100. Kiezspaziergang am 10.4.2010

Um den Lietzensee

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen, Foto: KHMM

Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen

Treffpunkt: S-Bahnhof Messe Nord/ICC vor dem Bahnhofsgebäude an der Neuen Kantstraße

Sehr geehrte Damen und Herren!
Herzlich willkommen zu unserem 100. Kiezspaziergang. Wir wollen zum 100. Jubiläum an den ersten Kiezspaziergang erinnern und schauen, was sich hier rund um den Lietzensee verändert hat, wo wir am 12. Januar 2002 entlang gegangen sind. Die erste Änderung haben wir gleich hier am S-Bahnhof Messe Nord / ICC, denn dieser Bahnhof hieß damals noch Witzleben.
Gemeinsam mit Herrn Metzger, der alle 100 Kiezspaziergänge organisiert und ausgearbeitet hat, habe ich darüber nachgedacht, ob wir nicht mit dem 100. aufhören sollen, weil vielleicht doch auch irgendwann einmal das Interesse nachlassen könnte. Man soll ja auch möglichst dann aufhören, wenn’s am schönsten ist, um nicht einen schleichenden Niedergang zu riskieren.
Aber am Ende hat uns dann doch Ihr anhaltendes großes Interesse überzeugt, die vielen positiven Rückmeldungen und Ermunterungen, sogar wunderschöne Briefe, die ich erhalten habe, dass wir gar nicht aufhören können. Hinzu kommt, dass wir bisher noch keinen Kiezspaziergang wiederholt haben und dass uns nach wie vor der Stoff nicht ausgeht. Es kam bei den 100 Kiezspaziergängen zwar immer wieder einmal zu Überschneidungen, aber keiner war wie der andere. Es gab immer etwas Neues zu entdecken. Und wir haben festgestellt: Charlottenburg-Wilmersdorf ist so groß, so vielseitig und so interessant, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Es fällt uns nicht schwer, mit Ihnen gemeinsam immer wieder neue Ecken in unserem Bezirk zu erkunden.
Deshalb wird es also bis auf weiteres dabei bleiben: Immer am zweiten Sonnabend eines Monats, ab 14.00 Uhr schauen wir uns einen Kiez in unserem Bezirk an, und wer Lust und Zeit hat, ist herzlich dazu eingeladen. Seit dem 12. Januar 2002 haben wir keinen Monat ausgelassen, und dabei soll es auch bleiben.
Deshalb wird mich im schönen Monat Mai mein Kollege, Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte, vertreten, denn ich werde am 8. Mai nicht in Berlin sein. Treffpunkt ist am Sonnabend, dem 8. Mai, um 14.00 Uhr auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Pichelsberg. Es wird von dort über die Glockenturmstraße in das Naturschutzgebiet Murellenberg, Murellenschlucht und Schanzenwald gehen, zu den Denkzeichen, die an die Ermordungen der nationalsozialistischen Militärjustiz erinnern und zur Waldbühne.
Mit unserem heutigen Kiezspaziergang wollen wir wie gesagt an den ersten vor 8 Jahren erinnern, aber auch heute wird es keine Wiederholung geben, denn seither hat sich viel verändert, wir werden eine etwas andere Route gehen, und wir wollen zum Abschluss gegen 15.30 Uhr das Nachbarschaftshaus am Lietzensee an der Herbartstraße 25 besuchen, das damals noch ein Seniorenzentrum war. Die Leiterin, Frau Tafel, hat uns eingeladen. Sie wird heute zwar nicht da sein. Aber ihre Mitarbeiterinnen Sarah Vollmayr und Monika Przybyla werden uns ihr Nachbarschaftshaus vorstellen.

Bahnhof Messe Nord / ICC, Foto: KHMM

Bahnhof Messe Nord / ICC, Foto: KHMM

Bahnhof Messe Nord / ICC
Dieser Bahnhof wurde 1913-16 von August Bredtschneider mit Empfangsgebäuden an der Neuen Kantstraße und am Dresselsteg errichtet. Der Bahnsteig liegt acht Meter unter Straßenniveau. Am 1. April 1916 wurde der Bahnhof in Betrieb genommen und nach dem Generalleutnant Wilhelm von Witzleben benannt, der am Lietzensee lebte und hier einen großen Park anlegen ließ. Ich werde später auf ihn zurückkommen. Im Zuge des S-Bahn-Streiks von 1980 wurde die gesamte Ringbahn und damit auch der Bahnhof stillgelegt. Nach seiner Restaurierung und Modernisierung wurde er 1993 wieder eröffnet. Seither spielt er auch eine wichtige Rolle als Zubringer zum nahen Messegelände und zum ICC. Deshalb wurde er im Juni 2002 umbenannt in Bahnhof Messe-Nord/ICC. Die Proteste des Bezirksamtes, der Bezirksverordnetenversammlung und der Bevölkerung konnten diese Umbenennung nicht verhindern.

Ostpreußenbrücke
Die erste Brücke von der Neuen Kantstraße zur Masurenallee wurde 1928 erbaut und erhielt den Namen Ostpreußenbrücke. Im Zuge des Autobahnbaus wurde sie 1959/60 erneuert. Seither überquert sie als 93 Meter lange Spannbetonbrücke die S-Bahn und die Stadtautobahn A 100.

ICC und Funkturm, Foto: KHMM

ICC und Funkturm, Foto: KHMM

ICC
Das Internationale Congress Centrum Berlin wurde 1973-79 von Ursulina Schüler-Witte und Ralf Schüler gegenüber dem Ausstellungs- und Messegelände am Funkturm erbaut und mit diesem über eine Fußgängerbrücke verbunden. Die silbrig glänzende Aluminium-Ummantelung des Stahlbetonbaus und die sichtbare, freischwebende Konstruktion des Daches erwecken den Eindruck eines futuristischen Raumschiffes. Es ist 320m lang, 80m breit und bis zu 40m hoch. Es enthält je nach Raumaufteilung rund 80 Säle und Räume mit einer Gesamtkapazität von 20.300 Plätzen. Zwischen den beiden größten Sälen befindet sich eine nach beiden Seiten zu öffnende komplett ausgestattete Bühne.
Es ist der wichtigste und größte Veranstaltungsort in Berlin für internationale Kongresse. Außerdem finden hier Konzerte, Bälle, Shows und andere Veranstaltungen statt. Am 14. Mai tritt zum Beispiel Mireille Mathieu hier auf. Schon sechs Mal wurde das ICC mit dem “World Travel Award”, dem “Oscar” der Reiseindustrie ausgezeichnet und damit als weltweit führendes Konferenzzentrum gekürt.
Vor dem ICC wurde 1980 auf einem Betonsockel die 6,6 m hohe und 16 m lange Bronze-Skulptur “Ecbatane / Der Mensch baut eine Stadt” von Jean Ipoustéguy aufgestellt. Die Skulptur zeigte eine große nackte Männerfigur, die zwei Arme nach vorn streckte und mit dem Fuß auf die vor ihr liegende Stadt trat. Im September 2005 wurde die Figur abgebaut und auf dem Messegelände eingelagert, weil sowohl der Betonsockel als auch die Figur selbst durch Korrosion einsturzgefährdet waren. Eine Restaurierung würde wohl mehr als 100.000 EUR kosten.
In der letzten Bezirksverordnetenversammlung am 18. März wurde einstimmig eine Aufforderung an den Berliner Senat beschlossen, die Skulptur möglichst bald zu restaurieren und wieder aufzustellen, weil “der Bezirk ein Interesse daran hat, Kunst im eigenen Stadtbild lebendig zu erhalten, anstatt sie sang- und klanglos verschwinden zu lassen.”
Seit Februar 2000 dachte die Messe Berlin wegen der hohen Betriebskosten über einen Abriss des ICC nach. Dies wurde auch im Abgeordnetenhaus und im Berliner Senat diskutiert. Diese Diskussion führte nicht nur zu empörtem Einspruch des Architektenpaares. Auch der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wendet sich strikt gegen einen Abriss. 2008 verkündete der Senat seinen Beschluss, das ICC für rund 182 Mio Euro von 2010 bis 2016 bei laufendem Betrieb sanieren und modernisieren zu lassen. Vor kurzem hat die Messe Berlin allerdings wieder bezweifelt, ob die Sanierung tatsächlich bei laufendem Betrieb möglich ist.

Funkturm
Der Funkturm wurde 1924-26 von Heinrich Straumer auf dem Messegelände erbaut und am 3.9.1926 zur dritten Großen Deutschen Funkausstellung eröffnet. Die offene Stahlrahmenkonstruktion ist 150 m hoch und 400 Tonnen schwer. In 55 m Höhe gibt es ein zweigeschossiges Restaurant, in 125 m Höhe eine Aussichtsplattform. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Funkturm schwer beschädigt, 1951 nach aufwändigen Aufbauarbeiten wiedereröffnet.
Der “Lange Lulatsch” ist ein Wahrzeichen des Messegeländes und Berlins. Als Sendemast wird er heute nur noch für den Polizeifunk genutzt.

Wundtstraße
Die Straße wurde 1936 nach dem Philosophen und Psychologen Wilhelm Wundt benannt, der von 1832 bis 1920 lebte. Davor hieß die Straße Königsweg.

Stolperstein für Siegfried Czarlinski, Foto: KHMM

Stolperstein für Siegfried Czarlinski, Foto: KHMM

Wundtstr. 52: Stolperstein
Hier erinnert ein Stolperstein an Siegfried Czarlinski, der am 25. März 1887 in Preußisch-Stargard geboren wurde. Er war Stadtverordneter der SPD. Er wurde im Mai 1944 vom Sammellager Schulstraße in das “Arbeitserziehungslager” Großbeeren eingeliefert und dort am 18. Mai 1944 ermordet.
In wenigen Tagen, am 19. April, werden wir den 800. Stolperstein in Charlottenburg-Wilmersdorf verlegen. Das Projekt des Bildhauers Gunter Demnig ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. Er hat 1996 in Köln die ersten Stolpersteine verlegt.
Inzwischen gibt es über 22.000 Stolpersteine in etwa 530 Städten und Gemeinden in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Polen, Tschechien, der Ukraine und Ungarn. Dass gerade in Charlottenburg-Wilmersdorf besonders viele Stolpersteine gesetzt werden, entspricht den historischen Tatsachen, denn in den 1920er Jahren waren Charlottenburg und Wilmersdorf die beiden Berliner Bezirke mit dem höchsten Anteil jüdischer Bevölkerung. In beiden Bezirken lebten jeweils fast 30.000 Juden. Das entsprach in Charlottenburg rund 8 Prozent und in Wilmersdorf rund 14 Prozent der Bevölkerung. Wahrscheinlich werden allein in diesem Jahr zu den 800 vorhandenen weitere 800 Stolpersteine hinzu kommen.

Wundtstr. 48-50: Ehem. Erzbischöfliches Ordinariat
Das Gebäude wurde 1927 als Liebfrauen-Lyceum erbaut und 1954 als Erzbischöfliches Ordinariat wieder aufgebaut. Nach der Wende zog dieses in die Niederwallstraße in Mitte. In diesem Haus sind jetzt viele unterschiedliche Organisationen untergebracht.

Am Haus Helene Weber, Foto: KHMM

Am Haus Helene Weber, Foto: KHMM

Wundtstr. 40-44: Frauenbundhaus, Haus Helene Weber
1903 wurde in Köln der Katholische Frauenbund KFB gegründet, dessen Hauptziel die Frauenbildung war. In Berlin richtete er Eheberatungsstellen ein, bildete Eheberaterinnen aus, gründete die ersten Mütterschulen, organisierte Mütterferien und baute 1923 dieses Frauenbundhaus. Hier wurde eine Bildungsstätte für berufstätige Mütter mit Kindergarten und Wohnungen eingerichtet. 1930/31 erwarb der Katholische Frauenbund auch die beiden benachbarten Grundstücke und baute hier 190 Kleinwohnungen mit eigenem Bad und WC für alleinstehende berufstätige Frauen. Heute befinden sich auf dem gesamten Areal ein Wohnhaus und Seniorinnenwohnhaus, ein Begegnungszentrum und ein Gästezimmerbereich.
Das Wohnhaus für alleinstehende Frauen hat in fünf Stockwerken 122 Wohnungen von 24 bis 63 qm. Seit 2001 befindet sich hier auch das Hauptstadtbüro des Katholischen Deutschen Frauenbundes KDFB.
Der Mittelbau des Gebäudekomplexes wurde nach Helene Weber benannt. Die 1881 in Elberfeld geborene Helene Weber gehörte über 50 Jahre dem Vorstand des Katholischen Deutschen Frauenbundes an. Von 1922 bis 1963 war sie Mitglied des Exekutivkomitees der Internationalen Katholischen Frauenbewegung und seit 1925 Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der internationalen Vereinigung der katholischen Sozialschulen. 1945 gehörte sie zu den Mitbegründern der CDU, wurde 1948 Mitglied des Parlamentarischen Rates und war von 1949 bis 1962 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie starb 1962 in Essen
Im Haus Helene Weber wird unter anderem auch zweimal im Monat eine kostenlose Rentenberatung von ehrenamtlichen Versichertenältesten der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg angeboten.

Haus des Grünflächenamtes
Gegenüber, in dem kleinen Haus im Lietzenseepark, ist ein Revier-Stützpunkt unseres Grünflächenamtes untergebracht. Von hier aus wird der Park gepflegt. Sie werden feststellen, dass hier ein guter Ausgleich gelungen ist zwischen Gartendenkmalpflege und vielfältigen Nutzungsangeboten. Mitten in der Innenstadt sind die Bedürfnisse nach Betätigung im Freien besonders groß. Aber gerade wenn viele Menschen einen Park nutzen wollen, dann sollte er auch möglichst schön und gut gepflegt sein.
Mit seinen Anstrengungen in diesem Sinne pflegt unser Grünflächenamt auch das Erbe des großen Garten- und Parkgestalters Erwin Barth. Er war von 1912 bis 1926 Gartendirektor von Charlottenburg und anschließend von Groß-Berlin. Wir haben ihm großartige Platz- und Parkanlagen zu verdanken, darunter den Savignyplatz, Brixplatz, Hochmeisterplatz, Klausenerplatz, Mierendorffplatz, den Volkspark Jungfernheide und den Lietzenseepark. Sein Credo lautete: “Wenn irgendwo eine reiche Ausstattung der Plätze mit verschwenderischer Blumenfülle, mit Brunnen und dergleichen angebracht ist, so ist es da, wo Leute wohnen, die sich keine eigenen Gärten leisten können.”
Die Arbeit des Grünflächenamtes wird zunehmend auch von Bürgerinnen und Bürgern unterstützt, die sich freiwillig für ihren Park engagieren. Auf Initiative von Prof. Klaus W. Döring wurde 2004 der Verein Bürger für den Lietzensee e.V. gegründet, der sich seither um die Pflege und Sauberkeit des Parks kümmert. Izwischen hat er schon rund 115 Mitglieder.

Kleine Kaskade, Foto: KHMM

Kleine Kaskade, Foto: KHMM

Kleine Kaskade
Erwin Barth gestaltete den Park von 1912 bis 1922 – unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg so um, das er diesem Anspruch gerecht werden konnte. Heute ist er ein Gartendenkmal.
Die kleine Kaskade mit Rundbecken und Fontäne, eingerahmt von Laubengängen schufen Erwin Barth und Heinrich Seeling 1912 hier im nördlichen Teil des Lietzenseeparks, gleichzeitig mit der großen Kaskade am südlichen Ende des Parks, die wir am Ende unseres Rundgangs erreichen werden.
Bei unserem ersten Kiezspaziergang im Januar 2002 war Irene Fritsch dabei. Wir haben sie gefragt, ob sie uns auch diesmal wieder begleiten kann. Leider ist sie heute nicht in Berlin, lässt aber herzliche Grüße ausrichten. Sie wohnt ganz in Nähe des Lietzensees, und sie hat sich sehr intensiv mit der Geschichte des Parks und seiner Umgebung beschäftigt. Damals hatte sie gerade ihr erstes Buch veröffentlich: “Leben am Lietzensee”, eine sehr informative lokalhistorische Darstellung. Seither kamen drei Krimis dazu: 2006 “Finale am Lietzensee”, 2007 “Die Tote vom Lietzensee” und im letzten Jahr 2009 “Kalter Krieg am Lietzensee”.
Alle drei Krimis sind sehr unterhaltsam zu lesen, und sie enthalten viele Einzelheiten zum Kiez und seiner Geschichte. Irene Fritsch ist inzwischen sicher die beste Kennerin dieses Charlottenburger Kiezes.
Sie schreibt:
“Den Lietzenseepark muss man zu den gelungensten Schöpfungen von Erwin Barth zählen. Das eigentlich recht schmale und nur 10,2 ha große Gelände erscheint geradezu weitläufig durch die Art und Weise, wie Barth seine in Jugendstilformen geschwungenen und fast symmetrisch angelegten Wege angeordnet hat. In zahlreichen runden oder halbkreisförmigen Plätzen kommen die Wege zusammen und gehen dann wieder in sanften Bögen auseinander. …
Die Parkanlage ist heute nahezu vollständig und im Wesentlichen so erhalten, wie sie Erwin Barth gestaltet hat, und erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit. Der Lietzenseepark steht auch als ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie in Zeiten allgemeiner finanzieller Knappheit überwiegend mit den Mitteln der Phantasie und Improvisationskunst ein hervorragendes Ergebnis guter Gartenarchitektur erzielt werden kann.”
Soweit Irene Fritsch. Sie lässt anschließend Erwin Barth selbst zu Wort kommen:
“Es war nicht immer eine reine Freude, diese Gartenanlage als Notstandsarbeit auszuführen; aber je größer die Schwierigkeiten wurden, desto größer wurde auch die Freude am gelungenen Werke. Die ungeheuer starke Benutzung des Parkes durch die Bevölkerung beweist, dass die Arbeiten nicht umsonst ausgeführt worden sind. Mögen die kommenden Zeiten nicht dazu zwingen, die mit soviel Mühe geschaffene Arbeit wieder verfallen zu lassen.”

Vorbei am Park-Café, Foto: KHMM

Vorbei am Park-Café, Foto: KHMM

Park-Café
Das Park-Café gab es in dieser Form bei unserem Kiezspaziergang vor acht Jahren noch nicht. Das alte Bootshaus war 1924 nach Plänen von Erwin Barth errichtet worden. Es fiel 1973 einem Brandanschlag zum Opfer. Danach wurde ein Provisorium errichtet. Das Bezirksamt wollte ein neues Haus in Anlehnung an das historische Vorbild errichten lassen und hat dafür neue Betreiber gesucht. Diese haben das alte Holzhaus 2007 abreißen lassen und nach eineinhalbjähriger Bauzeit am 8. Juni 2009 als “Bootshaus Stella Café am Lietzensee” in einem Neubau wieder eröffnet.

An der Schillerwiese, Foto: KHMM

An der Schillerwiese, Foto: KHMM

Schillerwiese
Hier, am nördlichen Ende des Lietzenseeparks befindet sich vom Kaiserdamm her gewissermaßen der Haupteingang in den Park und der Hauptzugang zum See. Eine große, hufeisenförmige Wiese empfängt den Spaziergänger. Sie wird an den Seiten von hohen Bäumen eingerahmt. Dieser Eingangsbereich hat sich seit der Eröffnung des Parks 1922 kaum verändert. Irene Fritsch zitiert in ihrem Buch “Leben am Lietzensee” aus einem Beitrag von Paul Klawun, der 1922 in der Zeitschrift “Gartenwelt” begeistert schrieb:
“Gleich vorn am Kaiserdamm eröffnet sich ein sanft abfallendes Rasenparterre als erstes Entree in den Park, das mit großem Geschick den Wanderer vom Straßenverkehr auf eine längliche Plattform überleitet, von wo er über saftiges Grün einen tiefen, diagonalen Einblick in den Park und auf die Wasserfläche gewinnt.
Der Schöpfer, Erwin Barth, hat es verstanden, mit feinem Takt gerade dieses erste Entree ganz diskret ohne lauten Blumenschmuck und ohne die kräftigen Akkorde seiner Steinarchitekturen zu behandeln, um so die eigentlichen Effekte nicht vorwegzunehmen.
Nur die beiden hohen Pappelgruppen, die als wuchtige Säulen zu beiden Seiten dieses Rasenparterre flankieren, lassen erkennen, dass hier eine wichtige Dominante des Parkes betont werden soll.”
Irene Fritsch erklärt in ihrem Buch auch die Bezeichnung “Schillerwiese”. Auf dem unteren Teil der Wiese stand nämlich von 1952 bis 1985 ein Marmor-Denkmal des Dichters Friedrich Schiller, das Reinhold Begas geschaffen hatte und das seit 1871 vor dem Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt gestanden hatte. Die Nationalsozialisten entfernten es 1935.
Die Statue überdauerte den Krieg und wurde nach ihrer Restaurierung 1952 hier aufgestellt. 1986 wurde sie im Rahmen eines Austauschprogramms von Kulturgütern mit der DDR wieder an ihren alten Platz auf dem Gendarmenmarkt gebracht, wo sie bis heute steht. Allerdings heißt das Schauspielhaus inzwischen Konzerthaus, was nicht mehr unbedingt zu Friedrich Schiller passt, aber so ist der Gang der Dinge.

Am Verkehrsspiegel, Foto: KHMM

Am Verkehrsspiegel, Foto: KHMM

Witzlebenstraße 4-5 / Witzlebenplatz 1-2: Ehemaliges Reichskriegsgericht, Reichsmilitärgericht, Kammergericht
Die heutige Luxus-Wohnanlage wurde 1908-1910 als Gerichtsgebäude erbaut. Seit 1997 stand das bundeseigene Gebäude leer. Im Juni 2005 kaufte ein niederländischer Privatinvestor das Gebäude und baute es zu einem Mietwohnkomplex um. Es entstanden rund 100 Mietwohnungen mit einer Durchschnittsgröße von 80 bis 100 qm. Auch das Dachgeschoss wurde ausgebaut.
Von 1910 bis 1920 fungierte das Gebäude als Reichsmilitärgericht, danach bis 1936 als Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht. 1936 zog hier das von den Nazis gegründete Reichskriegsgericht ein, der höchste Gerichtshof der NS-Wehrmachtsjustiz.
Er war zuständig für Hoch- und Landesverrat von Militärangehörigen, “Kriegsverrat” und Wehrdienstverweigerung aus religiösen Gründen. Mit Kriegsbeginn 1939 wurde seine Kompetenz erweitert auf Spionage, Wirtschaftssabotage und “Wehrkraftzersetzung”. Aus den Jahren 1939 bis 1945 sind mehr als 1400 Todesurteile aktenkundig, von denen mehr als 1000 vollstreckt wurden.
Insgesamt haben NS-Kriegsgerichte während des Zweiten Weltkriegs mehr als 30.000 Todesurteile verhängt, von denen die meisten vollstreckt wurden. Zum Vergleich: Während des gesamten Ersten Weltkriegs hat die Militärjustiz des Kaiserreichs insgesamt 150 Todesurteile verhängt, von denen 48 vollstreckt wurden. Am bekanntesten wurden die Verfahren gegen die Widerstandsgruppe “Rote Kapelle”. Mehr als 50 Mitglieder der Gruppe wurden hier zum Tode verurteilt und in Plötzensee ermordet.
1943 zog das Gericht wegen der zunehmenden Luftangriffe nach Torgau um. Das letzte Urteil wurde am 10.4.1945 gefällt. Danach flohen die Richter in den Süden Deutschlands.
Von einigen Überlebenden und Angehörigen der Opfer wurde unmittelbar nach dem Krieg gefordert, die Richter des Reichskriegsgerichtes als Kriegsverbrecher anzuklagen. Das französische Tribunal Général ermittelte gegen sieben führende Richter, die eineinhalb Jahre in der Festung Rastatt in Untersuchungshaft zubringen mussten. Dabei erhängte sich der ehemalige Senatspräsident Walter Biron 1947 in seiner Zelle. 1948 wurde das Verfahren vor Prozesseröffnung eingestellt.
Keiner der Richter wurde nach dem Krieg verurteilt. Erst in den letzten Jahren wurden einige der von ihnen gefällten Urteile revidiert, und erst jetzt stellt sich auch die deutsche Justiz ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit.
1997 wurde am Zaun eine Gedenktafel für Franz Jägerstätter angebracht, der zu einer Symbolfigur der amerikanischen Friedensbewegung wurde.
Der Text lautet:
IN DIESEM GEBÄUDE WURDE DER
ÖSTERREICHISCHE BAUER
FRANZ JÄGERSTÄTTER (1907 – 1943)
VOM EHEMALIGEN REICHSKRIEGSGERICHT
WEGEN SEINER GEWISSENSENTSCHEIDUNG
GEGEN EINE KRIEGSTEILNAHME
AM 6. JULI 1943 ZUM TOD VERURTEILT.
MIT IHM GEDENKEN WIR ALL JENER,
DIE WEGEN EINER
GEWISSENSENTSCHEIDUNG OPFER
VON KRIEGSGERICHTEN WURDEN.
Gegenüber der Gedenktafel für Franz Jägerstätter befindet sich ein Verkehrsspiegel mit einer kleinen Erläuterungstafel. Sie informiert über das Mahnmal “Denkzeichen zur Erinnerung an die Ermordeten der NS-Militärjustiz am Murellenberg”. Dieses Mahnmal ist Ziel des nächsten Kiezspaziergangs mit Wirtschaftsstadtrat Marc Schulte.
Das Mahnmal wurde von der Berliner Künstlerin Patricia Pisani geschaffen und im Jahr 2002 entlang des Waldweges von der Glockenturmstraße am Olympiastadion bis in die Nähe des Erschießungsortes hinter der Waldbühne aufgestellt. Es besteht aus 106 Verkehrsspiegeln. Auf sechzehn Spiegeln informieren eingravierte Texte über das Geschehen in der Murellenschlucht. Unter den Nationalsozialisten wurde dort eine Wehrmachtshinrichtungsstätte errichtet. In der Murellenschlucht, am Hang des Murellenberges wurden zwischen dem 12. August 1944 und dem 14. April 1945 Deserteure, Wehrdienstverweigerer und Befehlsverweigerer standrechtlich erschossen, meist nach Urteilen des Reichskriegsgerichtes. Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Mehr als 230 sind bisher namentlich ermittelt. Viele der Exekutierten wurden im Spandauer Fort Hahneberg beerdigt.
Bereits 1984 wurde am Zaun eine Gedenktafel für Dr. Karl Sack enthüllt, der von 1938 bis zum November 1939 Richter am Reichskriegsgericht war:
“Am Reichskriegsgericht wirkte hier
1938/39 Dr. Karl Sack als Widerstandskämpfer.
Am 9.4.1945 ermordet im KZ Flossenbürg.”
Im September 1942 wurde er zum Chef der Heeresjustiz ernannt. Er hatte Kontakte zu der Widerstandsgruppe der militärischen Abwehr um Canaris, Oster und Hans von Dohnanyi. In den Plänen der Verschwörer vom 20. Juli 1944 war er in einer zivilen Regierung als Justizminister vorgesehen. Nach dem Attentat wurde er im September 1944 verhaftet und am 9. April zusammen mit anderen Widerstandskämpfern wie Dietrich Bonhoeffer, Admiral Wilhelm Canaris und Generalmajor Hans Oster im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt.

Witzlebenplatz
Der Witzlebenplatz und die Witzlebenstraße wurden 1905 ebenso wie der Bahnhof Witzleben nach Wilhelm von Witzleben benannt. Er wurde 1783 in Halberstadt geboren und kam bereits mit 16 Jahren 1799 als Fähnrich zur Leibgarde des Preußenkönigs in Potsdam. 1815 wurde er Chef des Generalstabs beim Generalkommando in Preußen und 1817 Chef des Militärkabinetts. Von da an begleitete er König Friedrich Wilhelm III, der ihn seinen Freund nannte, auf allen Reisen, zu Besichtigungen und Truppenübungen. 1823 erhielt er vom König 20.000 Taler, mit denen er den Lietzensee samt Umgebung kaufte und daraus einen Sommersitz schuf. Auf der Westseite ließ er einen großen Park nebst Landhaus anlegen. 1827 erhielt er die Charlottenburger Ehrenbürgerrechte. 1835 ernannte ihn der König zum Kriegsminister. 1837 starb Witzleben. 1840 erhielt der Park per Kabinettsorder den Namen Park Witzleben. Im gleichen Jahr verkaufte die Familie den Besitz. Er wurde 1899 von der Terrain-Gesellschaft Park Witzleben erworben, die den öffentlichen Lietzenseepark anlegen ließ, der dann später von Erwin Barth umgestaltet wurde.

Am Lietzensee, Foto: KHMM

Am Lietzensee, Foto: KHMM

Lietzensee
Der Lietzensee ist 6,6 ha groß und 3 bis 4m tief. Er hat keinen Zufluss, sondern wird allein durch Grundwasser gespeist. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war er nahezu verlandet, völlig verschilft und nur noch knapp 20 cm tief. Er wurde auf zwei Meter Tiefe ausgebaggert.
Leider geriet der Lietzensee wie andere Berliner und Brandenburger Seen im vergangenen Winter durch ein trauriges Fischsterben in die Schlagzeilen. Unser Grünflächenamt versuchte vergeblich, ein Loch im Eis freizuhalten, um den Fischen Luft zu verschaffen. Am Ende der ungewöhnlich langen Frostperiode mussten wir dann leider feststellen, dass Hunderte von Fischen den Winter nicht überlebt haben.
Seit März dieses Jahres wird die Uferbefestigung des Lietzensees erneuert. Begonnen wurde in dem Abschnitt links neben dem Park-Café. Bei den Arbeiten werden die alten schadhaften Befestigungen aus Tropenholz entfernt und nach und nach durch eine neue Beplankung aus Eichen-Kanthölzern ersetzt. Die denkmalrechtlich abgestimmte Ufererneuerung wird abschnittsweise für das gesamte Seeufer bis voraussichtlich bis Ende Oktober 2010 fertig gestellt.

Der Seniorentreffpunkt, Foto: KHMM

Der Seniorentreffpunkt, Foto: KHMM

Seniorentreffpunkt
Hier können wir wieder eine neue Einrichtung bewundern, die es bei unserem ersten Kiezspaziergang vor 8 Jahren noch nicht gab. Vor einem Jahr, am 7. Mai 2009 eröffnete Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler diesen Seniorentreffpunkt. Mit dabei waren die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und Mariella Ahrens, die Gründerin von Lebensherbst e.V., ein Verein zur Unterstützung pflegebedürftiger, älterer Menschen. An den fest installierten Sportgeräten können ältere Menschen ihre Beweglichkeit und Motorik schulen. Sie stehen zu jeder Jahreszeit zur Verfügung. Natürlich sind hier auch Kinder und Jugendliche willkommen. Dieser generationsübergreifende Begegnungsort passt ideal in den Park. Wir verstehen ihn als zeitgemäße Ergänzung zur Konzeption von Erwin Barth.

Vor dem Gefallenendenkmal, Foto: KHMM

Vor dem Gefallenendenkmal, Foto: KHMM

Gefallenendenkmal
Das Gefallenendenkmal des Königin-Elisabeth-Garde-Grenadier-Regiments Nr.3 wurde 1925 von Eugen Schmohl geschaffen. Eine Bronzetafel mit einem überkrönten und lorbeerbekränzten “E” trägt die Inschrift: “Unseren gefallenen Helden 1864, 1866, 1870-1871, 1914 -1918”. Gedacht wird also der gefallenen Soldaten des Deutsch-Dänischen Kriegs von 1864 um Schleswig-Holstein, des Deutsch-Österreichischen Krieges von 1866, des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 bis 1871 und des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1918.

Hotel Seehof und Lietzenseebrücke, Foto: KHMM

Hotel Seehof und Lietzenseebrücke, Foto: KHMM

Hotel Seehof
Das Hotel Seehof ist wie man von hier aus besonders gut sieht, idyllisch am See gelegen und dennoch mitten in der Stadt. Besonders Messebesucher schätzen die Übernachtung in Reichweite der Messehallen unterm Funkturm. Frühstück gibt es im Sommer auf der Seeterrasse.

Jüngling mit Speer
Die Bronze-Skulptur “Jüngling mit Speer” oder “Speerträger” wurde 1940 von Bernhard Bleeker geschaffen. Sie wurde hier in der Nachkriegszeit auf einem Steinsockel aufgestellt. Der Speer ist verloren gegangen.

Vogeltränke mit zwei Seehunden
Die Steinskulptur “Vogeltränke mit zwei Seehunden” wurde 1955 von Rosemarie Henning geschaffen.

Lietzenseebrücke
1904 wurde die Kantstraße zur Neuen Kantstraße verlängert. Dabei wurde ein Damm aufgeschüttet, durch den der Lietzensee in zwei Teile geteilt wurde. Die Buntsandsteinbrücke wurde im gleichen Jahr 1904 durch die “Terrain-Aktiengesellschaft Park Witzleben” errichtet. So steht es auf einer Sandsteintafel oben am Brückengeländer.
1956 wurden die beiden Parkteile für Fußgänger durch einen Durchgang unter der Lietzenseebrücke wieder verbunden. Erwin Barth hatte diese Verbindung bereits 1920 vorgesehen. Damals konnte sie aber aus Kostengründen noch nicht gebaut werden. Durch diesen Durchgang gehen wir jetzt.

Sandalenlösender Knabe, Foto: KHMM

Sandalenlösender Knabe, Foto: KHMM

Sandalenlösender Knabe
Die Bronzeskulptur “Sandalenlösender Knabe” stammt von Fritz Röll, der für diese Figur 1909 in Berlin den Großen Staatspreis erhielt. Sie gilt als sein Hauptwerk. Sie wurde der Stadt Berlin 1961 aus dem Nachlass geschenkt. Ein weiterer Abguss befindet sich im Folkwang-Museum in Essen. Hier im Lietzenseepark wurde die Figur 1962 aufgestellt.

Kirche am Lietzensee
Die evangelische Kirche am Lietzensee wurde 1957-59 von Paul Baumgarten an der Herbartstraße 4-6 am westlichen Hang des Lietzenseeparks an Stelle einer im Krieg zerstörten hölzernen Notkirche von 1920 errichtet. Der Grundriss ist fünfeckig. die Eingangsfassade als leicht geneigtes Trapez gestaltet, das Faltdach ist aus Dreiecksflächen gebildet und teilweise bis zum Boden herabgezogen. Zum Park hin schaffen große Fenster die Verbindung zur Natur. Die Kirche wurde am 27.9.1959 eingeweiht. Das Gemeindehaus rechts daneben wurde 1930-31 von Heinrich Straumer errichtet.

Medienhaus, Foto: KHMM

Medienhaus, Foto: KHMM

Gegenüber: Notaufnahmestelle Kuno-Fischer-Straße 8
Das schön restaurierte Haus gegenüber liegt an der Kuno-Fischer-Straße 8, und an der Seeseite ist der Kuno-Fischer-Platz zu sehen, der 1912 ebenfalls von Erwin Barth gestaltet wurde. Er ist heute ein Gartenbaudenkmal und als solches öffentlich zugänglich. Das Haus am Lietzensee ist inzwischen ein Medienhaus, in dem mehrere Medienfirmen residieren. Der Geschäftsführer der Firma META Productions, Ulrich Meyer, und seine Frau Georgia Tornow haben als Besitzer des Hauses an der Kuno-Fischer-Str.8 eine Gedenktafel gestiftet, die am 22.11.2007 enthüllt wurde.
Sie enthält folgenden Text:

“In diesem Haus befand sich
von 1950 bis 1953 die
Notaufnahmestelle
für Flüchtlinge aus der DDR
Sie war die erste Anlaufstelle
für rund 300.000 Menschen”
Nach der Auflösung der letzten sowjetischen Speziallager Sachsenhausen, Buchenwald und Bautzen stieg die Zahl der Flüchtlinge aus der DDR sprunghaft an. Zu ihrer Betreuung wurde am 18.1.1950 die Notaufnahmestelle eröffnet. Sie wurde im August 1953 von dem neu gebauten zentralen Notaufnahmelager in Marienfelde abgelöst.
Diese Notaufnahmestelle ist der Hauptschauplatz des neuen Krimis von Irene Fritsch “Kalter Krieg am Lietzensee”. Sehr spannend, sehr informativ, sehr lesenswert.

An der Großen Kaskade, Foto: KHMM

An der Großen Kaskade, Foto: KHMM

Große Kaskade
Die Große Lietzenseekaskade wurde ebenso wie die kleine Kaskade 1912-13 von Erwin Barth und Heinrich Seeling errichtet. Sie steht unter Denkmalschutz. Nach einer umfangreichen Sanierung wurde sie am 21.7.2006 wieder der Öffentlichkeit übergeben. Ihre Rekonstruktion konnte dank der Stiftung Denkmalschutz Berlin in einer Bauzeit von ca. acht Monaten erfolgreich beendet werden.
Das Bezirksamt hat die wassertechnischen Anlagen instand setzen lassen.
Dabei wurde die Technik umgerüstet, so dass kostensparend und ökologisch sinnvoll das Wasser aus dem Lietzensee zur Kaskadenbewässerung verwendet werden kann. Ebenso wurden die angrenzenden Grünflächen gartendenkmalpflegerisch überarbeitet und teilweise wie die Kaskadenanlage in historischer Anlehnung an Erwin Barth wieder hergestellt. Die von Barth 1912 konzipierten Hohlwege wurden von neuem angelegt, die Rasentreppen – in Anpassung an die Wasserstufen – und die Treppenanlagen neu modelliert sowie die Wegebeläge teilweise saniert. Die Kosten für die Wiederherstellung der Kaskade sind vollständig von der Stiftung Denkmalpflege Berlin übernommen worden. Die Wiederherstellung der Grünanlage, die neue Beregnungsanlage und die Wassertechnik wurden aus den Haushalten der Abteilung Bauwesen und der Abteilung Umwelt finanziert. Insgesamt kostete die Baumaßnahme 246.000 EUR.

Dernburgstraße
Die Straße wurde 1905 nach dem Juristen und Politiker Heinrich Dernburg benannt. Er war jüdischer Herkunft, wurde 1829 in Mainz geboren und starb 1907 in Charlottenburg. Er wohnte viele Jahre in Charlottenburg und wurde auf dem Kirchhof III der Luisengemeinde in Charlottenburg begraben. 1905 erhielt auch der Platz oberhalb der Großen Kaskade den Namen Dernburgplatz. Platz und Straße wurden 1936 von den Nationalsozialisten umbenannt in Gustloffplatz. Bei der Rückbenennung 1947 wurde die Platzbenennung aufgehoben und der Platz in die Dernburgstraße einbezogen.

Dernburgstr. 9 Gedenktafel für Edmund Rumpler
Die Porzellantafel der KPM wurde am 7.9.1990 enthüllt. Sie enthält folgenden Text:
Hier lebte von 1934 bis 1940
EDMUND RUMPLER 4.1.1872-7.9.1940
Luftfahrtindustrieller
und Techniker, Erbauer von
Stromlinienfahrzeugen “Tropfenwagen”
Edmund Rumpler wurde am 4. Januar 1872 in Wien geboren. Er studierte von 1890 bis 1895 Maschinenbau an der Technischen Hochschule in Wien und arbeitete ab 1897 als Konstrukteur in deutschen Automobilfabriken, unter anderem von 1898 bis 1900 als Konstrukteur bei der Allgemeinen Motor-Wagen-Gesellschaft Berlin. 1906 gründete Edmund Rumpler ein eigenes technisches Büro in Berlin und gliederte 1908 eine Abteilung für Luftfahrzeugbau an. Er baute das von Ignaz Etrich entwickelte Flugzeug, das als “Etrich-Rumpler-Taube” seit 1911 so erfolgreich und so populär wie kein anderes Flugzeug in Deutschland wurde. Es wurde zur Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwunges, den die Rumpler-Werke nahmen. Ende Mai 1912 zog die Firma “Edmund Rumpler Flugzeugbau” von Berlin-Lichtenberg nach Johannisthal.
Nach dem ersten Weltkrieg baute Rumpler 1921 das erste stromlinienförmige Automobil, das “Rumpler – Tropfenauto”. Während der nationalsozialistischen Diktatur musste er seine Arbeit wegen seiner jüdischen Herkunft aufgeben. Er starb am 7. September 1940 in Neu Tollow. Sein Grab befindet sich auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf.

Herbartstraße
Die Straße wurde 1905 nach dem Philosophen und Pädagogen Johann Friedrich Herbart benannt. Er lebte von 1776 bis 1841 und war einer der Begründer der wissenschaftlichen Pädagogik.

Herbartstr. 26: Jüdisches Seniorenzentrum
Der hier entstandene Komplex des Jeanette-Wolff-Seniorenzentrums und des Leo-Baeck-Altenwohnheims mit der Leo-Baeck-Synagoge wurde 1981 eingeweiht.
Die Berliner SPD-Politikerin Jeanette Wolff war eine Überlebende des Holocaust. Sie gehörte zu den Frauen der ersten Stunde beim Aufbau der Jüdischen Gemeinde. Sie war Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Deutschen Bundestages, Stadtälteste, Vorkämpferin der liberalen Jüdischen Einheitsgemeinde nach dem Krieg und sozial engagiert in der Zentralwohlfahrtstelle der Jüdischen Gemeinde.
Der Rabbiner und Philosoph Leo Baeck war seit 1912 in der Berliner Jüdischen Gemeinde tätig, hoch angesehen als geistiger Führer und bis 1942 tätig an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. 1933 wurde er Präsident der Reichsvertretung der deutschen Juden.
Nach seiner Befreiung aus dem KZ Theresienstadt lebte er in London.
Die von Hans Wolff-Grohmann entworfene Synagoge im Leo-Baeck Altenwohnheim enthält im Eingangsbereich Säulen aus der zerstörten Synagoge in der Oranienburger Straße.

Im Nachbarschaftshaus am Lietzensee, Foto: KHMM

Im Nachbarschaftshaus am Lietzensee, Foto: KHMM

Herbartstr. 25: Nachbarschaftshaus am Lietzensee e.V.
Dieses Haus war 25 Jahre lang die größte bezirkliche Seniorenfreizeitstätte Charlottenburgs. 1991 wurde dann das Modellprojekt als “Nachbarschaftshaus und Seniorenzentrum” in kommunaler Trägerschaft in Kooperation mit einem freien Träger eröffnet. Die ehemalige Seniorenfreizeitstätte wurde mit breit gestreuter bezirkspolitischer Beteiligung und Unterstützung konzeptionell umstrukturiert. Ende 1996 übertrug das Bezirksamt Charlottenburg die Einrichtung an das Max-Bürger-Zentrum gGmbH, das 2002 zu den Einrichtungen der “Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH” überging.
Seit Januar 2005 ist der gemeinnützige Verein Nachbarschaftshaus am Lietzensee e.V. Träger der Einrichtung. Im Mai 2005 wurde sie mit dem neu hinzugekommenen Selbsthilfe-Treffpunkt als Stadtteilzentrum für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf neu eröffnet.
Ich freue mich sehr, dass die Leiterin des Nachbarschaftshauses, Frau Tafel, uns eingeladen hat. Sie kann zwar heute nicht hier sein. Aber Sarah Vollmayr und Monika Przybyla sind hier, und sie werden uns ihr Nachbarschaftshaus vorstellen. Herzlichen Dank dafür.