Stolpersteine Wilmersdorfer Straße 28, Ecke Zillestraße

Hauseingang Wilmersdorfer Straße 28

Diese Stolpersteine wurden am 18. Juni 2018 vom Künstler Gunter Demnig verlegt und von Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses Wilmersdorfer Straße 28 gespendet.

Das Ehepaar Friedenstein wohnte seit 1915 in der Wilmersdorfer Straße, zunächst kurzzeitig in der Nr. 22, von 1917 bis 1943 waren die Friedensteins in der Wilmersdorfer Straße 28 gemeldet.

Stolperstein Gustav Philipp Friedenstein

HIER WOHNTE
GUSTAV PHILIPP FRIEDENSTEIN
JG. 1871
DEPORTIERT 26.1.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 18.3.1943

Stolperstein Else Friedenstein

HIER WOHNTE
ELSE FRIEDENSTEIN
GEB. HEILBORN
JG. 1876
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Eine Straßenbahn in der Wilmersdorfer Straße in 1929

Die Wilmersdorfer Straße in 1929.

Gustav Philipp Friedenstein wurde am 14. Juni 1871 in Breslau geboren. Er heiratete Else Heilborn, die am 5. Oktober 1876 in Berlin-Spandau geboren wurde. Das Hochzeitsdatum ist nicht bekannt. Vermutlich blieben sie kinderlos. Sie entstammten Familien, die auch schon vorher verbunden waren, denn auch der Geburtsname von Gustavs Mutter Cäcilie lautete Heilborn.

Gustav Friedenstein war Textilkaufmann in Charlottenburg. Es war Inhaber von Geschäften für Herren- und Knabenoberbekleidung in der Scharrenstraße 32 (heute Schustehrusstraße), in der Spreestraße 48 (heute Wintersteinstraße) und später eines Herrenmodenvertriebes, zunächst in der Berliner Straße 112 (heute Otto-Suhr-Allee) und in der Wilmersdorfer Str. 22. Der letzte Eintrag zu ihm als Teilhaber eines Tuchversands findet sich 1939 im Berliner Adressbuch.

Wann genau die Friedensteins aus ihrer Wohnung vertrieben wurden, ist unklar. Noch 1943 stehen sie im Melderegister. Es ist aber zu vermuten, dass dies bereits im Oktober 1942 geschah, da die Einziehung ihres Vermögens zu dieser Zeit verfügt wurde. Gewöhnlich wurden Ehepaare gemeinsam deportiert, bei Gustav und Else Friedenstein war das anders. Gustav musste sich in der Gerlachstraße 18-21, Berlin-Mitte, und Else in der Großen Hamburger Straße, Berlin-Mitte, melden. Diese beiden jüdischen Altersheime waren von den Nazis geschlossen und als Sammellager für jüdischen Menschen aus ganz Berlin vor deren Deportation missbraucht worden.

Nach der „Vermögenserklärung“, die alle Juden vor der Deportation abgeben mussten, besaßen die Friedensteins nichts: Die erhaltene „Inventarliste“ weist nur leere oder durchgestrichene Seiten auf. Und auch die Verfügung der Gestapo vom 1.10. 1942 über die Einziehung des Vermögens von Else Friedenstein, die ihr am 11.1.1943 im Sammellager Große Hamburger Straße ausgehändigt wurde – also einen Tag vor ihrer Deportation – nennt keinen Wert des konfiszierten Vermögens.

Verfügung der Gestapo bezüglich Familie Friedenstein

Die Verfügung der Gestapo vom 11.01.1943 bezüglich Familie Friedenstein

Es ist also nicht mehr festzustellen, was mit der Wohnungseinrichtung, die es auf jeden Fall gegeben haben muss, und möglichen anderen Vermögenswerten geschah. Sollten sich Vermieter, Nachbarn, die Gestapo oder wer auch immer bereits 1942 bei der Ausweisung der Friedensteins aus ihrer Wohnung „bedient“ haben? Vieles ist vorstellbar, derzeit aber nichts zu belegen.

Aber die BEWAG hat am 15. Februar 1943 – also nach der Deportation des Ehepaares Friedenstein – korrekt angezeigt, dass „der frühere Abnehmer“ Else Sara Friedenstein 7,49 Mark zu viel an Stromkosten gezahlt hatte und diese am 4. Mai 1943 an die Oberfinanzkasse überwiesen.

Gustav wurde am 26.01.1943 mit dem sogenannten „82. Alterstransport“ mit weiteren 99 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Theresienstadt deportiert. Von den 100 Personen, die vom Anhalter Bahnhof aus deportiert wurden, haben 81 nicht überlebt. Gustav Friedenstein wurde am 18. März 1943 ermordet.

Else Friedenstein wurde am 12.01.1943 mit dem sogenanntn „26. Osttransport“ zusammen mit 1195 weiteren Personen vom Güterbahnhof Moabit in der Putlitzstraße nach Auschwitz deportiert, ihr Todesdatum ist unbekannt. Vermutlich wurde sie unmittelbar nach Ankunft in der Gaskammer ermordet.

Gustav Friedenstein wurde 71 Jahre, seine Frau Else 66 Jahre alt.

Laut der „Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich“ hatte Gustav zwei Brüder, Hermann und Ernst, Else hatte demnach keine Geschwister. Die Datenbank von Yad Vashem weist aber unter den Namen Friedenstein und Heilborn zahlreiche Ermordete aus, die aufgrund der Geburtsjahre und mit Bezug zu den Geburtsorten Berlin und Breslau nahe Verwandte sein könnten: Geschwister, Schwägerin oder Schwager, Cousine oder Cousin. Offensichtlich ist eine weit verzweigte Familie ausgelöscht worden.

Recherche und Text: Brigitte Deja

Quellen:

  • Minderheiten-Volkszählung vom 17.5.1939
  • Berliner Adressbücher
  • Akte Nr. Rep. 36A II, Nr. 10198 des Oberfinanzpräsidenten Berlin im Brandenburgischen Landeshauptarchiv, Potsdam-Golm
  • Opferdatenbank Yad Vashem
  • Gedenkbuch: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Bundesarchiv
  • Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich, Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e.V.
  • Meldeblätter der Häuser Wilmersdorfer Straße 22 und 28, Archiv des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf Villa Oppenheim