Stolpersteine Landhausstraße 37

Landhausstraße 37, 17.8.2010

Landhausstraße 37, 17.8.2010

Die sechs Stolpersteine vor dem Haus an der Landhausstraße 37 wurden am 21.5.2008 verlegt.

Der Stolperstein für Jenny Aronson wurde am 22.6.2011 verlegt.

Stolperstein für Bruno Klein, 17.8.2010

Stolperstein für Bruno Klein, 17.8.2010

HIER WOHNTE
BRUNO KLEIN
JG. 1904
DEPORTIERT 14.11.1941
MINSK
ERMORDET

Am 25. August 1904 wurde Bruno Klein in Kolberg geboren. Seine Mutter war Adele Klein geb. Ripinski, sein Vater war der Kaufmann Leo Klein.
Bruno verlor seine Mutter im Alter von 16 Jahren. Sie starb am 31. März 1920. Sein Vater heiratete dann die ebenfalls verwitwete Toni Moses. Deren Sohn Fritz war nur ein Jahr älter als Bruno. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Familien Moses und Klein schon lange kannten. Aber auch Leo Klein verstarb zu einem nicht bekannten Zeitpunkt. Bruno blieb bei seiner Stiefmutter wohnen.
Bruno, Toni Klein und Fritz Moses zogen nach Berlin, ab 1934 wohnten sie in der Gasteiner Straße 14 in Wilmersdorf, 1937 zogen sie in die Landhausstraße 37.
Fritz heiratete 1940 Elsbeth Metzenberg und lebte bis zu seiner Deportation bei seiner Frau und deren Mutter in der Mommsenstraße.
Am 14. November 1941 wurden Bruno und Toni Klein in das etwas 1120 km von Berlin entfernt liegende Ghetto Minsk deportiert. Zuvor waren in dem Ghetto etwa 12000 alte, kranke, nicht arbeitsfähige einheimische Juden erschossen worden, um „Platz zu machen“ für die erwarteten „Reichsjuden“. Etwa 946 Menschen wurden mit dem Zug „Da 54“ von Berlin nach Minsk verschleppt. Der Transport wurde auch als „Welle V“ bezeichnet, eine Transportliste existiert nicht.
Toni und Bruno Klein werden vermutlich – wie die meisten Insassen des Ghettos – an Hunger und Infektionskrankheiten gestorben sein.

Recherche/ Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
Berliner Telefon- und Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Stolperstein für Toni Klein, 17.8.2010

Stolperstein für Toni Klein, 17.8.2010

HIER WOHNTE
TONI KLEIN
GEB. FRAENKEL
JG. 1880
DEPORTIERT 14.11.1941
MINSK
ERMORDET

Am 5. September 1880 wurde Toni Fraenkel im westpommerschen Ostseebad Kolberg geboren. Ihre Eltern waren Therese Fraenkel geb. Lessheim und der Pferdehändler Emanuel Mendel Fraenkel.
An ihrem 22. Geburtstag, dem 5. September 1902, heiratete sie den Kaufmann Hermann Moses, ein Jahr später kam der Sohn Fritz Heinz auf die Welt.
Hermann Moses muss in den 20er Jahren in Kolberg verstorben sein, denn Toni heiratete später den ebenfalls verwitweten Leo Klein, dessen Frau Adele im März 1920 starb. Die Familien Klein und Moses waren länger miteinander bekannt gewesen. Im Hause der Familie Klein lebte Nathan Janover, er war der Trauzeuge des Ehepaares Moses.
Aber auch die Ehe mit Leo Klein war nur kurz. Dieser starb ebenfalls in Kolberg zu einem nicht bekannten Zeitpunkt.
Toni Klein blieb – zweimal verwitwet mit Fritz und Bruno, Leo Kleins Sohn aus erster Ehe, zurück.
1934 finden wir sie erstmals in den Berliner Telefonbüchern eingetragen. Demnach lebte sie in der Gasteiner Straße 14, ab 1937 in der Landhausstraße 37 zusammen mit Fritz und Bruno. Auch in der Volkszählung von 1939 sind alle drei in der Landhausstraße registriert. Fritz verließ im September, mit dem Tag seiner Hochzeit, die mütterliche Wohnung und zog zu seiner Ehefrau Elsbeth Metzenberg in die Mommsenstraße 67.
Am 14. November 1941 wurden Toni und Bruno Klein gemeinsam in das etwas 1120 km von Berlin entfernt liegende Ghetto Minsk deportiert. Zuvor waren in dem Ghetto etwa 12000 alte, kranke, nicht arbeitsfähige einheimische Juden erschossen worden, um „Platz zu machen“ für die erwarteten „Reichsjuden“. Etwa 946 Menschen wurden mit dem Zug „Da 54“ von Berlin aus verschleppt. Der Transport wurde auch als „Welle V“ bezeichnet, eine Transportliste existiert nicht.
Toni und Bruno Klein starben vermutlich – wie die wohl meisten Insassen des Ghettos – an Hunger und Infektionskrankheiten.

Recherche/ Text: Karin Sievert

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
Berliner Adress- und Telefonbücher- Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Loose: „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941 – 1944

Stolperstein für Valentin Kroto, 17.8.2010

Stolperstein für Valentin Kroto, 17.8.2010

HIER WOHNTE
VALENTIN KROTO
JG. 1875
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 9.12.1942

Valentin Kroto wurde am 19. April 1875 in Breslau als Valentin Krotoszyner geboren. Seine Eltern waren Simon Siegfried Krotoszyner (1846 – 1905) und Marie Krotoszyner, geborene Samosch, (1850 – 1911). Siegfried Krotoszyner war damals Direktor der Breslauer Spritfabrik-Aktien-Gesellschaft, ein in Ufernähe eines Oderarms gelegenes Unternehmen mit 150 Beschäftigten.
Valentin absolvierte in Breslau die Höhere Schule und trat sogleich nach dem Schulabschluss in die Firma seines Vaters ein.
Er hatte zwei Brüder. Leo wurde am 31. Dezember 1879 und Ernst am 27. Januar 1885 geboren. Das Wohnhaus der Krotoszyners befand sich in der Langen Gasse 42 auf dem Fabrikgelände. Nach dem Tod des Vaters Siegfried im Jahr 1905 war die Mutter Marie unter dieser Adresse als „verw. Direktor“ im Gartenhaus, 1. Etage gemeldet. Valentin und sein Bruder Leo bewohnten eine Wohnung im Gartenhaus Parterre. Im Breslauer Adressbuch wurden beide als Kaufleute benannt. Marie Krotoszyner starb 1911.
Die Wege der Söhne trennten sich daraufhin räumlich und Valentin zog nach der Heirat mit seiner ersten Ehefrau Gertrud Prager (1886 – 1928) um in die Gutenbergstraße 34. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor, der am 27. Oktober 1910 geborene Kurt und Gerhard Hans, geb. am 24. April 1918.
Im ersten Weltkrieg war Valentin Frontkämpfer in der preußischen Armee. 1919, nach Kriegsende, wurde er beruflich nach Berlin versetzt, da die „Breslauer Spritfabrik“ in die „Reichsmonopolverwaltung für Branntwein“ überging. Er wohnte mit Gertrud und den Söhnen in der Solinger Straße 9. Seine Frau starb am 5. Juli 1928 im Alter von 42 Jahren.
Am 7. August 1930 heiratete Valentin die 63jährige Ella Friedländer. Mit dem Tag der Eheschließung änderte Valentin seinen Nachnamen in Kroto um. Seine Söhne Kurt und Gerhard und Ella trugen von nun an ebenfalls den Namen Kroto. Der Bruder Ernst hatte sich schon früher in Kroto umbenannt.
Ab 1933 zogen Valentin und Ella mit den Söhnen mehrfach um, von 1938 an wohnten sie in der Landhausstraße 37.
Kurt und Gerhard verließen unter dem Druck der zunehmenden Rassenverfolgung Nazideutschland. Kurt wanderte nach Südafrika aus. Er ließ sich in Johannesburg nieder, heiratete und bekam eine Tochter. Schwer erkrankt starb er 1963 nach mehreren Herzattacken.
Gerhard ging nach New York, wo er ebenfalls eine Familie gründete. Seinen Vornamen änderte er in Gerald um. In New York arbeitete er in seinem erlernten Beruf als Zahntechniker.
Valentin und Ella Kroto schienen ebenfalls eine Auswanderung geplant zu haben. Im Entschädigungsantrag, den die Brüder 1956 stellten, erwähnt Gerald in der Aufzählung der Einrichtungsgegenstände der 4-Zimmerwohnung in der Landhausstraße „diverse Neuanschaffungen zur Auswanderung“. Zu einer Ausreise aus Deutschland ist es jedoch nicht mehr gekommen.
Am 14. September 1942 wurden Valentin und Ella Kroto mit dem Transport I/65, Zug Da 514 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Valentin war 67 Jahre und Ella 75 Jahre alt, als sie zusammen mit den Bewohnern des Altersheims Iranische Straße und des Taubstummen- und Blindenheims Weißensee vom Güterbahnhof Berlin-Moabit aus in das böhmische Ghetto verschleppt wurden.
Valentin ertrug die unmenschlichen Bedingungen des Ghettos kaum drei Monate. Er starb am 9. Dezember, Ella lebte nur zwei weitere Monate. Am 29. Januar 1943 verstarb sie an den Folgen einer nicht behandelten Lungenentzündung.
Valentins Bruder Ernst hatte die Zahnärztin Gertha Schlomer geheiratet. 1927 wurde die gemeinsame Tochter Marion geboren. Gerthas Stelle als Assistenz-Zahnärztin in der Klinik Müllerstraße wurde am 31. Mai 1933 gekündigt. Sie praktizierte danach in der Reinickendorfer Residenzstraße 125, wo das Ehepaar auch seine Wohnung hatte. Ernst, Gertha und Marion Kroto emigrierten 1938 nach England. Ernst Kroto starb 1949 an unbekanntem Ort, Gertha 1972 in Melbourne, Australien.
Leo Krotoszyner heiratete 1914 in Charlottenburg Rosa Lubliner. Die Familie wohnte in den 30er-Jahren in der Siemensstraße 13-14. Rosa Krotoszyner starb am 29. Oktober 1941. Leo und die drei Kinder Johanna, Helmut und Manfred wurden zwei Wochen nach dem Tod der Ehefrau und Mutter nach Minsk deportiert. Sie überlebten das Ghetto nicht.

Biografische Zusammenstellung: Karin Sievert

Quellen:
Bundesarchiv – Gedenkbuch
Bundesarchiv – Deportationslisten
Führer durch Breslau 1888
Geburts-, Heirats-und Sterbeurkunden (Landesarchiv Berlin)
Jüdisches Museum Berlin – online Sammlungen
Entschädigungsamt Berlin
„Die Liebknechts: Karl und Sophie – Politik und Familie“ von Annelies Laschitza
Hamburger Passagierlisten (Landesarchiv Berlin)
http://www.berlin-minsk.de/print.php?newgb_id=29
https://www.joodsmonument.nl/en/page/212028/james-friedlander

Stolperstein für Ella Kroto, 17.8.2010

Stolperstein für Ella Kroto, 17.8.2010

HIER WOHNTE
ELLA KROTO
GEB. FRIEDLÄNDER
JG. 1867
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.1.1943

Ella Kroto, geborene Friedländer, kam am 2. April 1867 in Magdeburg auf die Welt. Sie war die älteste von vier Geschwistern. Ihr Bruder James wurde 1877 geboren, Elsbeth 1879 und Martin 1884. Die Eltern Louis und Hedwig Friedländer, geb. Sarnow, müssen nach Ellas Geburt nach Berlin gezogen sein, denn James kam schon in Berlin auf die Welt. Louis‘ Beruf wurde in einem der Dokumente mit „Buchhalter“ angegeben. Darüber hinaus ist über die Lebensumstände der Familie Friedländer nichts bekannt. Ellas Mutter Hedwig starb 1896 im Alter von 46 Jahren. Damals wohnte die Familie in der Lothringer Straße 59, später in der Nr. 72.
James Friedländer studierte Jura und arbeitete als Rechtsanwalt und Sozius in der Kanzlei von Karl Liebknecht. Ella und Elsbeth hingegen hatten keine Berufsausbildung.
Der jüngste Bruder Martin bestieg 1911 in Hamburg das Dampfschiff „Pennsylvania“, um nach New York zu reisen. Er war damals im Militärdienst. Da Ella ebenfalls 1923 mit dem Schiff „Orca“ nach New York fuhr, liegt die Vermutung nahe, dass sich weitere Familienangehörige in den USA aufhielten.
Ella lernte in Berlin den Kaufmann Valentin Kroto (vorher Krotoszyner) kennen. Sie heirateten am 7. August 1930. Valentin hatte zwei Söhne aus seiner ersten Ehe mit Gertrud Prager, Kurt und Gerhard. Zur Zeit der Eheschließung war Ella bereits 63 Jahre alt. Die Familie zog 1938 nach mehreren Wohnungswechseln in eine 4 -Zimmer-Wohnung in der Landhausstraße 37. Vor der Hochzeit hatte Ella bei ihrem Bruder James, seiner Frau Toni und der Tochter Lissy in der Tile-Wardenberg-Straße 13 gelebt.
Ellas Stiefsöhne und auch ihr Bruder James beschlossen wegen der zunehmenden Unterdrückung und Verfolgung der Juden in Deutschland die Ausreise. Kurt emigrierte nach Südafrika, Gerhard in die USA, wo er seinen Vornamen in Gerald umänderte und James Friedländer ging mit Frau und Kind nach Amsterdam.
Ella und Valentin bereiteten ebenfalls ihre Ausreise aus Nazideutschland vor. Gerald berichtet in dem Entschädigungsantrag 1956: „In den Kleiderschränken befanden sich eine ganze Anzahl Anzüge, Paletots, Damenkleider und Mäntel, sowie Wäsche jeder Art, darunter Neuanschaffungen zur Auswanderung….“
Wohin die Reise gehen sollte und welche Umstände dazu führten, dass sie nicht gelang, ist nicht bekannt.
Am 14. September 1942 wurden Valentin und Ella Kroto mit dem Transport I/65, Zug Da 514 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Valentin war 67 und Ella 75 Jahre alt, als sie zusammen mit den Bewohnern des Altersheims Iranische Straße und des Taubstummen- und Blindenheims Weißensee vom Güterbahnhof Berlin-Moabit aus in das böhmische Ghetto verschleppt wurden.
Valentin überlebte die unmenschlichen Bedingungen des Ghettos kaum drei Monate. Seine Todesfallanzeige ist auf den 9. Dezember 1942 datiert, Ella lebte nur zwei weitere Monate. Am 29. Januar 1943 verstarb sie an den Folgen einer nicht behandelten Lungenentzündung.
Ellas Schwester Elsbeth und ihr Mann Leopold Markowitz wurden am 18. März 1943 ebenfalls nach Theresienstadt deportiert, Elsbeth ein Jahr später nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Leopold starb im Januar 1944 im Ghetto an den katastrophalen Lebensverhältnissen.
James Friedländer, seine Frau Toni und die Tochter Lissy wurden in Amsterdam verhaftet, James 1943 in Sobibor ermordet, Toni wurde 1943 in Westerbork ums Leben gebracht und Lizzy starb am 8. Juli 1944 in Tilburg, vermutlich im KZ Vught (Herzogenbosch), von wo aus die Transporte nach Sobibor abgingen.
Martin Friedländer hat den Holocaust unter unbekannten Umständen überlebt, er verstarb 1961 in Berlin.

Biografische Zusammenstellung: Karin Sievert

Quellen:
Bundesarchiv – Gedenkbuch
Bundesarchiv – Deportationslisten
Führer durch Breslau 1888
Geburts-, Heirats-und Sterbeurkunden (Landesarchiv Berlin)
Jüdisches Museum Berlin – online Sammlungen
Entschädigungsamt Berlin
„Die Liebknechts: Karl und Sophie – Politik und Familie“ von Annelies Laschitza
Hamburger Passagierlisten (Landesarchiv Berlin)
http://www.berlin-minsk.de/print.php?newgb_id=29
https://www.joodsmonument.nl/en/page/212028/james-friedlander

Stolperstein für Meta Levinsohn, 17.8.2010

Stolperstein für Meta Levinsohn, 17.8.2010

HIER WOHNTE
META LEVINSOHN
GEB. PRAGER
JG. 1858
VOR DEPORTATION
FLUCHT IN DEN TOD
23.7.1942

Meta Prager wurde am 28. Juli 1858 in Thorn/Torun/Polen als ältestes von drei Kindern der Eheleute Josef und Friederike Prager geboren. Ihre Schwester Jenny kam 1865 oder 1866 oder 1867 auf die Welt (die Dokumente weisen unterschiedliche Geburtsdaten aus), der Bruder Hermann wurde 1864 geboren. Josef Prager war Kaufmann in Thorn, er zog zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Berlin, wo er 1905 in Charlottenburg starb. Seine Frau Friederike war eine geborene Aronson, sie starb noch vor dem Umzug nach Berlin in Thorn.

Metas späterer Ehemann Julius Levinsohn, geb. am 11. August 1849 im westpreußischen Rosenberg, war evangelisch, wie seine Sterbeurkunde dokumentiert. Er lebte in Königsberg, vermutlich fand dort die Hochzeit statt.

Julius Levinsohn war in Berlin als Landgerichtsrat tätig und wohnte ab 1900 zusammen mit Meta in der Uhlandstraße 31. 1910 starb er im Alter von 60 Jahren an einem Gehirnschlag. Zwei Jahre zuvor war das Ehepaar in die Spichernstraße 16 gezogen. Ob Meta Kinder bekommen hat, ist zwar nicht bekannt, aber wenig wahrscheinlich. Es war ihr Bruder Hermann Prager, der den Sterbefall Julius Levinsohn beim Standesamt meldete. Meta blieb noch einige Jahre in der Spichernstraße wohnen. Sie hatte wohl mit der Pension ihres Mannes ein gutes Auskommen. Ab 1927 finden wir sie im Adressbuch unter Landhausstraße 37 eingetragen. Sie bewohnte eine Wohnung im Gartenhaus. Ihr Bruder Hermann lebte mit seiner Frau Nanny geb. Marasse ganz in ihrer Nähe, in der Trautenaustraße 17. Von ihm wird sie, eine kinderlose Witwe, Unterstützung erfahren haben, besonders als 1938 nach den Novemberpogromen die Diskriminierung der Juden in eine forcierte Verfolgung überging. 1940 nahm Meta ihre jüngere Schwester Jenny Aronson bei sich auf. Diese hatte, ebenfalls verwitwet, Nordhausen in Thüringen verlassen und war ihrer verbliebenen Familie nach Berlin gefolgt.

Im Juni 1942 wurden die ersten Alterstransporte nach Theresienstadt durchgeführt. Der inzwischen 84jährigen Meta drohte nun die baldige Ankündigung der Deportation in das böhmische Ghetto.

Angesichts dieser ausweglosen Situation nahm sich Meta das Leben. Sie starb am 23. Juli 1942 im Jüdischen Krankenhaus an den Folgen einer Gasvergiftung. Ihre jüngere Schwester Jenny wurde 2 Monate später nach Theresienstadt deportiert und dort ums Leben gebracht.

Hermann und Nanny Pragers Schicksal ist unbekannt.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
Stolperstein für Fritz Moses, 17.8.2010

Stolperstein für Fritz Moses, 17.8.2010

HIER WOHNTE
FRITZ MOSES
JG. 1903
DEPORTIERT 1.11.1941
LODZ
ERMORDET

Am 11. Juli 1903 wurde Fritz Heinz Moses in der elterlichen Wohnung in dem Ostseebad Kolberg in der Sattlerstraße 10 geboren. Sein Vater Hermann Moses war Kaufmann, die Mutter hieß Toni Moses geborene Fränkel.
Hermann und Toni Moses hatten 1902 – ein Jahr vor Fritz‘ Geburt – geheiratet.
Nach dem Tod seines Vaters heiratete seine Mutter wieder, und zwar einen Bekannten aus Kolberg, den ebenfalls verwitweten Leo Klein, der auch einen Sohn hatte, den nur ein Jahr jüngeren Bruno.
Nach dem Tod des Stiefvaters, der wahrscheinlich ebenso wie Hermann Moses in Kolberg verstarb, zogen Fritz, seine Mutter und der Stiefbruder nach Berlin.
Sie wohnten zusammen in der Gasteiner Straße 14. Unter dieser Adresse ist Toni Klein erstmals 1934 als Witwe verzeichnet. 1936 zog die Familie in die Landhausstraße 37 um.
In Berlin lernte Fritz die am 6. September 1910 geborene Laborantin Elsbeth Metzenberg kennen. Sie war die Tochter von Charlotte Metzenberg. Ihr Vater Adolf Walter Metzenberg, ein bekannter Buchhändler und Inhaber der Druckerei Labisch & Co war 1931 während eines Aufenthaltes in Leipzig gestorben. Nach seinem Tod zogen Charlotte und die Töchter aus der großen Wohnung in der Lietzenburger Straße 28 um in eine kleinere in der Mommsensstr. 67. Leonie heiratete einen italienischen Staatsbürger und lebte mit ihm in Mailand.

Am 19. September 1940, dem Tag seiner Hochzeit, zog Fritz Moses zu seiner Frau und Schwiegermutter in die Mommsenstraße 67, zur Zeit der Volkszählung im April 1939, in der Juden in einer gesonderten Kartei erfasst wurden, war Fritz noch in der mütterlichen Wohnung in der Landhausstraße 37 gemeldet. Deshalb wurde der Stolperstein für Fritz Moses vor diesem Haus verlegt.

Fritz und Elsbeth waren Mitglieder der Jüdischen Gemeinde. Ein Gratulationsschreiben der Gemeindevorsitzenden zur Hochzeit drückt in beklemmender Weise die dramatische Situation für Juden 1940 aus.

bq. Sehr geehrter Herr Moses,
sehr geehrte gnädige Frau,
in unserer ernsten Gegenwart fühlt sich die Jüdische Gemeinde zu Berlin e.V. mit dem Geschick aller ihrer Freunde eng verbunden und nimmt besonderen Anteil am Ergehen derer, die unsere Hoffnung und Zukunft bedeuten.
wir erlauben uns daher, zu Ihrer heutigen Vermählung Ihnen und Ihren werten Angehörigen innige Glückwünsche auszusprechen. Möge eine gnädige Vorsehung Ihren Bund behüten und Ihrem Hause Glück und Segen erblühen!
Mit aufrichtiger Dankbarkeit werden wir es begrüssen, wenn Sie anlässlich Ihrer Vermählung der Bedrückten unserer Gemeinschaft gedenken und nach bester jüdischer Tradition in Ihrer Freude uns bereitwillig helfen und das Aufbringungswerk der Gemeinde bei der Erfüllung seiner grossen sozialen Verpflichtungen stützen werden.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Jüdische Gemeinde zu Berlin e.V.
Aufbringungswerk
Dr. M. Israel Salomonski

Gratulationsschreiben der jüdische Gemeinde für Fritz Moses

Ein Jahr später – wenige Tage vor ihrer Deportation – füllten Elsbeth und Fritz Moses und Charlotte Metzenberg ihre „Vermögenserklärungen“ gegenüber der Oberfinanzbehörde aus. Hierin gab Fritz an, als Transportarbeiter bei der Spedition Hertling in Charlottenburg tätig gewesen zu sein. Diese Spedition stellte die Gruppenfahrbereitschaft für den Oberbürgermeister der „Reichshauptstadt“. Offensichtlich war Fritz Moses dort als Zwangsarbeiter für einen mageren Wochenlohn von 45 RM beschäftigt Seine Frau hingegen war noch bei dem jüdischen Arzt Dr. med. Gustav Emanuel als Laborantin tätig. Dessen Praxis befand sich in der Neuen Ansbacher Straße 7a.

Über Fritz’ beruflichen Werdegang finden sich in den überlieferten Dokumenten keinerlei Hinweise. In der „Vermögenserklärung“ gab er neben Schreibtisch und Bücherschrank den Besitz von 100 Büchern, diverses Werkzeug und Sportbekleidung und -ausrüstung an. Waren es seine eigenen Bücher oder stammten sie aus dem Nachlass seines verstorbenen Schwiegervaters Walter Metzenberg?
In der langen gemeinsamen Liste der beschlagnahmten Gegenstände und Kleidungsstücke befanden sich auch ein Posten Babywäsche, kleine Kinderbetten und ein Kinderservice. War Elsbeth zu diesem Zeitpunkt schwanger oder stammten die Sachen noch aus der Kindheit von Leonie und Elsbeth und waren als Erinnerungstücke aufbewahrt worden? Wir wissen es nicht.

Am 1. November 1941 wurde Fritz Moses gemeinsam mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter in das Ghetto Łódź deportiert. Sie hatten sich zuvor in der Levetzowstraße 7-8 einzufinden, einer als Sammelstelle für Juden missbrauchten Synagoge. Dort war ihnen am 30. Oktober 1941 der Deportationsbescheid der Gestapo zugestellt worden. Insgesamt 1079 Menschen aus Berlin wurden an diesem 1. November 1941 nach Łódź deportiert. Von der Staatspolizeileitstelle wurde dieser Transport als „Welle IV“ bezeichnet.

Im Ghetto Łódź wurden alle drei in der Hausierergasse 2/32 untergebracht. Sie fanden elende Verhältnisse vor. In den überfüllten Behausungen schliefen die Menschen auf dem nackten Fußboden. Es herrschte Kälte und Hunger und auf Grund der mangelnden Hygiene verbreiteten sich rasch Tod bringende Krankheiten.
Fritz und Elsbeth Moses wurden als arbeitsfähig eingestuft, Fritz musste im Ghetto in der chemischen Wäscherei Zwangsarbeit leisten und Elsbeth war in der Lagerliste mit ihrem erlernten Beruf Laborantin eingetragen.

Am 8. Mai 1942 wurde Charlotte Metzenberg aus dem Ghetto in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) deportiert und sofort nach Ankunft ermordet.
Fritz und Elsbeth Moses hatten noch zwei weitere Jahre die grauenvollen Bedingungen des Ghettos zu ertragen. Sie wurden am 10. Juli 1944 nach Chelmno transportiert.

Nach Ankunft in dem „Schloss Kulmhof“ mussten sich die Menschen entkleiden, sie wurden zu einer Rampe getrieben, an deren Ende einer der drei vorhandenen Gaswagen stand. Nachdem man die Opfer unter Peitschenschlägen dort hineingetrieben hatte, verschloss man die Türen. Der Fahrer kroch unter das Fahrzeug, schloss den Verbindungsschlauch vom Auspuff ins Wageninnere an und startete den Benzinmotor. Durch die eindringenden Abgase erstickten die Menschen innerhalb von zehn Minuten. Anschließend fuhr der Fahrer die Leichen in ein Lager im Wald, wo sie in Massengräbern vergraben wurden.

Recherche/Text: Karin Sievert

Quellen:
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/k-l/1081-kolberg-hinterpommern
Verwaltungsbericht des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde zu Berlin für das Jahr 1937. (Signatur: IKG 10_14)
Dank an: Leibl Rosenberg, M.A., Beauftragter der Stadt Nürnberg für die Sammlung IKG (Sammlung der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg)
https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Salomonski
Landesarchiv Berlin
Brandenburgisches Landeshauptarchiv

Stolperstein Jenny Aronson

Stolperstein Jenny Aronson

HIER WOHNTE
JENNY ARONSON
GEB. PRAGER
JG.1865
DEPORTIERT 4.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.3.1944

Jenny Prager wurde im westpreußischen Thorn (Torun) geboren. Ihr Geburtsdatum wird in verschiedenen Dokumenten unterschiedlich angegeben. In ihrer Taufurkunde steht der 11. Dezember 1866, in der Deportationsliste der 1.1. 1867, andere Quellen legen den 14.12. 1865 als ihren Geburtstag fest.

Ihr Vater war der Kaufmann Josef Prager, die Mutter war Friederike Franziska Prager geborene Aronson, sie waren seit dem 6. Juni 1854 verheiratet.
Jenny hatte nachweislich zwei ältere Geschwister, den am 8. März 1864 geborenen Bruder Hermann und die Schwester Meta, geboren am 28. Juli 1858. Alle Kinder kamen in Thorn auf die Welt. Die Mutter Franziska starb noch in Thorn, Josef Prager zog irgendwann nach Berlin und verstarb 1905 im „Städtischen Bürgerhause“ in Charlottenburg.

Jenny heiratete Carl Julius Aronson, geb. am 24. Februar 1863 in Königsberg. In einer amtlichen Mitteilung des „Centralblattes der Baumeister“ vom 31. Mai 1890 war er zum „Königlichen – Regierungs – Baumeister“ ernannt worden. Der gemeinsame Sohn Willy Max kam am 23. September 1893 in Königsberg in der elterlichen Wohnung auf die Welt. Zusammen mit seinen Eltern wurde er am 23. Oktober 1895 in der Kirchengemeinde Königsberg evangelisch getauft.

Der Weg der jungen Familie führte, wohl aus beruflichen Gründen, über Breslau und Beuthen nach Nordhausen in Thüringen. Die Wohnung befand sich am Neumarkt 19. Carl Julius Aronson starb am 18. September 1924 und Jenny blieb dort allein zurück. Ihr Sohn Willy war nach Darmstadt gezogen, um zunächst in die beruflichen Fußstapfen seines Vaters zu begeben und sich an der Technischen Hochschule zum Ingenieur ausbilden zu lassen. Er verließ den technischen Berufsweg, machte später Karriere als Sänger und lebte in Berlin. 1934 kehrte er nach Nordhausen zurück, wo er unter derselben Adresse wie seine Mutter gemeldet war. Schon 1935 wurde Willy auf Grund seiner „nicht arischen“ Herkunft aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen. Die christliche Taufe spielte für die Nationalsozialisten und ihren Rassenwahn keine Rolle. 1939 war er zum Zeitpunkt der Volkszählung, in der Juden in einer gesonderten Kartei erfasst wurden, in der Waitzstraße 9 gemeldet, vermutlich lebte er dort mit seiner Frau Hilda geb. Lind.

Jenny folgte ihrem Sohn 1940 nach Berlin. Viele Juden wurden inzwischen in Nordhausen öffentlich diskriminiert und verfolgt. Vielleicht glaubte sie sich in der Anonymität der Großstadt sicherer. Sie zog zu ihrer verwitweten Schwester Meta in die Landhausstraße 37. Unter eigener Adresse war sie in Berlin nicht gemeldet. Meta Levinsohn geb. Prager hingegen war seit 1927 als „Wwe. Landgerichtsrat“ im Adressbuch unter dieser Adresse im Gartenhaus verzeichnet.

Zwei Jahre hatten die beiden Schwestern in der Landhausstraße gelebt, als Meta sich am 23. Juli 1942 mittels einer Gasvergiftung das Leben nahm. Angesichts der bevorstehenden Deportationen wählte sie den Freitod, um nicht nach Theresienstadt verschleppt zu werden. Sie war schon 84 Jahre alt und wusste sicherlich, dass sie die Strapazen der Deportation nicht überleben würde. Jenny verbrachte noch zwei Monate in der Wohnung, bis sie am 4. September 1942 mit dem Transport I/59 nach Theresienstadt deportiert wurde. Sie hat die unmenschlichen Bedingungen des Ghettos noch fast 2 Jahre ertragen müssen. Sie wurde vermutlich am 16. März 1944 ums Leben gebracht.

Ihr Sohn Willy wurde am 2. März 1943 mit dem 32. Ost-Transport von Berlin Rosenheimer Straße 31 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. Seine Frau Hilda Aronson geb. Lind, später verheiratete Kaufmann, lebte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den USA (New York) und übergab der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel 1957 ein Gedenkblatt für ihren Mann.

Jennys Bruder Hermann Prager hatte am 24. August 1897 in Berlin Nanny Marasse geheiratet. Sein Schicksal ist unbekannt.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen: