130. Kiezspaziergang am 13.10.2012

Vom Bahnhof Jungfernheide zum Mierendorffplatz

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann
Treffpunkt: U- und S-Bahnhof Jungfernheide, Ausgang Olbersstraße
ca. 1,4 km

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 130. Kiezspaziergang. Ich freue mich sehr darüber, heute als Gast meinen Kollegen aus unserer Partnerstadt Minden begrüßen zu dürfen: Bürgermeister Michael Buhre. Es ist schön, dass er sich für unseren Spaziergang interessiert, und zwar auch ganz speziell für den heutigen Kiez. Denn natürlich werden wir heute auch an der Mindener Straße vorbeikommen. Dann wird er sich und seine Stadt vorstellen.

Kartenskizze

Kartenskizze

Wir erkunden heute einen Teil der Mierendorff-Insel. Das ist das Gebiet rund um den Mierendorffplatz, das von der Spree, vom Westhafenkanal und vom Charlottenburger Verbindungskanal umflossen wird.
Anlass ist ein Jubiläum: Vor 100 Jahren wurde der Mierendorffplatz vom Charlottenburger Gartendirektor Erwin Barth angelegt.
Das erste Ziel wird die Gustav-Adolf-Kirche sein, in der von der Inselkunstgruppe Mierendorffplatz eine InselKunst-Ausstellung gezeigt wird. Dann wird es im großen Bogen an der Spree entlang zum Haus am Mierendorffplatz gehen, wo wir die 100-Jahre-Mierendorffplatz-Ausstellung besichtigen können.
Bevor wir beginnen, möchte ich Ihnen den Treffpunkt für den nächsten Kiezspaziergang mitteilen. Wie immer wird er wieder am zweiten Samstag des Monats stattfinden, also am 10. November ab 14.00 Uhr. Treffpunkt ist der Savignyplatz, am S-Bahn-Ausgang. Da ich in Israel sein werde, wird Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte den Spaziergang übernehmen, und wie immer im November wird die jüdische Geschichte und die Geschichte unseres Bezirks im Nationalsozialismus im Mittelpunkt stehen.

S-Bahnhof Jungfernheide, Foto: KHMM

S-Bahnhof Jungfernheide, Foto: KHMM

S-Bahnhof Jungfernheide
Der S-Bahnhof Jungfernheide wurde am 1. April 1894 als Ringbahnhof eröffnet und später auch als Vorortbahnhof genutzt. 1980 wurde der S-Bahnhof stillgelegt während gleichzeitig der U-Bahnhof Jungfernheide eröffnet wurde. Nach einem Neubau des Bahnsteigs wurde der S-Bahn-Betrieb im April 1997 wieder aufgenommen, und seither können Sie hier von der U-Bahn in die S-Bahn umsteigen und umgekehrt.

Olbersstraße
Die Straße wurde 1910 nach dem Mediziner und Astronom Heinrich Willhelm Matthias Olbers benannt, der von 1757 bis 1840 lebte und in Bremen starb.

Schlossbrücke, Foto: KHMM

Schlossbrücke, Foto: KHMM

Mierendorffkiez
Wir befinden uns streng genommen auf einer Insel. Wenn Sie mit der U-Bahn gekommen sind, haben Sie es wahrscheinlich nicht gemerkt, aber Sie sind auf jeden Fall unter einem Wasserweg hindurch gefahren. Falls Sie mit der S-Bahn gekommen sind, haben Sie entweder westlich von hier die Spree oder östlich den Charlottenburger Verbindungskanal überquert. Wenn Sie in den Stadtplan schauen, werden Sie feststellen, dass diese Insel eine fast quadratische Form hat und im Süden und Westen von der Spree begrenzt wird, im Norden vom Westhafenkanal und im Osten vom Charlottenburger Verbindungskanal.
Kaum jemand kennt heute noch den alten Charlottenburger Stadtteil Kalowswerder. Dabei handelt es sich dabei genau um diese Insel. Heute sprechen wir eher vom Mierendorffplatz-Kiez. Aber für diesen Platz samt Spielplatz hat sich der Name Kalowswerder noch erhalten.
Das Gebiet von Kalowswerder wurde erst relativ spät in größerem Stil bebaut, und zwar in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Zunächst gab es nur eine einzige Brücke, und zwar eine Zugbrücke, die heutige Schlossbrücke, die Kalowswerder mit der Stadt Charlottenburg verband. König Friedrich Wilhelm II betrachtete das Gelände als eine Art erweiterten Schlossbezirk und wollte vom Schloss her über die Spree hinweg freie Aussicht behalten. Im 19. Jahrhundert nannte man das Gebiet “Über der Spree”, womit die Sicht aus der Schlossperspektive gemeint war. So wurden zunächst lediglich Holzplätze und Holzhandlungen hier geduldet. Später entstanden einige kleinere Produktionsanlagen wie etwa die Gottschalk’sche Zichorienfabrik und eine Ätherfabrik der Firma Schering, heute das Gelände des Berlin Biotech Parks zwischen den S-Bahngleisen und der Spree.
Die Eröffnung des Bahnhofs Jungfernheide am 1. April 1894 war ein wichtiger Termin für die Entwicklung der Insel.
Damit hielt zum ersten Mal ein Zug in Kalowswerder. Zunächst allerdings stiegen hier vor allem die Leute aus, die am Wochenende die Jungfernheide besuchen wollten.
Aber der Bahnhof war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Justizverwaltung das Angebot Charlottenburgs annahm, ein Grundstück am Tegeler Weg kostenlos für den Bau des Landgerichts zu nutzen. Die Stadt versprach sich davon einen Aufschwung des Stadtteils, und sie sollte Recht behalten. Der Bau des Landgerichts von 1901 bis 1906, der damit verbundene Straßenbau und der Anschluss an die Kanalisation sorgten dafür, dass in der Folge bis 1914 das Viertel zwischen dem Tegeler Weg und der heutigen Mierendorffstraße mit Mietshäusern bebaut wurde.
Wenn wir jetzt gleich den kurzen Weg durch die Herschelstraße bis zur Gustav-Adolf-Kirche gehen, dann kommen wir durch diese Siedlung.
Die Wohnungen wurden von der GSW in den letzten Jahren verkauft und durch die neuen Investoren modernisiert, was den Auszug einiger Mieterinnen und Mieter zur Folge hatte. Eine “Initiative des Quartiers am Landgericht” wehrte sich gegen die Modernisierung und setzte sich dafür ein, dass die Mieterinnen und Mieter in ihren alten Wohnungen bleiben können.
Im September 2000 wurde der Verein DorfwerkStadt e.V. gegründet, aus dem die Kiez-Initiative Mierendorffplatz entstand, die an der Mierendorffstraße 6 ein Kiezbüro unterhält. Zum Kiezfest auf dem Mierendorffplatz am 5.6.2008 gab der Verein die erste Ausgabe der Kiezzeitung heraus: “Insel-Echo. Zeitung aus dem Mierendorffkiez”.
Im letzten Jahr 2011 organisierte der Unternehmerstammtisch Mierendorffplatz unter dem Motto “Mittendrin die Kaiserin” ein Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag von Kaiserin Augusta, nach der die Kaiserin-Augusta-Allee benannt ist, die quer über den Mierendorffplatz führt.
Und in diesem Jahr hat die Dorfwerkstatt zum 100jährigen Bestehen des Mierendorffplatzes eine Ausstellung für den damaligen Charlottenburger Gartenbaudirektor Erwin Barth erstellt, die wir am Ende unseres Spaziergangs besichtigen können: “Blumen für Herrn Barth – Erwin Barth und der Mierendorffplatz, gestern und heute”.

Gustav-Adolf-Gemeindehaus, Foto: KHMM

Gustav-Adolf-Gemeindehaus, Foto: KHMM

Herschelstraße
Die Herschelstraße wurde 1905 nach dem Astronomen Sir Friedrich Wilhelm Herschel benannt, der 1738 in Hannover geboren wurde und 1822 in England starb. Er desertierte während des Siebenjährigen Krieges nach England, wo er ein Spiegelfernrohr baute und 1779 den Planeten Uranus entdeckte. 1816 wurde er von Könige Georg III für seine Verdienste geadelt.

Herschelstraße 14 (Ecke Brahestraße) Gustav-Adolf Kirche Ich freue mich, dass uns der stellvertretende Pfarrer Hutter-Wolandt gemeinsam mit Frau Thorau von der Gustav-Adolf-Kirchengemeinde seine Kirche vorstellen wird. Außerdem hat uns die Künstlergrupe “KunstInsel – Inselkunst” eingeladen zu ihrer Jahresausstellung im Gemeindehaus. Frau Zachariat wird sie uns vorstellen. Bereits 1915 wurde die damalige Gemeinde “Luisen-Nord” als vierte Tochtergemeinde der Luisenkirche in Charlottenburg gegründet. Sie wurde später in “Gustav-Adolf-Kirchengemeinde” umbenannt und blieb lange ohne eigenen Kirchenbau, bis 1934 die Kirche mit Gemeinde- und Schwesternhaus nach einem Entwurf von Prof. Otto Bartning mit Anklängen an die Neue Sachlichkeit und den Expressionismus in Form eines Kreissegments gebaut wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche stark zerstört, 1950-60 durch ihren Erbauer Otto Bartning vereinfacht wieder aufgebaut. 1984 wurde an der Kirche eine Gedenktafel enthüllt, die an den am Bau beteiligten Architekten Pali Meller erinnert: ZUM MAHNENDEN GEDENKEN AN DIPL.ING. PALI MELLER
  • 18.6.1902 + 31.3.1943
    ARCHITEKT BEIM BAU DIESER KIRCHE
    UMGEBRACHT IM ZUCHTHAUS BRANDENBURG
    VOM NATIONALSOZIALSITISCHEM REGIME
    AUS RASSISCHEN GRÜNDEN

Brahestraße
Die Brahestraße wurde 1905 benannt nach dem dänischen Astronomen Tycho Brahe, der von 1546 bis 1601 lebte.

Belvedere, Foto: KHMM

Belvedere, Foto: KHMM

Spree
Um ein Gefühl für die Mierendorff-Insel zu bekommen, gehen wir jetzt ein Stück an der Spree entlang, und zwar gegen die Fließrichtung zunächst nach Süden und dann in einem Bogen nach links Richtung Osten.
Am anderen Ufer erstreckt sich der Schlosspark Charlottenburg. Zwischen den Bäumen ist das Belvedere zu erkennen.
Der Schlosspark wurde im Auftrag von Sophie Charlotte seit 1697 von Siméon Godeau als französischer Barockgarten angelegt. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde er teilweise durch den aus Wörlitz berufenen Johann August Eyserbeck in einen englischen Landschaftsgarten umgestaltet und seit 1819 weiter durch Peter Joseph Lenné ausgebaut.

Nach Kriegszerstörungen wurde der unmittelbar hinter dem Schloss gelegene Teil in Anlehnung an den ursprünglichen Zustand als barockes Parterre wieder hergestellt. Im Juni 2001 wurde die originalgetreue Rekonstruktion des einzigen Barockparterres Deutschlands wiedereröffnet.
Das Belvedere wurde 1788 durch Carl Gotthard Langhans als Teehaus und Aussichtsturm erbaut. Es war ursprünglich auf einer Insel gelegen. Im Krieg wurde es zerstört, 1956-60 vereinfacht wiederhergestellt. Heute ist darin eine Sammlung Berliner Porzellans zu besichtigen.

Landgericht, Foto: KHMM

Landgericht, Foto: KHMM

Tegeler Weg 17-20: Landgericht
Das Landgericht wurde 1901-06 von Hermann Dernburg und Ernst Petersen gebaut. 1912-15 baute Waldemar Pattri den Erweiterungsbau an der Herschelstraße. In einer Baubeschreibung aus dem Jahr 1916 heißt es: “In landschaftlich schöner Umgebung, im Angesicht des Charlottenburger Schloßparks wurde das Königliche Landgericht III Berlin in Charlottenburg errichtet.”
Den Bauplatz für das neue Gerichtsgebäude hatte die Stadt Charlottenburg kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich hatte bereits erwähnt, dass Charlottenburg ein großes Interesse an diesem Bau hatte und dass er dann tatsächlich auch zur Initialzündung für die Entwicklung dieses Wohngebietes wurde.
Die Bildhauerarbeiten stammen von Hermann Engelhardt, die Kunstschmiedearbeiten von Julius Schramm.

Entstanden ist ein neoromanisches, burgähnliches Gebäude auf unregelmäßigem Grundriss mit 8 verschieden großen Höfen. Die Fenster- und Portalsäulen sind teilweise mit Löwen besetzt.
Die burgenartigen Fassaden sind im Anklang an die norditalienische und deutsche Romanik gestaltet. Verwendet wurde Jerxheimer Roggenstein in rotbrauner Tönung und grauer Rothenburger Kalkstein. Insgesamt vermittelt die Fassade den Eindruck einer wehrhaft-romanischen Burg.
Die Hauptseite am Tegeler Weg wird bestimmt von dem Haupteingang in einem überhöhten, vorspringenden Mittelbau mit steilem Dreiecksgiebel und hohem Satteldach. Am Mittelgiebel gibt es zwei Inschriftplatten: rechts mit einem Adler, darunter: “Suum cuique” (Jedem das Seine), links der Reichsapfel, darunter: “Anno Domini MCMV” (1905)
Der romanische Stil ist sehr ungewöhnlich für ein Gerichtsgebäude.
Justizbauten wurden entweder im Stil der Renaissance, des Barock oder auch der Gotik gebaut, niemals aber im romanischen Stil. Es war der vom damaligen Kaiser Wilhelm II bevorzugte Baustil, den er beispielsweise für die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und die darum herumliegenden Bauten vorgeschrieben hatte.
1987 wurde nach 4jähriger Bauzeit der Erweiterungsbau von Gerd Rümmler an der Straßenfront des Tegeler Weges übergeben. Der Neubau wurde harmonisch mit dem 80 Jahre älteren Hauptgebäude abgestimmt.
Das Landgericht ist eine Institution der Zivilgerichtsbarkeit. In erster Instanz ist es zuständig für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten und solche ab einem bestimmten Streitwert, in zweiter Instanz hinsichtlich möglicher Rechtsmittel gegen amtsgerichtliche Entscheidungen in Zivilprozessen und in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs im Jahre 1871 entstanden in Berlin drei Landgerichte: Das Landgericht I war für den Stadtkreis Berlin zuständig und wurde 1905 in dem neu gebauten Gebäudekomplex an der heutigen Littenstraße in Berlin Mitte untergebracht. Das Landgericht II in einem Gebäude an der Möckernstraße in Kreuzberg war für die stadtnahen Kreise südlich von Berlin zuständig. Schließlich wurde 1899 die Errichtung eines Landgerichts III beschlossen, das für die nördlich gelegenen stadtnahen Kreise von Nauen über Bernau bis Straußberg zuständig wurde. Dazu gehörten damals die selbständigen Gemeinden Charlottenburg, Wedding, Spandau, Lichtenberg, Pankow und Weißensee.
Im Juli 1933 wurden die drei Landgerichte zu einem Landgericht Berlin verschmolzen und in Mitte untergebracht. Hier wurden bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs das Arbeitsgericht und danach ein Teil des Bezirksamtes Charlottenburg und ein Postamt untergebracht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Landgericht im Westteil Berlins zunächst in mehreren Zehlendorfer Villen untergebracht. Es war mit amerikanischer Unterstützung gebildet worden als Gegengewicht zu dem von der sowjetischen Besatzungsmacht im Ostteil Berlins eingerichteten Bezirksgericht. Die Zuständigkeit des Landgerichts wurde schnell auf alle Westsektoren Berlins ausgedehnt, und Ende 1950 bezog es dieses Gebäude des ehemaligen Landgerichts III, wo es bis heute seinen Sitz hat. Nach dem Fall der Mauer hat das Landgericht die Zahl seiner Dienststellen auf drei erweitert. Sämtliche Berufungs- und Beschwerdekammern sind 1993 in das Justizgebäude an der Littenstraße in Mitte umgezogen. Die Gerichtsverwaltung und die erstinstanzlichen Zivilkammern sind hier in Charlottenburg geblieben.

Tegeler Weg
Der Tegeler Weg wurde 1884 benannt, zuvor hieß er “Weg nach Spandau”.
Am 4. November 1968 fand rund um das Landgericht die sogenannte “Schlacht am Tegeler Weg” statt, eine militante Konfrontation zwischen linken Demonstranten und der Polizei. Anlass war das Berufsverbot für den damaligen APO-Anwalt Horst Mahler. Das Datum gilt als wichtiger historischer Wendepunkt in der Entwicklung der außerparlamentarischen Opposition der 68er Bewegung hin zur gewaltsamen Auseinandersetzung.
Die nächste Straße, die nach der Osnabrücker Straße in den Tegeler Weg mündet, ist die Mindener Straße.

Syrisch-orthodoxe Kirche "Mor afrem", Foto: KHMM

Syrisch-orthodoxe Kirche "Mor afrem", Foto: KHMM

Mindener Straße
Die Straße wurde 1906 nach der nordrhein-westfälischen Kreisstadt Minden am Wasserstraßenkreuz von Weser und Mittellandkanal benannt.
Ich bitte meinen Kollegen, Bürgermeister Michael Buhre, uns seine Stadt kurz vorzustellen.

Mindener Str. 1: Syrisch-orthodoxe Kirche “Mor afrem”
Das Gebäude wurde 1964-66 von Alfons Boklage als Nachfolgebau der 1964 abgerissenen Kirche aus den zwanziger Jahren für die katholische Gemeinde Mariä Himmelfahrt errichtet. Es ist eine Vierflügelanlage in geschlossener Bebauung; neben Sichtbetonbalken und verglasten Betonformsteinen ist die Fassade mit rotbraunen holländischen Handstrichziegeln verblendet.
Der 33 m hohe halbrunde Glockenturm ist zu beiden Seiten von über 600 farbigen Wabenfenstern umgeben. Seit 1988 war Mariä Himmelfahrt auch die Gottesdienststätte der italienischen katholischen Mission (Missione Cattolica Italiana). 2005 hat die katholische Kirche das Gotteshaus an die syrisch orthodoxe Gemeinde Mor Afrem e.V. verkauft. Offiziell eröffnete die syrisch-orthodoxe Gemeinde Mor Afrem e.V. ihre Kirche am 4.5.2008.

Mierendorffstr. 20-24: Mierendorff-Grundschule
Das Schulgebäude für die Mierendorff-Grundschule wurde 1976-1978 nach Plänen von Rolf D. Weisse, einem Schüler Mies van der Rohes errichtet. Die großzügige Schulanlage besteht aus mehreren zwei- und dreigeschossigen Gebäudeteilen, die miteinander verbunden sind. Da die Anlage von der Mierendorffstraße weit zurückgesetzt ist, entsteht ein größerer Vorplatz, der größtenteils bepflanzt ist. Im Innenhof der Mierendorff-Grundschule steht die Skulptur “Wassermaschine mit Sonnenuhr”. Die Turnhalle befindet sich etwas abseits auf einem Grundstück an der Nordhauser Straße.

Nordhauser Straße
Die Nordhauser Straße wurde 1909 nach der Kreisstadt Nordhausen am Südrand des Harzes benannt. Ein Bürger aus Nordhausen hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass es eigentlich “Nordhäuser Straße” heißen müsste, so wie auch der berühmte Kornbranntwein aus Nordhausen als “Nordhäuser Doppelkorn” bekannt ist. Anscheinend hat der damaligen Charlottenburger Magistrat, der für die Straßenbenennung zuständig war, hier einen Fehler gemacht.
Aber vermutlich werden wir mit diesem Fehler noch eine Weile leben müssen, denn eine Straßenumbenennung ist nicht nur teuer, sondern für die Anwohnerinnen und Anwohner auch immer mit Unannehmlichkeiten verbunden. Auch die Wernigeroder Straße unweit von hier müsste eigentlich Wernigeröder Straße heißen. Im Harz liebt man offensichtlich die Umlaute.

Jugendkunstschule, 1.10.2012, Foto: KHMM

Jugendkunstschule, 1.10.2012, Foto: KHMM

Nordhauser Str. 22: Jugendkunstschule
Hier haben wir am 25. September 2010 neben der Sporthalle der Mierendorff-Grundschule die Jugendkunstschule des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf eröffnet. Wir sind damit einer der letzten Bezirke von Berlin, der eine solche Jugendkunstschule erhält. Sie wurde bereits vor zwei Jahren im September 2008 von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen. Zunächst war die Villa Oppenheim als Standort vorgesehen. Aber dort zieht demnächst das Heimatmuseum ein. Deshalb wurde jetzt dieser Standort im früheren Kinder- und Jugendgesundheitsdienst ausgewählt.
Die Schule erhält zwei Medienräume, ein Atelier und einen Werkraum für Metall- und Holzarbeiten. Aber es wird hier nicht nur um die Bildende Kunst gehen, sondern auch um Literatur, Tanz und Theater. Eine Schreibwerkstatt und Kurse zur Buchillustration sind vorgesehen. Auch Fotografie- und Filmkurse soll es geben.
Wir wollen mit dieser Jugendkunstschule dazu beitragen, dass alle Kinder die Möglichkeit bekommen, ihre kreativen und künstlerischen Fähigkeiten zu entfalten.

Mierendorffstraße
Die Mierendorffstraße wurde 1950 benannt nach dem Politiker und Widerstandskämpfer Carlo Mierendorff. Der 1897 in Großenhain in Sachsen geborene Carlo Mierendorff kehrte aus dem Ersten Weltkrieg als Pazifist heim und wurde 1930 Reichtstagsabgeordneter der SPD. Im März 1933 floh er nach einer Hausdurchsuchung für 14 Tage in die Schweiz, kehrte aber zurück und wurde am 13. Juni 1933 in Frankfurt/Main verhaftet. Bis zum Juni 1938 war er in verschiedenen Konzentrationslagern und im Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin inhaftiert. Nach seiner Entlassung ging er als Mitglied des Kreisauer Kreises in den Widerstand. Am 4. Dezember 1943 starb er in Leipzig bei einem Bombenangriff.

Mierendorffstr. 30: UdK, Gedenktafel
In ehemaligen Haus der 5. Grundschule Charlottenburg hat die Universität der Künste ihren Fachbereich Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation untergebracht.
Eine von der UdK angebrachte Gedenktafel erinnert hier an Carlo Mierendorff. Sie wurde wegen Baumaßnahmen vorübergehend abgenommen:
Dem Andenken an Carlo Mierendorff
1897 – 1943
Nationalökonom und SPD-Reichstagsabgeordneter
Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime
Verbindungsmann der SPD zur
Widerstandsgruppe “Keisauer Kreis”
Hochschule der Künste Berlin
Vor dem Haus der UdK steht eine Give-me-Box, eine Einwohnerinitiative für alle, die etwas Gutes zum Verschenken haben und andere, die das Gute haben möchten.

Mierendorffplatz
Wie die Mierendorffstraße wurde auch der Mierendorffplatz 1950 benannt nach dem Politiker und Widerstandskämpfer Carlo Mierendorff. Zuvor hieß der Platz Gustav-Adolf-Platz; 1950. Es ist ein verkehrsreicher Platz inmitten der von Spree, Charlottenburger Verbindungs- und Westhafenkanal gebildeten Charlottenburger Insel am Kreuzungspunkt von fünf Straßen und mehreren Buslinien.
Außerdem ist hier ein Bahnhof der U7. Der Mierendorffplatz wird durch die verlängerte Kaiserin-Augusta-Allee in zwei Hälften geteilt. Hier auf dem südlichen, spitz zulaufenden Teil ist mittwochs und samstags von 8 bis 13 Uhr Wochenmarkt. Die Litfasssäule wird von der Mierendorff-Initiative gestaltet: Mit Kiezplan und Informationen zum Kiezleben und zu einzelnen Geschäften des Mierendorffkiez.
Der größere nördliche Teil ist die letzte Station unseres Spazierganges.

Gedenktafel für Erwin Barth, 1.10.2012, Foto: KHMM

Gedenktafel für Erwin Barth, 1.10.2012, Foto: KHMM

Bemerkenswert für die so genannte “Kleine-Leute-Gegend” ist die aufwändige Gestaltung der Parkanlage, deren Rekonstruktion nach den historischen Plänen im Jahr 2000 mit dem Gustav-Meyer-Preis ausgezeichnet wurde. Der Park wurde 1912-13 nach Entwürfen des Städtischen Gartenbaudirektors Erwin Barth mit Rhododendren, Blumengarten, Spielplatz, kleinen Laternen mit quadratischem Glaszylinder sowie einem Fontänenbrunnen angelegt und von Platanen eingerahmt; er spiegelt die soziale Gesinnung seines Gestalters wider. Barths Credo lautete: “Wenn irgendwo eine reiche Ausstattung der Plätze mit verschwenderischer Blumenfülle, mit Brunnen und dergleichen angebracht ist, so ist es da, wo Leute wohnen, die sich keine eigenen Gärten leisten können.”

Der Platz wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, danach vorübergehend kleingärtnerisch genutzt, 1950 wieder instand gesetzt, 1975 für den U-Bahnbau abgeräumt und 1978 bis 1987 unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten wieder hergestellt.
1980 wurde am Parkeingang eine Gedenktafel für Erwin Barth enthüllt:
ERWIN BARTH
1880 -1933
GARTENDIREKTOR VON
CHARLOTTENBURG 1912 – 1926
GROSS-BERLIN 1926 – 29
GUSTAV ADOLF (MIERENDORFF) PLATZ
KAROLINGERPLATZ LIETZENSEEPARK
SACHSEN (BRIX) PLATZ
VOLKSPARK JUNGFERNHEIDE
CHARLOTTENBURG 1980

Haus am Mierendorffplatz, 1.10.2012, Foto: KHMM

Haus am Mierendorffplatz, 1.10.2012, Foto: KHMM

Haus am Mierendorffplatz
Vor einem Jahr, am 24. Oktober 2011, haben wir das Haus am Mierendorffplatz eröffnet. Die ehemalige Revierunterkunft des Gartenbauamtes wurde aus Mitteln des Bezirksamtes umgebaut und renoviert und steht nun für die Einwohnerinnen und Einwohner der Mierendorff-Insel als Zentrum für Kunst und Kultur, als Ort der Begegnung, für Projekt-Ideen der Nachbarschaft sowie für Beratung und vieles mehr zur Verfügung. Der Nachbarschaftsladen ist aus der Tauroggener Straße hierher umgezogen. Das Haus am Mierendorffplatz und das Kiezbüro Mierendorffplatz werden aus Mitteln des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf im Rahmen des Stadtteilmanagements Mierendorffplatz finanziert.
Ich freue mich sehr, dass Frau Isermann-Kühn vom Verein DorfwerkStadt uns nun ihre Jubiläumsausstellung “100 Jahre Mierendorffplatz” vorstellt: “Blumen für Herrn Barth – Erwin Barth und der Mierendorffplatz, gestern und heute”.