Kiezspaziergang am 9.7.2005

durch den TU-Campus

mit Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen und dem früheren TU-Forschungsplaner Karl Schwarz
Treffpunkt: U-Bhf Ernst-Reuter-Platz, Ausgang Hardenbergstraße Richtung Straße des 17. Juni

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem Kiezspaziergang. Ob der Begriff Kiez heute zutreffend ist, wenn wir den Campus der Technischen Universität besichtigen, weiß ich nicht ganz genau. Aber da dieser Begriff für uns inzwischen etwas ganz besonderes ist, glaube ich, dass auch die TU es nicht ablehnen wird, ihr Gelände als Kiez zu verstehen. Vielleicht entdeckt ja auch einmal ein Sprachforscher eine Verwandtschaft der Begriffe Kiez und Campus. Schließlich haben beide Wörter etwas mit Heimatgefühlen zu tun. So wie sich die Studentinnen und Studenten und die anderen Universitätsangehörigen auf ihrem Campus zu Hause fühlen, so fühlen wir alle uns in unserem Kiez zu Hause.

Ich freue mich, dass wir heute bei der TU zu Gast sein dürfen und den Campus unter fachkundiger Führung besichtigen können. Ich danke dem früheren TU-Forschungsplaner Karl Schwarz, der uns das TU-Gelände erläutern wird. Er hat sich mit der Geschichte der Technischen Universität intensiv auseinander gesetzt, mehrere Ausstellungen zu ihrer Geschichte erarbeitet, und ich bin gespannt auf seine Führung.

Und ich freue mich ganz besonders, dass der Präsident Prof. Kurt Kutzler es sich nicht hat nehmen lassen, uns persönlich in seiner Universität zu begrüßen und uns die TU vorzustellen.

Zuvor aber wie immer der Hinweis auf unseren nächsten Kiezspaziergang. Auch am Sonnabend, dem 13. August, werden wir eingeladen, einen Campus zu besichtigen, und zwar die DRK-Kliniken Westend. Wir werden mit kompetenter Führung das Klinikgelände mit seinen vielen interessanten historischen Häusern und Neubauten besichtigen. Sie werden feststellen, dass die DRK-Kliniken sich sehr intensiv mit ihrer Geschichte auseinandersetzen und auch im künstlerischen Bereich viel zu bieten haben. Ich verspreche Ihnen, wir werden dort nicht als Patienten behandelt, sondern als interessierte Besucherinnen und Besucher. Treffpunkt ist Sonnabend, dem 13. August, um 14.00 Uhr am Klinikeingang am Spandauer Damm 130. Für die Anreise bietet sich der S-Bahnhof Westend oder der 145er Bus an, der direkt am Klinikeingang hält.

Einen weiteren aktuellen Hinweis möchte ich auf unser neues Buch machen: Der erste Band “Kiezspaziergänge” ist erschienen, und zwar im Textpunktverlag. Das Buch kostet 14,90 EUR und ist überall im Buchhandel erhältlich. Es enthält die Texte und viele Bilder zu 6 Kiezspaziergängen. Da wir inzwischen bereits beim 45. Spaziergang sind, hoffe ich, dass bald weitere Bände folgen werden.

Jetzt aber zu unserem heutigen Spaziergang. Den Ernst-Reuter-Platz haben wir in diesem Jahr schon einmal besucht, deshalb will ich zu dem Platz in aller Kürze nur so viel sagen: Bis zum 29. September 1953 war sein Name “Am Knie”, weil hier die Verbindung zwischen Charlottenburg und Berlin, also der heutige Straßenzug Otto-Suhr-Allee und Straße des 17. Juni wie ein Knie abknickt. Spiegelbildlich bildet auch die Hardenbergstraße mit der Bismarckstraße ein Knie. Im Grunde handelt es sich also mindestens um ein Doppelknie.

Seine heutige Form als größter Rundplatz Berlins mit 180 Metern Durchmesser bekam der Ernst-Reuter-Platz von 1956 bis 1960, und die Hochhäuser um den Platz entstanden von 1956 bis 1963.

Eines davon ist das Hochhaus für Berg- und Hüttenwesen, vor dem wir jetzt stehen. Es wurde 1954 bis 1959 von Willy Kreuer als 10-stöckiger Rasterbau mit einer blauen Glasfassade gebaut, flankiert von niedrigen Anbauten. Mit diesem Haus wurde die frühere Kurfürstenallee abgeriegelt, die das TU-Gelände längs durchschneidet. Damals war es wohl beabsichtigt, den Campus gegenüber seiner Umgebung abzuschotten. Seit drei Jahren gibt es Überlegungen, das Gebäude abzureißen wegen der hohen Kosten, die eine grundlegende Instandsetzung verursachen würde, aber auch wegen der Chance, das TU-Gelände zum Ernst-Reuter-Platz hin und damit zur Stadt und zum Bezirk hin zu öffnen.

Die Technische Universität ist seit mehr als 120 Jahren ein besonders wichtiger Teil der Charlottenburger Geschichte. Gemeinsam mit der Universität der Künste hat sie Charlottenburg zur Universitätsstadt gemacht und den heutigen Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zum bedeutenden Wissenschaftsstandort. Diese Tradition reicht aber noch weiter zurück. Das wollen wir gerade in diesem Jubiläumsjahr betonen, in dem wir “300 Jahre Charlottenburg” feiern.

Charlottenburg wurde am 5. April 1705 vom preußischen König Friedrich I gegründet und nach seiner früh verstorbenen Frau Sophie Charlotte benannt. Sie hatte ihr Schloss zu einem europaweit bekannten Musenhof gemacht, an dem nicht nur Feste gefeiert, sondern auch die Künste und Wissenschaften gefördert wurden. Gemeinsam mit dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz gründete sie die Berliner Akademie der Wissenschaften.

Die Stadt Charlottenburg hat die Bildungspolitik als Teil der Sozialpolitik verstanden und mit großem bürgerlichem Engagement Bildungseinrichtungen für alle Bevölkerungsschichten gegründet. Bevor 1905 eine eigene Volkshochschule geschaffen werden konnte, hat die damalige Technische Hochschule in Zusammenarbeit mit dem Charlottenburger Magistrat spezielle Angebote für erwachsene Bürger, insbesondere für Arbeiter entwickelt – damals ein viel beachtetes, fortschrittliches Angebot.

In Charlottenburg haben viele bedeutende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gearbeitet und gewohnt, darunter Rudolf Diesel, Lise Meitner, Theodor Mommsen, Ida Eva Noddack, Adolf Slaby und Nathan Zuntz. Neben den Universitäten waren und sind hier viele wissenschaftliche Einrichtungen beheimatet. Die Liste der Akademien, Institute und Kollegs ist lang.

Dem Vermächtnis Sophie Charlottes entsprechend profiliert sich Charlottenburg-Wilmersdorf auch heute als Bezirk der Künste und Wissenschaften. Rund um die TU haben sich viele Firmen angesiedelt, zum Teil gegründet von ehemaligen TU-Angehörigen, die eng mit der TU zusammenarbeiten und für Berlin auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden sind.

Ich freue mich sehr, dass die wissenschaftlichen Institutionen sich zunehmend öffnen gegenüber einem großen Publikum und auch die Zusammenarbeit mit ihrem Bezirk suchen. Die äußerst erfolgreichen Langen Nächte der Wissenschaften zeigen, dass das Interesse groß ist. Die Technische Universität engagiert sich hier ganz besonders aktiv. Die TU hat uns auch von Anfang an bei unserem Jubiläum “300 Jahre Charlottenburg” unterstützt, und auch bei unserem heutigen Kiezspaziergang will sich die TU als Ort der Wissenschaften für uns alle interessant und unterhaltsam präsentieren. Herzlichen Dank dafür Prof. Kutzler.

vgl. www.tu-berlin.de/uebertu/geschichte.htm