Stolpersteine Zikadenweg 78

Zikadenweg 78

Mitglieder des Siedlervereins Eichkamp e.V., Abiturienten der Wald-Oberschule und Schülerinnen der Rudolf-Steiner-Schule haben 2008 eine Stolperstein-Initiative Eichkamp gegründet und an Recherchen über 31 Eichkamper mitgewirkt, die wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden. Die meisten von ihnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. Für 27 von ihnen wurden Stolpersteine verlegt, für drei weitere nicht, weil sich die Nachfahren dagegen aussprachen. Weitere Informationen zu den Stolpersteinen in Eichkamp finden Sie auf der Website der Siedlung Eichkamp.

Diese Stolpersteine wurden am 07.09.2017 verlegt.

Stolperstein Alfred Samek

HIER WOHNTE
ALFRED SAMEK
JG. 1878
FLUCHT 1939 KROATIEN
DEPORTIERT
JASENOVAC
ERMORDET 1941

Stolperstein Jeanne Samek

HIER WOHNTE
JEANNE SAMEK
GEB. CITROEN
JG. 1889
FLUCHT 1939 KROATIEN
DEPORTIERT
DAKOVO
ERMORDET

Stolperstein Günther Samek

HIER WOHNTE
GÜNTHER SAMEK
JG.1914
FLUCHT 1939 KROATIEN
DEPORTIERT
SAJMISTE / BELGRAD
ERMORDET

Stolperstein Rudolf Samek

HIER WOHNTE
RUDOLF SAMEK
JG. 1915
FLUCHT 1939 KROATIEN
DEPORTIERT
SAJMISTE / BELGRAD
ERMORDET 1941

Stolpersteine Samek

Alfred Samek, geb. am 7.2.1878, in Koprivnica/Kroatien, kam 1907mit 29 Jahren nach Deutschland. 1912/13 erhielt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Laut ZLB (Adressbücher) war er seit 1923 Mitinhaber der Wesam-Werke – Weiss&Samek AG Berlin Wilmersdorf, Babelsberger Str. 41. Dies war eine Metallwarenfabrik, Stanzerei, Dreherei, Anfertigung von kunstgewerblichen Metallarbeiten, später auch Fabrikation von Beleuchtungskörpern. Die Recherche im Bundesarchiv ergab, dass die Fabrikation 1930 vermutlich im Rahmen der Weltwirtschaftskrise eingestellt, der Grundbesitz 1937 verkauft wurde. Im ZLB steht von 1938-40 Alfred Samek & Co, als Fabrikant, Bauklempnerei in der Maikowskistr. 50 verzeichnet. (heute Zillestr.)

Seine Frau Jeanne, geb.Citroen, am 28.11.1889 in Berlin, war orthopädische Turnlehrerin und seit 1936 Heilgymnastin.

bq. Jeanne Samek bot in ihrem Haus Gymnastikkurse an, die zumindest bis 1934 von nicht jüdischen und jüdischen Kindern besucht wurden. Die Eindrücke von der “Turnstunde” bei Jeanne Samek sind allerdings verblasst. Eine ehemalige Siedlungsbewohnerin erinnerte sich nur, dass sie dort “auf Stoff-Knieschützern herumrutschte”.
(S. 204, Manuela Goos & Brigitte Heyde: Eichkamp – Eine Siedlung am Rande mitten in Berlin. Hrsg. Siedlerverein Eichkamp e. V. 1999).

Von der jüdischen Gemeinde war zu erfahren, dass Ihr Vater Abraham Citroen (*1848 in Amsterdam) Kaufmann war. Er wohnte in Berlin-Schöneberg, starb1928, wurde auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee beigesetzt. Die Beerdigung meldete der Sohn Barend Citroen, Kaufmann, Sybelstr. 63 an. Ihre Mutter Martha Citroen geb. Goldstein (*1859 in Zerbst/Anhalt) starb1934 in Berlin, Kurfürstendamm 73, Pension Rheinland. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee neben ihrem Ehemann beigesetzt. Auch hier meldete der Sohn die Beerdigung an.

Geburtsanzeigen Günther und Rudolf Samek

Geburtsanzeigen Günther und Rudolf Samek

Die Familie mit den Söhnen Günther, geb. am 31.7.1914, und Rudolf, geb. am 4.12.1915, bewohnte seit Beginn der Siedlung Eichkamp/Charlottenburg 1927 eine große Doppelhaushälfte. Die Söhne waren damals 13 und 12 Jahre alt und werden eines der umliegenden Gymnasien besucht haben.

1932 führte der Rechtsanwalt Dr. Otto Kirchheimer, geb. am 11.11.1905 in Heilbronn, bis zu seinem, Berufsverbot (13.7.1933), seine Praxis im Haus Zikadenweg 78. Er flüchtete im Juni 1933 zusammen mit seiner Frau Hilde Rosenfeld, der Tochter des bekannten Rechtsanwalts Kurt Rosenfeld, der um die Ecke im Lärchenweg 28 wohnte, nach Paris, dann 1937 in die USA (Anwälte ohne Recht, S.156).

bq. Im April 1934 nahm das Ehepaar Samek eine bauliche Veränderung an ihrem Haus vor, die zu einer Wohnungsteilung führte. Versuchten sie durch Untervermietung ihr Einkommen aufzubessern? (S. 204, Goos/Heyde s.o.)

1939 flüchtete die Familie mit den 24 und 25 j.Söhnen (Ingenieure) nach Zagreb/Kroatien. Von Jeanne Samek gibt es in Zagreb eine Adresse, zur Untermiete in der Livadiveva ul.37, bei Salomon.
Nach Auskunft beim KZ Jasenovac in Kroatien sind Alfred, Jeanne und Rudolf 1941 dorthin deportiert worden. Günther wurde 1941 ins KZ Sajmiste bei Belgrad/Serbien deportiert.
Alfred Samek war 63 Jahre und sein Sohn Rudolf 26 Jahre, als sie im KZ Jasenovac ermordet wurden. Jeanne Samek wurde noch ins KZ Dakovo (für Frauen und Kinder) deportiert, wo sie im Alter von 53 Jahren 1942 starb. Der Sohn Günther war 27 Jahre, als er 1941 im KZ Sajmiste bei Belgrad ermordet wurde.
Die ganze Familie wurde Opfer der kroatisch-faschistischen Ustascha.

Alexander Samek, (geb. am 28.10.1887) der Bruder von Alfred Samek, hatte 1953 als Überlebender in Yadvashem für Jeanne Samek und die beiden Söhne Gedenkblätter verfasst. Er wanderte wohl nach Australien aus. Ob Alfred Samek zunächst überlebt hatte, konnte nicht geklärt werden.

Max Citroen (geb. am 3.9.1887), der Bruder von Jeanne, hat als einziger Wiedergutmachung beantragt. In den Unterlagen schreibt er von verzweifelten Briefen seiner Schwester Jeanne, dass sie ausreist nach Jugoslawien, Alfred noch nicht, um eine Beschlagnahmung des Besitzes zu verhindern. Max Citroen war Kürschner in Bordeaux. Er listete auf, dass die Wohnung eine Bibliothek, Stilmöbel und Kunstgegenstände enthielt, was alles unter Wert verkauft werden musste. Max Citroen starb am 1965 noch im Laufe des Verfahrens. Eine Wiedergutmachung wurde im März 1967 abgelehnt, da die Familie 1939 “geordnet ausgewandert” sei. Seine Ehefrau erhielt die Ablehnung der Wiedergutmachung 2 Jahre nach seinem Tod.

Fassungslos liest man, dass sich bis 1973 ein Rechtsstreit zwischen den nachfolgenden Eigentümern des Hauses Zikadenwegs 78 und der JRSO (Jüdische Restitutionsnachfolger Organisation) für geleistete Renovierungen hinzog. Die JRSO klagte auf mehr als das 1939 für das Haus bezahlte Geld. Die neuen Eigentümer führten an, dass Familie Samek keine “Kollektivverfolgten” waren, da sie 1939 “freiwillig” nach Jugoslawien zogen. Für die Differenz zur niedrigeren Kaufsumme gab die Eigentümerin alle Renovierungs-Rechnungen an.

Der vier Jahre ältere Bruder von Jeanne Samek, Barend Citroen, der die Beerdigung für die Eltern veranlasst hatte, flüchtete nach Amsterdam, wurde von dort mit seiner Frau Klara nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die Stolpersteine für die Familie Samek wurden von den jetzigen Hauseigentümern und den Nachbarn finanziert.

Quellen: Archiv für Wiedergutmachung: Akte Nr. 222.026, OFP-Akten LA Potsdam: 05210/6622/43, M30, LA Berlin und Bundesarchiv, Yadvashem.org

Stolperstein-Initiative Eichkamp/Charlottenburg
www.siedlung-eichkamp.de/stolpersteine
stolpersteine@siedlung-eichkamp.de