Stolpersteine Pariser Straße 5

Hauseingang Pariser Str. 5

Die folgenden Stolpersteine wurden am 24. Februar 2020 verlegt.

Stolperstein Benno Cassirer

HIER WOHNTE
BENNO CASSIRER
JG. 1863
DEPORTIERT 24.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Benno Cassirer wurde am 9. Februar 1863 im Oberschlesischen Gleiwitz (heute polnisch Gliwice) geboren.
Ob Benno Cassirer in direkter Linie von der berühmten Familie Cassirer abstammte, die in Industrie und Technik, Medizin und Philosophie, Verlagswesen, Kunsthandel, Musik und Erziehung tätig war, lässt sich letztendlich nicht nachweisen. Der Stammvater der bekannten Cassirers, Moses Ben Loebel lebte bis zu seinem Tod 1852 in Gleiwitz und war Vater von insgesamt sieben Söhnen. Einige Nachkommen zogen ins nahe gelegene Schwientochlowitz (Świętochłowice), weitere gingen nach Breslau und Berlin. Benno Cassirer könnte ein Nachkomme in zweiter Generation sein oder aus einer Seitenlinie stammen.

Benno Cassirers persönlicher und beruflicher Werdegang bleibt im Dunkeln, da kaum Dokumente über ihn existieren. Er gab in der Vermögenserklärung, die Juden gezwungenermaßen kurz vor ihrer Deportation ausfüllen mussten an, ledig zu sein. In der Sonderkartei für Juden, die im Rahmen der Volkszählung von 1939 angelegt wurde, war Benno Cassirer in der Pariser Straße 5 gemeldet.
Sicherlich lebte er als alleinstehender Mann bei einem der Mieter des Hauses in einem Zimmer zur Untermiete. Seit 1940 wohnte er in der Düsseldorfer Straße 12 im 2. Stock im Vorderhaus zur Untermiete bei Frau Majut. Er musste für das Zimmer 41 RM Monatsmiete bezahlen, bei einer Rente aus der Angestelltenversicherung von 66 RM. Die der Vermögenserklärung beigefügte Inventarliste seiner ihm verbliebenen Habseligkeiten wies eine komplette Einrichtung eines Zimmers aus – inklusive einer Kiste mit Büromaterial, was auf Benno Cassirers Bürotätigkeit im Angestelltenverhältnis hinweist. Unter seiner Bekleidung befanden sich Gehröcke und Paletots, ein Hinweis auf besonders gepflegtes Äußeres und eine dementsprechende gesellschaftliche Stellung. Mit einem sogenannten kleinen Alterstransport, der 100 Menschen umfasste, wurde der 79jährige Benno Cassirer am 24. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Nur 2 Menschen aus diesem Transport überlebten. Zwei Monate später, am 26. September, wurden aus dem Theresienstädter Getto 2008 Menschen in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt– unter ihnen Benno Cassirer -, wo sie alle sofort ermordet wurden.

Recherche/Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
Deutschland 1933 – 1945
Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank
Sigrid Bauschinger „Die Cassirers, Unternehmer, Kunsthändler, Philosophen“

Stolperstein Otto Grünberg

HIER WOHNTE
OTTO GRÜNBERG
JG. 1890
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Otto Grünberg wurde am 28. Juni 1890 in Eydtkuhnen (Eydtkau)/Ostpreußen geboren. Seine Eltern waren der Bankier Otto Anton Grünberg (1845–1930) und Dorothea Grünberg geborene Bloch (1862–1942). Sie stammte aus
Wirballen/Ostpreußen, heute zu Litauen gehörend. Otto Anton Grünberg war ein Bankier in Königsberg, 1907 ist er im Adressbuch von Eydtkuhnen mit der Bezeichnung „ Otto Grünberg Speditions und Bankgeschäfte“ eingetragen. Er
schien auch Ländereien besessen zu haben, in einigen Dokumenten wird er als Gutsbesitzer bezeichnet. Eydtkuhnen, an der „Königlichen Ostbahn“ Berlin-Königsberg gelegen, erhielt als Grenzbahnhof Preußens zu Russland große
Bedeutung. Es ließen sich dort zahlreiche Kaufleute und Spediteure nieder, so auch Otto Anton Grünberg.
Das Ehepaar Grünberg hatte 7 Kinder. Die Eltern ließen sich am 3. Juli 1888 in Königsberg zusammen mit ihren Kindern, Olga Helene (1882-1945), Paul (1883–1933), Alexander (1885–1943) und Anton (1887–1945) protestantisch
taufen. Der 1890 geborene Otto wurde im Jahr 1891 und die Schwester Alice (1892–1941) im Jahr 1894 getauft. Über eine Taufe des jüngsten Sohn Eugen (1889–1950) gibt es keine Dokumente. Das frühe Bekenntnis zum Protestantismus hat der Familie zwischen 1933 und 1945 keine Sicherheit gebracht. Nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten galten sie als Juden. Otto, Alexander, Alice und ihre Mutter Dorothea wurden im Holocaust ermordet.

Otto und zwei seiner Geschwister zog es nach Berlin. Eugen wurde Facharzt für Inneres in Berlin Moabit, Alice Grünberg lebte bei ihrer Tante Elisabeth Zellermayer in der Bamberger Straße 18. Sie war als Stenotypistin im Büro des Pfarrers Grüber tätig. Otto Grünberg zog in die Pariser Straße 5, er blieb ledig und wohnte bei einem der anderen Mieter des Hauses zur Untermiete. Seinen Beruf gab er mit „Landwirt“ an, vielleicht hat er als Erbe die Ländereien seines Vaters in Ostpreußen verwaltet. Sein Bruder Alexander heiratete 1918 die protestantische Maria Feiser in Königsberg. Sie zogen zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Hamburg. 1942 ließen sie sich – ebenfalls in Königsberg – wieder scheiden. Das geschah sicherlich unter dem Zwang der nationalsozialistischen Rassegesetze. Otto Grünberg wurde auf Grund des „Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden“ vom April 1939 gezwungen, die Wohnung, bzw. sein Zimmer in der Pariser Straße 5 zu verlassen. Ab September 1940 wohnte er zur Untermiete bei Sontheim in der Meineckestr. 12/13.
Wenige Tage vor seiner Deportation nach Theresienstadt am 3. Oktober 1942 musste er eine „Vermögenserklärung“ gegenüber der Oberfinanzdirektion abgeben. Hierin erklärte er, bei der Schering A.G. für einen Monatslohn von 150 RM tätig gewesen zu sein, wovon er 50 RM als Miete abgeben musste. Es kann sich hierbei nur um eine Zwangsarbeit gehandelt haben. Ihm waren in seiner letzten Bleibe wenige Habseligkeiten geblieben: Ein Koffer und eine Holzkiste mit Kleidungsstücken, Wirtschafts- und Büroartikeln mit dem geschätzten Wert von 160 RM. Der Besitz eines schweren Stadtmantels, eines Ulsters, sowie eines Gehrockanzugs, einer weißen Jacke und 20 Oberhemden, die er in der Inventarliste angab, zeugten von gepflegtem Äußerem und einem gehobenen Lebensstil Otto Grünbergs in besseren Zeiten.

Am 3. Oktober 1942 wurde Otto Grünberg zusammen mit 1021 weiteren Menschen mit dem sogenannten 3. Großen Alterstransport nach Theresienstadt verschleppt. Er musste dort 2 Jahre unter den unmenschlichen Bedingungen des Gettos leben, bevor er am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich sofort nach Ankunft ermordet wurde. Von den 1022 Deportierten dieses Transports nach Theresienstadt stammten 94 aus Berlin, unter ihnen 24 Bewohner des Siechenheims in der Auguststr. 14/16.
Dorothea Grünberg, Ottos Mutter, wurde von Königsberg aus im August 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 12. Dezember 1942 ums Leben gebracht. Vielleicht ist Otto seiner Mutter im Getto noch einmal begegnet. Sein Bruder Alexander wurde am 1. März 1943 in Hamburg Winterhude verhaftet und kam am 1943 in das KZ Fuhlsbüttel. Am 22.April 1943 deportierte man ihn nach Auschwitz, wo er am 20.September 1943 ermordet wurde. Für ihn liegt in Hamburg vor dem Haus Jean–Paul–Weg 10 ein Stolperstein. Alice Grünberg, Ottos jüngere Schwester wurde am 29. November 1941 nach Riga deportiert und einen Tag darauf bei dem Massaker in Riga – Rumbula ermordet. Für sie liegt seit 2010 ein „Denkstein“ vor dem Haus Bamberger Straße 18.
Eugen Grünberg überlebte den Holocaust und starb 1950 in Völklingen.

Paul starb am 16. August 1933 in Königsberg. Antons Schicksal ist nach dem Ende des 2. Weltkrieges ungeklärt; Olgas letztes Lebenszeichen stammt von der Insel Rügen im Jahr 1945. Es wird vermutet, dass beide Geschwister auf der Flucht aus Ostpreußen ums Leben kamen.

Recherche/Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
Deutschland 1933 – 1945
Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank
Regina Scheer: „AHAWAH Das vergessene Haus“ Spurensuche in der Berliner Auguststraße
http://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?&MAIN_ID=7&p=80&BIO_ID=3769
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-denbezirk/ geschichte/stolpersteine/denksteine/artikel.233826.php geschichte/stolpersteine/denksteine/artikel.233826.php

Stolperstein Lina Grünthal

HIER WOHNTE
LINA GRÜNTHAL
GEB. LINDNER
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Lina Lindner wurde am 11. August 1882 im bayrischen Schnaittach geboren. Ihr Vater hieß Emanuel Lindner, ihre Mutter war Maria Lindner geborene Oppenheimer. Lina hatte vermutlich einen 6 Jahre älteren Bruder, Julius Lindner, er war Metzger in Nürnberg. Lina heiratete am 1. März 1906 in Nürnberg den Kaufmann Ludwig Grünthal, Sohn von Heinrich und Julia Grünthal. In seiner Heiratsanzeige wurde er Louis genannt und so unterschrieb er auch. Im Jahr der Eheschließung waren Ludwig Grünthals Eltern bereits in Breslau verstorben. Im April 1907 wurde die Tochter Julia geboren, benannt nach ihrer Großmutter väterlicherseits. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Lina noch weitere Kinder bekommen hat, in den Nürnberger Archiven existieren außer Julias keine anderen Geburtsanzeigen.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zogen Lina und Ludwig mit der kleinen Julia nach Berlin. Ludwig Grünthal ist erstmals 1918 in den Berliner Adressbüchern erwähnt. Er betrieb seit 1918 eine Agentur für Lebensmittel, Weine und Spirituosen und bezeichnete sich ab 1932 als Werbefachmann. Die Familie wohnte in der Kreuzberger Schmidstraße 4.
Lina und Ludwig Grünthal schickten ihre Tochter Julia auf ein Gymnasium und ermöglichten ihr ein Studium der Zahnmedizin.
Ludwig Grünthal starb am 9. März 1936 in der St. Josephs Anstalt. Es handelte sich hierbei sehr wahrscheinlich um die „Anstalt zur Behandlung Nerven- bzw. Geisteskranker“ in Weißensee, da der Sterbefall auch im Standesamt Weißensee registriert wurde. Es war seine Tochter Julia, die die Beerdigung ihres Vaters anmeldete.

Im selben Jahr heiratete Julia den Kaufmann Rudolf Perls. Ein Jahr später verließ Lina Grünthal die Wohnung in der Schmidstraße. Julia und Rudolf Perls hatten eine große Wohnung in der Pariser Straße 5 gemietet und nahmen Lina bei sich auf.

Zusammen mit Tochter, Schwiegersohn und dem 1938 geborenen Enkel Peter wurde Lina Grünthal am 2. März 1943 mit dem sogenannten 32. Osttransport (er umfasste 1758 Menschen) nach Auschwitz deportiert und vermutlich sofort nach Ankunft ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
Deutschland 1933 – 1945
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank
hu-berlin.: Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930 – 1945
Stadtarchiv Nürnberg

Stolperstein Rudolf Hans Perls

HIER WOHNTE
RUDOLF HANS PERLS
JG. 1904
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Rudolf Hans Perls wurde am 17. Oktober 1904 in Berlin geboren. Sein Vater war der Kaufmann Hugo Perls, seine Mutter war Nanny Perls geborene Kochmann. Hugo Perls betrieb zusammen mit seinem Bruder Benno in der Stralauer Allee eine Nutzholzhandlung. Rudolf kam in der Kreuzberger Wohnung des Ehepaares in der Falkensteinstraße 45 auf die Welt. Ein Jahr später zog die Familie in die nahe gelegene Schlesische Straße 20.
Hugo Perls starb am 6. Januar 1918 im Alter von 43 Jahren in der „Privatklinik für Chirurgie des Prof. Karewski“, Meineckestraße 10. Am 11. Januar wurde er auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beerdigt. Zu der Zeit wohnte die Familie Perls in Charlottenburg in der Leibnizstraße 46.
Wie sein Vater erlernte auch Rudolf den Beruf eines Kaufmanns und war als Handelsvertreter tätig. In die Firma seines Vaters konnte er nicht mehr einsteigen. Benno Perls hatte nach dem Tod seines Bruders den Holzhandel aufgegeben und war nach Charlottenburg gezogen. Die Firma wurde 1938 liquidiert.

Nanny Perls starb am 12. Mai 1933 und wurde an der Seite ihres Mannes in Weißensee beigesetzt. Rudolf gab daraufhin die Wohnung in der Leibnizstraße auf und war vorübergehend bis zu seiner Eheschließung in der Eisenacher Straße 89 gemeldet. Wann und wo Rudolf Perls seine spätere Ehefrau, die Zahnärztin Dr. Julia Grünthal, kennenlernte ist nicht bekannt. Vielleicht führte eine Zahnbehandlung das Paar zusammen. Rudolf und Julia heirateten 1936 und bezogen eine große Wohnung in 2. Stock des Vorderhauses mit angeschlossenen Praxisräumen in der Pariser Straße 5.
In der Wohnung lebte auch seine Schwiegermutter Lina Grünthal. Am 1.Februar 1938 kam Rudolfs Sohn Peter im Jüdischen Krankenhaus im Wedding auf die Welt. Er hatte nur fünf kurze Jahre zu leben. Vermutlich war Rudolf nach den Novemberpogromen 1938 die berufliche Existenz genommen und er musste wohl Zwangsarbeit leisten. Seiner Frau Julia
war bereits ab Juli 1938 die Berufsbezeichnung Zahnärztin aberkannt worden, sie galt fortan als Zahnkrankenheilerin und durfte nur noch Juden behandeln.

Rudolf Perls, seine Frau Julia, der Sohn Peter und seine Schwiegermutter Lina Grünthal wurden am 2. März 1943 nach Auschwitz deportiert. Es war der 3. Großtransport nach der „Fabrikaktion“. Am 27. Februar hatten SS und Gestapo begonnen, jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus den Fabriken zu holen und in Sammellager zu bringen. Alle im Laufe der „Fabrikaktion“ Verhafteten wurden in das KZ Auschwitz deportiert. Nach der Selektion in Birkenau wurden von den 1756 Deportierten 535 Männer und 45 Frauen in das Lager eingewiesen. Die übrigen Menschen wurden sofort nach Ankunft in den Gaskammern ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
Deutschland 1933 – 1945
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank

Stolperstein Dr. Julia Perls

HIER WOHNTE
DR. JULIA PERLS
GEB. GRÜNTHAL
JG. 1907
BERUFSVERBOT 1939
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN AUSCHWITZ

Julia Perls geb. Grünthal kam am 16. April 1907 in Nürnberg auf die Welt. Ihre Mutter war Lina Grünthal geborene Lindner, geboren am 11. August 1882 im bayrischen Schnaittach. Julias Vater – Linas Ehemann – hieß Ludwig (Louis) Grünthal. Am 1. März 1906 hatten ihre Eltern geheiratet und ein Jahr später wurde Julia geboren. Sie hatte keine Geschwister.
Die Familie Grünthal zog zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt nach Berlin. Sie wohnten in der Kreuzberger Schmidstraße 4, wo der Vater seit 1918 eine Agentur in der Lebensmittelbranche innehatte. Die Eltern ermöglichten ihr den Besuch des Gymnasiums und das Studium der Zahnmedizin. Ab 1935 war sie in den Berliner Adressbüchern unter der Anschrift Schmidstraße 4 als Zahnärztin verzeichnet. Julias Vater verstarb 1936.
Julia lernte alsbald den Kaufmann und Handelsvertreter Rudolf Perls kennen. Die Beiden heirateten 1936 und zogen in die Wohnung Pariser Str.5. Die Wohnung lag im Vorderhaus in der 2. Etage, wo sich auch die Räume ihrer Zahnarztpraxis befanden. Ihre Mutter Lina Grünthal blieb noch bis 1937 als Witwe in der Schmidstraße wohnen, zog dann aber zu ihrer Tochter nach Wilmersdorf.
Im Juli 1938 wurde Julia die Berufsbezeichnung „Zahnärztin“ aberkannt und sie durfte sich von nun an nur noch Krankenheilerin nennen und jüdische Patienten behandeln.
Am 1. Februar 1938 brachte sie im Jüdischen Krankenhaus im Wedding den Sohn Peter Hans auf die Welt. Er wurde nur fünf Jahre alt.
Am 2. März 1943 wurde die gesamte Familie, das Ehepaar Julia und Rudolf Perls, ihr kleiner Sohn Peter und Julias Mutter Lina Grünthal mit dem sogenannten 32. Osttransport (er umfasste 1758 Menschen) nach Auschwitz deportiert.

Stolperstein Peter Hans Perls

HIER WOHNTE
PETER HANS PERLS
JG. 1938
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in
Deutschland 1933 – 1945
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank
Stadtarchiv Nürnberg