Stolpersteine Nassauische Str. 27

Hauseingang Nassauische Str. 27

Hauseingang Nassauische Str. 27

Diese Stolpersteine wurden am 22. Oktober 2009 verlegt.

Stolperstein für Emma Silbermann

Stolperstein für Emma Silbermann

HIER WOHNTE
EMMA SILBERMANN
JG. 1876
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ
ERMORDET 8.5.1942
KULMHOF

Emma Silbermann wurde am 27. September 1876 in Warschau (Warszawa, Polen) geboren. Ihre Mutter hieß Thekla (Gitla) Silbermann geborene Heymann. Ihr Vater, der Kaufmann Oscar (Ascher) Silbermann, war am 26. Juli 1852 im schlesischen Brzenskowitz bei Myslowitz (Brzęczkowice ist ein heutiger Stadtteil von Mysłowice, Polen) geboren. Auch Emmas jüngere Schwester Flora (* 24. Februar 1878) und ihr jüngerer Bruder Samuel (* 22. Juli 1881) kamen in Warschau zur Welt.

Am 20. Oktober 1887 verstarb ihre Mutter in Warschau. Emma, auch Emmy genannt, war zu dem Zeitpunkt elf, Flora neun und Samuel sechs Jahre alt. Ihr Vater wurde mit 35 Jahren Witwer. Er ging mit seinen drei Kindern nach Breslau (Wrocław, Polen). Am 7. Mai 1896, acht Jahre nach dem Tod seiner Frau, heiratete ihr Vater dort die 27-jährige Marie Silberberg (* 27. November 1868) aus Gleiwitz. Emma war damals knapp 20 Jahre alt, deshalb war ihre Stiefmutter wohl eher eine Freundin als eine Mutter für sie.
Oscar Silbermann bekam mit Marie noch zwei weitere Kinder. Der Sohn Herbert kam am 28. Juni 1897 in Breslau zur Welt. Drei Jahre später wurde Alice geboren, die aber schon als Baby im gleichen Jahr starb.

Wann Emma und Flora nach Berlin gingen, ist nicht bekannt. Flora heiratete dort am 11. September 1913 den Kaufmann Justus Siegmund Pintus (* 23. August 1878 in Havelberg/Westprignitz). Ihr Vater Oscar war Trauzeuge und damals in der Nassauischen Straße 24 wohnhaft. Da Emma unverheiratet blieb, lebte sie mit Vater und Stiefmutter zusammen. Ihr Bruder Samuel studierte Zahnmedizin an den Universitäten Breslau, Berlin und Würzburg. Nach dem Ablegen des zahnärztlichen Staatsexamens im Dezember 1903 in Würzburg studierte er ab Januar 1904 Naturwissenschaften (Zoologie, Botanik und Geologie) an der Universität Rostock. Am 28. Juni 1906 wurde er dort mit seiner Dissertation „Untersuchungen über den feineren Bau von Alcyonidium mytili“ in Zoologie zum Dr. phil. promoviert. Danach ließ er sich in Berlin als Zahnarzt nieder, mit einer Praxis zunächst in der Uhlandstraße und später in der Wilmersdorfer Straße.
Emmas Halbbruder Herbert absolvierte sein Abitur und ging dann zum Film. Er erlernte das Filmgeschäft von der Pike auf und wurde Filmproduzent und Herstellungsleiter. Am 24. Dezember 1919 heiratete er die Dramaturgin Elly Schulvater. Sein 67-jähriger Vater war bei der Hochzeit Trauzeuge und wohnte in der Nassauischen Straße 27. Die Ehe von Herbert und Elly Silbermann wurde am 11. August 1928 geschieden. Herbert Silbermann heiratete am 21. August 1930 zum zweiten Mal, diesmal Charlotte Emma Berta Wolf (* 4. Juli 1903 in Berlin-Lichtenberg). Aus dieser Ehe ging die Tochter Ruth (* 6. Februar 1931 in Berlin-Tempelhof) hervor.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, verlor Herbert seine beiden Firmen in Berlin-Mitte, die Splendid-Film-Company GmbH, Friedrichstraße 228, und die Phoebus-Tonfilm-Produktions-GmbH, Friedrichstraße 30. Er flüchtete daraufhin zusammen mit seiner Ehefrau Charlotte und seinem 2-jährigen Töchterchen Ruth nach Wien.

Am 29. Mai 1936 starb der Vater Oscar mit 83 Jahren in seiner Wohnung in Wilmersdorf, Nassauische Str. 27. Den Tod meldete Gottfried Gossels, ein Nachbar aus dem Haus.
Etwa einen Monat später, am 4. Juli 1936, starb Herberts Ehefrau Charlotte an Magen- und Darmtuberkulose und Unterernährung.
Herbert überdauerte die Zeit des Nationalsozialismus in der westeuropäischen Emigration und überlebte, wie auch seine Tochter Ruth, den Holocaust.

Die 62-jährige Emma und ihre 70-jährige Stiefmutter Marie wohnten weiterhin in der Nassauischen Straße 27 und waren dort auch bei der „Minderheiten-Volkszählung“ im Mai 1939 gemeldet. Als kurze Zeit später, am 7. Juni 1939, Emmas 60-jähriger Schwager Justus Siegmund Pintus starb, zog Emma zu ihrer Schwester Flora in die Wexstraße 30.
Hier bekamen die beiden Schwestern im Oktober 1941 den Deportationsbefehl für den Osten. Am 16. Oktober 1941 hatten sie sich im Sammellager in der von der Gestapo entweihten Synagoge in der Levetzowstraße 7- 8 einzufinden. Sie wurden registriert und ihr Gepäck penibel kontrolliert.

Zwei Tage später, am 18. Oktober, mussten sie zu Fuß in strömendem Regen für jeden sichtbar zum Güterbahnhof Berlin-Grunewald gehen, von wo aus der erste Deportationszug insgesamt 1.251 Personen in den „Osten“ transportierte. Das Ziel der Reise wurde ihnen verheimlicht. Es war die polnische Industriestadt Łódź, 478 km von Berlin entfernt. Die deutschen Besatzer hatten Łódź nach dem Überfall auf Polen 1939 zu Ehren des preußischen Generals und NSDAP-Mitgliedes Karl Litzmann am 11. April 1940 in Litzmannstadt umbenannt. Ein Teil des Stadtgebietes hatte die Gestapo als Ghetto abgeriegelt. Dort wurden Emma Silbermann und ihre Schwester Flora Pintus im Hanseatenweg 70 in der Wohnung Nr. 8 einquartiert. In erbärmlichen Verhältnissen verbrachten sie hier den Herbst und Winter 1941/42.

Ihre Stiefmutter Marie Silbermann blieb allein in Berlin in der Nassauischen Straße 27 zurück. Am 27. November 1941 konnte sie noch ihren 73. Geburtstag feiern. Schon zwei Monate später, am 28. Januar 1942, starb sie im Jüdischen Krankenhaus angeblich an Herzmuskelschwäche. Diese Todesursache wurde häufig auf den Totenschein geschrieben, um einen Selbstmord zu vertuschen.
Als Anfang Mai 1942 in Litzmannstadt die Transporte in das siebzig Kilometer entfernte Dorf Chełmno, von den Deutschen in Kulmhof umbenannt, zusammengestellt wurden, erhielten auch Emma und Flora einen „Ausreisebefehl“ für den 8. Mai 1942. In der Vernichtungsstätte Kulmhof wurden sie kurz nach ihrer Ankunft in einem Gaswagen ermordet. Der gemeinsame Bruder Samuel verstarb am 6. Dezember 1942 in Shanghai und der Halbbruder Herbert am 15. Oktober 1957 in Freiburg im Breisgau.

Emma Silbermann starb mit 66 Jahren aufgrund von antisemitischem Rassenwahn, Verschwörungstheorien und Unmenschlichkeit.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Januar 2025

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 Bundesarchiv;
Mapping the Lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Karteikarten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen über Ancestry; My Heritage;
Wikipedia Herbert Silbermann, Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Entschädigungsbehörde (LABO) Antragsteller: Herbert Silbermann; Landesarchiv Berlin – WGA

Stolperstein für Leo Pich

Stolperstein für Leo Pich

HIER WOHNTE
LEO PICH
JG. 1883
DEPORTIERT 26.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Leo Pich wurde am 15. Juli 1883 in Borzykowo im Kreis Wreschen, Pommern (heute Polen) geboren. Sein Vater war der Handelsmann Salomon (Samuel oder auch Schmuel genannt) Pich (* 1852) und seine Mutter Rahel (auch Rahle genannt) Pich, geborene Stein (* 1854), aus Adlig Lonken, Kreis Bütow. Das Ehepaar hatte insgesamt acht Kinder. Leo hatte zwei ältere Schwestern, Jenny (* 1877) und Ernestine (1879), sowie einen älteren Bruder Willy ( 1881). Im Februar 1885 kam sein jüngerer Bruder Hermann, 1887 seine Schwester Amalie, 1889 sein Bruder Max und 1891 sein Bruder Louis zur Welt. Leos Onkel Simon Pich, der Bruder seines Vaters, und Leos Tante Ernestine Pich, geborene Stein, die Schwester seiner Mutter, hatten zusammen 11 Kinder. Leo erhielt seinen Namen nach seinem Cousin Leo, der ein Jahr zuvor, am 6. Oktober 1882, geboren worden war. Auch bei Willi, Hermann, Louis und Amalie gab es Namensgleichheiten zwischen den beiden Familien.

Wann Leo seine spätere Ehefrau Klara Weck kennenlernte, ist nicht bekannt. Sie heirateten am 9. Juni 1908 in Klaras Geburtsstadt Hammerstein, Kreis Schlochau, in Pommern. Trauzeuge war sein älterer, 26-jähriger Bruder, der Kaufmann Willy Pich. Leo wohnte damals in Bütow (Bytów). Hier wurde auch Leos und Klaras Sohn Werner am 5. März 1909 geboren.

Leos Brüder Hermann und Max gingen schon 1913, vor dem Ersten Weltkrieg, nach Berlin. Das Bütower Land wurde nach dem Versailler Vertrag 1920 infolge der Einrichtung des Polnischen Korridors zur Grenzregion Pommerellen. Es ist anzunehmen, dass aus diesem Grund Willi und Louis Pich ebenfalls nach Berlin gingen. Wo Leo bis 1936 mit seiner Familie lebte, ist nicht bekannt.

Sein jüngerer Bruder Hermann Pich führte das „Möbel-Haus Hermann Pich“ in der Neander Straße 18 in Berlin-Mitte. Hermanns Tochter Ilse wurde 1914 in Berlin geboren. Er wohnte mit seiner Familie in der Hermannstr. 229 in Neukölln.

Der ältere Bruder Willy Pich betrieb 1921 eine Darmgroßhandlung in der Josephstraße 6 in Berlin-Mitte. Max Pich wohnte in Berlin-Neukölln am Kottbusser Damm 73 in einer 4-Zimmer-Wohnung, wo auch er eine Möbelhandlung bzw. ein Möbelkaufhaus aufbaute. Er war Eigentümer eines Mietshauses in der Ebersstraße 85 in Berlin-Schöneberg. Louis Pich, der jüngste Bruder, betrieb mit seiner Ehefrau, der Fleischereiverkäuferin Käthe, geborene Knopfmacher, eine Fleischerei in der Wollankstraße 104 in Berlin-Pankow.

Die inzwischen verwitwete Mutter der Familie, Rahel Pich, lebte in Berlin-Hohenschönhausen in der Zingsterstraße 3. Sie starb mit 82 Jahren am 20. Januar 1936. Leos Bruder Max zeigte den Tod beim Standesamt an.

1936 war Leo das erste Mal in Berlin gemeldet. Er zog mit Frau und Sohn in eine 2-Zimmer-Parterre-Wohnung im Gartenhaus der Nassauischen Straße 27 in Berlin-Wilmersdorf. Er war zu diesem Zeitpunkt 53 Jahre alt.

Leos Schwester Ernestine gelang die Flucht in die USA. Hermanns Tochter Ilse hatte am 29. Dezember 1938 in Berlin geheiratet und emigrierte dann rechtzeitig, Anfang 1939, mit ihrem Ehemann nach Sydney, Australien. Max’ Tochter Ingeborg (* 6. März 1919 in Berlin) gelang mit ihrem Ehemann Naphtali Reich am 24. Februar 1939 die Flucht nach Palästina.

1941 wurde Leo zur Zwangsarbeit bei einem Unternehmen namens Lentz in Berlin-Niederschönhausen verpflichtet. Sein Lohn betrug 30 RM wöchentlich.

Sein Bruder Max und dessen Ehefrau Sidonia, geborene Salomon, bekamen Anfang Oktober 1941 als erste den Deportationsbefehl. Sie wurden nach Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Es ist anzunehmen, dass sie in dem Vernichtungslager Kulmhof (Chełmno) 1942 ermordet wurden.

Wann Leos jüngster Bruder Louis nach Brüssel flüchtete, ist nicht bekannt. Er wurde 1942 im Lager „Le Mazures“ in Frankreich interniert und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die älteste Schwester Jenny Korn, geborene Pich, lebte in Magdeburg und wurde am 14. April 1942 von dort in das Warschauer Ghetto deportiert.

Leo Pich - Nassauische Str 27

Leo Pich

Am 22. Februar 1943 holte die Gestapo Leos Familie aus der Nassauischen Straße 27 ab. Auch sein Bruder Willy Pich und dessen Ehefrau Elly, geborene Josephsohn (* 1885), wurden an diesem Tag in der Schmidtstraße 4 in Berlin-Mitte von der Gestapo abgeholt und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Hier füllten sie am 23. Februar 1943 ihre Vermögenserklärungen aus. Leo gab an, ein Guthaben bei der Deutschen Bank von 580 RM und eine Konkursforderung von 550 RM zu haben. Er war Konkursgläubiger der Firma Tietz & Co, dessen jüdischer Inhaber Gustav Gerst aus Frankfurt stammte. Außerdem war er am Kauferlös des Grundstücks Kantstraße 6, welches er von seiner Mutter geerbt hatte, beteiligt.

Am 26. Februar 1943 wurden Leo Pich und seine Familie mit dem 30. Osttransport nach Auschwitz deportiert.

Leo und Klara wurden vermutlich sofort nach der Ankunft in den Gaskammern ermordet. Leo Pich musste aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien mit 59 Jahren sterben.

Leos Bruder Hermann und dessen Ehefrau Nelly, geborene Salomon, blieben in Berlin zurück. Sie wurden aufgrund von Hermanns Kriegsverletzung nicht nach Auschwitz, sondern am 4. August 1943 nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebten das Ghetto und emigrierten nach dem Krieg nach Australien zu ihrer Tochter Ilse.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Dezember 2024

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage;
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam – Vermögenserklärungen, Reg.36A (II) 29597 Leo Pich, Reg.36A (II) 29596 Hermann Pich, Reg.36A (II) 29599 Max Pich

Stolperstein für Klara Pich

Stolperstein für Klara Pich

HIER WOHNTE
KLARA PICH
GEB. WECK
JG. 1882
DEPORTIERT 26.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Klara Weck wurde am 12. Januar 1882 in Hammerstein, Kreis Schlochau (heute Czarne, Człuchowski, Polen) geboren. Die Stadt Hammerstein lag im ehemaligen Westpreußen am linken Ufer des Flusses Zahne (Czernica) in einem ausgedehnten Waldgebiet. Schlochau war ein preußischer Landkreis, der zwischen 1818 und 1945 bestand.

Ihr Vater war der 29-jährige Kaufmann und Kürschnermeister Salomon (auch Samuel) Weck (* 1853), der aus Wronke (Wronki), ehemals Kreis Samter, kam. Ihre Mutter hieß Friederike, genannt Fritze, Weck, geborene Weck. Gut ein Jahr nach Klaras Geburt, am 18. Mai 1883, kam ihre Schwester Marta zur Welt.

Über Klaras Kindheit und Jugend konnte nichts recherchiert werden. Am 9. Juni 1908 heiratete sie in ihrem Geburtsort Hammerstein den ein Jahr jüngeren Kaufmann Leo Pich. Sie zog zu ihm nach Bütow (Bytów). Hier wurde am 5. März 1909 ihr Sohn Werner geboren.

Ihre Schwester Marta heiratete am 11. November 1911 den Kaufmann Max Smoliansky (* 19. Juli 1885) aus Heydekrug (Šilutė) in Ostpreußen (heute Klaipėda, Litauen).
Sie zogen nach Rackwitz (Rakoniewice) im Landkreis Bornst in der preußischen Provinz Posen. Hier wurde am 11. Mai 1912 ihr Sohn Helmut und am 10. August 1915 ihre Tochter Erika geboren.

Zwei Monate nach Erikas Geburt starb am 1. Oktober 1915 Klaras und Martas Vater Salomon Weck mit 62 Jahren in Hammerstein.

Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1919, welcher am 10. Januar 1920 in Kraft trat, musste die Stadt Bütow, wie auch Rackwitz, an die Zweite Polnische Republik abgetreten werden. Ob Klaras und Martas Familien trotzdem dortblieben oder wegzogen, ist nicht bekannt.

Mit 54 Jahren, 1936, zog Klara mit ihrer Familie in eine 2-Zimmer-Parterre-Wohnung im Gartenhaus der Nassauischen Straße 27 in Berlin-Wilmersdorf. Ihr Sohn Werner war damals 27 Jahre alt und Kaufmann von Beruf. Auch bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 war die Familie Pich hier gemeldet.

Die Familie ihrer Schwester war bei der „Minderheiten-Volkszählung“ in der Halskestraße 34 in Berlin-Steglitz gemeldet. Sie wollte ursprünglich nach Chile auswandern. Noch im Mai 1939 bot sich ihnen die Gelegenheit zur Flucht nach Shanghai, China, die sie wahrnahmen.

Es ist anzunehmen, dass Klaras Sohn Werner ca. 1940 Käthe Wolffberg heiratete. Sie zog zu ihnen in die Nassauische Straße 27. Ab 1941 wurden Klaras Ehemann Leo, ihr Sohn und ihre Schwiegertochter zur Zwangsarbeit herangezogen. Klara blieb als Hausfrau allein in der Wohnung zurück.

Am 22. Februar 1943 holte die Gestapo Klara und Familie in der Nassauischen Straße 27 ab und brachten sie in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26. Hier trafen sie auch Leos älteren Bruder Willy und dessen Ehefrau Elly, geborene Josephsohn (* 1885), aus der Schmidtstraße 4 in Berlin-Mitte, die mit ihnen deportiert werden sollten. Einen Tag später mussten sie ihre Vermögenserklärungen ausfüllen.

Am 26. Februar 1943 wurden sie mit dem 30. Osttransport gemeinsam mit noch weiteren 1.096 gelisteten Personen nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Klara und Leo Pich sowie Elly und Willy wurden vermutlich sofort nach Ankunft des Transports in Auschwitz in den Gaskammern ermordet.

Klara Pich geborene Weck musste aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien mit 61 Jahren sterben.

Ihre Schwester Marta und Familie überlebten den Holocaust in Shanghai und emigrierten 1947 nach San Antonio in Texas, USA, wo Marta im Dezember 1961, zehn Monate nach ihrem Ehemann, mit 78 Jahren starb.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Dezember 2024

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage;
Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA) Potsdam-Vermögenserklärungen, Reg.36A (II) 29597 Leo Pich

Stolperstein für Werner Pich

Stolperstein für Werner Pich

HIER WOHNTE
WERNER PICH
JG. 1909
DEPORTIERT 26.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET APR.1943

Werner Pich wurde am 5. März 1909 in Bütow (Bytów), Pommern (heute Polen) geboren. Die Stadt liegt in Hinterpommern, in einer hügeligen Wald- und Seenlandschaft, früher „Blaues Ländchen“ genannt. Sein Vater war der Kaufmann Leo Pich, seine Mutter hieß Klara geborene Weck und stammte aus Hammerstein.

Werner besuchte, laut eigener Auskunft auf einem Formular des Konzentrationslagers Auschwitz, drei Jahre die Volksschule und anschließend vier Jahre die Mittelschule. Wenn er ca. 1916 eingeschult wurde, beendete er die Schule also ca. 1923. Wie sein Vater wurde er Kaufmann von Beruf. Wo die Familie die Zeit bis 1936 verbrachte, ist nicht bekannt.

Am 15. September 1935 wurde das “Reichsbürgergesetz” und das “Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” von den Nationalsozialisten verabschiedet. Beide “Nürnberger Gesetze” stempelten die jüdischen Mitbürger zu Menschen minderen Rechts. Im Gegensatz zu den mit vollen Rechten versehenen “Reichsbürgern”, die “deutschen oder artverwandten Blutes” sein mussten, konnten Juden fortan nur noch “Staatsangehörige” des Deutschen Reichs ohne politische Rechte sein.

Als am 20. Januar 1936 Werners Großmutter väterlicherseits in Berlin starb, entschied sich seine Familie, auch in Berlin ansässig zu werden. Sie fanden eine 2-Zimmer Parterre-Wohnung im Gartenhaus der Nassauischen Straße 27.

Wann genau er seine spätere Ehefrau Käthe Wolffberg aus der Bayreuther Straße 26 kennenlernte und heiratete, ist nicht bekannt. Sie zog zu ihm in die Wohnung in der Nassauischen Straße 27, die er sich mit seinen Eltern teilte.

Ab ca. 1941 mussten Werner und Käthe Zwangsarbeit leisten. Werner arbeitete als Tischler in der Möbelfabrik Paul Dickow in der Schönhauser Allee 159 in Berlin-Prenzlauer Berg. Er verdiente 40RM wöchentlich.

Am 22. Februar 1943 holte die Gestapo Werner, seine Ehefrau Käthe und seine Eltern ab und brachten sie in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26. Vermögenswerte wurden bei Werner keine festgestellt. Mit dem 30. Osttransport wurden sie gemeinsam mit noch weiteren 1.096 gelisteten Personen am 26. Februar 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Seine Eltern wurden vermutlich sofort nach Ankunft des Transports in Auschwitz in den Gaskammern ermordet. Käthe und Werner kamen in getrennte Arbeitslager. Werner bekam die Häftlings-Nr. 104 493 auf den Unterarm tätowiert. Als besonderes Kennzeichen gab er auf dem Formular an, dass er eine Narbe an der rechten Leibseite habe. Als Wohnort gab er das Konzentrationslager Auschwitz an und die Anschrift seines Onkels Hermann in der Hermannstraße 229 in Berlin-Neukölln. Dieser war zu dem Zeitpunkt der letzte noch nicht deportierte Verwandte in Berlin.

Nur zwei Monate später, Ende April, wurden auch Werner und Käthe ermordet.

Werner Pich musste aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien mit 34 Jahren sterben.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Dezember 2024

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Karteikarten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage;
Brandenburgisches Landeshauptarchib Potsdam – Vermögenserklärungen Reg.36A (II) 29597 Leo Pich und Reg.36A (II) 29596 Hermann Pich

Stolperstein für Käthe Pich

Stolperstein für Käthe Pich

HIER WOHNTE
KÄTHE PICH
GEB. WOLFFBERG
JG. 1907
DEPORTIERT 26.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET APR.1943

Käthe Pich wurde als Käthe Wolffberg am 24. Dezember 1907 in Culmsee (Chełmża) in Pommern geboren.

Die Kleinstadt Culmsee lag östlich der Weichsel an einem kleinen See, etwa vierzig Kilometer östlich von Bromberg (Bydgoszcz). Nach dem Ersten Weltkrieg musste Deutschland die Stadt aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags 1920 zum Zweck der Einrichtung des Polnischen Korridors an die Zweite Polnische Republik abtreten.

Käthes Vater Louis Wolffberg (* 7. Oktober 1880) stammte aus Danzig (Gdańsk, Polen) und war bei ihrer Geburt 27 Jahre alt. Ihre Mutter Jette Wolffberg, geborene Burlin (* 19. November 1886), war gebürtig aus Bromberg und bei Käthes Geburt 21 Jahre alt. Käthe wuchs zusammen mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder Wolf Ferdinand (* 1905) auf.

Als Käthe sechs Jahre alt war, starb (fiel?) ihr Vater im Ersten Weltkrieg am 12. November 1914 in Menen, West Flandern, Belgien. Ihre Mutter, Jette Wolffberg, ging daraufhin nach Berlin und arbeitete als Geschäftsleiterin. In Berlin lernte sie den Fabrikanten Leo Leyser kennen, den sie am 17. November 1917 heiratete. Am 1. März 1922 kam ihr gemeinsamer Sohn Henry zur Welt. Käthe war damals 14 Jahre alt.
Zu ihren Großeltern väterlicherseits hatte sie weiterhin Kontakt. Sie ist auf einem Foto zu sehen, welches am 1. August 1924, dem 80. Geburtstag ihres Großvaters, des verwitweten Glasermeisters Meyer Wolffberg aus Schneidemühl (Pila), gemacht wurde.

Im Jüdischen Adressbuch 1931/32 stand ihr Name zusammen mit Charlotte Leyser in der Martin-Luther-Straße 26 in Berlin-Schöneberg. Hier hatte Leo Leyser auch seine Fabrik für Posamenten (Sammelbezeichnung für schmückende Geflechte, wie Zierbänder, gewebte Borten, Fransenborten, Kordeln, Litzen, Quasten, Volants, Spitzen aller Art, überzogene Knöpfe und Ähnliches).

Bei der „Minderheiten-Volkszählung“ am 17. Mai 1939 war Käthe in der Bayreuther Straße 26 in Berlin-Schöneberg gemeldet. Ihre Mutter Jette, ihr Stiefvater Leo und ihr Halbruder Henry waren schon am 11. November 1938 nach Shanghai ausgewandert.

Wann Käthe den gut ein Jahr jüngeren Kaufmann Werner Pich (* 1909) kennenlernte und heiratete, konnte nicht recherchiert werden. Nach der Heirat zog sie zu ihm und seinen Eltern in die Nassauischen Straße 27 in eine 2-Zimmer-Parterrewohnung im Gartenhaus.

Sie wurde ab ca. 1941 zur Zwangsarbeit verpflichtet. Als Arbeiterin war sie bei der Firma Pose Wehrausrüstungen, Boxhagener Straße 16 in Berlin-Friedrichshain, für 20 RM wöchentlich beschäftigt.

Am 23. Februar 1943 mussten ihr Schwiegervater Leo Pich, ihre Schwiegermutter Klara Pich, ihr Ehemann Werner Pich und sie im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 ihre Vermögenserklärungen ausfüllen. Damit stand die Deportation unmittelbar bevor. Vermögenswerte wurden bei ihr keine festgestellt. Mit dem 30. Osttransport wurden sie gemeinsam mit noch weiteren 1.096 gelisteten Personen am 26. Februar 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Ihre Schwiegereltern Leo und Klara Pich wurden vermutlich sofort nach Ankunft des Transports in Auschwitz in den Gaskammern ermordet. Käthe und Werner kamen in getrennte Arbeitslager. Nur zwei Monate später Ende April wurden auch sie ermordet.

Käthe Pich, geborene Wolffberg, musste aufgrund von antisemitischem Rassenwahn und Verschwörungstheorien mit 35 Jahren sterben.

1950 meldete sich aus Oakland Kalifornien, USA, Käthes Stiefvater Leo Leyser bei der Jüdischen Gemeinde in Berlin und stellte einen Suchantrag, um das Schicksal seiner Stieftochter Käthe und deren Ehemann Werner Pich zu klären.

Text und Recherche: Gundula Meiering, Dezember 2024

Quellen:
Gedenkbuch, Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945 – Bundesarchiv; Mapping the lives; Berliner Adressbuch; Amtliche Fernsprechbücher Berlin; Arolsen Archives – Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen / über ancestry; My Heritage;
Brandenburgisches Landeshauptarchib Potsdam – Vermögenserklärungen Reg.36A (II) 29597 Leo Pich und Reg.36A (II) 29596 Hermann Pich