Kiezspaziergang am 12.2.2005

vom Ernst-Reuter Platz zur Deutschen Oper

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: U-Bhf Ernst-Reuter Platz an der Hardenbergstraße Ecke Schillerstraße

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem zweiten Kiezspaziergang im Jubiläumsjahr “300 Jahre Charlottenburg”. Heute wird die Deutsche Oper im Mittelpunkt stehen. Ich denke, dass wir gegen 15.00 Uhr dort ankommen und dann etwa eine Stunde Zeit haben werden, wenn uns die Oper von Herrn Rösler ausführlich vorgestellt wird. Zuvor gibt es hier zum Ernst-Reuter-Platz viel zu sagen, und auf dem Weg zur Oper werden wir am Schillertheater und am Neubau der Bundesbank Halt machen.

Wie immer gleich zu Beginn der Hinweis auf unseren nächsten Kiezspaziergang. Die UNO hat den Internationalen Tag der Frau auf den 8. März gelegt. Deshalb veranstaltet unser Bezirk seit einigen Jahren im März den Frauenfrühling, und wir wollen uns auch bei unserem nächsten Kiezspaziergang vor allem mit bedeutenden Frauen unseres Bezirks beschäftigen. Deshalb treffen wir uns am Sonnabend, dem 12. März um 14.00 Uhr auf dem Savignyplatz, und zwar vor dem Bücherbogen an der südwestlichen Ecke des Savignyplatzes zwischen Bleibtreustraße und Knesebeckstraße wenige Meter vom dortigen S-Bahn-Ausgang entfernt.

Wenn Sie schon öfters bei unseren Kiezspaziergängen dabei waren, dann wissen Sie, dass ich mich hier mit politischen Äußerungen sehr zurückhalte und das soll auch in Zukunft so bleiben. Aber heute muss ich ein Wort sagen zu den öffentlichen Diskussionen über unsere Geschichte, die wir in den letzten Wochen erleben. Wir feiern ja in diesem Jahr nicht nur 300 Jahre Charlottenburg, sondern wir erinnern auch 60 Jahre nach dem 8. Mai 1945 an das Ende des Zweiten Weltkriegs. Und gerade bei unserem heutigen Kiezspaziergang sehen wir, wie gravierend sich die Folgen des Zweiten Weltkriegs im Stadtbild niederschlagen. Wir sehen es hier am Ernst-Reuter-Platz, wir werden es am Schillertheater, an den Häusern der Bundesbank und in der Deutschen Oper sehen. Gerade angesichts unserer eigenen Geschichte empfinde ich es als unerträglich, dass über den 8. Mai in den letzten Wochen fast nur im Zusammenhang mit einer geplanten Demonstration der NPD gesprochen wird, und dass inzwischen demokratische Parteien wieder darüber streiten, wie wir den 8. Mai verstehen wollen.

Wenn ich an den 8. Mai denke, dann fällt mir nur ein Begriff ein, den der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker schon vor 20 Jahren dafür verwendet hat, nämlich der Begriff “Befreiung”. Und ich meine, als Demokraten sollten wir uns darüber einig sein, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung war, der Tag, an dem die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland begonnen hat. Seit diesem Tag können wir seit jetzt 60 Jahren in Frieden, Freiheit und Demokratie leben.

Wer sich ernsthaft vorstellt, wo wir heute stünden, wenn Hitler damals nicht von den Alliierten besiegt worden wäre, der kann, glaube ich, zu keinem anderen Schluss kommen. Hitler hat ja nicht nur den Zweiten Weltkrieg begonnen und viele Deutsche, vor allem jüdische Deutsche, in den Tod geschickt, er hat sogar am Ende nur noch ein Ziel gehabt, nämlich alle Deutschen mit in den Abgrund zu reißen. Deshalb hat er den Krieg noch monatelang weiter geführt, obwohl er längst verloren war – und in diesen letzten Monaten waren die meisten Opfer unter der Zivilbevölkerung in Deutschland zu beklagen. Wir haben also ganz bestimmt keinen Grund, auf andere zu zeigen, wenn wir um deutsche Opfer von Krieg und Nazidiktatur trauern.

Das musste ich gerade hier, am Ernst-Reuter-Platz, einmal sagen.

Ernst-Reuter-Platz

Wie Sie wissen, hieß dieser Platz bis 1953 “Am Knie”. Schriftlich ist diese Bezeichnung erstmals auf einem Berliner Stadtplan von 1901 aufgetaucht, aber vermutlich nannte man diesen Platz schon lange vorher so, und zwar einfach weil die Hauptverbindung vom Berliner Stadtschloss zum Schloss Charlottenburg über die Charlottenburger Chaussee, heute Straße des 17. Juni, und die Berliner Straße, heute Otto-Suhr-Allee, hier einen Knick machte. Ein weiterer Knick kam dann durch den Straßenzug Hardenbergstraße – Bismarckstraße hinzu.

Umbenannt wurde der Platz am 1. Oktober 1953, zwei Tage nach dem Tod des ersten Regierenden Bürgermeisters West-Berlins. Dieser Platz hat sein Gesicht nach dem Zweiten Weltkrieg so radikal verändert wie kaum ein anderer. Nur sehr wenig erinnert noch an die Bebauung von vor dem Krieg. Zwei alte Gebäude können wir von hier aus sehen.

Das Renaissance-Theater an der Ecke Knesebeckstraße wurde 1926 – 1927 von Oskar Kaufmann in das 1901/02 von Reimer und Körte errichtete Haus des Akademischen Vereins “Motiv” eingebaut, nachdem der Raum selbst schon in den Jahren zuvor als Kino und Theater benutzt worden war. Der Architekt von Lülsdorff hat es 1946 nach einigen Kriegsschäden instand gesetzt. Endgültig wurde es 1985 wiederhergestellt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Glasfenster von Hella Santarossa. eingebaut. Vor dem Renaissance-Theater steht der Entenbrunnen von August Gaul aus dem Jahre 1911.

Das Renaissance-Theater ist das einzig vollständig erhaltene Art-Déco-Theater Europas. Der Kunsthistoriker Max Osborn erfand für Oskar Kaufmanns originelle Stilwelt den Begriff “Expressionistisches Rokoko”. Nach dem Krieg erwarb sich das Theater über Jahrzehnte den Ruf, ‘das Schauspieler-Theater’ Berlins zu sein. Prof. Kurt Raeck, der es von 1946 bis 1979 leitete, gelang es, die zwischen 1933 und 1945 zerstörte Theaterkultur wieder zu beleben, indem er ihre Protagonisten, sowohl die emigrierten wie die in Deutschland gebliebenen, für sein Haus gewann – darunter so bedeutende Schauspieler wie Elisabeth Bergner, Lucie Mannheim, Albert Bassermann, Käthe Dorsch, Walter Franck, Curt Goetz, O.E. Hasse, Grete Mosheim, Tilla Durieux, Hubert von Meyerinck, Elisabeth Flickenschildt und Ernst Schröder.

Nach der Übernahme der Intendanz durch Horst-H. Filohn im Jahre 1995 wurde das Renaissance-Theater zur Bühne für internationale Gegenwartsdramatik. Nach wie vor stehen große Schauspielerpersönlichkeiten wie Mario Adorf, Boris Aljinovic, , Heinz Bennent, Christian Berkel, Winfried Glatzeder, Walter Kreye, Tilo Nest, Udo Samel, Andrea Sawatzki, Peter Simonischek, Peter Striebeck, Gerd Wameling, Judy Winter und jetzt gerade wieder aktuell Ben Becker hier auf der Bühne.

Gegenüber, Hardenbergstaße 41, sehen wir das zweite aus der Vorkriegsbebauung erhaltene Haus, das ehemalige Institut für Kirchenmusik. Es wurde 1902 bis 1903 von den Architekten Adams und Mebes in neoromanischem Stil aus rotem Sandstein errichtet. Heute ist es der Sitz der Fakultät Musik der Universität der Künste, des Staats- und Domchors und des ökumenischen Instituts für Kirchenmusik.

Alle anderen Gebäude hier rund um das “Knie” wurden so stark zerstört, dass sie nach dem Krieg abgerissen und durch Neubauten ersetzt wurden. Bis in die letzten Kriegstage Ende April und Anfang Mai dauerten hier die Kämpfe an, nicht zuletzt wegen der Nähe des Zoobunkers, aus dem heraus noch bis zuletzt gekämpft wurde.

Ein besonders schönes Gebäude entstand hier an der Schillerstraße: 1955-56 baute Paul Schwebes auf einem trapezförmigen Grundriss einen 7stöckigen Bau für die Buchhandlung Kiepert. Durch Fenster und Brüstungsbänder in schwarzem Opakglas mit schmalen Messingprofilen wird die Fassade horizontal gegliedert. Die Ecken sind dynamisch abgerundet. Ein dünnes, weit überstehendes Flugdach schließt das Haus ab, das an die Geschäftshausarchitektur der 1920er Jahre erinnert. Es wurde vor kurzem renoviert und erstrahlt vor allem bei Dunkelheit, wenn es von innen beleuchtet ist.

Nach der Insolvenz der Buchhandlung Kiepert wurde das Haus am 3.11. 2003 wieder eröffnet mit der Fachbuchhandlung Lehmann in drei Etagen; am 1.2.2004 folgte die Versandfirma Manufactum mit einem Warenhaus auf zwei Etagen und schließlich das Lebensmittelgeschäft brot & butter.

Die Buchhandlung Kiepert ging aus der 1897 in der Krumme Straße 28 gegründeten “Buchhandlung der Stadtmission” des Buchhändlers und Laienpredigers Engelhardt Ostermoor hervor, der sein Geschäft 1912 an Robert Kiepert übergab, der es umbenannte. 1914 zog Kiepert um in die Hardenbergstraße 4-5, 1929 baute er sein erstes eigenes Geschäftshaus in der Schillerstraße 128. Nach der Kriegszerstörung dann hier 1955/56 der Neubau von Haus Hardenberg mit einem neuen Selbstbedienungskonzept und einer Erweiterung des Sortiments, Filialen wurden eröffnet und 1997 das 100jährige Jubiläum gefeiert. Aber die Vergrößerung führte zu Problemen, und 2002 musste Kiepert Insolvenz anmelden, die meisten Filialen und das Hauptgeschäft aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Mutter und Tochter Kiepert führen aber die Tradition fort mit einer kleinen Buchhandlung unweit von hier an der Hardenbergstraße 9a.

Der neue Ernst-Reuter-Platz wurde nach Planungen des Architekten Bernhard Hermkes Ende der 50er Jahre angelegt.

Als Bebauung sah Hermkes am Nordrand drei parallel stehende Nordsüd-Baublöcke vor, im Süden drei parallele, leicht verschobene Ostwest-Baublöcke und als westlichen Abschluss ein pylonartiges Hochhaus. Diese Platzanlage mit ihrer weitläufigen Bebauung ist ein typisches Beispiel für die städtebaulichen Vorstellungen von der autogerechten Stadt, wie sie von den 50er bis zu den 70er Jahren vorherrschte. Die Gebäude rund um den Ernst-Reuter-Platz stehen deshalb auch alle unter Denkmalschutz.

Der Platz selbst wurde 180 Metern Durchmesser zum größten Rundplatz Berlins. 1956-60 wurde die sechsstrahlige Straßenkreuzung zu einem Platz mit ovaler Mittelinsel und Kreisverkehr umgebaut. Zuletzt wurde 1960 die Mittelinsel mit Wasserspielen und Hauptfontäne durch Werner Düttmann gestaltet. Zur Mittelinsel führt zwar ein Fußgängertunnel, aber der Aufenthalt mitten im Verkehrsknotenpunkt dürfte nicht besonders attraktiv sein.

Eindrucksvoll ist die Skulptur “Flamme” von Bernhard Heiliger, die 1963 an der Nordostseite des Platzes vor dem Architekturgebäude der Technischen Universität aufgestellt wurde. Sie ist dem Andenken Ernst Reuters gewidmet ist. 1996/97 wurde der Platz mit dem Brunnen saniert. Nach jahrelangem Stillstand konnte der Brunnen durch das Engagement der “Brunnenfee” Isolde Josipovici inzwischen wieder in Betrieb gehen.

Um den Platz herum entstanden seit 1954 nach dem städtebaulichen Entwurf Bernhard Hermkes innerhalb von 20 Jahren Hochhäuser mit Verwaltungseinrichtungen von Telefunken, Osram, IBM und anderen Firmen und Hochschulgebäude der Technischen Universität, die später auch das Telefunken-Hochhaus bezogen hat.

Das IBM-Haus am Ernst-Reuter-Platz 2 wurde 1960-61 von Rolf Gutbrod und Hermann Kiess gebaut. IBM bedeutet übrigens Internationale Büromaschinen GmbH.

Das 10stöckige Bürohaus daneben am Ernst-Reuter-Platz 3-5 wurde 1971-74 von Geber & Risse gebaut. Es wurde vor 2 Jahren entkernt und für rund 10 Mio Euro umgebaut.

Daneben am Ernst-Reuter-Platz 6 baute Bernhard Binder von 1969 bis 74 ein Bürohaus.

Zwischen Bismarckstraße und Otto-Suhr-Allee, am Ernst-Reuter-Platz 7, wurde 1958-60 von Schwebes und Schoszberger das Hochhaus für die Firma Telefunken gebaut und in den 80er Jahren von der TU übernommen. Es war das erste Haus in Berlin, das über mehr als 20 Stockwerke verfügte. Von der Caféteria im 20. Stock hat man einen faszinierender Blick nach Ost und nach West über ganz Berlin.

Bereits 1956-57 baute Bernhard Hermkes am Ernst-Reuter-Platz 8 das Osram-Haus.

Daneben, am Ernst-Reuter-Platz 9-10, bauten 1960-63 Sobotka & Müller für Ernst Pepper ein Büro- und Geschäftshaus, dessen Fassade zur Zeit erneuert wird. Pepper wurde vor allem bekannt durch das Europa-Center am Breitscheidplatz, das 1965 eröffnet wurde.

Zwischen Marchstraße und Straße des 17. Juni baute Bernhard Hermkes 1963-68 das Architekturgebäude der Technischen Universität. Der dazugehörige Flachbau stammt von Hans Scharoun. Das Gebäude wurde von 1991-93 asbestsaniert, und die Fassade wurde vollständig erneuert.

Zuletzt uns gegenüber zwischen Hardenbergstraße und Straße des 17. Juni wurde das Hochhaus für Berg- und Hüttenwesen der TU-Berlin 1954-59 von Willy Kreuer als 10-geschossiger Rasterbau mit blauer Glasfassade errichtet, mit niedrigen Anbauten daneben. Als Bautypus hat das Gebäude Vorbildcharakter für spätere Institutsbauten in Deutschland. Vor dem Haus an der Hardenbergstraße hinter der Bushaltestelle steht die Skulptur “Kristalline Form – Wachsende Flügel” von Karl Hartung. Obwohl das Gebäude wie alle anderen erwähnten unter Denkmalschutz steht, wird seit Jahren über einen Abriss diskutiert – zum einen weil eine teure Sanierung fällig wäre, und zum anderen weil es den Mittelweg des TU-Geländes zum Ernst-Reuter-Platz abriegelt. Die TU möchte sich der Stadt und dem Bezirk gegenüber mehr als bisher öffnen, und dies könnte optisch durch einen offenen Zugang zum Campus an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck gebracht werden.

Bismarckstraße

Die Bismarckstraße erhielt bereits 1871 ihren Namen, im Jahr der Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Heute wäre es wohl unverstellbar, eine Straße nach einem Politiker zu benennen, der gerade Bundeskanzler geworden ist.

Die Bismarckstraße erhielt aber erst um 1900 ihre heutige Dimension. Um die Jahrhundertwende entstand auf Initiative Berlins und des Militärs ein Verkehrsprojekt, das von Charlottenburg zunächst eher skeptisch betrachtet wurde: das “Heerstraßenprojekt”, eine geradlinige Prachtstraßenverbindung von Berlin durch den Tiergarten über Charlottenburg und das südliche Spandau bis zum Truppenübungsgelände bei Döberitz westlich von Spandau. Charlottenburg stimmte schließlich zu, nachdem es als Gegenleistung zu einem günstigen Preis Gelände südlich und südwestlich des Reichskanzlerplatzes (heute Theodor-Heuss-Platz) erwerben konnte. 1902 wurden schließlich alle Häuser an der Südseite der Bismarckstraße abgerissen, um die Straße zu verbreitern und über den Kaiserdamm zur Heerstraße zu verlängern. Der Bauplatz für das Schillertheater entstand also erst durch die Verbreiterung der Bismarckstraße.

Bismarckstr. 110: Schillertheater

Mit dem am 1. Januar 1907 mit Schillers “Räubern” eröffneten Schillertheater wollte der Charlottenburger Magistrat kultur- und sozialpolitische Ziele gleichermaßen erreichen. Bereits um 1900 wurde in der Charlottenburger Stadtverordnetenversammlung über entsprechende Pläne diskutiert. Da die Berliner Theater-Bühnen und das 1896 eröffnete Theater des Westens wegen der hohen Eintrittspreise nur den begüterten Schichten zugänglich waren, wollte man in Charlottenburg auch den Geringverdienern anspruchsvolle Kultur nahe bringen. Der Magistrat arbeitete mit der Berliner Schillertheater Aktiengesellschaft zusammen, die bereits zwei gepachtete Theater betrieb und durch ein besonderes Abonnementsystem die Eintrittspreise niedrig halten und dennoch wirtschaftlich arbeiten konnte. Die Aktiengesellschaft hatte sich in ihrer Satzung auferlegt, den größeren Teil des Gewinns wieder in das Unternehmen zu investieren und den Schauspielern soziale Vergünstigungen zu gewähren, die sonst nicht üblich waren. Auch der Bildungsauftrag des Unternehmens war genau definiert: In Nachmittagsvorstellungen für Gemeindeschüler und an Dichterabenden für alle sollte für die Kultur geworben werden.

Das Projekt eines Theaters für “minderbemittelte Schichten” war umstritten. Insbesondere die Charlottenburger Haus- und Grundbesitzer wollten kein besonderes soziales Image für ihre Stadt – das könnte sich ja negativ auf die Grundstückspreise auswirken. Aber der Begründer und Direktor der Schillertheater-Gesellschaft, Raphael Löwenfeld, und Oberbürgermeister Kurt Schustehrus kämpften erfolgreich für ihre Idee. Schustehrus bilanzierte später stolz: “Das Schillertheater ist eine der ersten Bildungsanstalten Berlins, und daß Bildung etwas ist, was die Sozialpolitik zu fördern bestrebt sein muß, wird niemand leugnen können.”

Die bauliche Gestaltung des Theaters entsprach den demokratischen Vorstellungen seiner Gründer. Der Zuschauerraum wurde einem antiken Amphitheater nachempfunden. Ränge gab es zunächst nicht. Im Ersten Weltkrieg geriet das Theater in eine wirtschaftliche Krise, die auch in den frühen 20er Jahren nicht aus eigener Kraft bewältigt werden konnte. Deshalb wurde das Theater von 1923 bis 1931 an die Generalverwaltung der preußischen Staatstheater verpachtet. Nach kurzen Intermezzos mit weiteren Pächtern wurde es endgültig zum Staatstheater.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Ränge in den Zuschauerraum eingebaut. Nach dem Umbau wurde das Haus 1938 unter der Intendanz von Heinrich George mit Schillers “Kabale und Liebe” wieder eröffnet.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Theater zerstört. Heinz Völker und Rudolf Grosse bauten unter Verwendung von Resten des Vorgängerbaus ein neues Haus, das am 6. September 1951 mit Schillers “Wilhelm Tell” als Staatstheater eröffnet werden konnte. Unter dem Intendanten Boleslaw Barlog wurde das Schillertheater zum wichtigsten Theater West-Berlins, bis in den 70er Jahren die Schaubühne diese Rolle übernahm. Das Schillertheater war auch das Haupthaus der 1951 gegründeten Staatlichen Schauspielbühnen Berlins, zu denen das Schlosspark-Theater in Steglitz, die Schiller-Theater-Werkstatt und die Spielstätte im Ballhaus Rixdorf gehörten.

Nach der Wende wurde das Schillertheater als größte deutsche Sprechbühne – nicht zuletzt aus symbolischen Gründen als West-Berliner Opfer für den Aufbau Ost – 1993 geschlossen. Die Schließung löste weit über Berlin hinaus Proteste und Verbitterung aus. Sie wurde als Signal für den Abbau staatlich subventionierter Kultur in Deutschland interpretiert. Das Schillertheater wird seit seiner Schließung 1993 als Musical- und Gastspiel-Theater genützt.

Bismarckstraße 14/14 Ecke Leibnizstraße: Bundesbank

Seit 1906 entstand hier die Reichsbankstelle Charlottenburg, später Landeszentralbank und seit dem 1.5.2002 Deutsche Bundesbank. 1906 bis 07 bauten Julius Habicht und Philipp Rappaport an der Leibnizstraße 8 die ersten Gebäude für die Reichsbankstelle Charlottenburg. 1924-26 wurde diese von Heinrich Hartwig und Heinrich Wolff an der Leibnizstraße 7 erweitert. Nach dem Zweiten Weltkrieg baute dann 1953-54 Johannes Krüger die Gebäude an der Bismarckstraße 14-15 und Leibnizstraße 9-10. Seit vier Jahren wird der gesamte Komplex für die Deutsche Bundesbank renoviert und umgebaut, die hier mit immerhin 500 Arbeitsplätzen vertreten ist.

Der Kopfbau des ganzen Ensembles an der Ecke Bismackstraße und Leibnizstraße, der so genannte “Krügerbau”, wurde in enger Absprache mit unserem Denkmalschutz aufwändig entkernt, umgebaut und den heutigen Bedürfnissen angepasst bei gleichzeitiger Erhaltung der Substanz des Baudenkmals. Im Oktober des letzten Jahres war Richtfest. Auch die Berliner Zentrale der Deutschen Bundesbank, die jetzt noch am Steinplatz residiert, soll hierher verlagert werden.

Die Deutsche Bundesbank ist als Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB). Vorrangige Aufgabe des ESZB ist die Gewährleistung der Preisstabilität des EURO und die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Inland und mit dem Ausland. Die Bundesbank unterhält neun Hauptverwaltungen, darunter diese in Berlin, und 126 Filialen.

Bismarckstr. 20-23

Für die Erste Staatliche Fachschule für Sozialpädagogik wurde in den 70er Jahren gebaut. Im Innenbereich des Geländes steht eine teilweise in den Boden versenkte Turnhalle, erreichbar über den Zauritzweg von der Zillestraße aus.

Bismarckstr. 35 Deutsche Oper

Wer heute in die Deutsche Oper geht, der sieht das Gebäude aus der Nachkriegszeit und denkt in der Regel nicht daran, dass diese Oper eine viel längere Tradition besitzt und bald ihr 100jähriges Bestehen feiern kann. Ich freue mich, dass Herr Roesler sich bereit erklärt hat, uns die Geschichte und Gegenwart der Deutschen Oper zu vermitteln und alle Fragen zu beantworten. Ich habe gehört, dass er erkrankt ist, uns aber dennoch zur Verfügung stehen will. Vielen Dank dafür.

Außerdem hat uns die Oper das Angebot gemacht, für die heutige Aufführung von “La Traviata” um 25 Prozent ermäßigte Karten zu bekommen. Auch dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

Curt A. Roesler:

Die Gründungsidee eines neuen Opernhauses für Berlin, der heutigen Deutschen Oper Berlin, geht auf eine Bürgerinitiative, den “Großen Berliner Opernverein” im Jahre 1907 zurück. Die Mitglieder dieses Opernvereins unter dem Vorsitz des Komponisten Engelbert Humperdinck sahen ihre kulturpolitischen Vorstellungen von der Königlichen Hofoper, der heutigen Staatsoper Unter den Linden, nicht mehr verwirklicht und entschlossen sich daher zur Gründung eines neuen innovativen Opernhauses, das vor allem dem Werk Richard Wagners Geltung verschaffen, aber auch ein Forum für zeitgenössisches Musiktheater bieten sollte. Das neue Opernhaus sollte ausdrücklich allen Bürgern zugänglich sein und auch architektonisch dieses bürgerliche Selbstbewusstsein ausdrücken. Geplant war ein Opernhaus mit 2300 Plätzen, ohne Logen und mit einer guten Sicht von möglichst allen Plätzen.

Wegen der hohen Grundstückspreise in Berlin beschloss man, in das damals noch eigenständige Gemeinwesen Charlottenburg, einen Vorort im Westen der Stadt, auszuweichen, der als Wohnsitz gut situierter Bürger beliebt und mit einer hervorragenden Verkehrsanbindung an Berlin – schon damals existierte die heutige U-Bahnlinie 2 – der geeignete Ort für das Unternehmen schien.

Nach den Plänen von Stadtbaurat Heinrich Seeling baute man das “Deutsche Opernhaus” an der Bismarckstraße und eröffnete es am 7. November 1912 mit Ludwig van Beethovens Oper Fidelio feierlich. Mit einem besonderen Abonnement-System sorgte der Charlottenburger Magistrat dafür, dass auch wenig Begüterte sich den Besuch leisten konnten.

Das neue Opernhaus war ein Erfolg: Schon in der zweiten Spielzeit hatte das Haus 11.000 Abonnenten, später sogar noch mehr. Innerhalb weniger Jahre hatte man ein beachtliches Repertoire aufgebaut, das vom Publikum begeistert angenommen wurde. Gleich in der ersten Spielzeit erlebte das Haus die deutsche Erstaufführung von Puccinis “Das Mädchen aus dem Goldenen Westen”, zu deren Vorbereitung der italienische Meister selbst nach Berlin gereist war. Zu den Höhepunkten der ersten Jahre zählt auch die Aufführung von Wagners “Parsifal” am 1. Januar 1914, am Tag nach der urheberrechtlichen Freigabe des Werkes, das bis dahin ausschließlich in Bayreuth gespielt werden durfte.

Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg spielte die “Städtische Oper”, wie sie jetzt hieß, 15 Jahre lang im Theater des Westens, bis am 24. September 1961 am historischen Ort der Neubau von Fritz Bornemann mit Mozarts “Don Giovanni” eröffnet werden konnte. Seitdem präsentieren an der Bismarckstraße weltweit renommierte Künstlerpersönlichkeiten und ein exzellentes Ensemble neben Giuseppe Verdi, Giacomo Puccini, Richard Wagner und Richard Strauss in den letzten Spielzeiten verstärkt sowohl das französische Repertoire (Charles Gounod, Jules Massenet, Jacques Offenbach, Francis Poulenc) als auch überaus erfolgreich Werke des italienischen Belcanto (Vincenzo Bellini, Gaetano Donizetti und vor allem Gioacchino Rossini). Das hohe künstlerische Niveau, das seit Bestehen des Hauses Tradition an der Deutschen Oper Berlin hat, wird von Starsolisten wie auch von der gezielten Suche nach Nachwuchssängern und jungen Regisseuren sichergestellt.

Nahezu zwanzig Jahre bis zu seinem Tod im Dezember 2000 hatte Götz Friedrich die Intendanz des Hauses inne; in der Tradition des realistischen Musiktheaters Walter Felsensteins prägte er die Operngeschichte der Nachkriegszeit. Ihm folgte Udo Zimmermann, der im Juni 2003 vorzeitig von seinem Amt zurücktrat. Seit September 2004 ist Kirsten Harms Intendantin, die seit 1995 die Kieler Oper geführt und zu einem viel beachteten Musiktheater gemacht hatte.