Stolpersteine Mommsenstr. 34

Hauseingang Mommsenstr. 34

Hauseingang Mommsenstr. 34

Der Stolperstein für Hans Arno Steinitz wurde am 26.09.2006 verlegt.
Der Stolperstein für Elsa Moser wurde am 26.4.2013 verlegt.

Stolperstein Hans Arno Steinitz

Stolperstein Hans Arno Steinitz

HIER WOHNTE
HANS ARNO
STEINITZ
JG. 1910
DEPORTIERT 1943
ERMORDET IN
AUSCHWIT

Hans Arno Steinitz kam am 15. Juli 1910 in Graudenz (poln. Grudziadz)/ Westpreußen auf die Welt. Über ihn ist leider sehr wenig bekannt. Auch die Namen seiner Eltern konnten nicht festgestellt werden. In den Adressbüchern von Graudenz für die Jahre um 1910 und später ist kein Steinitz registriert, die Familie wohnte wohl zur Untermiete.

Es ist gut möglich, dass die Steinitzs nach dem Ersten Weltkrieg nach Berlin kamen. Graudenz musste aufgrund des Versailler Vertrages 1920 zu Errichtung des polnischen Korridors an Polen abgetreten werden, obwohl die Bevölkerung mehrheitlich deutsch war. Daraufhin zogen viele jüdische Familien weg, mehrheitlich nach Berlin und Breslau.

Aktenkundig wird Hans Arno Steinitz erst 1939, als er bei der Volksabstimmung vom 17. Mai in der Ergänzungskartei für Juden erfasst wurde. Er wohnte in der Mommsenstraße 34, sein Vermieter, sowie seine Ausbildung werden im Gedenkbuch des Bundesarchivs nicht genannt.

Belegschaft der Blindenwerkstatt Otto Weidt in der Rosenthaler Straße 39, Berlin, 1941. Ob Hans Arno Steinitz auf dem Bild ist, ist nicht sicher, da nicht alle Personen identifiziert werden konnten.

Belegschaft der Blindenwerkstatt Otto Weidt in der Rosenthaler Straße 39, Berlin, 1941. Ob Hans Arno Steinitz auf dem Bild ist, ist nicht sicher, da nicht alle Personen identifiziert werden konnten.

Möglicherweise war Hans Arno sehbehindert, denn ab 1941 arbeitete er als Bürstenmacher in der Blindenwerkstatt Otto Weidt, wodurch ihm anderweitige Zwangsarbeit erspart wurde.
Möglicherweise war Hans Arno sehbehindert, denn ab 1941 arbeitete er als Bürstenmacher in der Blindenwerkstatt Otto Weidt, wodurch ihm anderweitige Zwangsarbeit erspart wurde.

Else Schartenberg war 10 Jahre älter als ihr Ehemann. Sie war am 16. November 1900 in Dortmund geboren worden. Ihre Eltern waren Eduard Schartenberg und seine Frau Caroline, geb. Lebach. Als Else etwa 5 Jahre alt war, zog die Familie nach Zierenberg bei Kassel. Else hatte eine ältere Schwester, Margarete, und zwei jüngere Brüder, Ludwig und Erich. Sie besuchte die Handelsschule Kassel. Als Kind war sie öfter eine Zeitlang bei ihrer Tante Wilhelmine Kugelmann geb. Schartenberg in Holzminden, eine Schwester ihres Vaters. In den 20er- Jahren arbeitete sie vorübergehend in Holzminden bei Kugelmanns als Haushaltshilfe und Verkäuferin in Sally Kugelmanns Konfektionsgeschäft. Im Oktober 1938, nach dem Tod ihres Vaters, ging sie wieder nach Holzminden zu ihrer Tante, und musste dort erleben, wie die Scheiben von Wohnung und Geschäft ihres Onkels in der Pogromnacht im November 1938 zertrümmert wurden. Im September 1939 zog sie nach Berlin, wo ihre inzwischen verwitwete und erblindete Mutter nunmehr lebte. Else wohnte in der Christburger Straße 26. Nach der Heirat wohnten Hans Arno und Else in der Hufelandstraße 22, zur Untermiete bei Leonhard und Betty Baron.

Da die Blindenwerkstatt die Wehrmacht belieferte, galt der Betrieb als kriegswichtig, und so konnte Otto Weidt Juden und Jüdinnen vor der Deportation schützen. Mit der sogenannten „Fabrik-Aktion“ ab dem 27. Februar 1943 wurde dies jedoch nahezu unmöglich. Ziel der Gestapo war es, alle im Reichsgebiet verbliebenen jüdischen Arbeiter und Arbeiterinnen ohne Vorankündigung direkt am Arbeitsplatz oder in ihren Wohnungen festzunehmen, um sie anschließend zu deportieren. Im Zuge dieser Razzia wurde auch Hans Arno Steinitz festgenommen.

Rund 8000 der ca. 15000 noch in Berlin verbliebenen Juden und Jüdinnen wurden bei der Aktion verhaftet. Das bis dahin eingerichtete Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 reichte bei weitem nicht aus und die Stapo Leitstelle musste weitere provisorische Sammellager einrichten. Hans Arno Steinitz wurde mit ziemlicher Sicherheit in eine Fahrzeughalle in der Göring-Kaserne in Reinickendorf (heute Julius-Leber-Kaserne) eingeliefert. Darauf deutet die ihm zugeordnete III auf der Transportliste. In dem Sammellager wurde er am 1. März 1943 angehalten, die obligatorische 16-seitige „Vermögenserklärung“ auszufüllen, in der er allerdings nur die Fragen zur Person in den ersten zwei Seiten beantwortete. Am 2. März wurde ihm per Zustellungsurkunde mitgeteilt, dass sein Vermögen zugunsten des Reiches eingezogen werde. Das „Vermögen“ bestand lediglich aus Kautionsrückerstattungen der Gasag und Bewag in Höhe von zusammen 38,96 RM.

Am 4. März 1943 wurde Hans Arno Steinitz dann in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Der „Transport“ mit 1120 Menschen kam dort zwei Tage später an. 389 Männer (und 96 Frauen) wurden zur Zwangsarbeit in das Lager eingewiesen. Dass der vermutlich sehbehinderte Hans Arno Steinitz dazugehörte ist höchst unwahrscheinlich. Alle nicht „selektierten“ Menschen wurden sofort in den Gaskammern ermordet.

Seine Frau hat Hans Arno wohl kaum noch einmal gesehen. Else Steinitz war drei Tage früher, am 1. März 1943, vom Sammellager Große Hamburger Straße 26 aus ebenfalls nach Auschwitz verschleppt worden. Da dies der erste „Transport“ mit Opfern der „Fabrik-Aktion“ war, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Else Zwangsarbeit hatte leisten müssen. In Auschwitz wurden zunächst 385 Frauen in das Lager eingewiesen. Ob Else dazu gehörte oder gleich ermordet wurde, ist nicht bekannt. Überlebt hat sie nicht. Für sie wurde 2022 ein Stolperstein in Zierenberg verlegt (https://www.stadt-zierenberg.de/stadt-buergerservice/stadtportraet/stolpersteine-erinnerungskultur/stolpersteinverlegungen/stolpersteinverlegung-2022/).

Elses Mutter Caroline Schartenberg war schon am 14. September 1942, noch vor Elses Heirat mit Hans Arno nach Theresienstadt deportiert worden und dort am darauffolgenden 18. Oktober an den unmenschlichen Lebensumständen im Lager gestorben. Für sie liegt auch ein Stolperstein in Zierenberg und ein weiterer in Steglitz, vor der Wrangelstraße 6/7. (https://www.stolpersteine-berlin.de/de/wrangelstr/6-7/caroline-schartenberg). Hans Arnos Vermieter in der Hufelandstraße, Leonhard und Betty Baron, waren ebenfalls vor ihm am 15. Dezember 1942 nach Theresienstadt verschleppt worden und kurz darauf dort ums Leben gekommen.

Elses Geschwister Grete, Ludwig und Erich konnten rechtzeitig in die USA auswandern.

Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; Arolsen Archives; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Kieckbusch, Klaus, Von Juden und Christen in Holzminden 1557 – 1945 : ein Geschichts- und Gedenkbuch, Holzminden 1998; Akim Jah, Die Berliner Sammellager im Kontext der „Judendeportationen“ 1941–1945, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Nr. 3/2013

Recherchen: Micaela Haas mit Unterstützung des Museums Blindenwerkstatt Otto Weidt
Text: Micaela Haas, Stolpersteininitiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Stolperstein Elsa Moser, Foto: F. Siebold, Mai 2013

Stolperstein Elsa Moser

HIER WOHNTE
ELSA MOSER
GEB. KATZKY
JG. 1886
DEPORTIERT 9.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Elsa Moser wurde am 19 September 1886 als Elsa Katzky in Leipzig geboren. Die Eltern waren Samuel Katzky und Franziska, geb. Stein. Elsa war das jüngste von vier Geschwistern, Julius war 1871 geboren worden, Max 1877 und Hedwig 1880. Samuel Katzky war Kaufmann und als Elsa auf die Welt kam, betrieb er in Leipzig einen Tuchhandel in der Colonnadenstraße 4 und später in der Löhrstraße 20.

Elsa war 8 oder 9 Jahre alt, als die Familie nach Berlin umsiedelte. Sie lebte zunächst in der Choriner Straße. Als Samuel 1902 starb, wohnten Katzkys in der Straßburger Straße. Franziska zog in der Zeit darauf – sicherlich mit ihrer jüngsten Tochter Elsa – mehrmals um. Zu einem uns unbekannten Zeitpunkt heiratete Elsa einen Herrn Pfeffer, von dem leider nichts in Erfahrung zu bringen war. Sicher ist nur, dass sie 1920 entweder geschieden oder verwitwet war, möglicherweise war ihr Mann im Ersten Weltkrieg gefallen. Am 2. März 1920 heiratete sie ein zweites Mal, den vier Jahre älteren Kaufmann Moses Paul Moser aus Köln. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Elsa bei ihrer Mutter in der Braunsberger Straße 9 (heute Hans-Otto-Straße in Prenzlauer Berg). Dort wohnten auch zunächst die frisch Vermählten. Doch Elsas zweiter Ehe war auch wenig Glück beschieden. Noch im gleichen Jahr, am 11. Oktober, starb Paul Moser im Alter von 38 Jahren in der Privatklinik Dr. Unger, Derfflinger Straße 21.

Was die zweifach verwitwete Elsa in der Folgezeit gemacht hat, wovon sie ihren Unterhalt bestritten hat, ist nicht überliefert. Sie hat wohl weiterhin bei ihrer Mutter Franziska Katzky gewohnt, bis auch diese im Februar 1930 starb. Noch zwei Jahre konnte laut Adressbuch Elsa in der Braunsberger Straße wohnen bleiben, dann verliert sich ihre Spur bis 1939.

In diesem Jahr fand unter dem NS-Regime am 17. Mai eine Volkszählung statt, bei der Juden in einer separaten Kartei erfasst wurden, der sog. Ergänzungskartei. Elsa Moser ist als Untermieterin bei „Katzky“ in der Mommsenstraße 34 registriert. Im Haus wohnten Hedwig Katzky und Siegbert Katzky. Hedwig, geboren am 29. Dezember 1880 wie Elsa in Leipzig dürfte ihre Schwester gewesen sein, Siegbert, 1877 in Berlin geboren, war vielleicht ein Cousin der beiden. Weder Hedwig noch Siegbert sind im Adressbuch als Hauptmieter verzeichnet. Vielleicht wohnte Elsa schon länger mit ihrer Schwester Hedwig zusammen, möglicherweise waren beide Untermieterinnen von Siegbert Katzky. Vielleicht aber waren Hedwig und Siegbert doch ein Paar, obwohl Hedwig nur mit ihrem Mädchennamen registriert wurde. Dafür spricht, dass sie beide (gemeinsam?) 1939 nach Chile auswanderten.

Elsa blieb zurück und musste die Mommsenstraße verlassen. Denn unter den vielen Diskriminierungen und Schikanen, die Juden seit der Machtübernahme der Nazis und verstärkt seit den Pogromen vom November 1938 erdulden mussten, gehörte die Zwangseinweisung bei wildfremden Leuten, um ihre vorherigen Wohnungen Nichtjuden anbieten zu können. Zu ihrem Glück konnte Elsa zu ihrem Bruder Julius ziehen, in die Gartenstraße 114 in Berlin-Mitte. Allerdings herrschten dort recht beengte Zustände. Julius und seine Frau Rebekka waren selber kurz zuvor dorthin gezogen. Sie bewohnten zusammen mit Julius‘ Tochter Gertrud und deren Mann James Lazarus eine Ladenwohnung von 34 m², bestehend aus Laden mit Stube und Küche. Nun kam noch Elsa hinzu.

Wie die meisten Juden unter 60 Jahren war Elsa zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Sie war als einfache Arbeiterin der Chemiefirma J.D. Riedel in Britz zugewiesen. Sie erhielt einen Wochenlohn von 18 RM netto. Seit Mai 1942 durften Juden keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Um zur Arbeit zu gelangen, konnten sie auf Antrag eine Sondererlaubnis bekommen, wenn der Weg länger als 7 km war. Von der Gartenstraße in Mitte bis zu der Britzer Riedelstraße (seit 2005 Cafeastraße) betrug die Wegstrecke ca. 15 km. Es bleibt zu hoffen, dass Elsa solch eine Sondererlaubnis erhielt.

Gegen Ende November 1942 erhielt Elsa die Nachricht, dass sie zusammen mit ihrer Nichte und deren Mann zur „Evakuierung“ – ein verschleiernder Begriff für die Deportation – bestimmt seien. Am 3. Dezember befand sich Elsa mit Gertrud und James Lazarus bereits in dem Sammellager Große Hamburger Straße 26, ein von der Gestapo als solches missbrauchtes jüdisches Altersheim, als ihr per Zustellungsurkunde mitgeteilt wurde, dass ihre gesamte Habe als „Vermögen von Reichsfeinden“ zugunsten des Reiches „eingezogen“ werde. Das Vermögen, soweit in der obligatorischen Vermögenserklärung angegeben, die alle drei zuvor am 2. Dezember unterzeichnet hatten, bestand nur noch aus einigen Möbeln und – wie Elsa angibt – „diverse“ Wäsche- und Kleidungsstücken. Es wurde später, zusammen mit dem Besitz von Julius und Rebekka Katzky, auf insgesamt 210 RM taxiert. Die Firma Riedel überwies noch 3,37 RM Restlohn für Elsa – auch die wurden für die Oberfinanzkasse verbucht.

Knapp eine Woche mussten Elsa, Getrud und James in dem Sammellager ausharren. Am 9. Dezember 1942 wurde sie dann mit 991 weiteren Menschen nach Auschwitz deportiert. Dort wies man 137 Männer und 25 Frauen in das Zwangsarbeitslager ein. Alle anderen wurden in den Gaskammern ermordet. Möglich, dass Elsa, Gertrud oder James nicht gleich ermordet wurden – Auschwitz haben sie nicht überlebt.

Julius Katzky, Elsas Bruder und Gertruds Vater, stand auch auf der Deportationsliste, wurde jedoch wieder gestrichen. Er und seine Frau Rebekka, geb. Nebenzahl wurden jedoch eine Woche später, am 16. Dezember 1942, nach Theresienstadt deportiert, wo sie ebenfalls ums Leben kamen. Für Julius und Rebekka Katzky sowie für Gertrud und James Lazarus liegen seit Oktober 2012 Stolpersteine vor dem Haus Gartenstraße 114 in Mitte.

Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Adressbuch Leipzig; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; Arolsen Archives; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; https://www.stolpersteine-berlin.de/de/gartenstr/114/julius-katzky

Recherchen/Text: Micaela Haas
Stolpersteininitiative Charlottenburg-Wilmersdorf