Stolperstein Aschaffenburger Str. 23

Hauseingang Aschaffenburger Str. 23, Foto: H-J. Hupka, 2014

Hauseingang Aschaffenburger Str. 23, Foto: H-J. Hupka, 2014

Dieser von Susette Freunds Enkel Rodney S. Martel (USA) gespendete Stolperstein wurde am 21. März 2014 verlegt

Stolperstein Susette Freund, Foto:H.-J. Hupka, 2014

Stolperstein Susette Freund

HIER WOHNTE
SUSETTE FREUND
GEB. LIEPMANNSSOHN
JG. 1890
VERHAFTET
RAVENSBRÜCK
“VERLEGT“ 1942
BERNBURG
ERMORDET 12.3.1942

Here resided
SUSETTE FREUND
née Liepmannssohn
born 1890
imprisoned
Ravensbrueck
“transported” 1942
Bernburg
murdered 12. March 1942

Susette Freund, geb. Liepmannssohn (Privatbesitz) Susette Freund, née Liepmannssohn (Private property)

Susette Freund, geb. Liepmannssohn (Privatbesitz) Susette Freund, née Liepmannssohn (Private property)

Susette Freund , geb. Liepmannssohn, wurde als Tochter der Eheleute Leonhard (Leo) Liepmannssohn (1840-1915) und Hedwig Pieck (1852-1919) am 4. Juli 1890 in Berlin geboren. Ihr Vater Leo war ein bekannter Musik-Antiquar, der vornehmlich mit seltenen Manuskripten und Autographen der bekanntesten Komponisten handelte und selbst ein versierter Pianist gewesen ist. Susette, ein Einzelkind, begleitete ihren Vater oft auf dessen Reisen auf der Suche nach solchen Antiquitäten.

Susette heiratete am 8. September 1915 in Berlin den Kameramann / Regisseur Karl Freund (1890-1969). Aus dieser Ehe ging eine Tochter Gerda Maria hervor, geboren am 5. November 1916. Karl und Susette ließen sich am 5. Januar 1920 scheiden. Karl Freund siedelte schließlich nach Kalifornien um, um dort seine Filmkarriere fortzusetzen. Susette und Gerda blieben in Berlin und tauchten in die vibrierende Kultur der Weimarer Ära ein. Susette konzentrierte all ihre Energie auf ihre geliebte Tochter Gerda. Die beiden unternahmen viele Reisen in ganz Europa. Susette schickte ihre Tochter Gerda auf die bekannte Waldschule, zur damaligen Zeit eine einzigartige gemischte Schulform in Berlin-Charlottenburg.

Im November 1937 verabschiedete sich Susette von ihrem einzigen Kind, als Tochter Gerda zusammen mit ihrem Vater, Karl Freund, der zugestimmt hatte, seine Tochter mit sich nach Kalifornien zu nehmen, Deutschland verließ. Dieses war das letzte Mal, dass beide sich sahen. Susette kehrte nach Berlin in ihre Wohnung in der Aschaffenburger Straße 23 zurück.

Irgendwann, wahrscheinlich im Jahr 1941, und aus noch nicht bekannten Gründen, wurde Susette gezwungen, nach Berlin-Kreuzberg in die Freiligrathstraße 7 umzuziehen. Es sind nur sehr wenige Details über die Begleitumstände im Zusammenhang mit diesem Umzug bekannt. Auch nicht darüber, was anschließend geschah. Dokumente belegen, dass Susette gegen Ende 1941 oder Anfang 1942 im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert wurde. Nachfolgend wurde sie dort für “arbeitsunfähig” erklärt oder aber schlichtweg “selektiert”, weil sie eine Jüdin war. Auf Basis der damaligen “Rechtsgrundlage” der Aktion 14f13 wurde sie am 12. März 1942 in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg / Saale verlegt, wo sie in der Gaskammer, die sich in einem extra für diesen Zweck errichteten, separaten Gebäudeflügel befand, ermordet wurde.

Ihre Tochter Gerda, die 1937 aus Deutschland entkommen war, lebt 2014 im Alter von 97 Jahren in Minneapolis (USA).

Eine filmische Dokumentation, die Susette Freunds Leben würdigt, wurde 2014 von Rodney S. Martel, einem ihrer Enkel, der in Minneapolis (USA) lebt, fertiggestellt.

Text: Rodney S. Martel. Recherche und Deutsche Übersetzung: Vera Nagel

Susette Freund auf ihrem Balkon, Aschaffenburger Strasse 23, ihrer letzten frei gewählten Adresse, Juli 1940 (Privatbesitz) Susette Freund on her balcony at Aschaffenburger Strasse 23, her last freely chosen address, July 1940 (Private property)

Susette Freund auf ihrem Balkon, Aschaffenburger Strasse 23, ihrer letzten frei gewählten Adresse, Juli 1940 (Privatbesitz) Susette Freund on her balcony at Aschaffenburger Strasse 23, her last freely chosen address, July 1940 (Private property)

Susette Freund (née Liepmannssohn) was born in Berlin on 4 July 1890 to parents Leonhard (Leo) Liepmannssohn (1840-1915) and Hedwig Pieck (1852-1919). Leo was the well-known Antiquarian who dealt in rare manuscripts and autographs of the musical masters, and who himself was an accomplished pianist. Susette, being an only child, often accompanied her father on his trips in search of antiquities.
Susette married cinematographer/director Karl Freund (1890-1969) on 8 September 1915 in Berlin. The marriage produced one child, a daughter, Gerda Maria, born on 5 November 1916. Karl and Susette divorced on 5 January 1920. Karl eventually relocated to California to pursue a successful movie career. Susette and Gerda remained in Berlin, immersing themselves in the vibrant Weimar era culture. Susette focused her energies on her beloved daughter, Gerda, the two of them traveling extensively throughout today’s Europe. Susette sent Gerda to the renowned Waldschule, a unique co-educational program in Berlin- Charlottenburg.

In November, 1937, Susette said goodbye to her only child when Gerda left Germany with her father, Karl Freund, who had agreed to take his daughter to California to live. This was the last time that they ever saw one another. Susette returned to Berlin and her apartment at Aschaffenburger Strasse 23.

At some time, probably in 1941, and for unknown reasons, Susette was forced to move to Berlin-Kreuzberg, Freiligrathstrasse 7. Few details are available as to the circumstances surrounding the move and what transpired after that, but the records do show that in late 1941 or early 1942, Susette was sent to Ravensbrueck Concentration Camp and subsequently determined to be “unfit for work” or “selected” simply because she was Jewish. Under the legal authority of Action 14f13, she was transferred to the Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg / Saale on 12 March 1942, where she was murdered in a gas chamber in a separate wing of the institution built for that purpose

A documentary, honoring her life, was completed in 2014, by Rodney S. Martel, one of her grandsons.

Compiled by Rodney S. Martel. Researched by Vera Nagel

Quellen / Citations:
  • ‘Ihre Namen mögen nie vergessen werden’ – Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus
  • Gedenkbuch für die Charlottenburger Juden
  • Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
  • Gedenkbuch für die Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück 1939 – 1945
  • Bundesarchiv, div. Bestände, Bestandsrecherche 2009 und 2014
  • Berliner Adressbücher
  • Jüdischer Friedhof Berlin-Weißensee, Archivrecherche 2014
  • Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Bestandsrecherche 2010
  • Gedenkstätte für Opfer der NS-“Euthanasie” c/o Landes-Heil- und Pflegeanstalt Bernburg/Saale, Bestandsrecherche 2010
  • Archiv des United States Holocaust Memorial Museum, Washington D.C.; hier verfügbare Bestände des ITS-Arolsen, International Tracing Service. Internationaler Suchdienst in Bad Arolsen, Bestandrecherche 2011
  • Yad Vashem, The Central Database of Shoa Victims
  • Privates Familienarchiv