Erich Enoch Michelsen wurde am 13 Juni 1879 als jüngster Sohn des Apothekers Oskar Michelsen und seiner Frau Rosalie geb. Baschwitz in Danzig geboren, legte dort das Abitur ab und studierte zwischen 1897 und 1901 Jura an der Berliner Friedrich – Wilhelms – Universität. Zugleich belegte er Türkisch am dortigen Seminar für Orientalische Sprachen und wechselte 1898 in die Chinesische Abteilung. Nach der ersten juristischen Staatsprüfung und dem Diplom für Chinesisch arbeitete er ab 1901 für das Reichsmarineamt in Kiautschou als Dolmetscher und Amtmann.
Im Jahre 1907 heiratet er Katharina (Catharina lt. Geburtsurkunde) Baschwitz, sie ist ebenfalls jüdischer Herkunft. Beide konvertieren zum Christentum.
Katharina Baschwitz war am 10. Februar 1881 in Berlin geboren worden. Ihre Eltern waren der Kaufmann Hermann Baschwitz und Magdalena Baschwitz geb. Sucrow.
Von 1901 bis 1914 ist Erich Michelsen Dolmetscher und Amtmann für das Reichsmarineministerium, ab 1910 auch an der Deutsch-chinesischen Hochschule in Tsingtao in den Fächern Volkswirtschaftslehre, Finanzwissenschaft und Staatsrecht und arbeitet daneben als Fachübersetzer.
1908 kam in Tsingtao der Sohn Niklas auf die Welt. Er starb jedoch 1924 im Alter von 16 Jahren in der Berliner Wohnung an Diabetes.
1919 kehren die Michelsens nach Deutschland zurück und Erich beginnt seine Tätigkeit im Auswärtigen Amt — zunächst in Berlin, dann von 1920-1925 an der Gesandtschaft in Tokio. Dort ist er zuständig für die Abwicklung der Angelegenheiten der ehemals deutschen Kolonie Kiautschou. Ab 1926 ist er wieder im Auswärtigen Amt in Berlin tätig, er wird 1932 Leiter der Unterabteilung Ostasien und 1933 Stellvertretender Leiter der Abteilung 4, zu der auch China gehört.
Im September 1933 erfolgt seine Ernennung zum Generalkonsul in Shanghai. die aber aufgrund des Widerstandes von NSDAP und SS nicht realisiert wird. Stattdessen wird Erich Michelsen im Januar 1934 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er arbeitet in den folgenden Jahren für das Chinageschäft der Firma Otto Wolff in Köln. In dieser Zeit lebt er mit seiner Frau in der Jenaer Str. 19 in Wilmersdorf.
Während der Novemberpogrome 1938 wird er ins KZ Sachsenhausen verschleppt und nach mehrwöchiger Inhaftierung nach Intervention des Auswärtigen Amtes entlassen.
Er kann mit seiner Frau nach China entkommen. Nach kurzer Zeit in der nationalchinesischen Hauptstadt Chongqing übersiedelt er nach Kunming. Dort überlebt das Ehepaar Michelsen unter prekären Umständen: Während der zahllosen japanischen Bombenangriffe leben sie längere Zeit außerhalb der Stadt in einem kleinen Bergdorf. Das stellt für die herzkranke Katharina Michelsen eine gesundheitliche Herausforderung dar.
Erich Michelsen überlebt die Kriegszeit, stirbt aber im März 1948 nach einer Darmkrebsoperation.
Seine Frau hält sich mit privaten Deutsch- und Englischstunden über Wasser. 1949 gelingt es ihr, nach Deutschland zurückzukehren, wo in Berlin noch zwei unverheiratete Schwestern leben. Sie wird als politisch und rassisch Verfolgte anerkannt und erhält — nach langwierigen Antragsstellungen — finanzielle Entschädigung. Auch ihr Mann wird vom Auswärtigen Amt vollständig rehabilitiert, Katharina Michelsen verstirbt im Juni 1966 in einem Seniorenheim in Berlin-Zehlendorf.
Der letzte Bescheid über die Zuerkennung von Entschädigung wegen Hausrats wird im Dezember 1967, eineinhalb Jahre nach ihrem Tod, an sie versandt.
Am 5. November 2021 wurde zum Gedenken an NS-verfolgte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Auswärtigen Amts vor dem ehemaligen deutschen Außenministerium, Berlin-Mitte, Wilhelmstraße 92, ein weiterer Stolperstein für Erich Michelsen zusammen mit 55 anderen verlegt.
Biografische Zusammenstellung: Prof. Mechthild Leutner, Text: Marianne Horstkemper und Karin Sievert
Quellen:
Landesarchiv Berlin;
Der Tagesspiegel v. 21.1.2019 „NS-Zeit – Jüdisches Exil in Kunming“;
Mechthild Leutner „Deutscher Dolmetscher in Kiautschou, jüdischer Exilant in Kunming:Erich Michelsens Leben als Kapitel deutsch-chinesischer Beziehungen“ in Berliner China Hefte 50, S.51 – 83