Diese Station führt uns zur Gedenktafel für Richard Strauss, einen der bedeutendsten Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Viele verbinden Strauss mit München oder Garmisch-Partenkirchen, wo er lange lebte, doch auch Berlin – speziell das Westend – spielte eine wichtige Rolle in seinem Leben.
Auf der Tafel lesen wir:
In diesem Haus lebte von
1913 bis 1917
RICHARD STRAUSS
11.6.1864 – 8.9.1949
Komponist und Dirigent
Hier entstanden seine Opern
“Die Frau ohne Schatten”
und
“Ariadne auf Naxos”
Richard Strauss wurde 1864 in München geboren. Sein Vater, Franz Strauss, war ein angesehener Hornist an der Bayerischen Hofoper und führte seinen Sohn früh in die Welt der Musik ein. Schon als Kind zeigte Richard außergewöhnliches Talent: Er lernte Klavier und Violine und schrieb im Alter von sechs Jahren seine ersten Kompositionen.
Sein Ruhm als Komponist wuchs schnell. Bis Ende 1884 hatte der 20-Jährige 136 Werke in verschiedenen musikalischen Gattungen geschrieben. Nach ersten Erfolgen mit Orchesterwerken wie der „Bläsersuite“ und der „Burleske“ für Klavier und Orchester schuf er ab den 1880er-Jahren sinfonische Dichtungen. Werke wie „Don Juan“, „Also sprach Zarathustra“ und „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ revolutionierten die Orchestermusik mit brillanter Instrumentation und erzählerischer Kraft.
Doch es war die Oper, die Strauss zur Legende machte. Mit „Salome“ (1905) und „Elektra“ (1909) sprengte er die musikalischen Grenzen seiner Zeit. In Zusammenarbeit mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal schuf er später Meisterwerke wie „Der Rosenkavalier“ (1911), „Ariadne auf Naxos“ (1912) und „Die Frau ohne Schatten“ (1919). Diese Opern verbinden musikalischen Reichtum mit tiefgründigen literarischen Konzepten. Strauss prägte damit die moderne Opernmusik. Doch nicht jeder schätzte diesen Stil. Kritiker warfen ihm Formlosigkeit und Eklektizismus vor.
Obwohl Strauss selbst kein Dichter oder Schriftsteller war, pflegte er eine enge Beziehung zur Literatur. Schon früh erkannte er, dass das richtige Libretto, also der Text einer Oper, entscheidend für deren Erfolg ist. In Hugo von Hofmannsthal fand er einen kongenialen Partner: Gemeinsam entwickelten sie Opern, die durch ihre raffinierte Verbindung von Wort und Musik neue Maßstäbe setzten.
Doch nicht immer verließ sich Strauss auf andere. Das Libretto seiner frühen Oper „Guntram“ (1894) schrieb er selbst – allerdings mit wenig Erfolg. Später verfasste er den Text zu seiner Oper „Intermezzo“ (1924), einem sehr persönlichen Werk über Missverständnisse in einer Ehe, das stark autobiografische Züge trägt. Auch bei seiner letzten Oper „Capriccio“ (1942) war er am Libretto beteiligt, diesmal gemeinsam mit Clemens Krauss. Das Werk dreht sich um die Frage, was wichtiger ist – Musik oder Wort –, und reflektiert damit auch Strauss’ eigenes Schaffen. „Der Kampf zwischen Wort und Ton ist schon seit Beginn das Problem meines Lebens und mit Capriccio als Fragezeichen beendet!“, schreibt Strauß in seinen „Betrachtungen und Erinnerungen“.
Obwohl Richard Strauss viele Jahre in München lebte und später nach Garmisch-Partenkirchen zog, war Berlin lange Zeit ein zentraler Ort seines Schaffens. 1898 wurde er zum Ersten Kapellmeister der Königlichen Kapelle (heute Staatskapelle Berlin) ernannt und wirkte als Dirigent an der Königlichen Oper Unter den Linden. Später, von 1919 bis 1924, leitete er die Wiener Staatsoper, doch auch da blieb Berlin eine wichtige Wirkungsstätte für ihn.
Viele seiner Werke wurden hier uraufgeführt, und er hatte bedeutende Auftritte als Dirigent. Er dirigierte nicht nur seine eigenen Kompositionen, sondern setzte sich auch für andere Komponisten ein, etwa für Gustav Mahler. Sein Ruhm in Berlin war so groß, dass er 1933 als Präsident der neu gegründeten Reichsmusikkammer ernannt wurde – eine Rolle, die später zu Kontroversen führte.
Richard Strauss’ Verhältnis zum Nationalsozialismus ist bis heute umstritten. Er war kein überzeugter Anhänger, doch er war auch kein Widerstandskämpfer. 1933 nahm er das Amt des Präsidenten der Reichsmusikkammer an – vermutlich in der Hoffnung, die deutsche Musikkultur lenken und Künstlern helfen zu können. Gleichzeitig nutzte er seinen Einfluss, um seine jüdische Schwiegertochter und seine Enkelkinder vor Verfolgung zu schützen.
Besonders argwöhnisch sahen die Nazis seine Verbindung zu Stefan Zweig, dem jüdischen Schriftsteller, der das Libretto zu Strauss’ Oper „Die schweigsame Frau“ (1935) schrieb. Als die Gestapo einen Brief abfing, in dem Strauss seine Tätigkeit als Präsident der Reichmusikkammer als reine Schauspielerei bezeichnete, entließ man ihn. Doch das bedeutete nicht das Ende seiner Karriere. Seine Werke wurden in Nazi-Deutschland weiterhin aufgeführt und er komponierte die olympische Hymne für die Sommerspiele 1936.
Nach dem Zweiten Weltkrieg unterzog man Richard Strauss einem Entnazifizierungsverfahren, das seine Verbindungen zum nationalsozialistischen Regime untersuchte. Das Ergebnis: Strauss wurde offiziell von jeglicher Nazi-Verbindung freigesprochen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog sich Strauss nach Garmisch-Partenkirchen zurück. Dort komponierte er einige seiner ergreifendsten Werke, darunter die „Vier letzten Lieder“ von 1948, eine musikalische Auseinandersetzung mit Vergänglichkeit und Tod. Ein Jahr später starb er im Alter von 85 Jahren.
Sein Einfluss auf die Musikgeschichte ist enorm. Seine Opern gehören heute zum festen Repertoire der großen Bühnen, seine sinfonischen Werke sind fester Bestandteil jedes Orchesters, und sein musikalisches Vermächtnis inspiriert bis heute Komponisten, Dirigenten und Musikliebhaber weltweit.
Mit dieser Gedenktafel wird Richard Strauss auch in Berlin-Westend gewürdigt – ein Ort, der ihn vielleicht nicht so stark prägte wie München oder Wien, aber dennoch Teil seiner faszinierenden Lebensgeschichte war.
Wir gehen jetzt ein kleines Stück zurück, biegen links ab und gehen dann links die Reichsstraße hinauf. Wir treffen uns vor der Kiezbuchhandlung „Divan“.