Kiezspaziergang am 9.4.2005

vom Schloss zum Rathaus: Die Entstehungsgeschichte Charlottenburgs

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen
Treffpunkt: vor dem Heimatmuseum Charlottenburg-Wilmersdorf, Schloßstr. 69, neben dem Ägyptischen Museum gegenüber dem Schloss Charlottenburg

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem Jubiläums-Kiezspaziergang. Am 5. April haben wir den 300. Geburtstag Charlottenburgs gefeiert. Denn am 5. April 1705 hat König Friedrich I. verfügt, dass die wenigen Häuser südlich vom Schloss Stadtrechte erhalten und nach seiner viel zu früh verstorbenen Frau Sophie Charlotte benannt werden sollten. Deshalb wollen wir in diesem Monat den Ursprüngen und der frühen Geschichte Charlottenburgs vom Schloss bis zum Rathaus nachgehen. Und es ist nicht nur ein Spaziergang zum Jubiläum Charlottenburgs, sondern es ist selbst ein Jubiläums-Kiezspaziergang, nämlich der vierzigste. Enden wollen wir im Rathaus Charlottenburg, und je nach Zeit können wir in das Rathaus dann auch noch hineingehen und einige Räume besichtigen. Sie können dort im Rathaus auch unser Jubiläumsprogramm erhalten, wenn Sie es noch nicht haben, die letzte Ausgabe der Rathausnachrichten und eine Sonderbeilage der Berliner Zeitung zum Jubiläum. Außerdem können Sie dort für 10.- EUR unser Jubiläumsbuch erwerben.

Zuvor aber wie immer der Hinweis auf den nächsten Kiezspaziergang. Wie Sie wissen wird sich am 8. Mai zum 60. Mal der Tag des Kriegsendes jähren. Deshalb wollen wir uns bei unserem Kiezspaziergang im Mai mit dem Zweiten Weltkrieg, seinem Ende und der Nachkriegszeit beschäftigen. Wir wollen dies in der nach dem Krieg entstandenen Paul-Hertz-Siedlung tun, in der Kirche Maria Regina Martyrum und in der Gedenkstätte Plötzensee. Treffpunkt ist am Sonnabend, dem 14. Mai, um 14.00 Uhr vor dem U-Bahnhof Jakob-Kaiser-Platz am Klausingring.

Ebenfalls zum 60. Jahrestag des Kriegsendes veranstalten wir am Dienstag, dem 3. Mai, um 19.00 Uhr im Festsaal des Rathauses Charlottenburg eine Podiumsdiskussion mit der bekannten Schriftstellerin und Zeitzeugin Inge Deutschkron, deren Schicksal vielfach mit Charlottenburg und Wilmersdorf verbunden ist. Hier hat sie gemeinsam mit ihrer Mutter die letzten Jahre des Nationalsozialismus mit Hilfe von mutigen Bürgerinnen und Bürgern im Untergrund überlebt. Die Tage um den 8. Mai 1945 hat sie in Berlin und Potsdam erlebt. Gemeinsam mit Frau Jochens vom Heimatmuseum, Herrn Metzger von der Pressestelle und weiteren Zeitzeugen wollen wir in Berichten und Diskussionsbeiträgen der Frage nachgehen, wie der 8. Mai 1945 zu verstehen ist: Ende oder Anfang? Zusammenbruch oder Befreiung? Gedenktag oder Feiertag? Ich lade Sie herzlich dazu ein: Dienstag, 3. Mai, 19.00 Uhr im Festsaal unseres Rathauses Charlottenburg.

Noch eine interessante Veranstaltung zu unserem Jubiläum möchte ich gerne ankündigen: Am kommenden Montag, dem 11. April, um 18.00 Uhr eröffnet mein Stellvertreter, Baustadtrat Gröhler, im Verwaltungsgebäude der Universität der Künste am Einsteinufer 43-53 eine Ausstellung zur 100jährigen Geschichte des Hauptgebäudes der UdK in Charlottenburg.

Jetzt aber zu den Ursprüngen Charlottenburgs: Das Heimatmuseum steht hier genau am richtigen Ort, denn hier begann vor 300 Jahren, 1705 die städtische Entwicklung Charlottenburgs. Das ist gerade in diesem Jubiläumsjahr auch wieder wichtig zu betonen. Denn viele Zeitungen und andere Medien, die sich ausführlich mit der Charlottenburger Geschichte beschäftigt haben, machen den alten Fehler und schreiben, das Dörfchen Lietzow hätte 1705 Stadtrechte erhalten. Das ist nicht richtig. Stadtrechte erhielten die wenigen Häuser, die hier, gegenüber dem Schloss an der heutigen Schloßstraße standen. Leider steht von diesen ersten Häusern Charlottenburgs keines mehr. Das Dorf Lietzow wurde erst später, 1720, in die neue Stadt eingemeindet. Es befand sich dort, wo heute hinter dem Rathaus Charlottenburg die Straße Alt-Lietzow noch daran erinnert.

Entscheidend für die Gründung Charlottenburgs war die preußische Königin Sophie Charlotte. Sie wurde am 30. Oktober 1668 auf Schloss Iburg bei Osnabrück als einzige Tochter von sieben Kindern des Herzogs Ernst August von Braunschweig-Lüneburg und seiner Gemahlin Sophie von der Pfalz geboren.

Sie wurde eine gefeierte Schönheit, sprach 7 Sprachen, fließend französisch, englisch, latein und italienisch. Am 8. Oktober 1684 heiratete sie in Herrenhausen bei Hannover den Kurprinzen Friedrich III. von Brandenburg. Die beiden mochten sich, aber die Hochzeit entsprach auch den machtpolitischen Interessen der Braunschweig-Hannoveraner, denen es um die Erlangung der Kurwürde ging.

Friedrich schenkte ihr das Gebiet um das Dörfchen Lietzow, und von 1695 bis 1699 ließ sie von dem Hofarchitekten Johann Anrnold Nehring ein bescheidenes Lustschlösschen errichten. Schloss Lietzenburg war wirklich bescheiden und besaß weder den heute so eindrucksvollen Turm mit Kuppel, noch die ausladenden Seitenflügel.

Am 18. Januar 1701 wurde Sophie Charlotte nach einer beschwerlichen langen Winterreise in Königsberg von ihrem Mann zur Königin gekrönt, nachdem dieser die Königswürde erlangt hatte. Aus dem Brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. war König Friedrich I. in Preußen geworden.

Das kleine Schlösschen reichte jetzt nicht mehr aus für die gestiegenen Repräsentationsanforderungen. Der schwedische Baumeister Johann Friedrich Eosander wurde beauftragt, den Ursprungsbau nach französischen Vorbildern zu einer barocken Dreiflügelanlage zu erweitern.

Schloss Lietzenburg war durch Sophie Charlotte bereits in ganz Europa als Musenhof bekannt geworden. Sie lud hier Künstler, Schriftsteller, Musiker, Theologen und Philosophen ein, feierte große Feste, interessierte sich aber auch lebhaft für die Künste und Wissenschaften.

Eng befreundet war sie mit dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, mit dem sie im Jahr 1700 die Berliner Akademie der Wissenschaften gründete.

Im Winter reiste Sophie Charlotte so oft wie möglich zum Karneval nach Hannover. Dort starb sie an den Folgen einer verschleppten Erkältung am 1. Februar 1705 im Alter von nur 36 Jahren.

König Friedrich I ließ daraufhin Schloss Lietzenburg in Schloss Charlottenburg umbenennen. Am 4. April 1705 meldete der kurhannoversche Kriegssekretär nachHannover: “Lietzenburg wird nun Charlottenburg genennet und wird so scharf darüber gehalten, dass alle diejenigen, die den ersten Namen nun nennen, sofort 16 Groschen zur Strafe erlegen müssen.”

Am 5. April 1705 verlieh Friedrich I in einem Brief der kleinen Siedlung von einigen Häusern hier, südlich von Schloss Charlottenburg Stadtrechte, gab ihr ebenfalls den Namen Charlottenburg und befahl, eine entsprechende Gründungsurkunde abzufassen. Diese Urkunde allerdings wurde nie erstellt, denn einige preußische Beamte kritisierten die königliche Anordnung: So eng zwischen Spandau und Berlin sei eine dritte Stadt nicht überlebensfähig. Sie sollten 150 Jahre lang Recht behalten. So lange fristete Charlottenburg als sogenannte “Ackerbürgerstadt” ein eher kümmerliches Dasein. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts und vor allem seit der Gründung des Kaiserreiches 1871 begann die geradezu explosionsartige Entwicklung zur Großstadt und schließlich zur reichsten Stadt Preußens. Heute aber geht es uns zunächst noch nicht um die Großstadt, sondern um die Anfänge der barocken Stadt.

Schloßstraße

Die heutige Schloßstraße ist die älteste Straße Charlottenburgs. Sie ist genau einen Kilometer lang und größtenteils 70 Meter breit. Sie wurde um 1700 angelegt und hieß bis zum Ende des 18. Jahrhunderts “Große Allee”, zeitweise auch “Breite Straße”. Auf einer Karte von 1824 wurde sie erstmals als “Schloßstraße” eingezeichnet. Sie hat sich im Laufe der letzten 300 Jahre immer wieder verändert. Supermärkte und Kaufhäuser gibt es hier nicht, dafür kleinere Läden, Kneipen, Restaurants und Museen. Während also die Steglitzer Schloßstraße vom Kaufrausch geprägt ist, gehört unsere Schloßstraße der Muse und der Kultur.

Alle Gebäude, die Sie heute hier im Umkreis sehen, stammen aus späteren Zeiten. Hier, südlich des Spandauer Damms etablierten sich in früheren Militärgebäuden kulturelle Einrichtungen, die gemeinsam mit dem Schloss Charlottenburg ein Ensemble bilden, das wohl das meist besuchte kulturelle Zentrum unseres Bezirks und eine der größten Touristenattraktionen Berlins ist:

Sie merken, hier ist so viel zu berichten, dass wir den gesamten Kiezspaziergang hier im Umkreis von wenigen Metern verbringen könnten. Das wollen wir aber nicht. Deshalb will ich die Häuser jetzt nur kurz und knapp vorstellen.

Das Heimatmuseum wurde 1987 eröffnet. Es ist immer einen Besuch wert. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr. Besonders empfehlen möchte ich Ihnen den Besuch ab dem 26. April. Dann wird hier nämlich die Ausstellung “300 Jahre Charlottenburg” eröffnet.

Sie gibt nicht nur einen Überblick über die Geschichte des Bezirks, sondern auch darüber, wie frühere Jubiläen in Charlottenburg begangen wurden. Außerdem wird sie einen besonderen Leckerbissen für Philatelisten bieten. Denn es werden Briefmarken und Sonderstempel aus der Bundesrepublik und dem Land Berlin gezeigt werden, die in Beziehung zum Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf stehen.

Im gleichen Gebäude direkt hinter dem Heimatmuseum befinden sich die Naturwissenschaftlichen Sammlungen Berlin der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Hier werden die naturgeschichtlichen Aspekte Berlins und seiner Umgebung dargestellt. Zu den Beständen gehören unter anderem eine Sammlung zur Geologie des Berliner Raumes, sowie die “Gläserne Zelle”, ein sprechendes, räumliches Modell einer menschlichen Zelle im Maßstab 1:100.000 und mit einer Höhe von 2,60 m; ferner populäre hier präparierte Tiere des Zoologischen Gartens. Dieses Museum ist ausschließlich zu Sonderausstellungen geöffnet.

Dahinter ist die Abguss-Sammlung antiker Plastik untergebracht. Sie knüpft an die 1695 gegründete und im Krieg zerstörte Abguss-Sammlung an. Diese galt als die weltgrößte Sammlung mit rund 2.500 Abgüssen. Die jetzige Abguss-Sammlung umfasst knapp 1000 Objekte, vorrangig griechische und römische Skulpturen aller Kunstepochen. Sie arbeitet eng zusammen mit der Gipsformerei in der Sophie-Charlotten-Straße 17-18.

Die beiden Stüler-Bauten wurden 1855 bis 1859 im Auftrag Friedrich Wilhelms IV von Friedrich August Stüler für eine Schwadron der königlichen Leibwache, die Garde du Corps gebaut, die seit 1740 in Charlottenburg stationiert war. Aus dem östlichen Bau ist Nofretete vor wenigen Wochen ausgezogen.

Das Ägyptische Museum wird wieder auf der Museumsinsel in Mitte Platz zu finden. Hier wird im nächsten Jahr die Sammlung Scharf/Gerstenberg einziehen und mit bedeutenden Werken der surrealistischen und fantastischen Kunst eine ideale Ergänzung zum Museum Berggruen bieten, das seit 1996 gegenüber im westlichen Stülerbau zum Touristenmagneten geworden ist.

Hier vor dem Heimatmuseum endet auch der Altstadtpfad, der am Rathaus Charlottenburg beginnt. Die Tafeln wurden zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 aufgestellt und sind deshalb nicht immer ganz aktuell. Symbol und Blickfang auf der Tafel ist eine in einen Kreis eingeschlossene Zeichnung mit geometrischen Elementen rund um die symbolische Darstellung des Charlottenburger Schloßturmes mit einem Fenster. Die Zeichnung soll uns lehren: Architektur ist Form und Formensprache. Ihre Grundelemente sind Kegel, Kugel und Zylinder.

Wir werden heute einige Stationen in umgekehrter Reihenfolge besuchen. Hier also die letzte Tafel mit der Nummer 16 und folgendem nicht mehr ganz aktuellem Text:

Tafel 16: Schloß Charlottenburg
Vom Schloß und der Schloßstraße ausgehend entwickelte sich die Altstadt Charlottenburg.
Die Mittelbauten des Schlosses errichteten die Baumeister Nehring, Grünberg und Eosander im Barockstil von 1695-1712. Anbauten durch Knobelsdorff folgten 1740-42 im Spätbarock und Rokokostil, 1788-91 im Frühklassizismus durch Langhans und 1825 von Schinkel ein zusätzlicher Bau im Klassizismus.
Die dem Schloß gegenüberstehenden klassizistischen Gebäude entstanden 1855-59. Mit den Pavillons und dem Marstall verdeckte König Friedrich Wilhelm IV. die darunterliegenden Stallungen von 1740 an der Stallstraße. Im westlichen Pavillon befindet sich das Antikenmuseum (heute Museum Berggruen!!) und im östlichen Pavillon, dem Marstall und Mäuseturm am Spandauer Damm 7-9 das Ägyptische Museum. Die Remise in der Nithackstraße, die auf dem Platz der früheren Stallungen nach dem Krieg errichteten Gebäude und das neue Quergebäude im Hof, werden von wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen genutzt.
In dem 1986/87 restaurierten Kopfbau in der Schloßstraße 69 hat das Heimatmuseum Charlottenburg seinen Platz gefunden.
Hier liegt für Sie eine begleitende Broschüre mit zusätzlichen Informationen zum “Altstadtpfad Charlottenburg” bereit.

Mittelstreifen der Schloßstraße

Der Mittelstreifen der Schloßstraße entstand um 1840 unter König Friedrich Wilhelm IV. Hier steht seit 1901 das Bronzestandbild des Prinzen Albrecht von Preußen (1809-1872). Er war der jüngste Bruder Kaiser Wilhelms I und ist hier als Reitergeneral dargestellt. Die Reliefs an den Seiten zeigen Kampfszenen aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, an dem Albrecht teilgenommen hat. Das Denkmal wurde von dem Bildhauer Eugen Boermel und dem Maler Conrad Freyberg geschaffen. Dieser ist als Regimentskamerad Prinz Albrechts auf dem östlichen Sockelrelief selbst dargestellt.

Die Schloßstraße dient heute rein friedlichen Zwecken: Neben dem Flanieren im Sommer vor allem dem Boule-Spiel.

An dem Wochenende vom 17. bis 19. Juni wird die Schloßstraße der Schauplatz für unser großes Jubiläumsfest sein, zu dem ich Sie heute schon einlade. Vor dem Schloss und in der gesamten Schloßstraße bis zur Zillestraße werden wir feiern, und am Sonnabend und Sonntag wird sogar der Spandauer Damm gesperrt sein.

Schloßstr. 1a

Im Anschluss an den westlichen Stülerbau baute der Architekt Kahl 1892/93 ein Mannschaftsgebäude und Offizierswohnhaus für die Gardes-du-Corps. 1929 wurde es durch Alfred Richter zum Polizei-Institut umgebaut. 1983 zog das Bröhan-Museum ein.

Es ging hervor aus der Privatsammlung Karl H. Bröhans, die dieser Anfang der 80er Jahre anlässlich seines 60. Geburtstages dem Land Berlin schenkte: Gemälde, vor allem aus dem Kreis der Berliner Sezession mit Künstlern wie Walter Leistikow, Karl Hagemeister, Hans Baluschek und Willy Jaeckel, außerdem Industriedesign, Kunsthandwerk und Möbel. Heute ist es ein international bekanntes Spezialmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus, also für die Epoche von 1889 bis 1939. Außerdem gibt es eine außergewöhnliche Porzellansammlung bedeutender Manufakturen, der KPM Berlin, Meissen, Kopenhagen, Nymphenburg, Sävres und anderer.

Schloßstr. 2

Hier, auf dem Gelände des heutigen Seniorenwohnheimes, baute Eosander von Göte 1702 für den höfischen Oberstallmeister Marquis Francois d’Aussaun de Villarnoux eines der ersten Häuser Charlottenburgs. Es diente von 1707 bis 1860 als Rathaus, in dem auch das Stadtgericht, eine Kirche und seit 1811 auch noch ein Gefängnis untergebracht wurden. Dieses Haus wurde 1882 abgerissen.

Zu den ersten Häusern Charlottenburgs gehörten auch die Häuser der Kammertürken Aly an der Schloßstraße 4, gleich hinter der Neufertstraße und Hassan an der Schloßstraße 6.

Schloßstr. 67

Hier vor dem Haus an der Schloßstraße 67 steht die Tafel Nr. 15 des Altstadtpfades, und der Text informiert uns auch noch einmal über die Entstehung der Schloßstraße:

15 Schloßstraße 67

Die Schloßstraße, früher Breite Straße, wurde 1698 vom Schloß aus als senkrechte, barocke Sichtachse angelegt, und anfangs von königlichen Hofbeamten besiedelt. 1705 gründete König Friedrich l. die “Residenzstadt” Charlottenburg. Für die höfische Stadt entfielen somit die im Reich üblichen Zollabgaben und später der Zunftzwang. Die 1geschossigen Bürgerhäuser mit Mansarddach (Modellhaus Eosander) wichen ab 1830 den späteren Villen und Miethäusem.
Der Mittelstreifen in der Schloßstraße entstand um 1840. Anschließend wurden die Vorgärten repräsentativ umgestaltet. Kennzeichnend dafür ist die symmetrische Anlage mit dem Pflanzenbeet in der Mitte.
Das Baudenkmal, die Villa Nr.67 von Architekt Töbelmann 1873 erbaut, dokumentiert den repräsentativen Villenbau der Gründerzeit. Die aufwendigen Gestaltungselemente der Antike (Sandsteinfassade, Balkon, Säulen, Eingangs- und Treppenhausdekoration) veranschaulichen den Spätklassizismus. Die großen herrschaftlichen zwei 9-Zimmer-Wohnungen im Vorderhaus und Seitenflügel wurden um 1930 in kleinere Wohnungen aufgeteilt. Die Villa wurde 1947 renoviert und die Fassade 1966 restauriert.
1986 wurden die Vorgärten Schloßstraße 15a-23 und 65, 66, 67a von der Gartendenkmalpflege wiederhergestellt. Ganze Straßenabschnitte restaurierter Vorgärten im Stil der Zeit um 1880 sind einmalig in Berlin.

Über das auf der Tafel erwähnte Modellhaus Eosander werden wir später noch einiges erfahren.

Wulfshainstraße

Diese Straße wurde 1950 nach Emanuel Wulfshein benannt. Er war Stadtverordnetenvorsteher in Charlottenburg und starb 1880. Die Straße hieß davor Jägerstraße. Am Haus Nr. 8 informiert wieder eine Tafel des Altstadtpfades:

Tafel 14: Wulfsheinstraße 8
Die Wulfsheinstraße, früher Jägerstraße, führte von der Schloßstraße aus direkt auf den Jägerhof von Friedrich l. in der früheren Oranienstraße, heute Nithackstraße, zu. Dort steht heute die Schinkelschule. Im und um den Jägerhof siedelten die Jäger mit ihren Hunden, Pferden und Wagen. Vormals war auf diesem Gelände der königliche Küchengarten angelegt. Nach Abbruch des Jägerhofes stand dort ein Lazarett, später ein Palais nach Plänen des Architekten Schinkel.
Am denkmalgeschützten Haus Wulfsheinstraße 8 ist die bauliche Entwicklung dieser Straße im 19. Jahrhundert erkennbar. Der Kern des alten 2geschossigen Bürgerhauses geht mit seiner ursprünglich schlichten Fassadengestaltung und den sieben Fensterachsen auf das Jahr 1829 zurück. 1869 wurde es um zwei Geschosse aufgestockt und die beiden Balkone angebaut. Zugleich erhielt es die schmückenden Fassadenelemente (Dach- und Gurtgesims) des Spätklassizismus.
Eine grundlegende Instandsetzung und Modernisierung erfolgte 1979, Der Ausbau des Daches ist von der Straße aus nicht zu erkennen. Gleichfalls wurden die Fassade und das Treppenhaus denkmalgerecht restauriert.

Nithackstraße

Die Nithackstraße wurde 1950 benannt nach dem Pfarrer, Schriftsteller und Pazifisten Walter Nithack-Stahn. Er lebte von 1866 bis 1942 und war Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Die Straße hieß vorher “Oranienstraße”.

Tafel 13: Eosander- und Schinkel-Grundschulen
Am Beispiel dieser Schulen wird die Entwicklung des Schulbaues und der Schulpolitik deutlich. Mit dem 7fachen Bevölkerungszuwachs zwischen 1875 und 1900 in Charlottenburg stieg die Schülerzahl um das 10fache auf 18.000 an. Dieser Anstieg stellte große soziale und bauliche Anforderungen.
Politische Maßnahmen der Stadtverwaltung und private Initiativen setzten vorbildliche und neue Schulreformen gegenüber der staatlichen Schulpolitik durch. So wurden der Halbtagsunterricht, gemeinsame Schulen für Jungen und Mädchen, Fortbildungsschulen für Gewerbe und Haushalt, die Waldschule und Lehrerseminare eingeführt. Auch die 6klassige Grundschule wurde eingerichtet, Es dauerte bis 1920, ehe alle benötigten Schulen erbaut waren.
Die nach den Baumeistern Eosander und Schinkel benannten Grundschulen wurden 1913/14 durch Stadtbaumeister Weingartner im Stil der beginnenden Moderne mit expressionistischen Elementen im Dekor errichtet. Die Schule diente im 1. Weltkrieg als Lazarett und Kaserne. Erst zu Beginn der 20er Jahre wurde sie als Schule genutzt.
1986 wurde das Dach restauriert. Die beschädigten Dekorplatten, auch an den 17 Säulen der Pergola, und die keramischen Platten im Eingangsbereich der Fassade wurden erneuert. Die Reliefs der vier Jahreszeiten über die Pergola sind neu oder rekonstruiert worden.

Schustehrusstraße Ecke Nithackstraße

Das moderne Wohnhaus baute der bekannte Architekt Hinrich Baller. Er hat hier in der Umgebung noch weitere architektonische Glanzlichter gesetzt: an der Stallstraße Ecke Nithackstraße, an der Schloßstraße 45-47 und vor allem die spektakuläre Sporthalle an der Schloßstraße 56.

An dem “neuen Expressionismus” von Hinrich und Inken Baller scheiden sich die Geister seit bald 20 Jahren. Für die einen haben die Häuser mit den charakteristischen Spitzbogengiebeln und den lindgrünen, aus dünnen Rundstählen gebogenen Fenster- und Balkongittern “Gesicht und Charakter”. Für andere wiederum sind die Baller-Bauten mit ihren filigranen Details lediglich Ausdruck “architektonischen Mutwillens” und eines dem äußeren Showeffekt frönenden “architektonischen Narzissmus”. Gleichwohl setzen die Baller-Bauten hier an der Schloßstraße wirkungsvolle städtebauliche Akzente und bereichern die vorhandene Vielfalt der architektonischen Formen um zwei außergewöhnliche Bauwerke der Moderne. Das letzte spektakuläre Baller-Projekt waren die Rosenhöfe im Bezirk Mitte neben den Hackeschen Höfen.

Schustehrusstraße

Die Straße wurde 1950 nach dem ersten Oberbürgermeister Charlottenburgs, Kurt Schustehrus benannt. Er wurde 1856 in Ostpreußen geboren. 1899 trat er sein Amt als Erster Bürgermeister in Charlottenburg an, 1900 wurde ihm der Titel Oberbürgermeister verliehen, was er bis zum seinem Tod 1913 blieb.

Die Straße hieß bis 1824 “Deichstraße”, danach bis 1950 “Scharrenstraße”.

Schustehrusstr. 43

Die frühere Schlesien-Oberschule wurde 2004 umbenannt in Oppenheim-Oberschule. Damit soll an Margarethe und Otto Georg Oppenheim erinnert werden, deren Sommersitz sich von 1882 bis 1910 auf dem Grundstück befand, auf dem heute unter anderem die Schule steht. Sie wurde 1919-22 von Hans Winterstein unter Einbeziehung der Villa Oppenheim als Sophie-Charlotte-Schule erbaut. Unsere Altstadtpfadtafel Nr.11 ist auch hier nicht mehr ganz aktuell:

Tafel 11: Schlesien-Oberschule
Ab 1870 führte der Zuzug wohlhabender und gebildeter Berliner nach Charlottenburg zum verstärkten Aufbau von Oberschulen. So wurde die heutige Schlesien-Oberschule 1915 von Magistratsbaurat Winterstein als Haupt- und Realschule errichtet. Das Backsteingebäude bietet mit dem Putzanstrich im Obergeschoß, den reichen Verzierungen der Holzgiebel und Fensterlaibungen ein malerisches Bild. Die Fassade wurde 1986 instandgesetzt. Nach 1945 beherbergte sie verschiedene Schultypen, Heute befindet sich eine Hauptschule hier.
Das Grundstück der Schule und der angrenzende Schustehruspark gehörten früher zur “Villa Oppenheim”. Die Stadt Charlottenburg erwarb 1911 das Gelände, um einen öffentlichen Park zu schaffen. Der Gartendirekter und Gartenarchitekt Barth legte 1914 die geometrische Parkanlage an. Er fügte dabei die damals bestehenden Pflanzen und Bäume ein.
Der Park steht unter Denkmalschutz (Gartendenkmal). Er wurde 1986 rekonstruiert. Die Straße und der Park erhielten den Namen des Oberbürgermeisters Schustehrus.

Schustehruspark und Villa Oppenheim

Der Bankier Alexander Mendelssohn kaufte 1845 das riesige Anwesen, auf dem heute der Schustehruspark, die Oppenheim-Schule und die Villa Oppenheim untergebracht sind. Zuvor hatte das Grundstück dem Kammerherrn und Legationssekretär Graf von Kameke gehört. Mendelssohn bebaute es mit der ‘Villa Sorgenfrei’ und einigen Nebengebäuden. Er war Besitzer des renommierten Berliner Privatbankhauses Mendelssohn Et Co. und gleichzeitig Ehrenbürger der Stadt Charlottenburg.

1888 übernahm sein Schwiegersohn Otto Georg Oppenheim das gesamte Anwesen, ließ die ‘Villa Sorgenfrei’ abreißen und baute an ihrer Stelle ein zweigeschossiges Haus, die heutige Villa Oppenheim. Auf dem 28.000 Quadratmeter großen Grundstück entstanden außerdem eine Kegelbahn, ein Tennisplatz, Gartensaal und Treibhäuser.

Nach dem Tod Otto Georg Oppenheims wurde 1910 dessen Sohn Hugo Oppenheim Besitzer des Anwesens. Der Multimillionär Hugo Oppenheim war Teilhaber des Berliner Privatbankhauses Robert Warschauer & Co. Er verkaufte den gesamten Grundstückskomplex 1911 für 1,5 Millionen Mark an die Stadt Charlottenburg.

Denn die Villa Oppenheim war inzwischen durch die umliegende Mietshausbebauung ein Anachronismus geworden. Das Grundstück war zwar riesig, aber es war umstellt von hohen Mietshäusern, aus deren oberen Stockwerken man auf die Gartenanlage herab sehen konnte. Damit war die Intimität des großbürgerlichen Wohnens verloren gegangen.

Der Kaufpreis entsprach einem äußerst günstigen Quadratmeterpreis von ungefähr 53 Mark. Der Magistrat richtete auf dem Gartengelände einen öffentlichen Park ein. Er hatte angesichts des Mangels an Grünflächen im Inneren der Stadt die Gefahr gesehen, “dass der schöne große Park zu Baustellen für Mietskasernen ausgenutzt wird.”

Den nicht benötigten Rest des Grundstücks, immerhin fast 1,36 Hektar, verkaufte die Stadt spekulationsträchtig für durchschnittlich 85 Mark pro Quadratmeter an verschiedene Interessenten – ein gutes Geschäft, durch das sich die städtischen Erwerbungskosten letztlich auf knapp 350.000 Mark verringerten. Einen Quadratmeterpreis von 108 Mark musste der Kreiskriegerverband für die Villa und deren Nahbereich zahlen.

Die Einrichtung des öffentlichen Parks, die den etwa hundertjährigen Baumbestand mit einem streng rechtwinkligen Wegesystem verband, lag in der Verantwortung des Charlottenburger Stadtgartendirektors Erwin Barth. Barth, der 1926 zum Stadtgartendirektor von Groß-Berlin aufstieg, hat zahlreiche Stadtplätze und Parks in Charlottenburg gestaltet. Er sah die Gartenkunst als eine soziale Aufgabe an. Hier sollten Ruheplätze, Gärten und Spielplätze für diejenigen entstehen, die nicht über eigenen Grund und Boden verfügten.

Die neue Parkanlage erhielt auch einen Zugang von der Schloßstraße, so dass sie auch für die Bewohner des dicht besiedelten Arbeiterviertels westlich der Schloßstraße leicht zugänglich wurde.

1985/86 wurde der nach Karl Schustehrus benannte Park für 1,8 Millionen Mark aus Sondermitteln zur 750-Jahr-Feier Berlins nach gartendenkmalpflegerischen Gesichtspunkten wiederhergestellt.

Auch die kriegsbeschädigte und zunächst nur notdürftig wiederhergestellte ‘Villa Oppenheim’ wurde 1986 restauriert, wobei das Dachgeschoss originalgetreu wiederaufgebaut worden ist.

Ich freue mich sehr, dass wir nach einigen Umbaumaßnahmen am Freitag, dem 29. April, um 19.00 Uhr die Villa Oppenheim wieder eröffnen können, und zwar mit der Ausstellung “Zeitstrecke”: Die renommierten Fotografen Dieter Appelt und Thomas Flohrschütz, der Bildhauer Martin Schoenholtz und die Objektkünstlerin Giesela von Bruchhausen zeigen eine Auswahl ihrer Werke. Der Eintritt ist frei, geöffnet ist wie im Heimatmuseum dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr. Die Villa Oppenheim ist in Zukunft Sitz unseres Kulturbüros City-West und wird neben Ausstellungen auch Lesungen, Buchpräsentationen, Puppenspiel und anderes veranstalten.

Kaiser-Friedrich-Straße

Die Kaiser-Friedrich-Straße wurde 1892 benannt nach Friedrich III, Sohn Kaiser Wilhelms I, 1888 für 100 Tage Deutscher Kaiser. Sein Nachfolger war Wilhelm II.

Die Kaiser-Friedrich-Straße wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts angelegt. Sie verläuft teilweise entlang dem früheren sogenannten “Schwarzen Graben”. Das war ein morastiges Gelände, das den östlichen Teil der Charlottenburger Altstadt rund um die Luisenkirche vom westlichen Teil an der Schloßstraße trennte. Die heutige Schustehrusstraße (damals Scharrenstraße) war bis ins 19. Jahrhundert die einzige Verbindung zwischen den beiden Teilen. Auch die heutige Kaiser-Friedrich-Straße wirkt wie eine Trennlinie, aber nicht mehr wegen dem Morast, sondern wegen dem starken Autoverkehr.

Gierkeplatz

Gierkeplatz und Gierkezeile wurden 1950 benannt nach Anna von Gierke. Sie lebte von 1874 bis 1943 und war die Tochter des Juristen Otto von Gierke. Sie wurde von den Nationalsozialisten als “Halbjüdin” definiert und hatte als Leiterin eines Jugendheimes enge Kontakte zur Bekennenden Kirche. Bei einem Verhör durch die Gestapo im November 1942 musste sie sich verpflichten, keine literarischen Abende mehr durchzuführen.

Die Straße hieß bis 1824 “Brettergasse”, danach bis 1950 “Kirchstraße”.

Luisenkirche

Die Kirche wird von Pfarrer Kunkel vorgestellt.

Tafel 10: Luisenkirche
“Neue Kirche auf’m Berg” nannte Eosander in seinem Plan von 1705 den Standort der Kirche auf dem früheren Kirchplatz, heute Gierkeplatz. Friedrich l. hatte sie als gemeinsame Kirche für die Reformierten und Lutheraner bestimmt.
Die barocke “Parochial-Kirche” mit ihrem Kreuzförmigen Grundriß wurde nach den Plänen von Baumeister Gerlach unter der Leitung von Baumeister Böhme 1712-18 erbaut. 1826 baute der Architekt Schinkel im Biedermeierstil den quadratischen, dreigeschossigen, mit breit verzierten Gurtgesimsen voneinander abgesetzten Turm an. Nach dem Umbau erhielt die Kirche den Namen der verstorbenen Königin Luise.
Die Kirche erlitt 1943 schwerste Kriegsschäden. Von 1950-53 wurde das historische Erscheinungsbild des Baudenkmals von der Kirchengemeinde in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt nach den Plänen von Gerlach restauriert. Die Fassadeninstandsetzung von 1976/77 knüpft an die üblichen warmgelben Farbtöne der barocken Erbauungszeit an. In Anlehnung an den ursprünglichen Zustand wurde der Innenraum 1986/87 wieder hergestellt.

Gierkezeile 39

Tafel 8: Altes Schulhaus
Das Haus Gierkezeile 39 ist das erste Schulhaus Charlottenburgs. Erstmalig in Charlottenburg, aber nur kurzfristig, wurden reformierte und lutherische Kinder in einer Klasse unterrichtet. Bereits Eosander hatte 1705 in seinem Plan am Kirchplatz eine Schule vorgesehen. Aus Geldmangel wurde das ursprünglich 4achsige Gebäude im Zopfstil (deutsche Kunstepoche von 1760-80) erst 1786 von “Oberbaurat und Professor Schulze” erbaut.
Das heutige Erscheinungsbild des Baudenkmals entspricht dem Zustand von 1798. Es wurde nach den Kriegszerstörungen durch das Denkmalamt 1957-59 wiederhergestellt. Der rosa Farbton knüpft an seine Entstehungszeit an. Heute beherbergt das Schulhaus die Landesstelle für Suchtgefahren e.V.

Das Haus gehört der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport.

Schustehrusstr. 13

Dies ist das älteste erhaltene, bzw. rekonstruierte Wohnhaus Charlottenburgs. Friedrich I, der Stadtgründer Charlottenburgs, ließ von seinem Hofarchitekten Eosander von Göthe das Straßennetz anlegen, die Grundstücke parzellieren und ein Musterhaus entwerfen.

Jeder Bauwillige musste nach diesem vorgegebenen Musterentwurf bauen, denn die entstehende Stadt sollte ein regelmäßiges Erscheinungsbild erhalten. Heute existieren nur noch zwei Beispiele dieser Musterhäuser: in der Haubachstr. 8 und hier. Dieses Haus wurde 1712 von Gottfried Berger gebaut, einem Goldschmied und Gelbknopfgießer, der als Handwerker beim Schlossbau beschäftigt war und sich zunächst beim Kammertürken Aly in der Schloßstr. 4 eingemietet hatte. Weil die Entwicklung der neu gegründeten Stadt Charlottenburg nur sehr langsam voran ging, erließ der König 1711 eine Verordnung, nach der Handwerker, die durch Aufträge des Hofes profitierten, aber nur zur Miete wohnten, eine “Bürgerstelle” annehmen und bebauen sollten.

Dies tat also Gottfried Berger im Jahr 1712 in der damaligen Scharrenstraße Nr. 13. Er baute ein fünfachsiges, eingeschossiges Gebäude mit einem Giebel über dem Mitteleingang und einer reinen Fachwerkkonstruktion mit Lehmwickelstaakung in den Gefachen und zwischen den Deckenbalken. Die Räume links sind flach unterkellert, mit einer Kopfhöhe von nur 1,50 m.

In der Regel besaßen die Häuser einen symmetrischen Grundriss. Das Berger’sche Haus hatte aber wohl von Anfang an hofseitig links einen Werkstatt-Seitenflügel, der ebenfalls aus Fachwerk ausgeführt worden war.

Betrat man das Wohnhaus von der Straße, so gelangte man in einen breiten, durchgehenden Flur. Im hinteren Bereich führte eine Treppe ins Dachgeschoss. Unter der Treppe hindurch gelangte man über eine zweiflügelige Tür in den Hof. Rechts betrat man die Küche, die in kräftigem rot gestrichen war. Dahinter eine gleich große Kammer war in hellem ocker gehalten.

Gottfried Berger hat, wenn überhaupt, hier in der Scharrenstraße nur wenige Jahre gelebt. Er vermietete sein neu erbautes Haus zunächst, bevor er es 1721 an den Bierbrauer Georg Vincke verkauft. Dieser hat wohl die Fachwerkräume verputzt und das Haus um eine Fachwerkachse erweitert. Nach dessen Tod wurde es 1747 an den Lichtzieher Johann Christian Rese weiter verkauft.

1797 erwarb der Hauptmann Ludwig Christian von der Lage das Haus und baute es um, denn die Fachwerkschwellen aus Kiefernholz waren nicht mehr in Ordnung, das Haus war straßenseitig um etwa 10 cm abgesackt. Deshalb ließ der neue Besitzer die Fachwerkfassade abbrechen und durch eine neue, gemauerte Fassade ersetzen. Sie wurde 60 cm höher als die ursprüngliche und um die Tordurchfahrt erweitert, die überdacht wurde. Der alte Seitenflügel wurde abgerissen und durch einen neuen mit größeren und vor allem höheren Räumen ersetzt. Der große Gesellschaftsraum dessen Wände mit Architekturmalereien versehen wurden, reicht bis zur Hälfte ins Vorderhaus hinein. Er ist ein frühes Beispiel dafür, was später als sogenanntes Berliner Zimmer in die Baugeschichte eingegangen ist. Auch die Treppe im Flur wurde entfernt und stattdessen eine Treppe auf der Hofseite errichtet.

1816 wurde der Tischlermeister Carl Friedrich Wilhelm Zeitler Besitzer des Hauses. In dem Querstallgebäude mit Pferdestall und Remise auf dem rückwärtigen Grundstück richtete er seine Werkstatt ein.

Im Juli 1825 beschwerte sich die Nachbarin zur rechten, Witwe Kühne, in einem Brief an die Polizei:

“Da dem Herrn Tischler Meister Zeitler seine Appartements Grube dicht an meine Grenze stößt, wo ich einen Stall zu stehen habe, der dadurch sehr leidet, indem ich fortwährend Wasser darin bekomme und so auch in meinem Garten, wo sogar eine Pfütze schon seit mehreren Jahren befindlich ist, und mir das, was ich auf der dortigen Stelle anpflanze jährlich ruiniert wird, so bitte ich ein hochwohlgeborenes Polizei Directorium um baldigen Beistand, indem ab jetzt von Tag zu Tag ärger wird.” Mehr als zwei Jahre lang passierte nichts, der Stall war inzwischen verfault, aber die Behörde reagierte erst, als Zeitler den Unrat, den seine Senkgrube nicht mehr fasste, auf die Straße kippte. Nachdem empfindliche Strafen verhängt worden waren, musste die Grube geräumt werden, wie es abschließend hieß.

Auch die nächsten Besitzer nahmen Umbauten vor. 1863 eröffnete die Witwe des Charlottenburger Zimmermeisters Schönfelder in der Wohnung ein Putzwarengeschäft und ließ dafür ein Fenster zur Ladentür und eines zum Schaufenster umbauen.

Der Tanzlehrer Ernst Eckmann vergrößert 1875 einige Räume durch Herausnahme von Trennwänden und baut schließlich ein großes Tanzsaalgebäude für 500 Personen auf dem rückwärtigen Gelände. Erst 1890 erfolgte der Anschluss an die Kanalisation. 1943 wurde der Tanzsaal durch Kriegseinwirkung zerstört und dadurch der Stand der Bebauung wieder annähernd auf den Stand von 1800 reduziert. 1982 wurden das Vorderhaus und der linke Seitenflügel wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt. Das Haus war durch den zunehmenden Autoverkehr baufällig geworden. Das in seiner Grundsubstanz aus dem 18. Jahrhundert nach wie vor erhaltene Haus wäre am 24. Dezember 1983 beinahe einem Abrissversuch zum Opfer gefallen.

Nach dem illegalen Teilabriss aber wurde es mit alten Baumaterialien und in alter Handwerkstechnik rekonstruiert. Die Denkmalpflege sah hier die einmalige Möglichkeit, ein Haus zu retten, das uns bürgerliches Bauen demonstriert aus einer Zeit, aus der wir sonst in Berlin nur die erhaltenen Prachtbauten kennen.

Das Haus befindet sich in der Obhut des Heimatmuseums. Nach einem Brand im 2002 musste es geschlossen werden. Wir sind sehr froh, dass das Keramik-Museum-Berlin die hinteren Häuser angemietet und wieder öffentlich zugänglich gemacht hat. Ich bedanke mich dafür sehr herzlich beim Museumsleiter, Herrn Theis, den ich jetzt herzlich begrüße und bitte, sein Museum kurz vorzustellen.

Richard-Wagner-Platz

Die Straße und der Platz wurden 1934 nach Richard Wagner benannt. Zuvor hieß der Platz Wilhelmplatz und die Straße Spreestraße.

Tafel 2: Richard-Wagner-Platz
König Friedrich l und Baumeister Eosander entwarfen 1705 die “Residenzstadt” Charlottenburg. Sie repräsentiert mit den Sichtachsen auf das zentrale Schloß die Machtstellung des Königs im Staat. Von der Schloßstraße, der senkrechten Sichtachse aus, wurde der barocke Stadtgrundriß mit dem rechtwinkligen Straßenraster angelegt.
Der alte Marktplatz, heute Richard-Wagner-Platz, und der Kirchplatz, heute Gierkeplatz mit der Luisenkirche, waren die gesellschaftlichen Mittelpunkte der bürgerlichen Stadt.
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war ein Nebeneinander von höfisch-städtischem und dörflichem Leben in der Altstadt anzutreffen. Die “Industrielle Revolution” mit der Bevölkerungsexplosion, der Ausdehnung Berlins und Hobrechts Bebauungsplan für die Umgebung Berlins von 1862 bildeten auch in Charlottenburg die Grundlage für den Bauboom und die Bodenspekulation der Gründerjahre. Neben den Bürgerhäusern entstanden von 1860 bis 1880 3- bis 4geschossige, ab 1880 auch 5geschossige Mietskasernen mit Seitenflügel und Hinterhaus.
Zur Erhaltung des barocken Stadtgrundrisses und der 280jährigen baulichen Entwicklung wurde die Altstadt 1983 geschützter Baubereich. Das gelbe Eckhaus Nr. 5 von 1908 mit seiner betonten Eck- und Turmgestaltung markiert den Zugang zur Altstadt über die Schustehrusstraße. Seit dem Bau des Hauses Richard-Wagner-Straße 57 von 1899 existiert die typische Altberliner Eckkneipe dort.

Otto-Suhr-Allee

Zu dem rechtwinkligen Straßenraster des barocken Stadtgrundrisses gehört die heutige Otto-Suhr-Allee nicht. Sie verläuft diagonal am Rande entlang.

Die Otto-Suhr-Allee wurde am 3. September 1957 nach dem dritten Regierenden Bürgermeister von Berlin benannt, kurz nachdem er am 30.8.1957 gestorben war. Davor hieß die Straße “Berliner Straße”, denn sie führte von Charlottenburg nach Berlin, und sie war Teil des königlichen und kaiserlichen Weges vom Berliner Schloss zum Schloss Charlottenburg. Allerdings soll Kaiser Wilhelm II sich geweigert haben, diesen Weg zu benutzen, seit das Rathaus Charlottenburg gebaut worden war, weil die bürgerlichen Bauherren sich erdreistet hatten, einen 88 m hohen, weithin sichtbaren Turm zu bauen, der höher war als das benachbarte Schloss Charlottenburg.

Otto-Suhr-Allee 100

Hier befinden wir uns also an der ersten Station des Altstadtpfades, vor dem Rathaus Charlottenburg.

Tafel 1: Rathaus Charlottenburg
Hier beginnt der Altstadtpfad Charlottenburg. Eine begleitende Broschüre mit zusätzlichen Informationen erhalten Sie im Foyer des Rathauses, Wir wünschen Ihnen einen anregenden Entdeckungsrundgang durch die Altstadt.
Charlottenburg war bis 1920 eine selbständige und selbstbewußte und zeitweise die reichste Stadt Preußens. Das Rathaus mit seinem 88 m hohen Turm war das Wahrzeichen des politischen Zentrums. Das von den Architekten Reinhardt & Süßenguth geplante monumentale Verwaltungsgebäude wurde nach 6-jähriger Bauzeit 1905 zur 200-Jahr-Feier Charlottenburgs eingeweiht. Es dokumentiert teilweise Jugendstildekor, Insbesondere durch den figürlichen, ornamentalen und bildnerischen Schmuck im Portalbereich und seinen reichhaltigen Innendekorationen.
Der Erweiterungsbau zur Rechten von 1914, von Stadtbaurat Seeling geplant, belegt mit seiner bereits strenger gegliederten Fassade erste Anklänge an die beginnende Moderne.
Von dem im 2. Weltkrieg stark beschädigten denkmalgeschützten Rathaus wurden 1945-1952 die Fassade, der Turm und große Teile der Innenausstattungen in alter Form wieder aufgebaut.
Von der Tafel aus nach links fällt der Blick auf die Kuppel des Schlosses Charlottenburg, der ehemals höfischen Residenz. Im Vordergrund liegt der Richard-Wagner-Platz, einer der kommunalen Mittelpunkte der Bürgerstadt und die nächste Etappe unseres Rundganges.

In dem Erweiterungsbau rechts neben dem Rathaus war ursprünglich die Sparkassenhalle untergebracht, heute die Heinrich-Schulz-Bibliothek.

Bereits 1860 war übrigens auf diesem Grundstück ein neues Rathaus gebaut worden, denn das alte Rathaus an der Schloßstraße war längst zu klein geworden. Aber auch das hier zuerst gebaute wurde nach wenigen Jahren zu klein und wurde schließlich im Zuge der Baumaßnahmen des neuen Rathauses wieder abgerissen.

Im Rathaus

Ein Besuch des Rathauses lohnt sich auch dann, wenn man keine Behördenangelegenheiten zu erledigen hat. Die Innenarchitektur ist durchaus sehenswert. und in vielen Schaukästen finden sie viele interessante Informationen. Beim Bürgeramt gibt es Informationsbroschüren zu allen öffentlichen Angeboten.

Am Treppenaufgang in der zweiten Etage ist eine Büste des früheren Oberbürgermeisters Kurt Schustehrus aufgestellt. Auf der einen Seite der Halle werden hier von Zeit zu Zeit interessante Ausstellungen gezeigt, derzeit eine Fotoausstellung des Deutschen Verbandes für Fotografie DVF über “Deutsche Flusslandschaften”. Auf der anderen Seite ist die Gedächtnishalle für die Gefallenen der Weltkriege und die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Dahinter geht es zum Sitzungssaal 3, in dem die gemalten Porträts vieler Charlottenburger Bürgermeister und Oberbürgermeister aufgehängt sind, seit wenigen Wochen auch das Porträt meines Vorgängers und ersten Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirksbürgermeisters Andreas Statzkowski. Am Mittelgang befinden sich drei noch erhaltene historische Sitzungssäle, darunter der Minna-Cauer-Saal, und eine Fotogalerie von Widerstandeskämpfern und Opfern der NS-Herrschaft.

In der dritten Etage befinden sich der Festsaal und der frühere BVV-Saal. Beide wurden aber erst in der Nachkriegszeit eingerichtet.

Leider können wir den Turm aus Sicherheitsgründen nicht für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Der Blick von oben auf Charlottenburg ist fantastisch.

Seit der Bezirksfusion ist hier der Sitz der Bezirksbürgermeisterin und der Abteilungen Bürgerdienste, Wohnen und Personal; Finanzen, Bildung und Kultur; Wirtschaft, Liegenschaften, Organisation und Bibliotheken; Soziales, Gesundheit, Umwelt und Verkehr. Sitz der Bezirksverordnetenversammlung und der anderen beiden Abteilungen, Jugend und Bauwesen ist das Rathaus Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz.