Kiezspaziergang am 23.9. und 7.10. 2006

auf Usedom

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, Birigit Jochens und Eva John

Treffpunkt: 14.00 Uhr Villa Hubertus, Strandpromenade an der Grenzstraße

vgl. zu den einzelnen Villen auch www.baederarchitektur.de

Monika Thiemen:

Auf Usedom am 23.9.2006, Foto: Heimatmuseum

Auf Usedom am 23.9.2006, Foto: Heimatmuseum

Meine Damen und Herren,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu einem Kiezspaziergang der besonderen Art. Er führt uns dieses Mal nicht durch mehr oder wenige vertraute Berliner Straßen, sondern entlang der Heringsdorfer Strandpromenade und durch einige der schönsten Straßenzüge auch des benachbarten Bansin. Damit werden wir uns auf die Spuren von vielen einstigen Berlinerinnen und Berlinern begeben, die längst vor uns, nämlich vor allem in der Kaiserzeit den besonderen Reiz dieser Gegend kennen und schätzen lernten.

Bei unserem Spaziergang wird mich nicht nur Birgit Jochens, die Leiterin des Heimatmuseums Charlottenburg-Wilmersdorf, unterstützen, sondern auch Eva John, eine Mitarbeiterin der Eigenbetriebe Kaiserbäder Usedom und selbst gebürtige Ahlbeckerin.

Wir befinden uns hier, wie der Name Grenzstraße mitteilt, genau an der Grenze zwischen den einstigen Seebädern Ahlbeck und Heringsdorf, die seit dem 1. Januar 2005 zusammen mit Bansin zu einer Großgemeinde zusammengefasst sind.

Kurz ein paar Erläuterungen zu Ahlbeck.
Ahlbeck, das größte und bevölkerungsreichste der drei Kaiserbäder, hat seinen Ursprung in einem Fischerdörfchen, das eigentlich aus zwei Anwesen bestand: “Ahlbeck adlig”, eine gegen 1700 entstandene Ansiedlung, die sich im Besitz des zur Herrschaft Mellenthin gehörenden Gutes Gothen befand, und “Ahlbeck königlich”, wo auf Veranlassung von König Friedrich II. hin seit 1711 ehemalige Soldaten mit ihren Familien um die Trockenlegung der Wiesen kämpften, die als Viehweiden dienen sollten. Erst in den 1860er Jahren, als in Swinemünde und Heringsdorf bereits Hotels entstanden waren, hielten auch hier verstärkt Badegäste Einzug. Schließlich wollten die Ahlbecker Fischer das Geschäft mit den Badegästen nicht der rührigen Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf überlassen.
Ein richtiges Familienbad wurde Ahlbeck, nachdem der Bahnhof in Betrieb genommen, die Straßen befestigt, gepflastert und eine Warmbadeanstalt errichtet worden war. Dies geschah 1896 bzw. 1894.
1907 konnte Ahlbeck schon mehr als 16 000 Gäste verzeichnen.
Spätestens vom Beginn der 1930er Jahre nahm der Ort mit seinen Villen und Mietshäusern schon fast städtischen Charakter an, blieb aber bevorzugter Badeort der “kleinen Leute”.

Birgit Jochens:
Villa Herter
Diese Villa gehörte einst dem Berliner Bildhauer Ernst Herter, einem der gegen Ende des 19. Jahrhunderts besonders erfolgreichen Künstler Berlins, der sich in den Sommermonaten hierher zurückzog, um sich mit seiner Familie zu erholen.

Heute ist der Bildhauer Ernst Herter selbst in Berlin nur noch wenigen bekannt. Sie alle aber werden schon einmal seine schöne Villa in der Uhlandstraße bewundert haben, die an der Fassade reich mit Reliefs von seiner Hand geschmückt ist.

Herter wurde 1846 geboren. Sein Vater war Baumeister und Admiralitätsrat, der u.a. Hafenanlagen für die kaiserliche Marine gebaut hat. Die Mutter war eine sehr kunstsinnige Frau. Deswegen waren Dichter wie Adalbert von Chamisso und Franz Kugler gern gesehene Gäste im Hause Herter.

Mit seinem Wunsch, Bildhauer zu werden, hatte sich Herter dennoch nur mühsam bei seinen Eltern durchsetzen können, die ohnehin stets besorgt den Lebensweg ihres seit frühen Kindesjahren schwer gehörgeschädigten Sohnes verfolgten.

Herter wurde Schüler bei Gustav Bläser, der vom Klassizismus Christian Daniel Rauchs geprägt war, und von August Fischer, den eher Schadow beeinflusst hatte. Später wechselte er auch in die Modellierklasse von Albert Wolff, der die malerischen, barocken Tendenzen in ihm förderte. So vereinten sich eigentlich alle damals wichtigen Kunstströmungen bei seiner Ausbildung.

Wie viele Künstler musste sich Herter zunächst mit allerhand Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Einen Durchbruch erzielte er 1873 mit einer “Antigone”, die auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt und vom Kaiser gekauft wurde.

Eine seiner wichtigsten Gönnerinnen war Kaiserin Elisabeth von Österreich, die 1883 Werke von ihm auf der Internationalen Kunstausstellung in Wien kennen lernte. Sie hat mehrere seiner Arbeiten gekauft.

Aber auch in Berlin machte er sich einen Namen, wie allein die 7 Kaiser-Wilhelm-Denkmäler beweisen, die bei ihm in Auftrag gegeben wurden.

Gute Kontakte zum Herrscherhaus verschafften Herter große Aufträge wie 1891 für die Lange Brücke in Potsdam. 1899 wurde sein Helmholtz-Denkmal im Vorgarten der Humboldt-Universität aufgestellt, das Sie alle wahrscheinlich gut kennen. Natürlich war Herter auch am Programm der Siegesallee mit der Gruppe “Markgraf Ludwig der Ältere” beteiligt.

Herter war Mitglied der Akademie der Künste, seit 1890 auch Professor an der Hochschule der bildenden Künste.

Der Aufenthalt in Ahlbeck hat verschiedentlich seinen Niederschlag in Herters Werk gefunden. Die Arbeit “Der seltene Fang”, die im Kreuzberger Viktoriapark aufgestellt ist, zeigt einen Flunderfischer, wie er ihn hier beobachten konnte.

Herter schuf außerdem für ein Denkmal, mit dem Hugo Delbrück, einer der Heringsdorfer “Gründerväter” geehrt wurde, das Porträt. Ebenso das Bismarck-Standbild für die nicht mehr erhaltene Bismarck-Warte. Außerdem hat er ein Grabmal für die Familie des Kommerzienrats Gustav Ebell aus Ahlbeck geschaffen, ein Engel mit drei Frauen am Grabe, das sich ehemals auf dem Friedhof der Dahlemer St. Annenkirche befand und heute im Privatbesitz ist.

Monika Thiemen:
Kommen wir nun zur Geschichte Heringsdorfs.
Auch Usedoms vornehmstes Seebad, Heringsdorf, ging aus einem 1819 angelegten Fischerdorf hervor.
Ein Jahr zuvor hatten die Brüder von Bülow damit begonnen, einzelne Waldstellen auf ihren Ländereien zu lichten und die so gewonnenen Bauplätze an Büdner (das sind Besitzer kleiner Verkaufsbuden) und Fischer zu verkaufen. Bereits 1825 hielten die rund 113 Bürger ihr Heringsdorf für einen Badeort.
Wie Heringsdorf am 7 Juni 1820 zu seinem Namen kam, wird nach der Schilderung von Hans von Dollen, der zwischen 1883 und 1885 landeskundliche Berichte mit dem Titel “Streifzüge durch Pommern” schrieb, Folgendermaßen beschrieben:

“Als im Juni 1820 König Friedrich Wilhelm III. in Begleitung seiner Söhne, des Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. und des Prinzen Wilhelm und des Prinzen Karl auf einer Rundreise durch Pommern auch nach der Insel Usedom kam, da wurde ihm in Swinemünde unter anderem auch viel von der Fischerei erzählt, die für viele Strandortlandschaften das einzigste Gewerbe zum Unterhalt ihrer Bewohner sei. Der König war begierig, die Vorrichtungen zum Einsalzen und Verpacken des Herings kennen zu lernen, und fuhr infolgedessen mit dem Grundherrn von Goten nach dessen am Strande neu angelegten Fischerkolonien. Bei dieser Gelegenheit wurde auch vom Kronprinzen, auf Bitte des Herrn von Bülow, für die im Urwalde des Gothener Forst entstandenen Kolonien ein Name vorgeschlagen, und zwar wusste der Kronprinz in seiner heiteren Laune gerade keinen passenderen zu nennen, als den des Fisches, dessen letzte Schicksale sie hierhergeführt, nämlich Heringsdorf. Diesen Namen hat die Kolonie seitdem behalten. Und ist mit ihm berühmt geworden.”

Heringsdorf wurde bald Bad der Berliner Aristokratie und Hochfinanz.
Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Heringsdorf zum beliebten Badeort entwickeln konnte, war natürlich auch hier die Anbindung an das Eisenbahnnetz. 1894 wurde die Strecke Swinemünde-Heringsdorf in Betrieb genommen, 1911 die Strecke Heringsdorf-Wolgast. Nun konnte man auch damals schon in rund 3 Stunden von Berlin aus dieses Bad erreichen.

Entscheidend für die Entwicklung Heringsdorfs waren die Aktivitäten von Adelbert und Hugo Delbrück, den Begründern der schon erwähnten Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf. – Wir werden später noch ausführlich auf sie zurückkommen. Die Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf wurde 1872 gegründet. Die beiden Brüder hatten dafür 7-800 Morgen Wald, die bereits bestehenden Badeanstalten und einige Häuser im Werte von 115 000 Talern erworben.
Der Verkauf der Terrains ließ sich gut an. Bereits gegen 1890 hatte sich Heringsdorf als “Nizza der Ostsee” etabliert.

Nach dem Krieg war Heringsdorf zwischen 1945 bis 1950 zu großen Teilen ein Sowjetisches Militärsanatorium. Ab 1951 betreute der Feriendienst der Gewerkschaften Hunderttausende Werktätige der DDR und Gewerkschaftler, vor allem aus den sozialistischen Ländern in den Ferienheimen.

Nach der Wende begann eine neue Blüte. Jeder Spaziergang durch das Seebad zeugt davon. Die drei Kaiserbäder haben mittlerweile zusammen 9391 Einwohner mit dem Hauptsitz hier. Dazu kommen 672, die hier einen Nebenwohnsitz haben. Im Jahr 2005 waren 366 711 Gäste in den Kaiserbädern mit 1 883 516 Übernachtungen.

Birgit Jochens:
“Schweizer Villa”
Wie Sie im Vorbeigehen gesehen haben, weisen die Villen der Kaiserbäder eine große Stilvielfalt auf. Wir sind gerade an einer Villa in hölzernem Gewand vorbeigekommen, die mit den laubsägeartigen Holzdekorarbeiten am Fensterband und an den Balkonbrüstungen an Schweizer Villen erinnert. Die Vielfalt der Stilrichtungen ist aber insgesamt in Ahlbeck und Bansin größer als in Heringsdorf.
Im sog. Nizza der Ostsee waren antikisch orientierte Stilrichtungen bevorzugt.

Die Villa Hubertus wurde 2003 von der Travel Charme Gruppe gekauft. Sie wurde 1902 erbaut und war bis in die 1930er Jahre Eigentum des Berliner Metropoltheaterdirektors Fritz Max Jentz.
Dieser war zunächst Besitzer des Restaurants “Eremitage” in der Französischen Straße 21. Dann erwarb er Aktien der Metropol-Theater-Gesellschaft. Als schließlich eigentlicher Beisitzer des Metropol-Theaters, das damals noch in der Behrenstraße angesiedelt war, erlebte er den schnellen Aufstieg des Hauses mit. Er brachte ihm ein Rittergut und diese Villa in Heringsdorf ein – freilich in den 1920er Jahren auch den Ruin. Jentz starb Anfang 1928.

1945 ist hier die Rote Armee eingezogen, dann die Grenzpolizei und schließlich das Deutsche Reisebüro.

Die Bronzeplastik vor der Villa, eine Arbeit mit dem korrekten Titel “Knabe mit Bremse”, das sog. Mückenbüble, schuf der Bildhauer Wilhelm Rösch, der 1850 in Neckerems geboren und 1893 gestorben ist. Das Original steht in der Staatsgalerie Stuttgart. Im Stuttgarter Raum gibt es auch eine Reihe von Denkmälern von ihm.

Monika Thiemen:
Villa Oasis
Die Villa Oasis wurde 1896 von der Berliner Familie Löwner gebaut. Wie Sie auch auf einem der hier ausgestellten Fotos sehen können, weist sie im Inneren die für diese Villen typische riesige Diele mit der großen Treppe auf, die wunderbar für den “großen Auftritt” geeignet ist.
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Villa als Kindererholungsheim vom Verein “Deutsche Kinder im Ausland” genutzt. Später war sie ein Sanatorium der Sowjetarmee.
Nach der Wende wurde hier das erste 4-Sterne-Hotel auf Usedom eingerichtet.

Birgit Jochens:
Jugendherbergen
Wie heute, aber auch schon zu DDR-Zeiten waren die beiden Villen, vor denen wir hier stehen, Jugendherbergen, bestehend aus der einstigen Villa Ebel (1896) und der Villa Sommerfeld (1896, mit Fachwerk).

Eva John:
Holzvillenbau

Monika Thiemen:
Das Upstalsboom-Hotel Ostseestrand (Eichenweg 4-5) ist ein Neubau, der an der Stelle der um 1880 entstandenen Villa Vogelsang errichtet wurde.
Was es mit dem Namen Upstalsboom auf sich hat, verraten die Hausmitteilungen. Upstalsbooms sind die Bäume, an denen die Pferde aufgestellt wurden, wenn sich in frühmittelalterlicher Zeit die Friesen zur Beratung ihrer Landesverteidigung versammelten. Heute möchte man mit diesem Namen die Einladung zur Teilhabe an gepflegter Gastlichkeit symbolisieren.

Mit dem Hinweis auf Theodor Fontane wird im Haus nebenan darauf verwiesen, dass der Schriftsteller ein häufiger Gast der Kaiserbäder war. Er hat sogar erwogen, sich selbst hier niederzulassen, wie aus einem Brief hervorgeht, den er an seine Frau richtete. Darin erweist sich Fontane als ein bemerkenswert praktisch und wirtschaftlich denkender Mann. Er schrieb nämlich:
“ Ich schwärme für einen kleinen Hausbau hier; hier in Heringsdorf selbst ist der Grund und Boden schon zu teuer, aber zwischen hier und Ahlbeck, oder in Ahlbeck selbst, das jetzt sehr in Aufnahme kommt, möchte es gehen. Auf die Details dieses Plans kann ich mich noch nicht einlassen; im Winter steht das Haus leer, oder ein Ahlbecker Majordomus (also ein Hausmeister) behütet es; im Sommer vermietet man es an 2 oder 4 Partien; oder – der Kinder wegen – bis zum 1. Juli und schickt dann die ganze Menagerie ins Bad. Ein paar Wochen komme ich dann nach; will man woanders hin, so vermietet man in dem betreffenden Jahr das Ganze.”

Die Villa Odin (Neuer Weg 4) wurde 1900 vom Ahlbecker Grünberg gebaut.
Von Außen sieht sie ganz so aus, als seien dort von Anfang an Ferienwohnungen für Fremde vorgesehen gewesen.

Die Villa Caprivi (Neuer Weg 3) wurde von dem Architekten Schapiro im Kolonialstil errichtet. Der Name hat nichts mit dem Außenminister Georg Leo von Caprivi (1831-1899) gemein, obwohl auch er sich als Gast in Heringsdorf aufhielt.
Im Strandhotel (Liehrstr. 10), das architektonisch kaum noch an das Strand-Hotel der Vorkriegszeit erinnert, weilte Heinrich Mann im Sommer 1923 und schrieb seinen Essay “Heringsdorf, Vorort von Berlin”.

Ferienheim Erich Weinert
Wie diese Informationstafel mitteilt, sind die maroden Baulichkeiten, die wir hier sehen, Nachfolgebauten, die an der Stelle des Neuen Logierhauses von 1877 errichtet wurden. Das Neue Logierhaus war ein Bau der Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf und wurde gebaut, um Unterkünfte für die Gäste zu schaffen, die sich nicht der Freundschaft mit den Villenbesitzern erfreuten. Der Bau diente später der Kinderlandverschickung (KLV), dann als sowjetisches Sanatorium, schließlich, ab 1951 als Ferienheim der Gewerkschaften mit dem Namen Erich Weinert. 1975 wurde der alte Bau abgerissen und der Neubau errichtet, den wir hier sehen. Er diente den Leunawerken Walter Ulbricht als Ferienheim. Rechtsstreitigkeiten haben bislang verhindert, dass dieser wahrhaft nicht sehr schöne Anblick beseitigt werden konnte.

Die Villa Augusta und die weit zurück gelegene kleinere Villa Seeblick (Delbrückstr. 17 und 16) sind Schmuckstücke des Historismus.
Die 1889 errichtete Villa Augusta war Sommersitz einer Berliner Familie. Ein Teil des Hauses war hier von vornherein für Logiergäste vorgesehen, was eigentlich nicht als schicklich galt. Dass die Berliner Familie wirtschaftlichen Erwägungen dennoch den Vorrang gab, hat dafür gesorgt, dass hier eines der ersten aus Stein gebauten Gästehäuser an der Ostsee entstanden war. Normalerweise waren die Gästehäuser Holzbauten.

Birgit Jochens:
Residenz Bleichröder
Der neobarocke, in Details auch schon vom Jugendstil geprägte Bau, ist nicht etwa, wie uns die Informationstafel weismachen will, bereits 1890, sondern erst 1908 errichtet worden. Und auch nicht, wie in der Literatur manchmal behauptet, von Gerson von Bleichröder, sondern von dessen Sohn, Hans von Bleichröder.

Gerson von Bleichröder war einer der größten Bankiers des Kaiserreichs.
Unterstützt von den Rothschildts avancierte er zum Hofbankier der Hohenzollern.
Im Laufe der 1860er Jahre lernte er Bismarck kennen, dessen Privatvermögen er verwaltete. In zahlreichen geheimen Missionen reiste er für den Reichskanzler ins Ausland, war u.a. in Versailles an der Aushandlung und dem Transfer der französischen Kriegsentschädigung beteiligt, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg fällig geworden war.
1872 wurde Gerson von Bleichröder auf Antrag Bismarcks als erster Jude, der im mosaischen Glauben verblieben war, in den erblichen Adelsstand erhoben. Dies bewahrte ihn und seine Familie dennoch nicht davor, zur bevorzugten Zielscheibe der antisemitischen Agitation zu werden, die in den 1870er Jahren einsetzte.

Der Widerspruch, dass die eigene Familie eine der reichsten Berlins war, und dennoch um Anerkennung zu ringen hatte, belastete Sohn Hans von Bleichröder, der ebenfalls im Bankhaus seines Vaters tätig war, offensichtlich besonders. Sein Leben war von Skandalen geprägt. Dieses Haus ließ er sich nach der Hochzeit mit der Tochter eines christlichen Wäschereibesitzers bauen. Seine beiden Söhne wurden noch unehelich geboren.

Der Grundriss dieses Hauses zeigt ganz deutlich, wofür es errichtet wurde: zur Erholung und vor allem, um gesellschaftliche Anerkennung zu erringen. Das Erdgeschoss war ursprünglich fast nichts anderes als eine große Halle für Festivitäten. Auch die Anlagen der Terrassen mit den großen Freitreppen sind so gebaut, dass sie den “großen Auftritt” ermöglichen.
Zum Haus gehört straßenseitig ein Logierhaus mit Unterstellmöglichkeiten für Automobile und selbstverständlich auch die dazu gehörige Chauffeurswohnung.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die jüdischen Besitzer verdrängt. Das Haus wurde als Mütterheim der Nationalsozialistischen Volksfürsorge genutzt.
Es wurde dann zum Sanatorium der Sowjetischen Militäradministration (SMA) und ein Gästehaus des FDGB.

Die Villa wird heute Villa Diana genannt nach der Statue der Göttin der Jagd, die der Berliner Bildhauer Ferdinand Lepcke schuf. Lepcke wurde 1866 in Coburg geboren, studierte am Berliner Kunstgewerbemuseum und an der Akademie und war schließlich Meisterschüler von Fritz Schaper. In Berlin können sie seine Bogenspannerin auf dem Hohenzollernplatz in Nikolassee sehen. Er ist 1909 gestorben.

Birgit Jochens:
Villa Oppenheim
Diese Villa gehört zu den schönsten in Heringsdorf. Sie hat selbst Künstler wie den expressionistischen Maler Lyonel Feininger fasziniert, der hier auch gewohnt hat. Ürbigens wahrscheinlich als ganz normaler Logiergast, ohne nähere Beziehungen zum Hausbesitzer.

Es scheint, als habe Feininger seinen besonderen Malstil gerade bei seinen Aufenthalten auf der Insel Usedom in den Jahren 1911 bis 1918 entwickelt.

Es gibt immer einmal wieder Verwirrung darüber, welcher seiner Holzschnitte denn nun diese Villa wiedergibt. Feininger hat nämlich auch die Villa Oechsler gezeichnet, die von der Grundanlage her diesem Bau ziemlich ähnlich sieht. Der entscheidende Unterschied sind aber die relativ großen Fenster des Obergeschosses. Über solche Fenster verfügt nur die Villa Oppenheim.

Besitzer der Villa Oppenheim war der Berliner Bankier Benoit Oppenheim. Dessen Privatbank befand sich in der Berliner Schadowstraße 10/11.

Auch er gehörte zu Berlins Multimillionären. 1913 verfügte er über ein Vermögen von 7,5 Mill. Mark.

Benoit Oppenheim war nicht nur Bankier. Er war allererst ein namhafter Kunstsammler. Er verfügte über eine spektakuläre Sammlung mittelalterlicher und spätmittelalterlicher Kunst aus Deutschland, Flandern und Frankreich. In seinen Berliner Anwesen waren überall Kunstwerke aufgestellt. Selbst im Billiardzimmer waren christliche Madonnen zu finden.

Benoit Oppenheim war nicht nur Sammler, sondern auch ein wirklicher Kenner. Zweimal brachte er große Kataloge seiner Kunstsammlung heraus, die er selbst nach gebräuchlichen wissenschaftlichen Standards anlegte. Das war damals wie heute nicht unbedingt typisch für einen Sammler.

Auch beriet er Wilhelm von Bode in der Sachverständigenkommission der Berliner Museen bei Ankäufen.

Wahrscheinlich inflationsbedingt trennte sich Oppenheim von vielen Stücken. Sie bilden heute den Grundstock der berühmten Sammlung von Justizrat Bollert im eigens dafür neu erbauten Flügel des Bayerischen Nationalmuseums.

Wir sind sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, mit Hilfe unserer Museumskollegen aus München Fotos von Oppenheim und seinem Heringsdorfer Domizil von den Nachfahren zu erhalten, die sich nach der Verfolgung der Familie nach Amerika haben retten können. Danach war der Park vor der Villa früher ganz anders angelegt, nämlich mit einem geschwungenen Weg, der um die Villa herumführte.

Die Fotos zeigen ansonsten, dass es der Hausherr liebte, auf der Veranda seine Zeitung zu lesen und mit Verwandten im weitläufigen Parkgelände Karten zu spielen.

1933 hat hier Oppenheims Tochter Lina, die mit dem Philosophen Raoul Richter verheiratet war, dem Begründer des Nobelinternats Salem, Kurt Hahn, ein paar Monate Aufenthalt gewährt, bevor er nach England emigrierte.

Tochter Lina hat übrigens der Bildhauer Georg Kolbe porträtiert.

Die Villa Oppenheim war später Gästehaus des Ministeriums für Staatssicherheit und wurde auch als sowjetisches Sanatorium genutzt.
Auch Erich Mielke hat in der Villa Oppenheim Ferien gemacht.

Nach der Wende wurde die Villa der Familie Oppenheim zurückgegeben, die sie aber wieder veräußert hat.

Gegenüber der Villa Oppenheim steht in den Dünen die Sternwarte, die 1960 der Wissenschaftler Manfred von Ardenne zur Verfügung stellte. Sie trägt auch seinen Namen.

Monika Thiemen:
An der Stelle des heutigen Travel Charme Hotels Strandidyll stand früher die Villa Hermann von der Hudes.

Hermann von der Hude, der von 1830 bis 1908 lebte, war ein namhafter Berliner Architekt, der viele Villen im Tiergartenviertel errichtete. Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehört die Hamburger Kunsthalle, die er zusammen mit seinem Kollegen Schirrmacher entwarf.

Hermann von der Hude baute auch die Villa Adelbert Delbrücks, auf die wir gleich zu sprechen kommen, und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Benoit Oppenheims.

1882 kaufte Adelbert Delbrück Hermann von der Hudes Villa. Er hatte bereits seit 1872 ein Haus auf dem Grundstück daneben.

Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet die einst an der Strandpromenade gelegene Villa Adelbert Delbrücks, einer der “Gründerväter” des Seebads Heringsdorf, nicht erhalten ist.

“Weg mit Misdroy, hier bleiben wir.” – so sollen der Familiensaga nach – der 41jährige Adelbert Delbrück und Bruder Hugo (1825-1900) 1863 begeistert ausgerufen haben, als sie sich auf Usedom aufhielten und nach einer Unterkunft für die Familien Ausschau hielten. Die Gegend war ihnen längst vertraut. Vor allem Hugo Delbrück war seit 1835 verschiedentlich mit seiner Familie auf Usedom. In Heringsdorf haben sich anscheinend auch Adelbert und seine Frau Luise “gefunden”. Wenig später waren die mehr oder weniger regelmäßigen Ferien der Familie auf der Insel auch mit geschäftlichen Unternehmungen verbunden. Als Begründer der 1872 gegründeten Aktiengesellschaft Seebad Heringsdorf haben neben Adelbert Delbrück besonders Bruder Hugo und nach ihm dessen Söhne Viktor (1862-1907) und Werner (1868-1910) erheblich dazu beigetragen, dass aus einem kleinen Fischerdorf das “Nizza der Ostsee” wurde.

Die Delbrücks entstammten einer bedeutenden Juristen- und Theologenfamilie. Adelbert und Hugo Delbrücks Vater, Gottlieb Delbrück, war Jurist, Geh. Oberregierungsrat in Magdeburg und schließlich Kurator der Universität Halle. Adelberts Vetter, Rudolph von Delbrück, stand seit 1871 an der Spitze des Reichskanzleramts und hatte als rechte Hand Bismarcks bis 1876 wesentlichen Anteil an der liberalen Wirtschaftspolitik des Reichs. Eine familiäre Konstellation, die bei der Gründung der Deutschen Bank, an der Adelbert Delbrück wesentlichen Anteil hatte, nicht gerade von Nachteil war.

Dabei hatte er eigentlich Theologe werden wollen, wechselte jedoch zur Jurisprudenz, studierte nebenbei Philosophie und schloss das Studium als Assessor ab. Entgegen der Familientradition betätigte er sich jedoch nicht im Staatsdienst, sondern wurde wegen seiner kaufmännischen Begabung Generalagent der Lebensversicherung “Concordia” in Berlin.

Die Concordia verfügte über bedeutende Mittel, die angelegt werden mussten. So entstand unter Mitwirkung rheinischer Kaufleute und Bankiers 1854 die Agentur “Delbrück, Leo & Co.”, die sich bald zu einem ansehnlichen Bankhaus entwickelte.

Neben seiner Tätigkeit in der Bank übernahm Delbrück wichtige öffentliche Ämter. Bereits an der Gründung des Deutschen Industrie- und Handelstages beteiligt, trat er in den Jahren 1870 bis 1885 an die Spitze dieses Gremiums, in dem die zentralen finanz-, währungs- und wirtschaftspolitischen Probleme der Zeit diskutiert wurden. Im “Ältesten-Collegium” der Berliner Kaufmannschaft nahm Delbrück Einfluss auf die Entwicklung und Organisation der Berliner Börse. Außerdem engagierte er sich als Gründungsmitglied der Deutschen Fortschrittspartei in der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Mitglieder dieser liberalen und demokratischen Vereinigung, darunter der Mediziner Rudolf Virchow und der Althistoriker Theodor Mommsen, beides Usedom-Freunde, gehörten zum engeren Freundeskreis Delbrücks.

Auch im hiesigen Sommerhaus Adelbert Delbrücks spielte das gesellschaftliche Leben eine wichtige Rolle. Es war im Erdgeschoss mit einem großen Salon ausgestattet, der von einem Gartenzimmer und der Seeterrasse gerahmt wurde. Er war das natürliche Zentrum aller Bewohner. Dazu zählten nicht nur Adelbert und Luise Delbrück, ihre fünf Kinder, die Gouvernante, die Schwiegermutter, ein weiteres Familienmitglied, sondern auch Gäste, für die drei Zimmer bereitgehalten wurden.

Wie in Berlin und in allen großbürgerlichen Sommerhäusern auf der Insel befand sich die Küche im Sockelgeschoss. Die Hausfrau hielt mittels eines Hörrohrs Verbindung. Speisen wurden per Aufzug in die Beletage geschickt. Im Souterrain gab es zusätzlich – auch dies ein unverzichtbarer Bestandteil gehobenen Wohnens – eine Bedienstetenwohnung, die mit drei Zimmern und einer separaten Küche ausgestattet war. Sie wurde von dem Personal bewohnt, das den großen Garten zu pflegen und im Winter das Anwesen zu hüten hatte.

Auch ein Billardzimmer war hier eingerichtet.

Dank der Aufzeichnungen Adelbert Delbrücks sind wir ebenfalls über den Garten informiert, den er anlegen ließ.

Gleich bei Baubeginn wurde ein terrassenartiger Weg angelegt, dessen am Kamm der Düne gelegene Seite mit Steinen bekleidet wurde, die Efeu umrankte. Keine einfache Maßnahme, da der Dünensand, auf dem gearbeitet wurde, bei stürmischem Wetter in Bewegung geriet. Während ein großer Teil der alten Fichten beibelassen wurde, setzte im darauf folgenden Jahr die Bepflanzung der dafür vorbereiten Plätze mit Buchen, Tannen, Tujasorten und Kiefern ein.
Um dem Boden Halt zu geben und das Erdreich das verwesende Laub “einige Fruchtbarkeit zu schaffen”, erfolgte zunächst eine sehr dichte Bepflanzung, die später korrigiert werden musste. Es wurde ein Fahrweg angelegt, der von einer Kastanienallee eingefasst war, ein Farngarten für den Trockenplatz sowie Rasenplätze, damit man auch hier dem überaus beliebten Krocket frönen konnte. Schließlich wurden nach und nach die Ausblicke erweitert. Ein Gewächshaus, das der Versorgung der Familie diente, und ein Stallgebäude vervollständigten das Anwesen. – Alles in allem ungefähr das Mindestmaß an Ausrüstung, das wohlhabende Berliner für ihr Inselleben benötigten.

An Stelle der zwei Apartmenthäuser daneben hatte Hugo Delbrück sein Sommerhaus.

Sie haben sich, den Erinnerungen Adelbert Delbrücks nach morgens auf dem Balkon stehend zugewinkt, die Delbrücks, von der Hudes und Benoit Oppenheim.

Villa Staudt. Die 1868 erbaute Villa erwarb um 1900 Wilhelm Staudt von den Nachfahren des Malers Eichstaedt.

Die Geschichte Wilhelm Staudts mutet wie die eines typischen “Emporkömmlings” der Gründerjahre an. Dabei war der Beginn nicht eben verheißungsvoll.

Nach dem Konkurs seines Vaters, der einen Gasthof betrieben hatte, blieb dem 24jährigen Wilhelm wie seinem Bruder nichts anderes übrig, als auszuwandern, “um der Schande zu entgehen”. Sie landeten 1877 nach sechswöchiger Schiffspassage in Buenos Aires.

Wilhelm Staudt fand eine Anstellung als “Kommis” bei einem deutschen Handelshaus und bewies schon zwei Jahre später den Einfallsreichtum, der ihn zum Millionär werden ließ. Er entwickelte ein System von Kürzeln, das die Kabel-Kommunikation zwischen den Kontinenten erheblich verbilligte. 1882 brachte er zusammen mit einem Partner bei Julius Springer in Berlin den ersten “Commerziellen Telegraphenschlüssel” heraus, der sich als ein großer Erfolg erwies. Das vom Verlag gezahlte Honorar war freilich bescheiden. Dennoch verstand es Staudt, damit ein weiteres ausgefallenes Geschäft zu starten. Mit Popelinestoffen, die er in Südfrankreich erwarb, ließ er in Buenos Aires Pyjamajacken ohne Hosen anfertigen, die zu einer besonders beliebten Freizeitbekleidung in heißen Sommertagen wurden.

Mit dem so verdienten Geld kaufte Wilhelm Staudt Wolle und Häute, die er nach Europa verschickte. Damit begann der unaufhaltsame Aufstieg eines Handelsunternehmens, das er seit 1887 als “Staudt & Co., Im- und Export Geschäft” mit Sitz in Berlin und in Buenos Aires eintragen ließ und das bereits damals über ein Barkapital von einer Mill. Mark verfügte.

1895 heiratete Wilhelm Staudt in Berlin Elisabeth Albrecht, Tochter eines Industriellen, vielleicht aber auch bloß eines Metzgers aus Berlin NO, die offensichtlich außerordentlich schön war und die stattliche Länge von 1,83 m aufzuweisen hatte.

Frau Konsul liebte Pferde. Wenn sie sich, die den besten Stallmeister Deutschlands, Paul Rösler, engagiert hatte, in ihren in Paris oder London bestellten Landauern und Kaleschen im Tiergarten sehen ließ, sprach ganz Berlin davon.

Das Glück der Familie fand vorläufig ein jähes Ende, als Wilhelm Staudt 1906 infolge einer verschleppten Blinddarmentzündung noch nicht 54jährig starb.

Offensichtlich ebenso beherzt wie ihr Gatte entschloss sich Witwe Staudt, die Unternehmungen, die sich mittlerweile auch auf Bankgeschäfte erstreckten und in vierzehn Filialen im In- und Ausland getätigt wurden, fortzuführen. Dabei erwies sie sich als außerordentlich erfolgreich.

Sensationell waren auch die gesellschaftlichen Auftritte der Familie. Tochter Mercedes, die übrigens in Heringsdorf geboren wurde, vom Vater ein Vermögen von 3,3 Mill. Mark erbte und wohl ebenso schön wie ihre Mutter war, erzielte 1908 mit ihrem Vierergespann den ersten Preis beim Berliner Blumenkorso. Und die ganze Stadt war entzückt, als deren Schwester Auguste-Viktoria sich mit Rittmeister Wilhelm von Kummer verlobte, der bei den 2. Garde-Ulanen stand und als einer der bekanntesten deutschen Turnierreiter galt. Bei der Hochzeit, die 1908 in der Tiergartenstraße gefeiert wurde, geruhte Seine Majestät allergnädigst teilzunehmen, war doch der Bräutigam sein Patenkind.

Ebenso spektakulär – und von allerhand Klatsch begleitet – waren die Teevisiten Seiner Majestät im “Haus Miramar” (so hieß die Villa früher) in den Jahren 1909 bis 1912. Offenbar waren diese Abstecher feste Bestandteile im Programm des Kaisers während der Kieler Wochen. 1912, so bezeugt es Lyonel Feininger, der auch diese “schöne Villa” zeichnete, lockte die Anwesenheit des Kaisers “eine unerträgliche Menschenmenge” an die Promenade, und über der Villa flatterte “die Kaiserliche Standarte bis ½ 7 Uhr.” Nur einmal konnte Frau Konsul den Kaiser nicht empfangen: Sie war mit ihrem Pferd gestürzt und hatte sich das Bein gebrochen.

1938 verkaufte sie das Haus für 45 000, die Einrichtung für 10 000 Reichsmark und ließ sich mit 23 000 Reichsmark für die Grunderwerbssteuer entschädigen. Neuer Besitzer war Hitlers Leibarzt Theodor Morell.

Birgit Jochens:
Denkmal Hugo Delbrück. Es handelt sich hier um die Nachbildung des einst von Ernst Herter erstellten Porträts. Sie wurde 1995 nach alten Unterlagen von dem Dresdner Bildhauer Peter Manolis gefertigt.

Villa Oechsler
Die 1883 errichtete Villa ließ sich der Berliner Typograph, Galvaniseur und Unternehmer Hermann Berthold (1831-1904) errichten.

Sie ist ebenfalls oft von Lyonel Feininger gezeichnet worden.

Berthold absolvierte eine Lehre als Präzisions-Werkzeugmacher, bevor er sich intensiv mit der Herstellung von Galvanos beschäftigte. Dabei handelt es sich um mit chemischen Mitteln erstellte Duplikate von Druckplatten und Klischees. Außerdem beschäftigte er sich mit der Entwicklung innovativer Verfahren bei der Herstellung von Schriften und besonders von Messinglinien für den Buchdruck. Sein Unternehmen war im imposanten Mehring-Hof 9 in der Belle-Alliance-Str. 88 angesiedelt.

Mit Bezug auf seine Druckverfahren machte schon bald der Ausspruch “präzis wie Berthold-Messing” in der Branche die Runde, weil Berthold äußerste Sorgfalt und Genauigkeit in seinem Schmucklinienangebot in Anwendung brachte.

Wenn wir heute unsere Schriftgrößen am Computer in Punkten angeben, so ist das dafür zugrunde liegende Maßsystem ebenfalls eine Erfindung Bertholds.

Bis 1888 leitete Berthold sein kommerziell höchst erfolgreiches Unternehmen selbst. Das Haus Berthold, seit 1896 eine Aktiengesellschaft, entwickelte sich nach der Gründung von Firmendependencen in Stuttgart und St. Petersburg zu einer der größten Schriftgießereien der Welt. In den 1920er Jahren waren Umfang und Qualität des Schriftenangebots konkurrenzlos.

Nach langer Liquiditätskrise musste die Firma, die noch in den 1980er Jahren “der goldene Berthold” genannt wurde, 1993 Konkurs anmelden. Zuvor hatte es gravierende Verluste bei den Tochterfirmen in den USA gegeben, die mit der allgemeinen Verbreitung von PCs einhergingen.

Der Putzbau des Fabrikanten, heute Villa Oechsler genannt, gehört vom Dekor her zu den aufwendigsten Sommerhäusern auf der Insel.

Die Säulen des Portikus sind aus Porphyr gefertigt, ein schwarz-grüner schwedischer Granit.

Den Dreiecksgiebel ziert ein Mosaik, an dessen Entwurf – wie die Inschrift “H.B. aur. pixit” beweist – der Eigentümer, Fabrikant Berthold, selbst beteiligt war. Es wird ihn Einiges gekostet haben, denn die 1859 in Venedig gegründete Mosaikfabrik von Antonio Salviati, die – auch dies ist in der Inschrift ausdrücklich erwähnt – diese Arbeit herstellte, genoss bei Hofe wie in der Großbourgeoisie ein großes Ansehen und war dementsprechend teuer. Wenn man, wie in diesem Falle, auch noch Gold-Tesserae (Mosaiksteinchen) verlangte, dem Bau “bunte Bilder aus Goldgrund” einfügte, demonstrierte man nicht nur Reichtum, sondern sorgte für ein wenig alten Glanz, wie ihn früher nur Kirchen und Könige beanspruchten.

Badende, bekränzte Grazien sind auf dem Mosaik dargestellt, die – in merkwürdigem Kontrast zum von der italienischen Renaissance beeinflussten Motiv – von Hasen und einem Dachs beobachtet werden. Eine Idylle, die möglicherweise auf die gegensätzlichen Qualitäten der Insel – See und üppige Laubwaldvegetation – Bezug nimmt und vielleicht ein paradiesisches Leben symbolisieren soll: gewissermaßen eine Verheißung für die Bewohner.

Auch die Deutung des übrigen, plastischen Schmucks des Hauses ist nicht einfach. Dazu gehören an den seitlichen Vorbauten Reliefs mit antikisch nackten Knaben, die verschiedenen Gewerken nachgehen, Korn ernten, aus fremden Ländern mittels eines Kamels Waren transportieren und sich im Boot fortbewegen. Dabei werden sie von einem aufgeregt bellenden Hund begleitet. Von einem genrehaften Erzählton getragen und zugleich von antiken Darstellungsformen geprägt, werden diese Szenen als idealisierende Verbildlichungen des Beschäftigungsfeldes des Auftraggebers anzusehen sein.

Wie noch heute in der zu einer Boutique umgewandelten, sorgfältig restaurierten Villa ersichtlich, war die Innenausstattung ebenfalls aufwendig. Im Kaminzimmer gibt es bronzefarbene, reich ornamentierte Tapeten. Die Stuckdecken sind teilweise goldfarben abgesetzt.

Dem Unternehmer Berthold gefiel seine Usedomer Villa so gut, dass er ein Jahr später nicht nur eine ziemlich ähnliche in der Berliner Maaßenstraße erwarb, sondern sich kurz vor seinem Tode noch vom Architekten Otto Mrosk im Grunewald ein Haus bauen ließ, das wie eine Kopie seines Heringsdorfer Domizils wirkte.

Monika Thiemen:
Seebrücke
Die Heringsdorfer Seebrücke, die Sie hier sehen, wurde 1995 eröffnet. Sie ist mit 508 Metern die längste Seebrücke Kontinentaleuropas. Die alte Seebrücke, das Renommierstück der Delbrücks, war 1893 entstanden, hatte einen türmchenreichen Hallen-Vorbau, trug den Namen Kaiser-Wilhelm-Brücke und wurde 1958 durch Brandstiftung vernichtet.

Eva John:
Kurklinik mit Hotel: DDR-Plattenbauweise. 1984 erbaut an der Stelle des einstigen Hotels?

Kulturhaus

Maritim

Zur Geschichte Bansins
Von vornherein als Seebad konzipiert.

Birgit Jochens:
Villa Stobwasser
Als sich Gustav Stobwasser in Heringsdorf niederließ, befand er sich mit seinem damals bereits in dritter Generation betriebenen Unternehmen auf dem Gipfel des Erfolgs.

Stobwassers Großvater Johann Heinrich (1740-1829) legte den Grundstein zu diesem Aufstieg mit einer Firma für Lackwaren, die seit 1763 in Braunschweig ansässig war und eine breite Palette von Produkten: von Schnupftabaksdosen, lackierten Stockknäufen, Trinkbechern und Tabletts, Gewehren mit lackiertem Schaft für die Armee, gelackten Pfeifenköpfen aus Papiermaché, Möbeln bis zu höchst begehrten Galanteriewaren wie kleinen Dosen mit erotischen Darstellungen umfasste. Weil den Lack, mit dem die aus Pappmaché, Holz oder Blech gefertigten Objekte überzogen waren, ein besonderer Glanz und große Festigkeit auszeichnete und die Malerei besonders qualitätvoll war, konnten die Stobwasserschen Produkte bald mühelos neben dem englischen und französischen Angebot bestehen.

Nach der Gründung einer Filiale in Berlin, mit der man drohender Konkurrenz zu entgehen suchte, wurde unter Christan Heinrich Stobwasser , dem Vater Gustav Stobwassers, 1818 die Zentrale der Firma in das Zentrum der Stadt, in die Wilhelmstraße 98 verlegt.

Gustav Stobwasser, dem das Haus gehörte, vor dem wir stehen, übernahm 1848 nach dem Tode des Vaters dessen Position. Die Firma expandierte rasch unter seiner Leitung. 1850 erwarb er ein kleines Stettiner Lackunternehmen und verlegte es nach Berlin. Waren bei ihm 1854 immerhin schon rund 120 Mitarbeiter beschäftigt, so standen bei ihm 1867 bereits etwa 500 Mann in Lohn und Brot.

Wenn seine Lackwaren, mittlerweile international bekannt, auch weiterhin unzählige Auszeichnungen auf Welt- und Gewerbeausstellungen erreichten, waren Innovationen in diesem Bereich kaum noch zu verzeichnen. Einzige Neuerung im Sortiment waren Imitationen von Gesteinsarten wie Achat, Granat, Lapislazuli, Malachit, Marmor und Porphyr, aber auch die Nachahmung von Hölzern wie Palisander.

Ohnehin stand bei Stobwasser 1863 nicht mehr die Herstellung von Lackarbeiten im Vordergrund, sondern die Lampenfabrikation, deren Erzeugnisse immer mehr gefragt waren. 1867 war Gustav Stobwasser der größte deutsche Lampenfabrikant.

Die Eulenspiegel, die zum Dekor der Fassade gehören, verweisen auf die ursprüngliche Herkunft der Firma, auf Braunschweig.

Eva John:
Villa Fontane

Schweizerhaus

Kapitänshaus

Villa Irmgard

Villa Ardenne

Villa Thorndike

Villa Desny

Monika Thiemen:
Villa Ernst
Diese Holzvilla wurde 1908 erbaut. Bauherr war der Verleger Georg Ernst (1880-1950).

Ruhe und “gute Luft” waren es, die Georg Ernst 1908 veranlassten, ein Grundstück und eine Holzvilla direkt an der Bansiner Strandpromenade zu erwerben, damals ein junger Mann von achtundzwanzig Jahren, auf dem allerdings bereits eine Menge Verpflichtungen lasteten.

Nach dem frühen Tode des Vaters oblag ihm seit 1902 die Leitung des auf Architektur und technische Wissenschaften spezialisierten Verlags “Wilhelm Ernst & Sohn”. Diesem war die “Gropius’sche Buch- und Kunsthandlung” angeschlossen, und es gehörte auch eine Buchdruckerei dazu. Ernst war auch Verleger verschiedener Zeitschriften.

Der 1851 vom Vater gegründete Verlag hatte sich von Anfang an bewusst den Belangen des Bauwesens zugewandt, nicht nur mit den eigenen Druckerzeugnissen, sondern auch durch die Übernahme der “Zeitschrift für Bauwesen” sowie seit 1881 des “Zentralblatts der Bauverwaltung”.

Die meisten Publikationen, die in seinem Verlag erschienen, waren jedoch einem ganz anderen Baustoff gewidmet als dem, den Georg Ernst für seinen Landsitz wählte: nicht Holz, sondern Beton und Stahlbeton.

Um 1890 begann in Deutschland der Siegeszug der damals noch “Betoneisen” genannten Bauweise.

Es waren Brücken für die vielen neu aufkommenden Eisenbahnlinien, die rasant wachsende Industrie, die den Hallen-, Geschoss- und Behälterbau nach sich zog, die in den Städten benötigten Ver- und Entsorgungsanlagen, Kaufhäuser und Wohnbauten, die nach neuen Bautechniken und Baustoffen verlangten. Der damals längst bekannte Baustoff Beton beschäftigte die Ingenieure besonders. Allerdings wurde er nach Erfahrung, Augenmaß oder Gutdünken zur breiigen Masse angerührt. Über Zug- und Druckfestigkeit, Dauerhaftigkeit, Widerstand gegen Brandeinwirkung, über den Elastizitätsmodul und andere Fragen gab es lebhafte Auseinandersetzungen. Hitzig diskutiert wurde auch über die ästhetischen Auswirkungen im Erscheinungsbild der Städte.

Mit seinen Publikationsorganen sorgte Georg Ernst für die dringend benötigte Berichterstattung über diese Fragen. Für den Ingenieur noch heute unverzichtbar sind die Fachzeitschrift “Beton und Eisen” und der “Beton-Kalender”, der sich zum erfolgreichsten Fachbuch des Bauingenieurs im deutschsprachigen Raum entwickelte.

Trotz schwerer Verluste im Zweiten Weltkrieg, in dem die gesamten Bücher- und Bildstockwerke und die Druckerei Gebr. Ernst vernichtet und auch das in Berlin-Wilmersdorf am Hohenzollerndamm gelegene Eigenheim schwer beschädigt wurde, setzte Georg Ernst zusammen mit seiner Frau die Arbeit unermüdlich fort. Zeitweilig sogar vom Landhaus in Bansin aus.

Georg Ernst starb genau einen Tag vor dem 100. Geburtstag des Verlags.

Seine Villa ist mit den weiß-rot gefassten Zierbändern vom Vorbild skandinavischer Architektur geprägt. Auffallend die stilisierten Drachenköpfe an den Giebelspitzen, die bei norwegischen “Drakenstil”-Bauten noch heute zu sehen sind.

Dieser Gebäudetyp war weniger vom Repräsentationswillen des Bauherrn geprägt. Diesem Besitzer war etwas anderes wichtig: Teilhabe an der Natur, individuelle Lebensgestaltung anstelle von Gesellschaftsleben.

Eva John:
Villa Veneta

Seehof

Café Asgard

Haus Atlantic

Baugrube Meeresstrand

Musikpavillon

Baustelle Orlopp

Haus Kaiser Wilhelm