Stolpersteine Rudolstädter Straße 120

Hausansicht Rudolstädter Str. 120

Hausansicht Rudolstädter Str. 120

Die Stolpersteine für Erich, Mathilde und Herbert Cohn sind am 12.06.2009 verlegt worden.

Die Stolpersteine für Ilse Rath und Franziska Hinrichs sind von Carola-Angelika Wille aus dem Nachbarhaus gespendet und am 18.10.2014 verlegt worden.

Der Stolperstein für Anneliese Hirsch wurde am 6.10.2016 verlegt und von Carola-Angelika Wille gespendet.

Stolperstein Erich Cohn

HIER WOHNTE
ERICH COHN
JG. 1891
DEPORTIERT 17.3.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 17.11.1943

Stolperstein Mathilde Cohn

HIER WOHNTE
MATHILDE COHN
GEB. BAEHR
JG. 1892
DEPORTIERT 17.3.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHIWTZ
ERMORDET 12.10.1944

Stolperstein Herbert Cohn

HIER WOHNTE
HERBERT COHN
JG. 1934
DEPORTIERT 17.03.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 12.10.1944

Stolperstein Ilse Rath

HIER WOHNTE
ILSE RATH
JG. 1912
FLUCHT 1939 HOLLAND
INTERNIERT WESTERBORK
DEPORTIERT 18.1.1944
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 6.7.1944

Ilse Rath wurde am 24. März 1912 in Iserlohn als einziges Kind von Julius Rath, geboren am 25. März 1879 in Geldern, und Erna Rath, geborene Schönenberg, geboren am 28. Juni 1886 in Herford, geboren. Die Familie lebte zu dieser Zeit in der Wermingser Straße 7 in Iserlohn.
Am 08.04.1926 zogen sie in die Wermingser Straße 1 um, wo Ilse Raths Vater ein Geschäft für Herren-, Knaben- und Arbeiter- Bekleidung unterhielt.

Ilse Rath hatte den Beruf der Putzmacherin erlernt. Vielleicht war sie deshalb als 20jährige Frau vom 14.3. bis 14.12.1933 in die Stadt der Mode nach Paris gegangen. Nach ihrer Zeit in Paris ist sie wieder zu ihren Eltern nach Iserlohn zurückgekehrt.

Nachdem Hitler in Deutschland die Macht übernommen harte, begann der Strom der Einwanderer nach Holland zu fließen. Holland wurde als ein Asylland angesehen, weil die Niederlande zu den wenigen europäischen Ländern gehörten, die ohne besondere Erlaubnis den Fremden gestatteten, Arbeit anzunehmen.

Möglicherweise ist auch Ilse Rath aus diesem Grund am 29.5.1934 erstmals nach Utrecht in Holland ausgewandert. Jedoch schon nach 10 Monaten zog es sie wieder zurück zu den Eltern nach Iserlohn. Nach gut eineinhalb Jahren ist Ilse Rath dann am 10.10.1936 nach Berlin in die Kleiststraße 11/12 gezogen. Von Berlin-Schöneberg zog sie nach Berlin-Wilmersdorf in die Rudolstädter Straße 120, wo sie bis 11./12.6.1939 lebte. Nach den Meldedaten der Stadt Iserlohn kehrte Ilse Rath noch einmal für ein paar Wochen zu ihren Eltern nach Iserlohn in die Wermingser Straße 1 zurück, um dann am 24.7.1939 endgültig nach Holland auszuwandern. Ob sie ihre Eltern noch vor ihrer Auswanderung nach Holland ein letztes Mal gesehen hat, ist jedoch ungewiss, da sie bereits ab 11.6.1939 beim Einwohnermeldeamt in Amsterdam eingetragen war.

In Amsterdam wohnte Ilse Rath eine Zeit lang in der Tintorettostraat 4 I und zuletzt an der Nieuwe Amstellaan 32.

In der Nacht vom 9. zum 10. Mai 1940 fielen die Deutschen in Holland ein. Den Spitzen der einmarschierenden Truppen folgten die Geheime Staatspolizei sowie die Beamten der Zollfahndungsstelle und des Devisenschutzkommandos.

Die deutsche Besatzungsmacht errichtete in Amsterdam zwischen Februar 1941 und September 1943 den „Judenrat Amsterdam” (niederländisch Joodsche Raad voor Amsterdam) . Die Mitglieder des Judenrates wurden zur Beteiligung an der Verfolgung und Unterdrückung jüdischer Mitbürger und sich in den Niederlanden aufhaltenden ausländischen (überwiegend deutschen) Juden gezwungen. Jede Zuwiderhandlung gegen die Befehle der deutschen Besatzungsmacht und Unterlassung des Judenrates oder seiner Angestellten wurde als Sabotage angesehen, jede Vorbereitungshandlung und jeder Versuch mit dem Tode bestraft. Die Angestellten des Judenrates befanden sich im Arbeitseinsatz, jedes Verlassen des Arbeitsplatzes war gleichfalls Sabotage und wurde mit dem Tode bestraft. Der Judenrat war auch gezwungenermaßen Kooperationspartner und zentraler Ansprechpartner der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Amsterdam. Begriffe wie Aus- oder Umsiedlung dienten als Tarnbegriffe für den Massenmord.

Zur Betreuung der von den Deportationen Betroffenen war vom Judenrat eine besondere Organisation, die „Hilfe für Abreisende” eingerichtet worden, die Werkstätten zur Anfertigung von Ruck- und Brotsäcken unterhielt, durch Sammlung die notwendigen Decken und Kleidungsstücke beschaffte und in Stand setzte sowie die erforderliche Wäsche anfertigen ließ.

Ilse Rath arbeitete als Näherin für die „Hilfe für Abreisende“ des Judenrats. Da ihre Arbeitskraft noch von der deutschen Besatzungsmacht gebraucht wurde, war sie deshalb zunächst für die Deportation gesperrt und ist erst ziemlich spät ins Lager Westerbork gebracht worden.

Anfang Mai 1943 wurde dem Judenrat aufgegeben, Listen einzureichen mit den Namen derjenigen, die mit Rücksicht darauf für die Deportation zu sperren seien, dass die Anzahl der jüdischen Einwohner in der Provinz und Amsterdam stark reduziert sei und daher der Apparat des Judenrates zu groß sei. Die jetzt Entsperrten, deren Arbeitskraft nicht mehr gebraucht wurde, hatten sich ohne Aufforderung nach Westerbork zu begeben. In der Nacht vom 26. zum 27. Mai wurde durch vier Polizeibataillone das gesamte Zentrum abgesperrt und mit wenigen Ausnahmen alle jüdischen Bewohner mit und ohne Sperrstempel mitgenommen und nach Westerbork abtransportiert.

Ilse Rath gehörte zu denen, die am 26. Mai 1943 ins Lager Westerbork gebracht worden sind. In Westerbork war sie der Baracke 55 zugeteilt.

Was genau sie im Lager gemacht hat, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Das Lager Westerbork war in 12 Dienstbereiche unterteilt. Dienstbereich 8 überwachte die Reparaturen, die so genannten Werkstätten II, die Schneiderei, die Nähmaschinenmontage und die „Heizgruppe“. Vorstellbar ist, dass Ilse Rath auch im Lager Westerbork als Näherin in der Schneiderei gearbeitet hat. Sie stand auf der Transportliste vom 18. Januar 1944 mit dem Vermerk „Juden die sich um den Aufbau und den Lagerbetrieb Westerbork verdient gemacht haben nebst ihren Angehörigen (Mündliche Zusage von Obersturmbannführer Eichmann anlässlich seiner Anwesenheit in Den Haag)“ und ist zunächst mit 870 Menschen nach Theresienstadt deportiert worden. Am 18. Mai 1944 wurde sie von dort nach Auschwitz weitrerdeportiert und dort am 6. Juli 1944 für tot erklärt.

Ilse Rath war nicht verheiratet und hatte keine Kinder.

Ihre Eltern, Julius und Erna Rath, teilten das Schicksal ihrer Tochter. Sie wurden bereits am 30. April 1942 vom Sammellager der Turnhalle des Sportvereins Eintracht Dortmund in der Heinz-Habenicht-Straße 56 zum Abgangsbahnhof des Bahnhofs Dortmund-Süd gebracht. Von Dortmund wurden sie zusammen mit insgesamt 800 Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg ins Ghetto nach Zamosc in Polen deportiert. Am 3. Mai 1942 kamen sie dort an. Die meisten jener, die wie Ilse Raths Eltern in den 1870er und frühen 1880er Jahren geboren waren, sowie die jungen Kinder und ihre Mütter wurden einen Monat später, nachdem sie sich in der Eintracht-Turnhalle in Dortmund einfinden mussten, nach Sobibor deportiert. Auf Grundlage der genannten Zahlen liegt es nahe, dass wohl wenigstens ein Drittel der Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg am 27. Mai 1942 in Sobibor ermordet wurde.

In der Wermingser Straße 1 in Iserlohn, in der Ilse Rath viele Jahre als junges Mädchen lebte und ihr Vater sein Herrenbekleidungsgeschäft unterhielt, befindet sich heute in dem Ladenlokal eine Filiale des Fisch-Spezialgeschäfts „Nordsee“.

Recherchen und Text: Carola-Angelika Wille
Quellen: Herinneringscentrum Kamp Westerbork, Auskunft vom 9.9.2014; Stadtarchiv Iserlohn, Auskünfte und Unterlagen vom 23.9.2014; Anna Hájková, „Das Polizeiliche Durchgangslager Westerbork“; Die Ausrottung der Juden im besetzten Holland. Ein Tatsachenberiucht von Jacob Harari. 1944 Irgun Olej Merkat Europa / Tel Aviv; Joods Monument – Ilse Rath; Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945; Ralf Piorr/Peter Witte: Ohne Rückkehr. Die Deportation der Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg nach Zamosc im April 1942; Marcus Kiel: Ein temporäres Denkmal zur Erinnerung an Jüdisches Leben in Iserlohn. Ausstellung vom 20.8.-17.9.2000 Alter Rathausplatz Iserlohn

Stolperstein Franziska Hinrichs

HIER WOHNTE
FRANZISKA HINRICHS
GEB. REISNER
JG. 1876
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941

Franziska Hinrichs wurde am 27. September 1876 in Breslau als Franziska Reisner geboren. Über ihren Mann ist nichts bekannt. Sie wohnte zunächst am Hohenzollerndamm 34 und zog 1936 in die Rudolstädter Straße 120 ein.
Kurz bevor sie im November 1941 abgeholt wurde, musste sie aus ihrer Wohnung in der Rudolstädter Straße 120 zwangsweise in die Brandenburgische Straße 43 umziehen. Am 27. November 1941 wurde sie aus der Sammelstelle in der Synagoge Lewetzowstraße in Moabit zum Bahnhof Grunewald getrieben und von dort in einem mit 1053 Menschen überfüllten Zug nach Riga deportiert. Gleich nach der Ankunft am 3. November 1941 wurde sie die meisten Insassen in einem Wald bei Riga erschossen und in einem Massengrab verscharrt.

In der Rudolstädter Straße 120 lebte auch die Familie Cohn: Erich Cohn, geboren 1891, Mathilde Cohn, Jahrgang 1892, und ihr Sohn Herbert Cohn, der am 11. August 1934 zur Welt kam. Sie wurden am im 17. März 1943 zunächst in das Ghetto Theresienstadt deportiert, das für viele Jüdinnen und Juden ein Durchgangslager in den Tod war, und von dort am 9. Oktober 1944 ins Vernichtungslager Auschwitz.

Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Stolperstein Anneliese Hirsch

HIER WOHNTE
ANNELIESE HIRSCH
JG. 1904
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
MASSENERSCHIESSUNG
30.11.1941
RIGA-RUMBULA