Die Brüder Fritz und Alfred Rotter gehörten zu den bekanntesten und erfolgreichsten Berliner Theaterdirektoren der Weimarer Republik. Ende der 1920er Jahre begannen sie, Operetten zu inszenieren und feierten einige Jahre lang Triumphe. Doch dann brach ihr Bühnenkonzern zusammen und sie starben im Exil: Alfred Rotter – soweit sich die Umstände rekonstruieren lassen, zu Tode gehetzt – am 5. April 1933 oberhalb von Vaduz (Liechtenstein) und Fritz Rotter am 7. Oktober 1939 im Gefängnis von Colmar (Frankreich), in das er wegen eines ungedeckten Schecks geraten war.
Beide waren in Leipzig geboren, Alfred am 14. November 1886, Fritz am 3. September 1888. Ihr eigentlicher Familienname war Schaie, den Namen Rotter legten sie sich nach Ende des Ersten Weltkriegs zu.
Ihr Vater hieß Heymann (genannt Hermann) Schaie, geboren am 13. März 1856 in Inowraclaw, dem heutigen polnischen Inowroclaw, damals seit der durch nichts zu rechtfertigenden Aufteilung Polens in der preußischen Provinz Posen. Er war seit November 1879 als Kaufmann im Herrenmode-Großhandel in Leipzig tätig. Die Mutter hieß Emilie Schaie, geborene Simonson, am 7. Juni 1866 in Elberfeld geboren. 1889 zog die Familie (mit den zwei Söhnen und zwei Töchtern) von Leipzig nach Berlin. Der Vater ermöglichte Fritz und Alfred Rotter die Verwirklichung ihrer größten Leidenschaft: das Theater – als Regisseure und Produzenten.
Alfred Rotter hatte Jura studiert und mit finanzieller Hilfe seines Vaters zu dieser Zeit bereits erste Theaterproduktionen auf die Beine gestellt. Zusammen mit seinem Bruder Fritz sammelte er Grundkenntnisse über das Theatermachen am Deutschen Schauspielhaus, an dessen Gründung einst beider Vater finanziell beteiligt gewesen war. Während des Ersten Weltkriegs erwarben die Rotter-Brüder das Trianon-Theater, bald darauf das Residenz-Theater. Nach und nach betrieben sie, zum Teil als Direktoren, überwiegend aber als Pächter, insgesamt neun Spielstätten, darunter das Metropol-Theater, das Theater des Westens, das Lessingtheater, das Lustspielhaus und das Centraltheater. Ihr gesamter Theaterkonzern war als Rotterbühnen bekannt. Viele Berliner Theater- und Filmgrößen der damaligen Zeit wurden von den Rotters gefördert und verdienten Gagen an deren Bühnen.
Doch der verschachtelte Rotter-Konzern – sechs GmbHs und zwei Aktiengesellschaften – geriet unter den Bedingungen der Depression in der Spätphase der Weimarer Republik in finanzielle Schieflage. Wegen Mietrückständen stellte die Besitzerin des Metropol-Theaters, die Dorotheenstadt-Baugesellschaft, am 17. Januar 1933 gegen die Rotters einen Konkursantrag. In 41 Prozessen versuchte allein der Verband Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnen-Komponisten die Rotters dazu zu zwingen, ihre Tantiemenschulden zu begleichen. Am 18. Januar schrieb die Berliner Börsen-Zeitung vom „Zusammenbruch der Rotterbühnen“. Über 1300 Angestellte verloren ihre Arbeitsplätze. Vergeblich versuchten die Rotters, frisches Kapital aufzutreiben, um den Kollaps ihres Imperiums abzuwenden. Am 22. Januar 1933 erließ das Amtsgericht Berlin-Mitte einen Haftbefehl wegen Konkursverschleppung gegen die beiden Brüder. Alfred und Fritz Rotter, die 1931 auch die Staatsbürgerschaft des Fürstentums
Liechtenstein erworben hatten, flohen am 9. und 22. Januar 1933 zunächst in die Schweiz, dann nach Vaduz. Die Nazi-Propaganda dichtete ihnen an, große Teile ihres Vermögens mitgenommen zu haben, was aber kaum die Wahrheit gewesen sein kann. Denn sonst hätten sie sich, so argumentiert der Autor Peter Kamber nach seinen gründlichen Recherchen, seit dem Bankenzusammenbruch 1931 ohne Kredite, nicht in die Abhängigkeit einer Kartenvertriebsorganisation begeben müssen, die ihnen jede Aufführung bevorschusste. Indessen besaßen sie in Berlin noch etliche Grundstücke, deren Gesamtwert die Schulden überstieg. Deswegen handelten sie mit dem zuständigen Gericht Ende Januar 1933 eine Rückkehr aus, die jedoch nach dem Machtantritt der Nazis ausgeschlossen war. So verloren sie alles.