Stolperstein Kantstraße 128

Hausansicht Kantstr. 128

Der Stolperstein für Selma Grünebaum wurde am 14.4.2015 auf Wunsch eines damals jugendlichen Hausbewohners, der sie noch kannte, verlegt. Zum Gedenken an die ganze Familie sind weitere Stolpersteine geplant.

Stolperstein Selma Grünebaum

HIER WOHNTE
SELMA GRÜNEBAUM
GEB. GRÜNSTEIN
JG. 1884
DEPORTIERT 30.7.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Selma Grünebaum geb. Grünstein wurde am 20. August 1884 in Gotha (Thüringen) geboren. Sie wohnte mit ihrem Mann Ferdinand und zwei Töchtern in der Kantstraße 128. Wo einst das Vorderhaus stand, befindet sich heute ein Autohandel. Das Hinterhaus ist vorhanden und von der Straße aus sichtbar. In dem Gebäude lebten 1939 noch 18 jüdische Menschen, sechs Familien und zwei Alleinstehende, darunter sechs junge Menschen unter 20. Grünebaums hatten drei Untermieter: Eugen und Paula Kobylinski geb. Praeger und Magda Dobrin.

Ferdinand Grünebaum, geboren am 14. Oktober 1875 in Dreieichenhain (Hessen), war Lederhändler. Von Selma Grünebaum ist nur bekannt, dass sie vor ihrer Deportation Zwangsarbeit bei einer Firma in Reinickendorf leisten musste.

Ferdinand und Selma Grünebaum wurden am 30. Juli 1942 vom Anhalter Bahnhof in einem von zwei an einen fahrplanmäßigen Zug Berlin-Prag angehängten Personenwagen mit 100 Menschen nach Theresienstadt deportiert. Beide sind am 26. September 1942 nach Treblinka weiterdeportiert und dort ermordet worden. Von den 100 Menschen, die mit ihnen aus Berlin verschleppt wurden, sind 95 ums Leben gekommen, nur fünf haben die Befreiung miterlebt, soweit aus der Theresienstadt-Datei bekannt ist.

Das Ehepaar Kobylinski wurde am gleichen Tag mit demselben Zug wie Grünebaums – wie auch einige Menschen aus Nachbarhäusern, die sich vermutlich kannten – ins Ghetto Theresienstadt deportiert, Magda Dobrin, geboren am 7. September 1902, musste die leere Wohnung verlassen und zunächst in die Dahlmannstraße 2 zwangsumziehen, sie ist dann am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert worden.

Die Töchter der Grünebaums konnten vor 1939 in die USA flüchten. Eine der beiden hat in den 1960er Jahren Entschädigungszahlungen beantragt, damit endet die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam aufbewahrte Akte.

Die Akte belegt, dass sich die Finanzverwaltung intensiv damit beschäftigt hat, das restliche Vermögen des Ehepaars Grünebaum zu “verwerten”, das waren nicht ganz 150 Reichsmark für die paar Möbel, die sich noch in der Wohnung befanden, alles andere hatte die Familie schon vorher veräußern müssen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Wohnung wurde von einem Legationsrat des Auswärtigen Amts übernommen, der sich in einem ausführlichen Briefwechsel intensiv damit befasste, im Streit mit dem Hauseigentümer möglichst wenig für die folgende Renovierung zu bezahlen.

Recherchen und Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf.
Quellen: Bundesarchiv; Brandenburgisches Landeshauptarchiv; Einwohnermelderegister 1939; Deportationslisten