Stolpersteine Friedbergstraße 7

Hausansicht Friedbergstr. 7

Hausansicht Friedbergstr. 7

Diese Stolpersteine wurden am 10.11.2013 verlegt.

Stolperstein für Dr. Julius Rothholz

HIER WOHNTE
DR. JULIUS
ROTHHOLZ
JG. 1864
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
2.2.1939

Dr. Julius Rothholz stammte aus Schwersenz bei Posen. Er war am 06. Dezember 1864 geboren worden. Sein Vater war Kaufmann.

Julius Rothholz studierte Mathematik, Statistik und Nationalökonomie und promovierte sich mit einer Studie zum Fermat’schen Lehrsatz (Gießen 1892). Bis er 1898 als Statistiker in die Berliner Landesversicherungsanstalt eintrat, arbeitete er als Lehrer. In der Versicherung stieg er zum Leiter der statistischen Abteilung auf. Er veröffentlichte zahlreiche Beiträge zu statistischen Themen (z. B. „Die deutschen Juden in Zahl und Bild“, Berlin 1925). Für sein Engagement als Stadtverordneter, Waisenrat und Mitgründer des Berliner Arbeitsvermittlungs-Vereins verlieh man ihm die Rote Kreuz-Medaille und das Verdienstkreuz.

Am 16. Oktober 1898 heiratete er Martha Bloch. Im Jahr 1901 erwarben die beiden mit Marthas Mitgift das Haus Friedbergstraße 7. Das Ehepaar hatte drei Kinder – Bertha (1900–1993), Alfred (1903–1994) und Therese (1906–1943) – und vier Enkel. Alfred gelang 1939 mit Ehefrau Käthe und Tochter Luisa die Flucht nach New York, wo er, der in Deutschland Ingenieur gewesen war, als Mechaniker arbeiten musste.

Therese, ihr Mann Franz Joseph Unger und ihr Sohn Heinz Joachim wurden im Jahr 1943 in Auschwitz und Sobibor ermordet. Berthas Ehemann Max Platschek, Inhaber einer Bekleidungsfabrik, hätte anlässlich der „Reichspogromnacht“ im November 1938 in ein KZ verschleppt werden sollen. Julius Rothholz wurde jedoch von Freunden vorher gewarnt. Daraufhin verhalf er seiner Tochter Bertha, ihrem Mann und ihren beiden Söhnen Hans und Karl zur Flucht.

Um seiner Verhaftung durch die Gestapo zu entgehen, floh Dr. Julius Rothholz am 02. Februar 1939 in den Tod.

Bertha Platschek und ihre Familie indes konnten sich in Montevideo (Uruguay) ein neues Leben aufbauen. Ihr Sohn Karl machte in Venezuela und den USA Karriere als Ingenieur. Ihr Sohn Hans kehrte 1953 nach Deutschland zurück und erwarb sich einen Namen als Maler und Autor.

Verantwortlich für Recherche und Text: Gregor Strick

Stolperstein für Martha Rothholz

HIER WOHNTE
MARTHA ROTHHOLZ
GEB. BLOCH
JG. 1875
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941

Martha Rothholz stammte aus Posen. Sie war am 17. Oktober 1875 als älteste Tochter des Rabbiners und Historikers Dr. Philipp Bloch und seiner Ehefrau Luise, geb. Feust, zur Welt gekommen. Nach dem Besuch einer „Höheren Töchter-Schule“ und des Seminars legte sie das Lehrerinnenexamen ab, blieb jedoch Zeit ihres Lebens Hausfrau.

Am 16. Oktober 1898 heiratete sie Dr. Julius Rothholz. Im Jahr 1901 erwarben die beiden mit Marthas Mitgift das Haus Friedbergstraße 7. Das Ehepaar hatte drei Kinder – Bertha (1900–1993), Alfred (1903–1994) und Therese (1906–1943) – und vier Enkel. Alfred gelang 1939 mit Ehefrau Käthe und Tochter Luisa die Flucht nach New York, wo er, der in Deutschland Ingenieur gewesen war, als Mechaniker arbeiten musste.

Das nicht unbeträchtliche Vermögen der Witwe Martha Rothholz wurde beschlagnahmt und das Haus Friedbergstraße 7 enteignet. Von September ’41 an musste sie, wie so viele andere, den Judenstern tragen. Am 27. November 1941 deportierten die Nationalsozialisten Martha Rothholz zusammen mit etwa 730 weiteren Berliner Juden nach Riga. Am Morgen des 30. November 1941 wurde sie dort erschossen.

Verantwortlich für Recherche und Text: Gregor Strick

Stolperstein für Gertrud Aronsfeld

HIER WOHNTE
GERTRUD
ARONSFELD
GEB. UNGER
JG. 1889
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Gertrud Aronsfeld wurde am 16. Oktober 1889 in Schrimm an der Warthe (preuß. Provinz Posen) als ältestes Kind von Siegmund Unger und seiner Ehefrau Johanna, geb. Silberstein, geboren.

Schwester Frieda kam 1890 zur Welt, Schwester Herta 1892 und Bruder Franz Joseph 1899. Bald nach Beendigung der Schule lernte Gertrud Unger den streng religiösen Arzt und Geburtshelfer Dr. Heimann Aronsfeld (1865-1934) kennen. Nach der Heirat 1910 lebte das Ehepaar im nahen Kruschwitz, wo auch die fünf Kinder geboren wurden – zwei starben kurz nach der Geburt. Gertrud Aronsfeld widmete sich ihren Aufgaben als Mutter und Hausfrau.

Als die Provinz Posen nach 1919 dem restaurierten polnischen Staat angegliedert wurde, verlangte man von Heimann Aronsfeld, sein Doktor-Examen erneut abzulegen – nun auf Polnisch -, was er verweigerte. So verließ das Paar 1922 seine Heimat und zog mit den Kindern Eva (geb. 22.4.1916), Susi (geb.18.5.1917) und Curt (geb.18.11.1920) nach Berlin, wo beide Eltern Geschwister hatten.

Familie Aronsfeld fand keine Wohnung, konnte aber weder bei Heimanns Brüdern, Alex und David Aronsfeld, noch bei Gertruds Bruder, Franz Joseph Unger, unterkommen. Die Eltern zogen mit dem zweijährigen Curt ins Hotel, die Mädchen wurden von Freunden aufgenommen. 1924 eröffnete Dr. Aronsfeld in der Bülowstraße 31 seine Praxis, in der er mit Frau und Sohn auch wohnte. Die Töchter blieben bei den Freunden, die bald auch Curt zu sich nahmen. Dr. Aronsfeld starb am 4. Februar 1934 an Krebs und wurde nachts heimlich auf dem Gräberfeld der Adass Jisroel in Berlin-Weißensee beerdigt, da es Juden bereits damals verboten war, ihre Verstorbenen feierlich und mit Grabstein zu bestatten.

Gertrud Aronsfeld musste nun für den Lebensunterhalt sorgen. Sie eröffnete in der Clausewitzstraße 4 eine Pension mit acht Zimmern und wurde von einem nicht-jüdischen Hausmädchen unterstützt, das bei ihnen lebte. Es war Juden verboten, “arisches” weibliches Hauspersonal zu beschäftigen, wenn dem Haushalt eine männliche Person über 16 Jahren angehörte. Als Curt 16 wurde, blieb die Hausangestellte bei den Aronsfelds, denn man glaubte nicht, dass die Situation überprüft würde – ein gefährlicher Trugschluss. Frau Aronsfeld wurde von der Gestapo vorgeladen und verhört, kehrte aber nach der “Befragung” nach Hause zurück. Sie entschied, dass Curt Deutschland umgehend verlassen müsse.

Eva Aronsfeld wollte Ärztin werden, musste aber 1933 – ein Jahr vor dem Abitur – die Schule verlassen, weil sie Jüdin war. Sie arbeitete bei einer zionistischen Organisation, die die Einwanderung von Juden nach Palästina organisierte. Durch ihre “Verbindungen” konnte sie ihrem Bruder binnen 24 Stunden zur Flucht nach London verhelfen, wo er – verheiratet, aber kinderlos – im Alter von 60 Jahren verstarb. Sie selbst emigrierte im März 1939 ebenfalls nach London, wo sie unverheiratet früh starb.

Mitte 1938 überließ Gertrud Aronsfeld sechs Zimmer ihrer Pension jüdischen Nachbarn, die in demselben Haus Gästezimmer vermieteten, da sie nach England zu ihrem Sohn oder nach Schweden zu ihrer Schwester Herta emigrieren wollte. Sie wurde von beiden Ländern abgewiesen. Im April 1939 – nach der Emigration von Tochter Eva – „verkaufte“ sie den Nachbarn (die später ebenfalls deportiert wurden) ihre Pension und zog mit Tochter Susi in die Dahlmannstraße 15.

Susi Aronsfeld hatte ebenfalls die Schule verlassen müssen und arbeitete in der Palästina Treuhandstelle, die die Auswanderung von Juden nach Palästina förderte. Dort lernte sie den aus Erfurt stammenden Heinz Bluth kennen, der als Jude seine leitende Stellung in einer Bank in Berlin nicht mehr bekleiden durfte. Zusammen flohen sie am 13. Oktober 1939 aus Berlin in Richtung Palästina und kamen nach Monaten der Illegalität, Angst vor Entdeckung und Unsicherheit, ob sie jemals ihr Ziel erreichen würden, am 30. Januar 1940 in Haifa an. Kurze Zeit später heirateten sie und 1946 kam Sohn Michael zur Welt.

Gertrud Aronsfeld war nach der Emigration bzw. Flucht ihrer Kinder allein in Berlin und zog als Untermieterin zu Martha Rothholz, der Schwiegermutter ihres Bruders Franz Joseph Unger, in die Friedbergstraße 7, wo er mit Frau Therese und Sohn Heinz Joachim bereits wohnte. Nach der Deportation von Martha Rothholz im November 1941 wurde das Haus enteignet und „geräumt“. Frau Aronsfeld musste in die Dahlmannstraße 4 ziehen.

Am 21. Januar 1943 wurde Gertrud Aronsfeld zum Güterbahnhof Moabit in der Putlitzstraße getrieben und zusammen mit fast 2000 weiteren Berliner Juden mit dem „26. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Verantwortlich für Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann

Stolperstein für Franz Joseph Unger

HIER WOHNTE
FRANZ JOSEPH
UNGER
JG. 1899
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Franz Joseph Unger kam als jüngster Sohn von Siegmund Unger und seiner Frau Johanna, geb. Silberstein, am 27. April 1899 in Schrimm (preußische Provinz Posen) zur Welt. Nach Abschluss des Gymnasiums und der Maschinenbauschule in Bochum ließ er sich 1924 als Teilhaber eines Engros-Handels in Berlin nieder. Er heiratete Therese Felicia Rothholz, die als jüngstes Kind von Martha und Dr. Julius Rothholz am 23. März 1906 in Berlin geboren wurde. Am 26. September 1928 kam ihr einziges Kind, Heinz Joachim, zur Welt.

1930 machten sich Therese und Franz Joseph Unger mit Wäschereibetrieben in Charlottenburg, Leonhardtstraße 20, und in Halensee, Johann-Georgstraße 10, selbständig. Beide Geschäfte wurden in der Reichspogromnacht 1938 völlig zerstört und konnten nicht wieder eröffnet werden. Franz Joseph Unger arbeitete danach als Verkäufer bei Karstadt in Neukölln und seine Frau im Kaufhaus des Westens.

Sie wollten nach Chile oder Bolivien emigrieren und erhielten Einreisevisa. Franz Joseph Unger bezahlte den Mittelsmann mit Aktien und Devisen, die er in der für alle Juden verpflichtenden Vermögenserklärung nicht angegeben hatte. Deswegen verhaftete man ihn Anfang 1939. Das Urteil lautete: Acht Monate Gefängnis. Nach seiner Entlassung aus der Haftanstalt Plötzensee am 30. September 1939 wurde er gezwungen, im Straßenbau als Schweißer zu arbeiten und seine Frau musste Zwangsarbeit in einer Fabrik leisten.

Die Ausreise nach Bolivien oder Chile scheiterte, da beide Länder in der Zwischenzeit Einreisestopps für Juden erlassen hatten. Die Eltern entschlossen sich, ihren elfjährigen Sohn Heinz Joachim mit einem Kindertransport nach Holland zu schicken und zogen zu Thereses Ungers Mutter, Martha Rothholz, in die Friedbergstraße 7. Nach der Deportation von Martha Rothholz Ende 1941 wurde das Haus enteignet, die Wohnung „geräumt“ und die Ungers in die Spandauer Straße 17 (heute Spandauer Damm) eingewiesen.

Am 13. Januar 1943 schrieben Franz Joseph Unger und Gertrud Aronsfeld, geb. Unger, an ihre Schwester Herta Platschek in Stockholm, dass sie täglich mit ihrer Deportation rechneten. Bei der sog. „Fabrikaktion“ am 27.2.1943, als die letzten noch in Berlin lebenden etwa 11.000 Juden – vornehmlich Zwangsarbeiter in Rüstungsbetrieben aber auch bis dahin „verschonte“ jüdische Ehepartner von „Ariern“ – in einer Großrazzia von ihren Arbeitsplätzen verschleppt wurden, war auch das Ehepaar Unger unter den Opfern.
Franz Joseph Unger wurde am 3. März 1943 mit dem „33. Osttransport“ zusammen mit 1725 weiteren Menschen vom Güterbahnhof Moabit in der Putlitzstraße nach Auschwitz deportiert.

Seine Frau hatte dasselbe Schicksal bereits einen Tag früher erlitten.

Ein letztes Lebenszeichen von Franz Joseph Unger erhielt seine Schwester Frieda Flüchter, die in Westfalen mit einem nicht-jüdischen Mann verheiratet und somit noch relativ „geschützt“ war, im April 1943 aus dem Arbeitslager Monowitz bei Auschwitz. Er schrieb, er sei aus Berlin „verzogen“, es gehe ihm gut, er sei gesund und munter und könne in seinem Beruf arbeiten.

Franz Joseph Unger überlebte – wie seine Frau – das Vernichtungslager Auschwitz nicht.

Verantwortlich für Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann

Stolperstein Therese Unger

HIER WOHNTE
THERESE UNGER
GEB. ROTHHOLZ
JG. 1906
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Therese Felicia Unger geb. Rothholz, kam nach Schwester Bertha und Bruder Alfred als jüngstes Kind von Martha und Dr. Julius Rothholz am 23. März 1906 in Berlin zur Welt. Es ist nicht bekannt, ob sie einen Beruf hatte, aber sie sprach fließend Englisch und auch Spanisch. Therese Rothholz heiratete Franz Joseph Unger, der als jüngster Sohn des Ehepaares Siegmund und Johanna Unger am 27. April 1899 in Schrimm (preußische Provinz Posen) geboren worden war. Er war Maschinenbau-Ingenieur und hatte sich 1924 als Teilhaber eines Engros-Handels in Berlin niedergelassen. Am 26. September 1928 kam als einziges Kind des Ehepaares Unger der Sohn Heinz Joachim zur Welt.

1930 machten sich Therese und Franz Joseph Unger mit Wäschereibetrieben in Charlottenburg, Leonhardtstraße 20, und in Halensee, Johann-Georgstraße 10, selbständig. Beide Geschäfte wurden in der Reichspogromnacht 1938 völlig zerstört und konnten nicht wieder eröffnet werden. Das Ehepaar Unger arbeitete danach als Verkäufer – sie im Kaufhaus des Westens und ihr Mann bei Karstadt in Neukölln.

Bei der sog. „Fabrikaktion“ am 27. 2.1943, als man die letzten noch in Berlin lebenden etwa 11.000 Juden – vornehmlich Zwangsarbeiter in Rüstungsbetrieben aber auch bis dahin „verschonte“ jüdische Ehepartner von „Ariern“ – in einer Großrazzia von ihren Arbeitsplätzen verschleppte, war auch das Ehepaar Unger unter den Opfern.

Therese Unger wurde am 2. März 1943 mit dem „32. Osttransport“ zusammen mit 1755 weiteren Menschen vom Güterbahnhof Moabit in der Putlitzstraße nach Auschwitz deportiert.

Ihr Mann gehörte zu den 1726 Opfern, die einen Tag später mit dem „33. Osttransport“ nach Auschwitz in den sicheren Tod geschickt wurden.

Therese Unger überlebte – wie auch ihr Mann – das Vernichtungslager Auschwitz nicht.

Verantwortlich für Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann

Stolperstein Heinz Joachim Unger

HIER WOHNTE
HEINZ JOACHIM
UNGER
JG. 1928
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 1943
SOBIBOR
ERMORDET 16.4.1943

Heinz Joachim Unger wurde am 26. September 1928 als einziges Kind der Eheleute Franz Joseph und Therese Unger, geb. Rothholz, in Berlin geboren. Da beide Eltern berufstätig waren, lebte er vom 5. Lebensjahr an die Woche über bei seinen Großeltern, Martha und Dr. Julius Rothholz, in der Friedbergstraße 7.

Seine Großmutter beschreibt ihn in einem Brief vom 9. November 1938 als “charming child” und “sweet-bird”, das sie von Herzen liebe. Es war die Nacht, in der in Deutschland, Österreich und der besetzten Tschechoslowakei die Synagogen brannten, Geschäfte jüdischer Besitzer geplündert und zerstört, viele jüdische Menschen geschlagen, zu Tode geprügelt oder verhaftet wurden. Mit diesem Brief hatte Martha Rothholz erfolglos versucht, von einem entfernten, sehr renommierten Verwandten in Amerika für Heinz Joachim Unger und seine Eltern ein Affidavit zu bekommen, um ihnen die Emigration zu ermöglichen. Diese beglaubigte Bürgschaftserklärung war Voraussetzung für die Einreise in die USA und etliche weitere Länder.

Der zehnjährige Heinz Joachim musste erleben, dass die Wäschereibetriebe seiner Eltern in der Reichspogromnacht völlig zerstört wurden, mehrere enge Verwandte über Nacht aus Deutschland fliehen mussten und sein geliebter Großvater sich das Leben nahm, weil er seiner Tochter und deren Familie zur Flucht verholfen hatte und seine Verhaftung durch die Gestapo vermutlich nur eine Frage von Tagen war.

Therese und Franz Joseph Unger entschlossen sich, ihren Sohn mit einem Kindertransport nach Holland zu schicken, um sein junges Leben zu retten, zumal sie selbst bereits der Gestapo „bekannt“ waren. Wahrscheinlich kam Heinz Joachim Ende 1939 / Anfang 1940 in Rotterdam an – kurz bevor die Wehrmacht die Niederlande besetzte. Er soll zunächst bei einer Familie in der Hugo de Grootstraat 104 gelebt haben. Einen sicheren Beleg dafür gibt es nicht. Die Straße war zum Teil Industrie- aber auch Wohngebiet und wurde am 13. Mai 1940 bombardiert und dem Erdboden gleich gemacht.

Danach wurde Heinz Joachim Unger im Israelitischen Waisenhaus in der Mathenesserlaan 208 in Rotterdam aufgenommen. Am 10. Oktober 1942 kam er – zusammen mit allen dort lebenden Flüchtlingskindern aus Deutschland und Österreich – in das „Durchgangslager“ Westerbork. Zunächst “lebte” der Junge in der Baracke 21, lag im Februar 1943 einige Tage im Lagerkrankenhaus und wurde dann in der Baracke 35, dem Waisenhaus des Lagers, untergebracht.

Heinz Joachim Unger wurde am 13. April 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und unmittelbar nach der Ankunft am 16. April 1943 mit vielen anderen Leidensgenossen in der Gaskammer ermordet.

Er wurde nur vierzehneinhalb Jahre alt und durfte nur knapp zehn Jahre lang ein fröhliches und unbeschwertes Leben als von seiner Familie umsorgtes, geliebtes und behütetes Kind leben.

Verantwortlich für Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann