Stolperstein Wundtstraße 17

Hauseingang Wundtstr. 17

Hauseingang Wundtstr. 17

Dieser am 15.April 2014 verlegte Stolperstein wurde von Andreas Kuhn aus der Wundtstraße 8 gespendet.

Stolperstein Annemarie Pelteson, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Annemarie Pelteson

HIER WOHNTE
ANNEMARIE
PELTESON
JG. 1910
DEPORTIERT 2.4.1942
WARSCHAU
ERMORDET

Annemarie Cäcilie Pelteson kam am 23. Juni 1910 in Berlin als Tochter des Direktors Arthur Abraham Pelteson und seiner Frau Margarete Gertrud Elsa, geborene Hammer zur Welt. Arthur Abraham Pelteson war 1872 in Dresden geboren. Seine Eltern waren der Fabrikbesitzer Eduard Pelteson (1840 – 1931) und seine Frau Cäcilie geborene Gotthilf (1851 – 1907).

Annemaries Eltern hatten in Dresden geheiratet und ihr erstes Kind, Hildegard Margarete, war 1899 in Dresden geboren und 1900 gestorben. Dann kam ihr Bruder Günther Arthur 1902 auch in Dresden auf die Welt und schließlich Annemarie Cäcilie 1910 schon in Berlin. 1926 starb ihre Mutter, im selben Jahr heiratete ihr Vater die Witwe Klara Claire Fischel geborene Arndt. Sie war am 7. Mai 1881 geboren worden und brachte 2 Kinder mit in die Ehe: Heinz-Werner und Ellen.
Arthur Pelteson war Geschäftsführer der Erdmannsdorfer Möbelvertriebs GmbH mit Sitz in der Schadowstraße 1a und Geschäftsführer bei einer Albert Hoffmann GmbH mit Sitz in der Friedrichstraße. Die Familie lebte ab Mitte der 1920er- Jahre in Westend, in der Kastanienallee 23 und war vermutlich wohlhabend.

Annemarie besuchte 3 Jahre eine Privatschule und 6 Jahre ein Lyceum. Danach war sie als Stenotypistin mit fremdsprachlichen Kenntnissen tätig, so u.a. im Lindström-Konzern. Auch arbeitete sie als Verkäuferin. Von 1934 bis 1938 war sie selbstständig, sie handelte mit Konfitüren. Als ihr auch diese Tätigkeit unmöglich wurde, arbeitete sie als Hausangestellte bei der Familie Klein in Friedenau, Ortrudstraße 2.

1937 wohnte sie unter der Anschrift Kaiserdamm 115, mit dem Zusatz: Konfitüren, 1938 dann in der Wundtstraße 17 rechts bei Wolff, nämlich bei der nichtjüdischen Anny Wolff mit ihrem „halbjüdischen“ Sohn Herbert Wolff. Bei Wolff lebte auch das jüdische Paar Emmy und Max Freund. Später zog Annemarie in die Riehlstraße 13 zu Gertrud Calmon.

Annemarie hatte sich mit einer Familie Mayer angefreundet, deren Sohn auswandern wollte. Sie war dabei behilflich, auch nachdem der Vater dieser Familie starb. Es kam infolge des engen Kontakts aber zu Unstimmigkeiten, die auf Seiten von Annemarie Pelteson dazu führten, dass sie Frau Mayer in 3 Briefen unter falschem Namen bezichtigte, defaitistische bzw. staatsfeindliche Reden geschwungen zu haben. Der letzte dieser Briefe wurde am 10. Januar 1941 geschrieben, am 23. Januar 1941 befand sich Annemarie Pelteson bereits in Untersuchungshaft. Sie wurde angeklagt wegen falscher Anschuldigung, Amtsanmaßung, Beleidigung und schwerer Urkundenfälschung. Während der Untersuchungshaft erhielt sie mehrfach Besuch von ihrer Stiefmutter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Berlin am 24. März 1941 soll sie die Vorwürfe eingeräumt haben. Sie wurde wegen der falschen Anschuldigung in Tateinheit mit Beleidigung und schwerer Urkundenfälschung zu 1 Jahr und 2 Monaten Strafhaft verurteilt, wegen der anderen Anklagepunkte wurde sie freigesprochen. Die 2 Monate Untersuchungshaft wurden ihr angerechnet. Am 21. April 1941 wurde sie von Berlin nach Leipzig in das Frauenstrafgefängnis Leipzig – Kleinmeusdorf eingeliefert.
Dort erfolgte eine ärztliche Eingangsuntersuchung, der wir entnehmen können, dass Annemarie Pelteson damals 172 cm groß war, 62 kg wog, gut hörte, aber schlecht sah. Sie hatte rotblonde Haare und litt an einer Bronchitis.

Einige ihrer persönlichen Gegenstände wurden in Verwahrung genommen, so ein schwarzer Filzhut, ein grüner Wollmantel mit braunem Pelzkragen (mit Mottenlöchern), ein dunkelblaues Kleid, ein Paar schwarze Pumps, diverse Unterwäsche usw., während persönliche Dinge wie Zahnbürste bei ihr verblieben. Während der Verbüßung der Strafhaft kam es zu einer Hausstrafe wegen ordnungswidrigem Verhalten und Eigenmächtigkeit, verhängt wurde Strafkost an drei Sonntagen. Es ging wohl darum dass Annemarie sich Brot von einer anderen Mitgefangenen genommen haben sollte, Annemarie führte dies auf ein Missverständnis zurück. Annemarie Pelteson arbeitete während der Haftzeit an mehreren Arbeitsstellen innerhalb der Haftanstalt. Als festgestellt wurde, dass sie schlecht sehen konnte, erhielt sie eine Brille. Ein von ihr gestelltes Gnadengesuch wurde abschlägig beschieden: sie sei “eine aufdringliche, laute und nicht ehrliche Person, die auf ihren eigenen Vorteil bedacht sei”. Sie erhielt Besuch von einer jüdischen Fürsorgerin, angeblich um sie in Sachen Auswanderung zu beraten.
Am 26. März 1942 wurde sie nach Berlin in das für sie zuständige Polizeirevier entlassen, allerdings unter Bezugnahme auf einen Haftbefehl, von dem schon bei ihrer Einlieferung im April 1941 die Rede war. Damals hatte schon die Polizei um Rückführung nach Strafverbüßung aufgefordert. Danach ist ihr Verbleib zunächst unklar. Jedenfalls wurde sie am 2. April 1942 in das Ghetto Warschau deportiert. Ihre Stiefmutter erkundigte sich im Leipziger Gefängnis nach ihrem Verbleib, sie erhielt nur den Hinweis auf das zuständige Polizeirevier.

Von Annemarie Pelteson ist keine Vermögenserklärung überliefert, ihr „Vermögen” wurde eingezogen, auf der Liste der Deportierten nach Warschau stand sie unter Nr. 7808 auf Bl. 2. Ihr Todesdatum ist unbekannt.

Ihre Eltern mussten 1937 aus der Kastanienallee ausziehen und zunächst in die Eisenzahnstraße ziehen, 1939 dann in die Bregenzer Straße 15. Am 4. Juli 1941 starb ihr Vater in dem zu einem Sammellager umfunktionierten Jüdischen Alters- und Siechenheim in der Auguststraße 14/15. Ihre Stiefmutter musste noch mehrmals umziehen, zuletzt in die Motzstraße 86, von dort wurde Claire Klara Pelteson am 19. November 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 9. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Annemaries Bruder Günther Arthur hatte den 2. Weltkrieg überlebt, wie ist unklar. Anfang der 1950er- Jahre überquerte er mit seiner Frau Eva mehrfach per Schiff den Atlantik. Er soll Tourismusberater gewesen sein. Er starb 1952.

Annemaries Cousin Johannes Pelteson und seine Mutter Hedwig, geb. Oppenheimer, Witwe von Arthurs Bruder Max, die seit 1939 am Kaiserdamm 103-104 lebten – bis Januar 1943 offiziell, danach illegal – wurden am 29. Oktober 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Recherche und Text: Angelika Hermes

Quellen:

Berliner Adressbuch
Ancestry
Staatsarchiv Leipzig, Strafanstalt Leipzig-Kleinmeusdorf, Nr. 20034
Gedenkbuch Bundesarchiv

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