Kiezspaziergang am 12.11.2005

vom Stuttgarter Platz zum Kaiserdamm

Wirtschaftsstadtrat Bernhard Skrodzki

Treffpunkt: S-Bhf Charlottenburg, Ausgang Kaiser-Friedrich-Straße, Stuttgarter Platz

Sehr geehrte Damen und Herren!

Herzlich willkommen zu unserem November-Kiezspaziergang. Da Frau Thiemen sich noch von einer Operation erholen muss, vertrete ich sie heute, aber es geht ihr gut, und ich bin sicher, dass sie im Dezember den Kiezspaziergang wieder selbst anführen wird. Mein Name ist Bernhard Skrodzki, und ich bin als Wirtschaftsstadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Bereiche Organisation, Liegenschaften und Bibliotheken zuständig.

Wie gewohnt möchte ich zu Beginn den Hinweis auf den nächsten Kiezspaziergang geben. Am Samstag, dem 10. Dezember, um 14.00 Uhr ist der Treffpunkt auf dem Adenauerplatz am Kurfürstendamm, dort, wo seit einigen Monaten eine Skulptur von Konrad Adenauer steht. Im Mittelpunkt des Spazierganges wird eine Besichtigung der Schaubühne und des gesamten Baukomplexes von Erich Mendelsohn am Lehniner Platz stehen. Vielleicht können Sie dann im Anschluss über den weihnachtlich beleuchteten Kurfürstendamm zum Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gehen.

Nun aber zu unserem heutigen Kiezspaziergang. Wie immer im November soll es auch in diesem Jahr vor allem um die Geschichte der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in unserem Bezirk und um die Geschichte des Nationalsozialismus gehen. Dafür gibt es eine Reihe von Anlässen und historischen Orten zwischen dem Stuttgarter Platz und dem Theodor-Heuss-Platz.

Stuttgarter Platz

Die Eröffnung der Stadtbahn im Jahr 1882 war wohl eines der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte Charlottenburgs. Die Stadtbahn verband Berlin und Charlottenburg erstmals mit einem direkten, schnellen und bequemen Verkehrsmittel. Sie brachte einen Schub für die Bautätigkeit und für das Bevölkerungswachstum. Die Bahnhöfe der Stadtbahn wurden zu Ausgangspunkten für den Bau neuer Wohnviertel. Der Kiez um den Bahnhof Charlottenburg wurde schnell zu einem der neuen Zentren Charlottenburgs.

Hier am Bahnhof Charlottenburg bildete zunächst der berüchtigte Schwarze Graben ein übel riechendes Hindernis für die Bebauung. Der Graben kam von Wilmersdorf, unterquerte die Stadtbahn, führte die Schöneberger und Wilmersdorfer Abwässer mit sich und mündete in den Lietzenseeabfluss. 1889 wurde er kanalisiert. Unmittelbar danach entstanden der Stuttgarter Platz und die Kaiser-Friedrich-Straße, und das Gebiet zwischen der Stadtbahn und dem Schloss Charlottenburg wurde zügig bebaut. Im Gegensatz zu den kurz zuvor entstandenen vornehmen Vierteln am Bahnhof Zoo wurden hier Massenmietshäuser für die mittleren Klassen errichtet.

Die unbebauten Gebiete wurden überwiegend von Terraingesellschaften erschlossen, und diese nutzten die tiefen Grundstücke in dem relativ weitmaschigen Straßennetz maximal aus. So entstanden in weitgehend geschlossener Bebauung die für ganz Berlin typischen Massenmiethäuser – viele sprachen bald von Mietskasernen. Die Hinterhöfe waren hier in Charlottenburg nicht ganz so eng und zahlreich wie im Berliner Norden und Osten, aber die Bebauung wurde schnell so dicht, dass der Charlottenburger Magistrat schon 1894 vom Ministerium für öffentliche Arbeiten aufgefordert wurde, die tiefen Baublöcke durch die Anlage neuer Straßen aufzuteilen. Das geschah aber nur für Bereiche, die für gehobene Wohnbedürfnisse vorgesehen waren.

Seinen Namen erhielt der Stuttgarter Platz 1892. In den Jahren 1893-94 entstanden die auf der Westseite des Platzes erhaltenen repräsentativen Wohnhäuser. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der damals hier gelegene Busbahnhof zu einer Hochburg des Schwarzhandels, in den 60ern machte die Kommune I an der Kaiser-Friedrich-Straße 54a den Platz über Berlin hinaus bekannt, und in den 70ern entstanden hier die ersten Bürgerinitiativen.

Die Kaiser-Friedrich-Straße wurde 1892 benannt nach Friedrich III, dem Sohn Kaiser Wilhelms I. Er war 1888 für 100 Tage Deutscher Kaiser. Sein Nachfolger im gleichen Jahr, dem sogenannten Dreikaiserjahr, war Wilhelm II. Die Kaiser-Friedrich-Straße wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts angelegt. Sie verläuft teilweise entlang dem früheren berüchtigten “Schwarzen Graben”, und sogar in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es bei einigen Häusern noch Probleme wegen dem morastigen Untergrund.

Zwischen Windscheidstraße und Kaiser-Friedrich-Straße zeichnet sich der Stuttgarter Platz heute aus durch eine gute Wohnlage mit stuckverzierten Altbauten, gemütlichen Cafés und Feinkostläden, mit Verkehrsberuhigung, einer Grünanlage und einen Spielplatz mit Spielbrunnen, die Ende der 70er Jahre durch eine Bürgerinitiative initiiert wurden. Dies ist der gut bürgerliche Teil des Stuttgarter Platzes.

Von der Kaiser-Friedrich-Straße bis zur Wilmersdorfer Straße ist der Stuttgarter Platz nicht gerade ein Schmuckstück. Hässliche Neubauten der 70er Jahre; Bordelle, Bars und Clubs, sowie billige Im- und Exportgeschäfte beherrschen hier das Bild.

Seit dem Juni 1999 kämpft eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Kiezes. Sie hat sich gegen ein geplantes 19-stöckiges Hochhaus mit 2- bis 3-stöckigen Arkaden entlang des Bahndammes ausgesprochen. Die Verlegung des S-Bahnhofs in die Nähe des U-Bahnhofs Wilmersdorfer Straße ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Nicht zuletzt sollte damit der Umsteigeweg zu U-Bahnhof Wilmersdorfer Straße verkürzt werden.

Im Internet gibt es seit Neuestem unter der Adresse www.charlottenburger-kiez.de eine Website zu dem Kiez rund um den Amtsgerichtsplatz zwischen Stuttgarter Platz und Kaiserdamm. Hier sind Geschäfte, Restaurants, Hotels und kulturelle Einrichtungen aufgeführt. Darin zeigt sich eine Form der Zusammenarbeit von Geschäftsleuten im Kiez, wie wir sie inzwischen von vielen Geschäftsstraßen-AGs kennen, etwa in der Wilmersdorfer Straße oder in der Westfälischen Straße. Wir unterstützen diese Zusammenarbeit wo wir können. Denn nur so haben unsere gewachsenen Kieze eine Chance gegen die Großmärkte am Stadtrand und großen Einkaufscenter, die inzwischen in allen Bezirken entstanden sind.

Wir gehen heute durch diesen Kiez, und ich bitte Sie, auch unterwegs die Vielfalt der kieztypischen Angebote in den Geschäften zu beachten. Sie können hier sehen, wie mit besonderen, originellen Angeboten die Attraktivität einer Geschäftsstraße erhalten und verbessert werden kann.

Wir gehen jetzt durch die Leonhardtstraße zum Amtsgerichtsplatz

Leonhardtstraße

Die Leonhardtstraße wurde 1897 nach dem Juristen und Staatsmann Gerhard Adolf Wilhelm Leonhardt benannt. Er lebte von 1815 bis 1880 in Hannover und war dort unter anderem Justizminister. Als Jurist hat er maßgeblich die Reichsgesetzgebung geprägt.

Amtsgerichtsplatz

Der Amtsgerichtsplatz wurde bereits 1859 als Schmuckplatz angelegt. Nach dem Bau des Amtsgerichts erhielt er 1897 seinen Namen. Die 1905 von Rudolf Walter erbaute Bedürfnisanstalt steht unter Denkmalschutz.

Gegenüber dem Hauptportal des Gerichtsgebäudes wurde 1979 die Bronzeskulptur “Treblinka” aufgestellt. Der russische Bildhauer Vadim Sidur hat sie 1966 geschaffen und wollte damit erinnern an die Opfer des östlich von Warschau gelegenen Vernichtungslagers, in dem etwa 900 000 Juden ermordet wurden. Es zeigt aufeinandergetürmte menschliche Körper in abstrahierter Form.

1986 wurde zusätzlich eine Mahntafel in das Pflaster eingelassen mit dem Text: “…wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Unrechtstaten”. Diese Tafel ist nicht mehr vorhanden, stattdessen eine Bronzeplatte mit dem Schriftzug “Treblinka”, oben und unten gerahmt von dem Namen des Bildhauers, sowohl in kyrillischer, wie in lateinischer Schrift.

Das heutige Amtsgerichtsgebäude wurde 1895-97 von Poetsch und Clasen als Civilgericht im Stile des Märkischen Barock errichtet. Es gab vier Schöffengerichte und ein Amtsgefängnis. Das Hauptgebäude umschließt einen großen Innenhof. Der Putzbau steht auf einem Sockel aus schlesischem Granit. Das imposante Hauptportal befindet sich in einem dreiachsigen Mittelrisalit. 1915-21 wurde ein Erweiterungsbau angefügt.

In der Nachkriegszeit befand sich hier bis 1979 die Landesanstalt für Lebensmittel, Arznei und gerichtliche Chemie. 1985 wurde das Haus als Gerichtsgebäude renoviert und wieder Rechtsbehörden zur Verfügung gestellt.

Heute ist das Amtsgericht zuständig für Charlottenburg-Wilmersdorf und für das Handels- und Vereinsregister Berlins. Hier sind etwa 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, davon 50 Richterinnen und Richter. Das für unseren Bezirk zuständige Grundbuchamt befindet sich allerdings in der Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg in der Ringstraße 9 in Berlin-Lichterfelde.

Neue Kantstraße 1

Die Neue Kantstraße erhielt ihren Namen im Jahr 1905, nachdem die Kantstraße bereits 1887 nach dem Königsberger Philosophen Immanuel Kant benannt worden war.

Stolpersteine für Johanna und Dr. Paul Reiche

Charlottenburg und Wilmersdorf waren in den 20er und 30er Jahren die beiden Berliner Bezirke mit dem höchsten Anteil jüdischer Bevölkerung. Deshalb sind besonders viele Bürgerinnen und Bürger aus Charlottenburg-Wilmersdorf Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geworden. An viele bedeutende Persönlichkeiten, die emigrieren mussten oder ermordet wurden, erinnern inzwischen Gedenktafeln, und es gibt eine Reihe von Gedenkorten und Mahnmalen, die uns mit einzelnen, besonders grausamen Kapiteln des Holocaust konfrontieren. Eine ganz andere Form der Erinnerung sind die Stolpersteine. Sie sind nahezu unscheinbar, leicht zu übersehen, aber eben doch auf den Gehwegen sichtbar und sollen an Menschen erinnern, die Opfer geworden sind und die bisher vergessen waren, deren Namen nicht in den Geschichtsbüchern und nicht im Lexikon stehen.

Der 1947 in Berlin geborene Kölner Bildhauer Gunter Demnig hat 1996 in Köln die ersten Stolpersteine verlegt, 10 × 10 cm große aus Beton gegossene Steine mit eingelassener Messingtafel, in die der Künstler mit Hammer und Schlagbuchstaben “Hier wohnte”, Namen, Jahrgang und Stichworte zum weiteren Schicksal eines einzelnen Menschen einstanzt. Die im Gehweg vor dem früheren Wohnort eingelassenen Stolpersteine sollen an die Opfer von Holocaust und Euthanasie in der Zeit des Nationalsozialismus erinnern.

Entscheidend ist dabei die persönliche Erinnerung an die Namen der Opfer. In unserem Bezirk wurden bisher 67 Stolpersteine verlegt. Ein Verzeichnis ist zu finden auf unserer Website im Internet unter www.charlottenburg-wilmersdorf.de und in der neuen Ausgabe unserer Bezirksbroschüre, die seit wenigen Tagen in allen Einrichtungen des Bezirksamtes ausliegt.

Die beiden Stolpersteine für Johanna und Dr. Paul Reiche wurden am 5.6.2004 verlegt. Sie tragen folgende Inschriften:

Hier wohnte
Johanna Reiche
geb. Wolff
JG. 1890
deportiert 3.10.1942
Theresienstadt
überlebt

Hier wohnte
Dr. Paul Reiche
JG. 1878
deportiert 3.10.1942
Theresienstadt
überlebt

Neue Kantstraße 10

Die Gedenktafel für Hubertus Prinz zu Löwenstein wurde am 14. Oktober 2001 zum 95. Geburtstag des Geehrten enthüllt.

Hier lebte von 1931 bis zu seiner Emigration am 30.4.1933
Hubertus Prinz zu Löwenstein
14.10.1906 – 28.11.1984
Der Politiker, Historiker und Schriftsteller war Mitglied der Zentrumspartei
und des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold
Gemeinsam mit seiner Frau Helga Prinzessin zu Löwenstein
von den Nationalsozialisten ausgebürgert,
gründete er 1936 in den USA die Deutsche Akademie
der Künste und Wissenschaften im Exil
Er kehrte 1946 mit seiner Familie nach Deutschland zurück
1953 – 1957 Mitglied des Deutschen Bundestages

Hubertus Prinz zu Löwenstein war als Mitglied der Zentrumspartei und Abgeordneter im Reichstag zugleich führendes Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Diese Organisation wurde von der SPD, dem Zentrum und der Deutschen Demokratischen Partei gegründet, um die Demokratie zu schützen und sie gegen die Nationalsozialisten zu verteidigen.

Im April 1929 heiratete Hubertus Prinz zu Löwenstein Helga Maria Schuylenburg. Sie wurde nicht nur seine Frau, sondern auch seine engste Mitarbeiterin.

Sie emigrierte mit ihm zusammen 1933 zunächst nach Österreich, später in die USA und arbeitete aktiv mit in der von ihm gegründeten Deutschen Akademie der Künste und Wissenschaften im Exil. Auf Vortragsreisen und in Interviews warb sie für das bessere, demokratische Deutschland und wurde bekannt in den USA und im freien Teil Europas.

Nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland im Jahr 1946 baute Helga Prinzessin zu Löwenstein mit Hilfe amerikanischer Spenden ein Hilfswerk für Flüchtlinge auf. Sie ist Ehrenmitglied im Freien Deutschen Autorenverband, in der Union Deutscher Widerstandskämpfer und Verfolgtenverbände und in anderen Organisationen. Seit dem Tod ihre Mannes 1984 betreut sie seinen literarischen Nachlass.

Sie war bei der Enthüllung der Gedenktafel dabei, die angeregt und finanziert wurde von der Tochter Konstanza Prinzessin zu Löwenstein.

Wir gehen jetzt durch die Wohnanlage zum Lietzenseeufer, dort rechts bis zur Kreuzung Witzlebenstraße, wo wir direkt auf die St. Canisius-Kirche stoßen. Dort erwartet uns auf dem Vorplatz Pfarrer Albert Giesener.

Lietzenseeufer

Die Straße wurde 1905 nach dem Lietzensee benannt.

Der Lietzensee ist 6,6 ha groß und 3-4m tief. Er hat keinen Zufluss, sondern wird allein durch Grundwasser gespeist. Heute gibt es einen Abfluss zur Spree, früher gehörte der Lietzensee zu dem Sumpfgelände des am Ende des 19. Jahrhunderts zugeschütteten “Schwarzen Grabens”.

Als General von Witzleben 1827 an der Westseite des Sees eine Parkanlage in dem umgebenden Wald- und Sumpfgelände und eine kleine Badeanstalt anlegen ließ, ergaben sich durch Aufschüttungen Veränderungen am See. Dennoch blieb sein Naturzustand noch lange Zeit weitgehend erhalten, bis er gegen Ende des Jahrhunderts nahezu verlandet, völlig verschilft und nur noch knapp 20cm tief war und auf zwei Meter Tiefe ausgebaggert werden musste. Aufgrund der übermäßigen Nährstoffbelastung wurde hier – vermutlich weltweit zum ersten Mal – eine künstliche Sanierung durch Nährstoffdrosselung durchgeführt. 1904 wurde der See zweigeteilt durch die Dammaufschüttung für die Verlängerung der Kantstraße.

Der Lietzenseepark geht zurück auf den von General von Witzleben 1827 an seinem Landhaus angelegten Park. 1906 wurde er umgestaltet von Toebelmann und Brettschneider. 1912 wurde die Kaskade am Dernburgplatz von Erwin Barth und Heinrich Seeling gebaut. Sie ist heute ein Baudenkmal. 1919/20 gestaltete Erwin Barth den Park an dem seit 1904 zweigeteilten See erneut um, teils als Landschaftspark, teils in regelmäßigen Strukturen. Nach starken Kriegszerstörungen wurde die Parkanlage in den 1950er Jahren wiederhergestellt. Seit 1954 gibt es eine Verbindung der beiden Parkteile durch eine Fußgängerunterwegung unter der Lietzenseebrücke. Vor dem Parkwächterhaus wurde ein großer Kinderspielplatz gebaut, an der nördlichen Seeseite gibt es Café.

An der Witzlebenstraße wurden 1990 und 1995 Edelstahl-Skulpturen von Volkmar Haase aufgestellt: Gegenüber der Kirche St. Canisius “Tangentiale Berührung – Versuch einer Balance” (1990) und gegenüber dem Reichskriegsgericht “Woge mit Kugel – Der Anfang und das Ende” (1995).

Am 19. November wird in der Galerie Bremer an der Fasanenstraße 37 eine Ausstellung mit Skulpturen und Zeichnungen von Volkmar Haase eröffnet: “Von der Woge zum zirkular”. Sie wird dort bis zum 21. Januar 2006 gezeigt.

Witzlebenstraße

Witzlebenstraße und Witzlebenplatz wurden 1905 nach dem Preußischen Geralmajor, Staats- und Kriegsminister Wilhelm von Witzleben benannt. Er wurde 1783 in Halberstadt geboren, starb 1837 in Berlin. 1827 kaufte er in Charlottenburg den Lietzensee mit Umgebung und schuf sich hier einen Sommersitz. Im gleichen Jahr erhielt er die charlottenburger Ehrenbürgerrechte. Nach seinem Tod verkaufte die Familie 1840 den Charlottenburger Besitz.

Witzlebenstr.27-29

Katholische Kirche St. Canisius

(Führung durch Pfarrer Albert Giesener, Tel 0172/4318057)

Die katholische St. Canisius-Kirch wurde am 28.06.2002 eingeweiht. Der Neubau des Architekturbüros Büttner, Neumann & Braun entstand an Stelle der 1995 durch Brand zerstörten Kirche von Reinhard Hofbauer aus den Jahren 1954-57; letztere war Nachfolgebau der 1924 von Max Warnatsch als Notkirche errichteten und im Krieg zerstörten St.-Canisius-Kapelle.

Witzlebenstr. 34/35

Lietzensee-Grundschule

Das Gebäude wurde 1903/04 nach Plänen von Paul Bratring und Rudolf Walter für die 21. und 22. Gemeindeschule Charlottenburg gebaut. Der Mauerwerkbau ist mit orangeroten Ziegeln verblendet. Die schmückenden und gliedernden Teile sind aus Muschelkalk und Sandstein. Die Fassade ist zum Teil mit bildhauerischem Schmuck versehen. Das im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Dachgeschoss wurde nach 1945 vereinfacht wieder hergestellt. Heute ist hier die Lietzensee-Grundschule untergebracht.

Witzlebenstraße 4-5 / Witzlebenplatz 1-2

Ehemaliges Reichskriegsgericht, Reichsmilitärgericht, Kammergericht
Das Gerichtsgebäude wurde 1908-1910 von Heinrich Kayser und Karl von Großheim erbaut. Das Eckgrundstück wurde bebaut mit zwei Baukörpern um drei Höfe. Die neobarocke Fassade enthält klassizistische Elemente aus Werkstein. Der zweigeschossige, weit zurückspringende Trakt mit den Repräsentationsräumen und der ehemaligen Präsidentenwohnung ist durch ein turmartiges Gelenkstück mit dem eigentlichen dreigeschossigen Gerichtsgebäude verbunden. Im westlichen Trakt befindet sich ein Festsaal. Im Dreiecksgiebel des Hauptportals ist ein Zierschild von Otto Lessing eingelassen.

Von 1910 bis 1920 fungierte das Gebäude als Reichsmilitärgericht, danach bis 1936 als Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht. 1936 zog hier das von den Nazis gegründete Reichskriegsgericht ein, der höchste Gerichtshof der NS-Wehrmachtsjustiz.

Er war zuständig für Hoch- und Landesverrat von Militärangehörigen, “Kriegsverrat” und Wehrdienstverweigerung aus religiösen Gründen. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde seine Kompetenz erweitert auf die Delikte Spionage, Wirtschaftssabotage und “Wehrkraftzersetzung”. Aus den Jahren 1939 bis 1945 sind mehr als 1400 Todesurteile aktenkundig, von denen mehr als 1000 vollstreckt wurden. Insgesamt haben NS-Kriegsgerichte während des Zweiten Weltkriegs mehr als 30.000 Todesurteile verhängt, von denen die meisten vollstreckt wurden. Zum Vergleich: Während des gesamten Ersten Weltkriegs hat die Militärjustiz des Kaiserreichs insgesamt 150 Todesurteile verhängt, von denen 48 vollstreckt wurden.

Am bekanntesten wurden die Verfahren gegen die Widerstandsgruppe “Rote Kapelle”. Mehr als 50 Mitglieder der Gruppe wurden hier zum Tode verurteilt und in Plötzensee ermordet. Durch Anwendung des NS-Strafrechtes und Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien wurde das Reichskriegsgericht zum Instrument des Terrors und der Herrschaftssicherung des NS-Staates. Präsident des Reichskriegsgerichtes war von 1939 bis zum November 1944 Admiral Max Bastian. 1943 zog das Gericht wegen der zunehmenden Luftangriffe nach Torgau um. Das letzte Urteil wurde am 10.4.1945 gefällt. Danach flohen die Richter in den Süden Deutschlands.

Von einigen Überlebenden und Angehörigen der Opfer wurde unmittelbar nach dem Krieg gefordert, die Richter des Reichskriegsgerichtes als Kriegsverbrecher anzuklagen. Das französische Tribunal Général ermittelte gegen sieben führende Richter, die eineinhalb Jahre in der Festung Rastatt in Untersuchungshaft zubringen mussten. Dabei erhängte sich der ehemalige Senatspräsident Walter Biron 1947 in seiner Zelle. 1948 wurde das Verfahren vor Prozesseröffnung eingestellt.

Keiner der Richter wurde nach dem Krieg verurteilt. Erst in den letzten Jahren wurden einige der von ihnen gefällten Urteile revidiert, und erst jetzt stellt sich auch die deutsche Justiz ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit.

Ab 1951 war hier der Dienstsitz des Kammergerichtes, das für West-Berlin zuständig war. Außerdem war hier bis zum Umzug nach Leipzig der 5. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) mit der Dienststelle der Bundesanwaltschaft untergebracht.

Seit 1997 steht das bundeseigene Gebäude leer. Überlegungen zwecks Umbau zu einem Luxushotel wurden nicht realisiert. Im Juni 2005 kaufte ein niederländischer Privatinvestor das Gebäude. Er will es zur Wohnungsnutzung sanieren.

Es sollen bis zu 100 Mietwohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 80 bis 100 qm entstehen. Auch das Dachgeschoss soll ausgebaut werden. 2007 sollen die ersten Mieter einziehen. Noch sind aber die Verkaufsverhandlungen nicht abgeschlossen. Leider können wir nicht in das Gebäude hinein.

An, vor und in dem Gebäude befinden sich folgende Gedenktafeln:

1974 wurde der damalige Präsident des Kammergerichts, Günter von Drenkmann, in seinem Haus in der Bayernallee 10-11 in Charlottenburg Opfer eines Attentats, zu dem sich die terroristische Untergrundorganisation RAF bekannte.

GÜNTER VON DRENKMANN
PRÄSIDENT
DES KAMMERGERICHTES
AM 9.11.1910 GEBOREN
AM 10.11.1974
OPFER EINES ATTENTATS

1984 wurde eine Gedenktafel für Dr. Karl Sack enthüllt, der von 1938 bis zum November 1939 Richter am Reichskriegsgericht war. Im September 1942 wurde er zum Chef der Heeresjustiz ernannt. Er hatte Kontakte zu der Widerstandsgruppe der militärischen Abwehr um Canaris, Oster und Hans von Dohnanyi. In den Plänen der Verschwörer vom 20. Juli 1944 war er in einer zivilen Regierung als Justizminister vorgesehen.

Nach dem Attentat wurde er im September 1944 verhaftet und am 9. April zusammen mit anderen Widerstandskämpfern wie Dietrich Bonhoeffer, Admiral Wilhelm Canaris und Generalmajor Hans Oster im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt.

Am Reichskriegsgericht wirkte hier
1938/39 Dr. Karl Sack als Widerstandskämpfer.
Am 9.4.1945 ermordet im KZ Flossenbürg.

Diese Bronzetafel an der Fassade stieß auf Kritik, denn auch zur Zeit Karl Sacks als Heeres-Chefrichter wurden zahlreiche Todesurteile gefällt, und er war ein Verfechter einer generalpräventiven Justiz.

1988 wurde im Foyer des dritten Obergeschosses des Gerichtes eine Gedenktafel mit folgendem Text angebracht:

Zum Gedenken
an die jüdischen Juristen
unserer Stadt
1933 – 1945.
Den Richtern, Rechtsanwälten und Staatsanwälten,
die sich um das Ansehen der Rechtspflege in Berlin
verdient gemacht haben und Opfer der Verfolgung
geworden sind.

Mit dieser Gedenktafel wird an die jüdischen Rechtsanwälte, Notare, Richter und Staatsanwälte erinnert, die in den Jahren der faschistischen Diktatur Opfer des Rassismus geworden waren. Wie den Angehörigen anderer Berufszweige, wurde auch den jüdischen Rechtswissenschaftlern die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt. 1938 wurden den privaten Anwälten jüdischer Herkunft endgültig die Praxen geschlossen. Sie wurden entlassen, ihrer sozialen Existenz beraubt, gedemütigt, zur Emigration gezwungen. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager in den Tod deportiert.

1988 wurde den Bemühungen, am Gerichtsgebäude eine Gedenktafel für die Justizopfer anzubringen, nicht stattgegeben. Eine 1989 angebrachte provisorische Gedenktafel aus Holz ließ ein Kammerrichter entfernen und zerstören. Zum 50. Jahrestag des Kriegsbeginns am 1. September 1989 wurde endlich eine metallene Gedenktafel aufgestellt und zwar auf der Straße vor dem Gebäude, für die der Bezirk zuständig ist. Deshalb bedurfte es dafür keiner Einwilligung weder seitens des Eigentümers, also der Bundesfinanzbehörde, noch des Nutzers also damals des Kammergerichtes. Der Text lautet:

Zum Gedenken
In diesem Hause, Witzlebenstraße 4-10
befand sich von 1936-1943 das Reichskriegsgericht.
Die höchste Instanz der Wehrmachtsjustiz
verurteilte hier 260 Kriegsdienstverweigerer
und zahllose Frauen und Männer des Widerstands
wegen ihrer Haltung gegen Nationalsozialismus und Krieg
zum Tode
und ließ sie hinrichten.

Auch die Gedenktafel für Franz Jägerstätter konnte erst nach langen Auseinandersetzungen 1997 an der Umfriedung des Gebäudes angebracht werden. Jägerstätter wurde hier wegen Kriegsdienstverweigerung 1943 zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Für den in Deutschland wenig bekannten Franz Jägerstätter wurde von seiner Heimatdiözese Linz der Prozess zur Seligsprechung eingeleitet; in der amerikanischen Friedensbewegung ist er eine Symbolfigur wie Martin Luther King und Mahatma Gandhi.

Gegen eine erste Tafel 1994 auf Initiative des Gandhi-Informations-Zentrums e.V., des Österreichischen Generalkonsulates, der Pax Christi Österreich, der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienst und Militär erhoben die Bundesvermögensverwaltung, das Bundesjustizministerium und die Oberfinanzdirektion Berlin Einspruch. 1995 wurde eine Tafel, unterzeichnet mit “Gedenktafelinitiative Franz Jägerstätter” im Beisein der Witwe Franziska Jägerstätter enthüllt und am darauffolgenden Tag wieder entfernt. Die jetzige Tafel wurde erst angebracht nach der Aufhebung des Todesurteils gegen Jägerstätter durch das Berliner Landesgericht 1997. Die Tafel hat folgenden Inhalt:

IN DIESEM GEBÄUDE WURDE DER
ÖSTERREICHISCHE BAUER
FRANZ JÄGERSTÄTTER (1907 – 1943)
VOM EHEMALIGEN REICHSKRIEGSGERICHT
WEGEN SEINER GEWISSENSENTSCHEIDUNG
GEGEN EINE KRIEGSTEILNAHME
AM 6. JULI 1943 ZUM TOD VERURTEILT.
MIT IHM GEDENKEN WIR ALL JENER,
DIE WEGEN EINER
GEWISSENSENTSCHEIDUNG OPFER
VON KRIEGSGERICHTEN WURDEN.

Gegenüber der Gedenktafel für Franz Jägerstätter befindet sich ein Verkehrsspiegel, der auf das Mahnmal “Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg” verweist. Das von der Berliner Künstlerin Patricia Pisani geschaffene Mahnmal wurde 2002 entlang des Waldweges von der Glockenturmstraße am Olympiastadion bis in die Nähe des Erschießungsortes hinter der Waldbühne aufgestellt. Es besteht aus 106 Verkehrsspiegeln. Auf sechzehn Spiegeln informieren eingravierte Texte über das Geschehen in der Murellenschlucht. Unter den Nationalsozialisten wurde dort eine Wehrmachtshinrichtungsstätte errichtet: In der Murellenschlucht, am Hang des Murellenberges wurden zwischen dem 12. August 1944 und dem 14. April 1945 Deserteure, Wehrdienstverweigerer und Befehlsverweigerer unterschiedlicher Dienstgrade, mehrheitlich nach Urteilen des Reichskriegsgerichtes, standrechtlich erschossen. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, ca. 230 sind bisher namentlich ermittelt; viele der Exekutierten wurden im Spandauer Fort Hahneberg beerdigt.

1993 brachte die Gedenkstätte Deutscher Widerstand ein Buch heraus von Norbert Haase über “Das Reichskriegsgericht und der Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft”.

Dieses Buch konnte geschrieben werden, weil nach der Wende 1990 Akten in Prag gefunden wurden, die als Quellengrundlage für eine ausführliche Darstellung der Geschichte dieses NS-Gerichtes dienen konnten.

Inzwischen ist der Umgang mit diesem Teil unserer Vergangenheit selbst schon wieder Geschichte, und Sie können an der Auseinandersetzung um die verschiedenen Gedenktafeln in, an, und vor diesem Gebäude erkennen, wie schwierig dieser Umgang oft war.

Wir gehen jetzt weiter durch die Witzlebenstraße über den Kaiserdamm und dann Richtung Theodor-Heuss-Platz bis zum Kaiserdamm 16.

Kaiserdamm Ecke Wundtstraße

Der Platz am Lietzensee soll am 28.11.2005 zum 125. Geburtstag Erwin Barths nach dem bedeutenden Charlottenburger Stadtgartendirektor benannt werden, auf den auch die Gestaltung des Lietzenseeparks zurückgeht.

Kaiserdamm

Der Kaiserdamm erhielt seinen Namen 1906 nach dem damaligen Deutschen Kaiser Wilhelm II. Am 26 April 1967 wurde der Kaiserdamm in Adenauerdamm umbenannt. Aber nach vehementen Protesten der Bevölkerung erhielt er bereits am 15. Januar 1968 seinen alten Namen zurück. Ersatzweise wurde dann für Konrad Adenauer der Adenauerplatz am Kurfürstendamm gefunden.

Um 1900 entstand auf Initiative Berlins und des Militärs ein Verkehrsprojekt, das von Charlottenburg zunächst eher skeptisch betrachtet wurde: das “Heerstraßenprojekt”, eine geradlinige Prachtstraßenverbindung von Berlin durch den Tiergarten über Charlottenburg und das südliche Spandau bis zum Truppenübungsgelände bei Döberitz westlich von Spandau. Charlottenburg stimmte schließlich zu, nachdem es als Gegenleistung zu einem günstigen Preis Gelände südlich und südwestlich des Reichskanzlerplatzes (heute Theodor-Heuss-Platz) erwerben konnte.

1902 wurden schließlich alle Häuser an der Südseite der Bismarckstraße abgerissen, um die Straße zu verbreitern und über den Kaiserdamm zur Heerstraße zu verlängern.

Für die Nationalsozialisten wurde dieser Straßenzug zur Ost-West-Achse, die als riesige Paradestraße ausgebaut werden sollte und teilweise auch ausgebaut wurde. Beispielsweise wurden die beiden Flügel des Charlottenburger Tores an der heutigen Straße des 17 Juni (damals Charlottenburger Chaussee) auseinander gezogen, um Platz zu schaffen. Albert Speer selbst hat die Straßenlampen entworfen, die noch heute entlang des Straßenzuges stehen.

Kaiserdamm 16

Die Gedenktafel für Armin T. Wegner wurde am 17.5.2002, am 24. Todestag Wegners, unter großer Anteilnahme der armenischen Gemeinde enthüllt. Sie musste auf dem Gehweg angebracht werden, weil die Hausbesitzer nicht damit einverstanden waren, die Tafel an ihrem Haus anzubringen.

Hier, im Hause Kaiserdamm 16,
lebte von 1925 bis zu seiner Verhaftung am 16. August 1933
der Schriftsteller, Lyriker und Journalist
Armin T. Wegner
16.10.1886 – 17.5.1978
Als Augenzeuge berichtete er über den Völkermord an den Armeniern im 1. Weltkrieg. In einem Brief an Hitler protestierte er schon im April 1933 gegen die Verfolgung der Juden. Als Pazifist denunziert, verschleppten ihn die Nationalsozialisten in die Konzentrationslager Oranienburg, Börgermoor und Lichtenburg. Seine Bücher wurden verbrannt, sein Werk verschwiegen. In Armenien wie in Israel zählt er zu den
GERECHTEN DER VÖLKER

Als Jürgen Serke im Jahr 1976 bei Recherchen für sein Buch “Die verbrannten Dichter” den 90jährigen Schriftsteller Armin Theophil Wegner in Rom besuchte, um ihn zu interviewen, da reagierte dieser mit den Worten: “Ich war der einsamste Mensch. Ich habe noch so viel zu sagen. Bleibt doch. Warum seid ihr denn nicht früher gekommen?”

Armin T. Wegner ist fast vergessen. Kaum eines seiner Bücher ist derzeit im Buchhandel in unserem Land erhältlich. Er ist einer der vielen Deutschen, denen Hitler ihre Heimat genommen hat. Viele von ihnen waren auch nach 1945 nicht in ihrer alten Heimat willkommen. Armin T. Wegner wurde sogar zeitweise für tot gehalten.

Er ist nicht nur ein wichtiger Autor, sondern auch ein großes Vorbild, ein Verfechter der Menschenrechte und ein mutiger Demokrat, der unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme im Jahr 1933 Zivilcourage bewiesen hat, wie kaum ein anderer. Das ist im Ausland bekannter als bei uns. In Israel und in Armenien zählt er nicht von ungefähr zu den “Gerechten der Völker”.

Der 1886 in Elberfeld geborene Armin Theophil Wegner wurde im Ersten Weltkrieg Augenzeuge des Völkermords an den Armeniern. Er berichtete über diesen Völkermord und schuf darüber seine beeindruckendsten literarischen Werke, besonders “Weg ohne Heimkehr” und “Der Knabe Hüssein”. Seit 1925 lebte er hier in dem Haus am Kaiserdamm 16, und hier schrieb er auch seinen wohl bemerkenswertesten und mutigsten Text: Am Ostermontag, dem 11. April 1933, schrieb Armin T. Wegner einen Brief an Adolf Hitler, in dem er ihn aufforderte, die antisemitischen Maßnahmen in Deutschland einzustellen: “Ich wende mich an Sie als ein Deutscher, dem die Gabe der Rede nicht geschenkt wurde, um sich durch Schweigen zum Mitschuldigen zu machen.”

Wenn wir diesen Brief heute lesen, dann wissen wir nicht, was wir mehr bewundern sollen, den Mut des Autors, seine klare, unmissverständliche Sprache, seine Menschlichkeit und moralische Integrität, seine Parteinahme für die verfolgten jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die Selbstverständlichkeit, mit der er die Menschenrechte in Deutschland einfordert oder die Naivität, mit der er glaubt, den Diktator mit Argumenten überzeugen zu können. Er schreibt: “Gerechtigkeit war stets eine Zierde der Völker, und wenn Deutschland groß in der Welt wurde, so haben auch die Juden daran mitgewirkt…

Wir haben das Blutopfer zwölftausend jüdischer Männer im Kriege angenommen, dürfen wir mit einem Rest von Billigkeit im Herzen ihren Eltern, Söhnen, Brüdern, Enkeln, ihren Frauen und Schwestern verwehren, was sie sich durch viele Geschlechter erworben haben, das Recht auf Heimat und Herd?”

Der Brief an Hitler endet mit den Worten: “Ich beschwöre Sie! Wahren Sie den Edelmut, den Stolz, das Gewissen, ohne die wir nicht leben können, wahren Sie die Würde des deutschen Volkes!”

Wir wissen, dass Wegners Brief keinen Erfolg hatte. Wir wissen, dass die Nationalsozialisten sich um das Gewissen und die Würde der Deutschen nicht scherten. Wir wissen, dass sie gegen jede Moral und Menschlichkeit handelten. Umso mehr beeindruckt uns heute der Brief von Armin T. Wegner. Die Antwort der Nationalsozialisten war brutal: Wegner wurde verhaftet und in Konzentrationslagern misshandelt, bevor er 1934 nach England fliehen konnte. Anschließend emigrierte er nach Italien und lebte bis zu seinem Tod am 17.Mai 1978 in Rom.

Das Gottfried-Keller-Gymnasium hat eine Patenschaft für diese Gedenktafel übernommen, das heißt eine Klasse sorgt regelmäßig für den guten Zustand der Tafel und setzt zum Beispiel am Geburts- und Todestag Wegners besondere Zeichen der Erinnerung. Mit dieser Idee hat das Gottfried-Keller-Gymnasium einen Vorschlag des damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Dr. Andreas Nachama aufgegriffen. Dies könnte ein guter Anlass sein, sich mit unserer Geschichte auseinander zu setzen, und, wie die Schule betont, gerade für die große Gruppe türkischer Schülerinnen und Schüler auch mit der türkisch-armenischen Geschichte.

Kaiserdamm 102

Gedenktafel für Ferdinand Bruckner, seit 1987

BERLINER GEDENKTAFEL
Wohnhaus von
FERDINAND BRUCKNER
-Theodor Tagger-
26.8.1891 – 5.12.1958
Dramatiker, Lyriker, Gründer
und erster Direktor
des Renaissance-Theaters

Kaiserdamm 97

Die Firma Audi widmete ihrem Gründer August Horch eine Gedenktafel, die sie am 14.12.1999 in der Friedrichstraße – dem Berliner Sitz des Unternehmens – der Öffentlichkeit vorstellte. Sie wurde im Verlauf des Jahres 2000 am ehemaligen Wohnhaus von Horch am Kaiserdamm 97 angebracht:

BERLINER GEDENKTAFEL
Hier wohnte von 1934 bis 1943
AUGUST HORCH
12.10.1868-3.2.1951
Automobilkonstrukteur
und Pionier des Kraftfahrzeugs
Begründer der Automobilmarken
“Horch” und “Audi”

Kaiserdamm 28

Gedenktafel für Alfred Döblin, die Tafel wurde im März dieses Jahres gestohlen.

In diesem Hause wohnte und praktizierte als Arzt
von 1930 bis 1933
Alfred Döblin
10.8.1878-26.6.1957
Schriftsteller, Dramatiker, Essayist
Er emigrierte aus Hitler-Deutschland
am Tag nach dem Reichstagsbrand
Seine Werke – darunter der Roman “Berlin Alexanderplatz”
fielen der Bücherverbrennung zum Opfer
Gefördert aus Mitteln der Stiftung Preußische Seehandlung

Als Alfred Döblin Deutschland im Jahr 1953 ein zweites Mal enttäuscht verließ, schrieb er an den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss: “Es war ein lehrreicher Besuch, aber ich bin in diesem Land, in dem ich und meine Eltern geboren sind, überflüssig.”

Kaiserdamm 89

Hier wurde am 19.10.2001 ein blaue Emailletafel mit weißer Schrift als Gedenktafel für Maly Delschaft enthüllt:

In diesem Haus wohnte
1935-1995
Maly Delschaft
(Hamburg 4.12.1898 – 20.8.1995 Berlin)
Schauspielerin
Nach ihrer Ausbildung in Hamburg 1916-17
und Anfängerjahren in Bremen 1917-19 von 1921 an in 144 Filmen,
u.a. in “Der letzte Mann” (1924) und “Variete” (1925).
In “Der Blaue Engel” (1929), der Marlene Dietrich weltberühmt
machte, sollte sie zunächst spielen.
Nach dem Krieg arbeitete sie vor allem bei der Defa.
Der Mauerbau 1961 beendete ihre Karriere.
(www.cinegraph.de)

Kaiserdamm 77-79

Gedenktafel

BERLINER GEDENKTAFEL
Hier befand sich von 1933 bis 1938 die
THEODOR-HERZL-SCHULE
Der jüdische Schulverein hatte sie 1920 gegründet
als eine religiös neutrale zionistische Schule
mit koedukativer Erziehung
Ihre Leiterin Paula Fürst
wurde 1942 nach Auschwitz deportiert
und dort ermordet

An der damaligen Theodor-Herzl-Schule des Jüdischen Schulvereins wirkte vom 1.10.1933 bis 1939 die fortschrittliche Montessori-Pädagogin Paula Fürst. Ab 1939 war sie Schuldezernentin der “ Reichsvereinigung deutscher Juden “ und damit eine der Mitarbeiterinnen von Leo Baeck. Sie wohnte mit ihrer Freundin der Sozialarbeiterin und Frauenrechtlerin Hannah Karminski am Kaiserdamm 101. 1942 wurde Paula Fürst in den Tod deportiert.

Die Tafel wurde am 1.11.2000 von der Charlottenburger Bürgermeisterin Monika Wissel gemeinsam mit dem Intendanten des SFB Horst Schättle und dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Andreas Nachama eingeweiht.

Theodor-Heuss-Platz

Der Theodor-Heuss-Platz wurde am 18. Dezember 1963 nach unserem ersten Bundespräsidenten benannt, 6 Tage nach seinem Tod am 12. Dezember 1963 in Killesberg bei Stuttgart. Von 1906 bis 1933 und von 1947 bis 1963 hieß der Platz Reichskanzlerplatz, von 1933 bis 1945 Adolf-Hitler-Platz. Alle drei Namen zeigen auf ihre Weise die Bedeutung dieses Platzes als Teil der großen Ost-West-Verbindung durch Berlin, und die Namen spiegeln die Epochen unserer Geschichte im 20. Jahrhundert wider, wobei erstaunlich scheint, dass man nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zu dem Namen “Reichskanzlerplatz” zurückkehrte, obwohl ein “Reichskanzler” nicht mehr existierte und auch nicht mehr zu erwarten war.

Mit Theodor Heuss wird hier ein Mann geehrt, der in den 20er Jahren in Berlin politisch aktiv war, zunächst als Schöneberger Stadtverordneter und seit 1920 als Bezirksverordneter, dann von 1924 bis 1933 als Abgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei im Deutschen Reichstag. 1933 wurde ihm sein Lehrauftrag an der Hochschule für Politik in Berlin entzogen. Seine Bücher wurden von den Nationalsozialisten öffentlich verbrannt. Er publizierte weiter in der “Frankfurter Zeitung” unter dem Pseudonym Thomas Brackheim. Und er hatte Kontakte zu den Widerstandsgruppen um Carl Goerdeler. Nach dem Krieg wurde er Vorsitzender der von ihm gegründeten FDP, Kultusminister in Württemberg-Baden und schließlich von 1949 bis 1959 Bundespräsident.

Der Theodor-Heuss-Platz wurde von 1904 bis 1908 als Schmuckplatz in dem neuen Wohnviertel Neu-Westend im Zuge der Ost-West-Verbindung angelegt.

Damit ist der über 17,5 km nahezu geradlinig verlaufende Straßenzug von der Schlossbrücke in Mitte über Unter den Linden, Straße des 17. Juni, Bismarckstraße, Kaiserdamm und Heerstraße bis zur Stadtgrenze in Staaken gemeint. Albert Speer plante hier auf dem damaligen Adolf-Hitler-Platz eine monumentale Kolonnade und ein Heldendenkmal. Dazu ist es nicht gekommen.

1955 wurde das Mahnmal “Ewige Flamme” vom Bund der Vertriebenen errichtet. 1985 wurde der Platz umgestaltet, 1995 die Brunnenskulptur “Blauer Obelisk” von der Berliner Künstlerin Hella Santarossa installiert.

Der Brunnen ist 15m hoch und besteht aus übereinander gestapelten Kuben aus mundgeblasenem blauem Antikglas. Das Brunnenwasser wird mit einer Pumpe von oben über die Skulptur geleitet. Wegen der Gefahr einer raschen Verkalkung stand jahrelang nur “stilles” Wasser im Brunnenbecken. Vor drei Jahren wurde der Brunnen wieder in Betrieb genommen.

Der südliche Platzrand des damaligen Reichskanzlerplatzes zwischen Heerstraße und Masurenallee wurde 1928-30 nach Entwürfen von Heinrich Staumer durch den Bauunternehmer Heinrich Mendelsohn mit zwei Geschäftshäusern im Stil der neuen Sachlichkeit bebaut, dem Deutschlandhaus und dem Amerikahaus, gebaut für Hotels, Cafés, Kinos und Läden.

1937 wurde das Deutschlandhaus von der Deutschen Reichspost für Fernsehzwecke ausgebaut und ein Jahr später der im Turm des Amerikahauses installierte Fernsehsender in Betrieb genommen. Am 1. November 1938 war der Beginn des regelmäßigen Studiobetriebs. 1943 wurde der Sender durch alliierte Bomben zerstört, das Gebäude dabei aber nur geringfügig beschädigt.

1954 erwarb der SFB das Deutschlandhaus für seine Fernsehabteilung und sendete 1955 erstmals von hier, bevor er 1970 in das neue Fernsehzentrum umzog. 2. Das SFB-Fernsehzentrum wurde 1961 bis 1971 von Robert Tepez als 14stöckiges Hochhaus zwischen Masurenallee und Kaiserdamm gebaut.

Im Deutschlandhaus befand sich bis zur Wende auch der Sitz der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin und der Deutschen Kinemathek, sowie der Deutschen Welle.

Das Amerikahaus wurde nach dem Krieg von den Britischen Streitkräften als Naafi-Club (Navy-Army-Air Force-Institution) genutzt; hier befanden sich Geschäfte, Restaurants und Clubs, sowie das “Globe-Cinema”; heute ist das Haus Domizil des Kabaretts “Die Wühlmäuse”.

Im Nachbarhaus am Theodor-Heuss-Platz 5 befindet sich das Internationale Studienzentrum Berlin (ISB)

Im ehemaligen “Edinburgh House”, einem Hotel für britische Offiziere (1960-62 von Werner Düttmann erbaut), wurde nach der Verabschiedung der Alliierten, auf Anregung von Helmut Kohl und François Mitterand ein Wohnheim und eine Begegnungsstätte für ausländische Austauschstudenten ins Leben gerufen, die durch das Studentenwerk Berlin betrieben wird. Es steht fortgeschrittenen Stipendiatinnen und Stipendiaten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Ländern der vier Alliierten offen. Es bietet ein umfangreiches kulturpolitisches Programm zur deutschen und europäischen Kultur. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Die Reichsstraße wurde 1906 zur Erinnerung an die Gründung des Deutschen Kaiserreichs von 1871 benannt. Es ist eine der großen Charlottenburger Geschäftsstraßen, seit Jahren auch bekannt durch das Reichsstraßenfest, das von der IG Reichsstraße veranstaltet wird, einer Interessengemeinschaft der Geschäftsleute an der Straße.