Vergangenheit und Gegenwart verbunden sind.

Auf dieser Seite des Tors sehen wir Sophie Charlotte mit einem Modell des Schlosses, das ihren Namen trägt. Diese Frau war weit mehr als nur eine Königin – sie war klug, einflussreich und hatte Sinn für Kunst.

Geboren 1668 als Herzogin von Braunschweig und Lüneburg, heiratete sie Friedrich von Brandenburg, der sich 1701 zum ersten König in Preußen krönte. Während er nach Macht strebte, widmete sie sich Kunst, Musik und Wissenschaft. In ihrem Schloss Lietzenburg – dem heutigen Schloss Charlottenburg – versammelte sie Philosophen, Musiker und Gelehrte. Besonders eng verbunden war sie mit Gottfried Wilhelm Leibniz, einem der bedeutendsten Denker seiner Zeit. Die beiden diskutierten über Philosophie, Naturwissenschaften und Politik – Themen, die Frauen damals kaum zugänglich waren.

Sophie Charlotte war nicht die einzige Adlige, die die Kultur und Wissenschaft förderte. Viele Frauen aus hohen Kreisen nutzten ihren Einfluss, um Künstler und Gelehrte zu unterstützen. Doch ihre Namen sind oft vergessen, während ihre Ehemänner und Söhne in den Geschichtsbüchern stehen. Sophie Charlottes Name lebt in diesem Stadtteil weiter, aber viele andere Frauen bleiben unbekannt, obwohl sie die Gesellschaft prägten.

Damit endet unser heutiger Spaziergang. Vielen Dank für Ihre Teilnahme.

Zum Schluss noch einmal der Hinweis auf den nächsten Spaziergang:

Am Samstag, 12. April geht es mit Bezirksstadtrat Detlef Wagner entlang des Spandauer Damms, der in diesem Jahr 75 Jahre alt wird. Der Treffpunkt ist um 14 Uhr am Wasserturm, Spandauer Damm 165.

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