Die Tochter Seldi (1919-2013) konnte fließend Berlinerisch sprechen und sang text- und melodiesicher die aktuellen Schlager ebenso wie Arbeiterlieder. Sie heiratete Klaus Oliven (1918-2010). Dessen Vater Fritz Oliven (1874-1956) stammte aus einer seit Generationen in Deutschland lebenden jüdischen Familie. Er war ein bekannter Librettist und Revuedichter, der Operetten („Der Vetter aus Dingsda“) und Liedtexte schrieb. Sein Künstlername war „Rideamus“ („lasst uns lachen“). Von ihm stammen so populäre Evergreens wie „Solang noch unter‘n Linden“ mit dem zum Berlin-Slogan gewordenen Refrain „Berlin bleibt doch Berlin“, gesungen von Marlene Dietrich. Fritz Oliven, der von den Nazis verfolgt wurde und dessen Werke nicht mehr gespielt werden durften, flüchtete 1939 aus seinem geliebten Berlin und ging ins Exil nach Brasilien. An seinem einstigen Wohnhaus Giesebrechtstraße 11 ist eine Gedenktafel angebracht.
Israel Reifen wurde eines Tages im Oktober 1938 in Berlin von den Nazis abgeholt und nach Warschau gebracht. Seine Frau Fela folgte ihm im August 1939. Er wurde im Konzentrationslager Majdanek ermordet, sie in Treblinka. Die beiden Kinder, Tochter Seldi, geboren 1919, und ihr älterer Sohn Mischa, geboren 1920, konnten aus Deutschland nach Brasilien flüchten und überlebten den Holocaust.
Im Berliner Adressbuch war 1939 in der Nürnberger Straße 16 nur „Reifen, Kfm.“ eingetragen, nicht wie üblich der Anfangsbuchstabe des Vornamens. Bei Reifens waren am 17.5.1939, dem Tag der Volkszählung, drei Untermieter gemeldet: Erich Hirsch, geboren am 7. August 1897 in Hildesheim, deportiert am 17.11.1941 nach Kowno/Kaunas und dort am 25. November 1941 erschossen, sowie Moritz Rosenthal, geboren am 19. Januar 1877 in Posen/Poznan, und Selma Rosenthal, geb. Jarecki, geboren am 26. Juli 1883 ebenfalls in Posen/Poznan; das Ehepaar wurde am 19. Januar 1942 nach Riga deportiert – Moritz Rosenthal an seinem 65. Geburtstag – und dort erschossen.
Außerdem wohnten im Haus: der Zahnarzt Leopold Baer, der Eigentümer war und in der 2. Etage wohnte, sowie Max Baer, der Fabrikleiter war und bis 1938 auch Hausverwalter. Beide standen 1940 nicht mehr im Adressbuch, Eigentümer war inzwischen der Rentner E. Blienert, vermutlich war das Haus „arisiert“ worden. Das Schicksal von Leopold Baer ist nicht bekannt. Max Baer kam ins KZ Sachsenhausen, wo er am 25. April 1942 ums Leben gebracht wurde.
Text: Seldi Oliven (gestorben am 15. Juli 2013), ergänzt von Helmut Lölhöffel