Stolpersteine Klausenerplatz 2 (früher: Friedrich-Karl-Platz 17)

Hauseingang Klausenerplatz 2

Die Stolpersteine für die Familie Strauch wurden am 24.07.2012 verlegt und von Hausbewohnerinnen- und bewohnern und Nachbarn gespendet.

Der Stolperstein für Dr. Richard Simson wurde am 8.6.2013 verlegt und von Hausbewohnerinnen und -bewohnern und Nachbarn gespendet.

Stolperstein Alfred Strauch

HIER WOHNTE
ALFRED STRAUCH
JG. 1895
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Regina Strauch

HIER WOHNTE
REGINA STRAUCH
GEB. GOLDSTEIN
JG. 1895
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Helmut Strauch

HIER WOHNTE
HELMUT STRAUCH
JG. 1925
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Am 28. Februar 1943, wenige Tage vor ihrer Deportation nach Auschwitz, musste die Familie Strauch eine Vermögenserklärung abgeben. Ihre letzte freigewählte Wohnung am heutigen Klausenerplatz 2 (damals: Friedrich-Karl-Platz) hatte sie zu diesem Zeitpunkt schon zwangsweise verlassen müssen und wohnte zur Untermiete in der Kreuzberger Adalbertstraße 41.

Der Vater Alfred war als Hilfsarbeiter bei der Firma G. Pese in der Holzmarktstr. 53 zu einem Wochenlohn von 33 Reichsmark tätig. Regina Strauch war dort ebenfalls beschäftigt, als „Handarbeiterin“, wie es in den Unterlagen heißt. Ihr Sohn Helmut, damals 18 Jahre, arbeitete im Wernerwerk V der Firma Siemens & Halske. Allen dreien waren sicherlich diese Zwangsarbeiten zugewiesen worden.

Der von den Behörden angeordnete Erlös des Hausrats der Familie Strauch erbrachte 1062 Reichsmark. Er bestand u.a. aus „18 Paketen Waschpulver, 12 Paar alten Schuhen, einem dreiteiligen Küchenschrank und zwei Oberbetten“, wie die Nutznießer penibel notierten. Sohn Helmut hatte in der Rubrik „Kleidungsstücke“ lediglich „div. Krawatten“ angeben können.

Alfred, Regina und Helmut Strauch

Die Verfügung der Geheimen Staatspolizei über die Einziehung des gesamten Vermögens wurde Alfred Strauch am 27. Februar 1943 im Auftrag des Berliner Obergerichtsvollziehers in der Großen Hamburger Straße 26 übergeben. Dort war das Jüdische Altersheim, das die Nationalsozialisten ab 1941 als Sammellager für Juden nutzten, die nach Theresienstadt und Auschwitz deportiert wurden.

Die Familie wurde am 1. März 1943 in einem mit 1 683 Menschen vollgestopften Zug vom Bahnhof Grunewald in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Die Todesdaten sind unbekannt. Die Vermögensverwertungsstelle führte noch bis wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkriegs Akten zur Familie Strauch. Erst am 8. März 1945 wurden sie mit dem eiskalten Vermerk „Das Vermögen ist verwertet“ geschlossen. Zu statistischen Zwecken wurde vorher noch ein Kontrollbogen mit einem Vermögensverzeichnis angelegt.

Text: Harald Marpe, Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.

Stolperstein Dr. Richard Simson

HIER WOHNTE
DR RICHARD SIMSON
JG. 1873
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 18.5.1944

Dr. Richard Simson wohnte und praktizierte als Arzt am Friedrich-Karl-Platz 17 (heute: Klausenerplatz 2). Simson trug den Ehrentitel „Sanitätsrat“, er wurde bis 1918 in Preußen an nichtbeamtete Ärzte verliehen, die über 20 Jahre Berufspraxis hatten.
Simson kam aus dem westpreußischen Elbing, wo er am 13. Januar 1873 geboren wurde. Nach einem Medizinstudium in Königsberg (Ostpreußen) erhielt er 1896 seine Approbation als Arzt. Bis 1903 wohnte er in der Charlottenburger Kaiser-Friedrich-Str. 34, danach finden wir ihn im Berliner Adressbuch unter der Anschrift Friedrich-Karl-Platz 17. Auch hier war er als Allgemeinmediziner tätig.
Verheiratet war Simson mit Margarete McLean; die Ehe wurde vermutlich 1902 geschlossen. Margarete Simson wurde 1872 im schlesischen Carlsmarkt geboren und entstammte einer Familie, die ihre Wurzeln im Schottland des 12. Jahrhunderts hat. Ein Zweig der Familie war im 18. Jahrhundert nach Deutschland ausgewandert.

Dr. Simson als Militärarzt im Ersten Weltkrieg. Aufnahme von 1915

Dr. Simson nahm als Militärarzt am Ersten Weltkrieg teil. Ein Foto vom März 1915 zeigt ihn, auf einem Pferd sitzend, unweit einer Stellung bei dem polnischen Dorf Naramów (Bezirk Kielce).

Auch Dr. Simson wurde massiv von den antijüdischen Maßnahmen des NS-Staates getroffen. Wie alle anderen jüdischen Ärzte durfte er sich ab 1938 nicht mehr als Arzt bezeichnen: Fortan musste er sich „Krankenbehandler“ nennen. Die rechtliche Grundlage für diese Diskriminierung bildete die „4. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. Juli 1938“, deren erster Paragraph wie folgt lautete:
„Bestallungen (Approbationen) jüdischer Ärzte erlöschen am 30. September 1938.“
Dies war ein offizielles Berufsverbot für jüdische Ärzte. Es wurde allerdings eine Ausnahmeregelung erlassen, da die noch im Reich lebenden Juden medizinisch versorgt werden mussten und Nichtjuden dies nicht erlaubt war. Einige Ärzte erhielten deshalb die Genehmigung, jüdische Patienten zu behandeln. Doch diese Ärzte wurden mit abwertenden Bezeichnungen wie „Krankenbehandler“, „Judenbehandler“ oder nur „Behandler“ belegt, weil sie keine Approbation mehr hatten.

Dr. Richard Simson, undatierte Fotografie

Margarethe Simson starb am 13. Juli 1938.
Simsons letzte Wohnanschrift lautete Uhlandstraße 31; vermutlich hatte er die Wohnung am heutigen Klausenerplatz unter Druck oder Zwang verlassen müssen. In einem Brief an seine Geschwister vom 24. September 1942 schreibt Richard Simson: „Meine Lieben, vor einer Woche schrieb ich Euch noch in leidlicher Ruhe des Herzens einem Gruß in Euer schönes Gastein. Inzwischen ist der Blitzstrahl auch auf mein Haupt hernieder gezuckt, und ich habe vorgestern die Benachrichtigung erhalten, daß ich am Dienstag nächster Woche abgeholt u. am 3. Oktober dann nach Theresienstadt weiter transportiert werden soll. Insofern leidlich günstig, als ich als Arzt hinausgehen soll u. Instrumentarium u.s.w. mitnehmen darf.“
Am 3. Oktober 1942 wurde Richard Simson nach Theresienstadt deportiert, hier wurde er am 18. Mai 1944 ermordet.

Text: Harald Marpe, Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.

Die Fotografien von Dr. Richard Simson stellte freundlicherweise Prof. Dr. Steffen, Königswinter, zur Verfügung.