263. Kiezspaziergang: Carstenn-Figur - Vom Prager Platz bis zur Kirche am Hohenzollernplatz

263. Kiezspaziergang

Herzlich willkommen! Mein Name ist Detlef Wagner und ich bin der Stellvertretende Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf und Leiter der Abteilung Jugend und Gesundheit. Ich begrüße Sie alle recht herzlich zu unserem zu unserem 263. Kiezspaziergang.

Heute gehen wir entlang der Wilmersdorfer „Carstenn-Figur“. Die Route führt uns mit einzelnen Abstechern entlang der Figur über den Prager Platz, Nürnberger Platz, Fasanenplatz, Nürnberger Platz bis hin zum Hohenzollernplatz.

Bevor es aber losgeht, schon einmal der Hinweis auf den nächsten Kiezspaziergang. Der 264. Kiezspaziergang führt Sie unter der Leitung meines Kollegen Arne Herz wieder nach Charlottenburg und startet am Samstag, dem 08. Februar, um 14 Uhr am Haus des Rundfunks in der Masurenallee.

Nun aber zu unserem heutigen Spaziergang: Im Mittelpunkt steht die Carstenn-Figur. Das ist eine besondere Straßenstruktur, die Johann Anton Wilhelm von Carstenn im Jahr 1870 entwarf. Diese symmetrische Anordnung, findet sich an den nördlichen und südlichen Enden der heutigen Bundesallee.

Carstenn ist in Hamburg durch Immobiliengeschäfte zu Geld gekommen und erwarb 1868 das Rittergut Deutsch-Wilmersdorf in Berlin. Damals lag die Gestaltung von Straßen und Plätzen in der Hand der Besitzer, und so entstand auf dem Gebiet des Ritterguts in Wilmersdorf und Friedenau die Carstenn-Figur. Der Plan: eine symmetrische Straßenanordnung mit der heutigen Bundesallee, damals Kaiserallee, als zentraler Achse.

Vier Plätze rahmen die Carstenn-Figur ein: Fasanenplatz, Nürnberger Platz, Prager Platz und Nikolsburger Platz. Diese sollten als Grünflächen und Schmuckplätze dienen. Carstenn wollte eine Landhauskolonie errichten, ähnlich den Villenkolonien, die in Englands Vororten in Mode waren.

Carstenns Vision ging über Stadtplanung hinaus: Er wollte den Menschen bessere Lebensbedingungen bieten. In der schnell wachsenden Industriestadt Berlin lebten viele Menschen unter schlechten Bedingungen auf engstem Raum. Carstenn wollte Licht, Luft und Grünflächen schaffen. Damit widersprach er den Plänen des obersten Berliner Stadtplaners James Hobrecht, der die Bürger im Stadtzentrum halten wollte und Mietskasernen propagierte. Die wohlhabenden Bürger sollten in den Vorderhäusern wohnen, bevorzugt in der Beletage. Wer sich das nicht leisten konnte, musste in den Hinterhäusern unter schlechten Bedingungen leben.

Doch der Börsenkrach von 1873 durchkreuzten Carstenns Pläne. Er ging pleite, und die Straßen blieben zunächst unbebaut. Erst ab 1890 entstanden hier Gebäude – große, fünfstöckige Häuser, nicht die Villen, die Carstenn vorschwebten.

263. Kiezspaziergang Rilke-Stele

Prager Platz (Rilke-Stele)

Heute besichtigen wir alle Plätze der Carstenn-Figur, wir beginnen hier am Prager Platz. Ursprünglich hieß er Halberstädter Platz, erhielt aber 1888 seinen heutigen Namen. Er erinnert an den Prager Frieden von 1866, der den Krieg zwischen Preußen und Österreich beendete.

In den 1920er Jahren blühte der Platz als kulturelles Zentrum im Berliner Westen. Viele Künstler und Intellektuelle lebten hier, darunter Erich Kästner. Er wohnte nur wenige Schritte entfernt und erwähnte den Platz in „Emil und die Detektive“. Hier ein kurzer Auszug aus dem Buch:

Das Auto hielt, der Mann stieg ein, das Auto fuhr weiter.
Doch da saßen die Jungen schon in einem andren Auto, und Gustav sagte zu dem Chauffeur: »Sehen Sie die Droschke, die jetzt zum Prager Platz einbiegt? Ja?
Fahren Sie hinterher, Herr Chauffeur. Aber vorsichtig, daß er es nicht merkt.«
Der Wagen zog an, überquerte die Kaiserallee und fuhr, in gemessenem Abstand, hinter der anderen Droschke her.

Im Zweiten Weltkrieg zerstörte man den Prager Platz fast vollständig. Über Jahre blieb er eine brachliegende Kreuzung. Erst 1986 gestaltete man ihn neu, angelehnt an die historische Struktur. Seitdem zeigt er sich mit Grünanlage, Brunnen und neuen Gebäuden, die architektonische Akzente setzen. 2002 schloss eine Passage die letzte Baulücke. Der Prager Platz ist ein beliebter Treffpunkt und Erholungsort für die Menschen aus dem Kiez.

Die Rilke-Stele, an der wir heute stehen, wurde 2007 enthüllt und erinnert an den Dichter Rainer Maria Rilke, der vor 150 Jahren in Prag geboren wurde. Die 3,30 Meter hohe Skulptur stifteten die Stadt Prag und die Rilke-Stiftung. Sie besteht aus Granit aus einem tschechischen Steinbruch. Eingraviert ist die letzte Strophe der neunten Elegie aus Rilkes „Duineser Elegien“ in deutscher und tschechischer Sprache:
„Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft
werden weniger ……. Überzähliges Dasein
entspringt mir im Herzen.“

Die Stele symbolisiert die freundschaftliche Verbindung zwischen Deutschland und Tschechien.

Wir ziehen jetzt weiter zu unserem nächsten Halt: Prager Platz 10.

263. Kiezspaziergang Gedenktafel Erich Kästner

Erich Kästner Plakette: Prager Platz 10

An der Prager Straße 6–10 erinnert heute eine Gedenktafel an Erich Kästner, den berühmten Schriftsteller und Kinderbuchautor. Der Text der Tafel lautet:

In dem Haus, das früher hier stand,
lebte von 1927 bis 1929
ERICH KÄSTNER
23.2.1899 – 29.7.1974
Journalist und Schriftsteller, Kinderbuchautor.
Beschreibt in „Emil und die Detektive“ (1928)
seine Wohngegend am Prager Platz. 1933 wurden seine
Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt.

Erich Kästner lebte von 1927 bis 1929 in dem Gebäude, das einst hier stand. Der Schriftsteller und Pazifist prägte die Literatur des 20. Jahrhunderts nachhaltig. 1899 in Dresden geboren, erreichte er in den Berliner Jahren der Weimarer Republik den Höhepunkt seiner Kreativität und Popularität.

Zwischen 1927 und 1933 entstanden viele seiner bedeutenden Werke, darunter das Kinderbuch „Emil und die Detektive“, das weltweit über zwei Millionen Mal verkauft wurde und in 59 Sprachen übersetzt ist. Auch seine zeitkritischen Gedichte und Reportagen erschienen regelmäßig in renommierten Berliner Zeitungen wie dem Berliner Tageblatt und der Vossischen Zeitung. Kästner wurde zu einer wichtigen Stimme der Neuen Sachlichkeit, einer Stilrichtung der Weimarer Republik.

Die Zeit des Nationalsozialismus bedeutete jedoch eine Zäsur für Kästner. Die Nazis verbrannten und verboten seine Bücher. Anders als viele Kollegen emigrierte er nicht, sondern blieb in Berlin, um die Ereignisse vor Ort zu dokumentieren. Er sammelte Material für einen geplanten Roman über das „Dritte Reich“ und führte ein geheimes Tagebuch, das er bei Bombenangriffen stets bei sich trug.

Während der NS-Zeit schrieb Kästner unter Pseudonym weiter, unter anderem Drehbücher wie das für den Film „Münchhausen“ von 1943. Kästner steht für eine klare Haltung gegen Krieg und Unrecht. Seine Kinderbücher wie „Das fliegende Klassenzimmer“ und „Das doppelte Lottchen“ spiegeln eine optimistische Sicht auf die Welt der Kinder wider, während seine satirischen Gedichte oft eine pessimistische Kritik an der Erwachsenenwelt enthalten.

Wir gehen jetzt weiter zum Nürnberger Platz. Der zweite Platz der Carstenn-Figur.

263. Kiezspaziergang Nürnberger Platz

Nürnberger Platz

Der Nürnberger Platz markiert den nordöstlichen Eckpunkt der Carstenn-Figur. Seinen Namen erhielt er 1901 zur Erinnerung an das fränkische Adelsgeschlecht der Hohenzollern und in Anlehnung an den nahegelegenen Hohenzollerndamm.

Ein bedeutendes Ereignis war die Eröffnung des U-Bahnhofs Nürnberger Platz 1913, entworfen von Alfred Grenander. Der schwedische Architekt gestaltete Anfang des 20. Jahrhunderts 70 Bahnhöfe der Berliner Hoch- und U-Bahn. Der U-Bahnhof am Nürnberger Platz wurde allerdings im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und schließlich 1959 geschlossen und abgerissen. Heute befindet sich dort eine Abstellanlage der U-Bahn-Station Spichernstraße. 1961 eröffnete der U-Bahnhof Augsburger Straße als Ersatz.

Auch der Platz selbst wandelte sich über die Jahrzehnte. Ursprünglich war er eine quadratische Grünanlage, umgeben von prächtigen Altbauten im Stil des Historismus. Diese repräsentativen Mietshäuser wurden überwiegend zwischen 1890 und 1910 erbaut. Der Platz lag damals im Zentrum bedeutender Straßen wie der Bundesallee, der Nürnberger Straße und der Uhlandstraße und war ein wichtiges städtebauliches Bindeglied im westlichen Berlin. An diesen Straßen liegt der Platz auch heute noch. Doch nach den schweren Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs gestaltete man die Gegend komplett um. In den 1950er und 60er Jahren setzten sich neue städtebauliche Ideen durch: eine offene, begrünte Bauweise und ein verkehrsgerechtes Konzept. Dadurch verlor der Nürnberger Platz seinen ursprünglichen Charakter. Heute ist er eine rechtwinklige Grünfläche mit Sitzmöglichkeiten – ein Rückzugsort abseits des Verkehrs.

Trotz aller Veränderungen bleibt der Platz ein interessanter Ort. Wer die Sitzbänke in der Grünanlage nutzt und sich umsieht, spürt inmitten der hektischen Stadt eine besondere Atmosphäre.

Wir gehen jetzt zur Lietzenburger Straße 45.

263. Kiezspaziergang Gewandmeisterei Universtität der Künste

Gewandmeisterei UdK

In diesem Gebäude befindet sich die Gewandmeisterei der Universität der Künste, kurz UdK. Diese zentrale Einrichtung der Fakultät Darstellende Kunst spielt eine entscheidende Rolle in der praktischen Ausbildung der Studierenden, insbesondere in den Studiengängen Kostümbild, Schauspiel, Musical und Bühnenbild.

Hier entstehen die Kostüme für alle Prüfungen und Vorstellungen, die am UniT, dem Theater der UdK, stattfinden. Ein Team, bestehend aus einer Leiterin, einer Damengewandmeisterin, einem Herrenschneider und einer Mitarbeiterin im Kostümfundus, sorgt dafür, dass kreative Entwürfe in funktionale Bühnenkostüme verwandelt werden.

Die Gewandmeisterei begleitet den gesamten Entstehungsprozess: von der Stoffauswahl über die Anfertigung bis hin zu den Anproben. Die Studierenden lernen dabei, wie man Figurinen erstellt, die von Gewandmeister*innen umgesetzt werden können, welche Entscheidungen bei Anproben zu treffen sind und wie technische Zeichnungen für die Schnittentwicklung aussehen müssen.

Auch die Darsteller*innen profitieren: Sie erfahren, wie Anproben ablaufen, wie sie mit ungewohnten Kostümen – etwa Korsetts oder hohen Absätzen – umgehen und wie Kleidung ihre Rollen unterstützen kann. Gleichzeitig lernen sie, wie wichtig es ist, Verantwortung für ihre Kostüme zu übernehmen – sei es bei Vorbereitung vor einer Vorstellung oder im respektvollen Umgang mit dem Backstage-Personal.

Die Gewandmeisterei übernimmt zudem die gesamte organisatorische Arbeit hinter den Kulissen: von der Reinigung und Reparatur der Kostüme über schnelle Umzüge während der Vorstellung bis hin zur Kommunikation zwischen Kostümbildner*innen, Regie und Darstellenden. Auch die Koordination mit der Bühnentechnik und dem Maskenteam gehört dazu.

Die Gewandmeisterei ist ein Teil der Universität der Künste Berlin, einer der größten und ältesten Kunsthochschulen Europas. Die Geschichte der UdK reicht bis ins Jahr 1696 zurück, als die Kurfürstliche Academie der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst gegründet wurde. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich die UdK durch die Zusammenführung verschiedener Kunst- und Musikschulen zu einer bedeutenden Institution für künstlerische Bildung. Im Jahr 1975 entstand durch die Vereinigung der Hochschule für Bildende Künste und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in West-Berlin die Hochschule der Künste. Sie feiert in diesem Jahr somit ihr 50-jähriges Bestehen. Seit 2001 trägt sie den Titel “Universität der Künste”.

Heute umfasst die UdK vier Fakultäten: Bildende Kunst, Gestaltung, Musik und Darstellende Kunst. Sie bietet mehr als 70 Studiengänge an, darunter traditionelle Disziplinen wie Malerei, Schauspiel und klassische Musik, aber auch moderne Fächer wie Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation oder Szenisches Schreiben. Damit deckt die UdK eine große Bandbreite an künstlerischen und gestalterischen Feldern ab.

Die Universität ist dezentral organisiert, mit etwa 15 Standorten in ganz Berlin, viele davon in unserem Bezirk. Das Hauptgebäude steht in der Hardenbergstraße in Charlottenburg, nahe dem Bahnhof Zoo. Besonders bemerkenswert ist, dass die UdK nicht nur ein Ort der Lehre und Forschung ist, sondern auch ein lebendiges Zentrum für kulturellen Austausch. Ihre Konzerte, Ausstellungen, Aufführungen und Publikationen ziehen ein breites Publikum an und machen die UdK zu einem festen Bestandteil des Kulturlebens in unserem Bezirk.

Durch ihr internationales Netzwerk und zahlreiche Kooperationen mit anderen Hochschulen bietet die UdK ihren Studierenden einzigartige Möglichkeiten, Erfahrungen in einem globalen Kontext zu sammeln. Gleichzeitig bleibt sie ein Ort, an dem Traditionen gepflegt und mit neuen Ideen verbunden werden. Die Gewandmeisterei ist ein perfektes Beispiel für diese Verbindung von Handwerkskunst und Innovation. Sie zeigt, wie kreativ und praxisnah an der UdK gearbeitet wird und wie wichtig es ist, künstlerische Ideen auch handwerklich umzusetzen.

Wir gehen jetzt weiter zur Scharperstraße 24 und treffen uns am Haus der Berliner Festspiele.

263. Kiezspaziergang Haus der Berliner Festspiele

Haus der Berliner Festspiele

Das „Haus der Berliner Festspiele“ öffnete 1963 als „Theater der Freien Volksbühne“. Architekt Fritz Bornemann gestaltete es im typischen Stil der 1960er Jahre. Die offene Glasfassade verleiht dem Gebäude eine einladende, moderne Ausstrahlung. Innen setzt sich dieser Stil fort: Der große Theatersaal bietet 999 Plätze, von denen alle Zuschauer gleichermaßen gut sehen und hören können. Dies spiegelt das demokratische Architekturideal der Nachkriegszeit wider.

Während des Kalten Krieges war das Haus ein „Schaufenster des Westens“. Es bot eine Bühne für politischen Austausch und künstlerische Experimente. Intendant Erwin Piscator eröffnete es mit diesem visionären Anspruch, und unter Nachfolgern wie Kurt Hübner und Hans Neuenfels entstanden wegweisende Inszenierungen. Nach der Wende schloss die Freie Volksbühne 1992, doch das Gebäude blieb erhalten. 2001 eröffnete es als „Haus der Berliner Festspiele“ neu.

Heute bildet es das Herz der Berliner Festspiele. Hier finden internationale Festivals, Gastspiele und Programme statt, die von Musik und Theater über Tanz und Literatur bis hin zu bildender Kunst reichen. Zu den bekanntesten Veranstaltungen zählen das Theatertreffen, das Festival „MaerzMusik“, das „Musikfest Berlin“ und das „Jazzfest Berlin“. Auch Jugendprogramme wie das „Tanztreffen der Jugend“ oder das „Treffen Junge Musik-Szene“ haben hier ihren festen Platz.

Die Berlinale ist ebenfalls regelmäßig zu Gast im Haus der Berliner Festspiele, das aus diesem Anlass in ein High-Tech-Kino verwandelt wird. Die „75. Internationale Filmfestspiele“ finden in diesem Jahr vom 13. bis 23. Februar statt.

Das Haus ist technisch auf dem neuesten Stand. Nach einer umfassenden Modernisierung zwischen 2009 und 2011 zählt es zu den fortschrittlichsten Bühnen Berlins. Es ist nicht nur ein Veranstaltungsort, sondern ein Labor für neue kulturelle Ideen und ein Anziehungspunkt für internationale Künstler. Mit seiner Geschichte und Bedeutung prägt es den Berliner Kulturkalender und inspiriert Besucherinnen und Besucher aus aller Welt.

Unsere nächste Station liegt keine 300 Meter entfernt. Wir treffen uns am Fasanenplatz.

263. Kiezspaziergang Fasanenplatz

Fasanenplatz

Der Fasanenplatz ist der dritte Platz im Bunde und wurde 1870 entworfen. Seinen heutigen Namen erhielt der Platz im Jahr 1901. Er erinnert an die Fasanenzucht, die König Friedrich II. 1755 am Ende der heutigen Fasanenstraße anlegte. Diese zog 1841 nach Potsdam um. Doch die Namen von Fasanenplatz und Fasanenstraße bewahren die historische Verbindung.

Rund um den Fasanenplatz entstanden prächtige Gründerzeitgebäude, ergänzt durch eine Mittelinsel mit Rasen und Bäumen. Der Platz war Anfang des 20. Jahrhunderts auch ein Treffpunkt für Künstlerinnen, Künstler und Intellektuelle. Der Schriftsteller Gerhart Hauptmann lebte hier – ein nahegelegener Park trägt heute seinen Namen. Auch der Schriftsteller Heinrich Mann wohnte hier Anfang der 1930er Jahre. Eine Gedenktafel an der Fasanenstraße 61 erinnert an ihn. In der Nachbarschaft finden sich weitere Gedenktafeln, etwa für den SPD-Politiker Rudolf Breitscheid, den Film- und Schlager-Komponisten Michael Jary oder den Textdichter Bruno Balz.

Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben Teile der Randbebauung. Doch in den 1980er Jahren erhielt der Platz ein neues Gesicht: Der Kreisverkehr verschwand, man pflasterte die Fahrbahn und der Platz wurde verkehrsberuhigt. Sitzbänke luden zum Verweilen ein, und 1989 stellte man eine 9 Meter hohe Wasserstele des Künstlers Rolf Lieberknecht auf. Die spiralförmig herabfließenden Wasserströme machen sie im Frühjahr und Sommer zu einem besonderen Blickfang.

Auch nach dem Krieg blieb der Fasanenplatz kulturell lebendig: Die Hinterzimmer-Bar der Galerie Bremer wurde in den 1950er Jahren ein Treffpunkt für Künstler und Journalisten. In den späten 1960er Jahren zog die alternative Szene an den Platz, darunter das „Unergründliche Obdach für Reisende“ – eine der ersten Underground-Diskotheken Berlins.

Heute vereint der Fasanenplatz historische Eleganz mit moderner Architektur. Auf der Nordseite steht ein markantes, siebengeschossiges Gebäude des Architekten Gottfried Böhm, dessen turmartige, kuppelförmige Erker einen architektonischen Kontrast zu den Altbauten bilden.

Wir gehen weiter zum Hohenzollerndamm 208 und treffen uns am Hauptpumpwerk Wilmersdorf.

263. Kiezspaziergang Hauptpumpwerk Wilmersdorf

Hauptpumpwerk Wilmersdorf

Das Hauptpumpwerk Wilmersdorf ist ein Industriedenkmal. Es entstand zwischen 1903 und 1906 nach den Plänen des Architekten Hermann Müller. Es vereint märkische Backsteingotik mit Jugendstilelementen.

Man baute das Pumpwerk an der tiefsten Stelle des Wilmersdorfer Kanalisationsgebiets. Damals war Wilmersdorf eine wohlhabende Randgemeinde und betrieb ein eigenes Kanalisationsprojekt. Das Gebäude sollte nicht nur funktional, sondern auch repräsentativ sein. Zinnen, Rundbogenfenster und dekorative Putzblenden erinnern an eine mittelalterliche Kathedrale. Besonders die großen Rundbogenfenster sorgten für Lichtfülle in der Halle.

Im Inneren rahmen farbig glasierte Ziegel die Fenster und Gesimse ein. Ursprünglich pumpten hier leistungsstarke Dampfmaschinen das Abwasser. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude durch Bomben stark beschädigt, aber zwischen 1947 und 1949 wieder aufgebaut.

In den 1990er Jahren entstand neben dem alten Bau eine neue Pumpwerkhalle – ein moderner Stahl-Glas-Bau, der die Funktion des Hauptpumpwerks übernahm. Die alte Halle wurde 1999 stillgelegt.

Heute hat das historische Pumpwerk eine neue Funktion. Nach umfangreichen Umbauten eröffnete es im Oktober 2001 als Veranstaltungsort. Unter dem Namen „Wasserwerk“ beherbergt es ein Restaurant, eine Cigar Lounge, eine Vinothek und eine Bar. Die Halle bietet auf über 1.000 Quadratmetern Platz für bis zu 400 Gäste.

Das Hauptpumpwerk Wilmersdorf zeigt beispielhaft, wie man historische Industriearchitektur sinnvoll umnutzen kann. Es verbindet Geschichte, Architektur und moderne Nutzung auf beeindruckende Weise.

263. Kiezspaziergang Nikolsburger Platz

Nikolsburger Platz

Der Nikolsburger Platz erhielt 1888 seinen heutigen Namen. Er erinnert an den Vorfrieden von Nikolsburg. Dieser beendete 1866 den Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich. Das damalige Nikolsburg liegt im heutigen Tschechien und heißt Mikulov.

Der Nikolsburger Platz ist damit nach dem Prager Platz der zweite Platz der Carstenn-Figur, der nach dem „Friedensvertrag von Prag und Nikolsburg“ ist.

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand auf dem Platz eine Grünanlage mit Holzbänken. 1910 stellte man den „Gänselieselbrunnen“ des Bildhauers Cuno von Uechtritz-Steinkirch auf, der ein Mädchen mit einer Gans zeigt. Im selben Jahr errichtete Otto Herrnring das Cäcilien-Lyzeum am Rand des Platzes. Dieses Gebäude prägt bis heute den Platz und beherbergt die Cecilienschule.

1940 schmolzen die Nationalsozialisten den Brunnen ein, um die Bronze für die Rüstungsproduktion zu nutzen. In den 1960er Jahren gestaltete man den Platz mit Hochbeeten im Schachbrettmuster neu. Eine Nachbildung des Gänselieselbrunnens, geschaffen von Harald Haacke, wurde 1988 aufgestellt. 1999 erhielt die Grünanlage ihre heutige Form, die sich an die historische Gestaltung anlehnt.

Auch der Nikolsburger Platz war in den 1920er Jahren ein Treffpunkt für Künstlerinnen, Künstler und Intellektuelle. Hier lebten Persönlichkeiten wie der Maler George Grosz und der Schriftsteller Vladimir Nabokov. Auch der russische Dichter Andrei Bely und die Lyrikerin Marina Zwetajewa fanden hier Inspiration.

Ähnlich wie der Prager Platz spielt auch der Nikolsburger Platz in Erich Kästners Kinderbuch „Emil und die Detektive“ eine Rolle. Hier planten die Kinder die Verfolgung des „Mannes mit dem steifen Hut“ und unterhielten einen ständigen Bereitschaftsdienst.

Wir gehen jetzt zur letzten Station unseres heutigen Kiezspaziergangs: Der Kirche am Hohenzollernplatz. Pfarrerin Marita Lersner wird uns etwas zum Kirchengebäude erzählen und wir können uns dort ein wenig aufwärmen.

263. Kiezspaziergang Kirche am Hohernzollernplatz

Kirche Am Hohenzollernplatz

Zwischen 1930 und 1933 entwarf Fritz Höger die Kirche am Hohenzollernplatz. Der Architekt hatte zuvor schon das berühmte Chilehauses in Hamburg gebaut. Die Kirche ist eine dreischiffige Langhausbasilika und gilt als Meisterwerk des norddeutschen Backsteinexpressionismus. Der rote Klinkerbau mit dem markanten grünen Kupferdach gehört zu den bedeutendsten expressionistischen Kirchen Deutschlands.

Wegen ihres futuristischen Erscheinungsbildes und der Nähe zum neugotischen Wasserwerk nennt man die Kirche manchmal das „Kraftwerk Gottes“. Fritz Höger plante die Kirche, doch inzwischen gilt der in Warschau geborene Ossip Klarwein als wesentlicher Urheber. Klarwein, ein Jude, arbeitete in Högers Büro. Als Höger 1932 der NSDAP beitrat, entließ er Klarwein, der später nach Israel emigrierte. Dort entwarf Klarwein zahlreiche öffentliche Gebäude und gewann 1957 den Wettbewerb für den Neubau der Knesset.

1943 beschädigte ein Bombenangriff die Kirche schwer. Der Wiederaufbau begann 1951 und endete 1966. Seitdem steht die Kirche unter Denkmalschutz.

Heute ist die Kirche nicht nur ein Ort des Glaubens, sondern auch ein Kulturzentrum. Es gibt regelmäßig Konzerte und Ausstellungen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Besonders bekannt ist der „NoonSong – 30 Minuten Himmel“, der seit 2008 jeden Samstag um 12 Uhr erklingt. Das Vokalensemble „sirventes berlin“ singt unter der Leitung von Stefan Schuck geistliche Musik auf höchstem Niveau – bei freiem Eintritt. Die Tradition des NoonSongs ist inspiriert von Klostermeditationen mit Gesang.

Der NoonSong zieht viele Menschen an. Das Kirchenschiff ist oft bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein Förderverein trägt dieses besondere Projekt, sammelt Spenden und sorgt dafür, dass die Kirche ein lebendiger und einladender Ort bleibt.

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