Gertrud verwitwete ein zweites Mal, vermutlich Mitte der 1930er Jahre. In der Düsseldorfer Straße 47 war sie erst 1938 im Adressbuch angegeben. Schon 1933 sei sie – laut Fritz – so vorausschauend gewesen, ihre jüngeren Söhne ins Ausland zu schicken, nach Paris. Hans studierte Kunst, arbeitete später in England und Belgien, Fritz machte zunächst eine Kochlehre und fand dann auch Arbeit in Belgien. Der erst zehn Jahre alte Helmut blieb bei der Mutter, die Kinder aus erster Ehe waren wohl schon außer Haus. Bernd-Anselm emigrierte nach England, Melanie (Mela) heiratete Gerhard Kempinski, Erbe der Kempinski-Restaurationskette. 1936 flohen auch sie nach London, wo 1938 ihr Sohn Tom geboren wurde. Gerhard Kempinski wurde dort zum bekannten Filmschauspieler. Gertrud Teppich sollte ihnen folgen. Am 1. Oktober 1938 flüchtete sie mit Helmut in die Niederlande, zunächst nach Den Haag. Warum es ihr nicht gelang, weiter nach London zu reisen, bleibt offen.
Gertrud und Helmut zogen nach kurzer Zeit nach Groningen, wohnten dort aber anscheinend nicht zusammen: Gertruds Adresse lautete Parkweg 136, Helmuts J.C. Kapteynlaan 50a. Er hatte eine Arbeit als Hotelangestellter gefunden. Offenbar wurden auch beide zu verschiedenen Zeitpunkten von der Gestapo aufgegriffen und im KZ Westerbork interniert. Von Westerbork wurde Gertrud am 23. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und dort am 26. Februar ermordet.
Genau ein Jahr später, am 26. Februar 1944, wurde Helmut Bernhard von Westerbork nach Theresienstadt verschleppt, dort aber am 16. Mai weiter nach Auschwitz deportiert, in einem Massentransport von 2500 Menschen. Den Nazis ging es in Anbetracht eines bevorstehenden Rotkreuz-Besuches darum, eine große Menge Menschen, über 7500, innerhalb von vier Tagen zu „verlegen“, um Theresienstadt „wohnlicher“ erscheinen zu lassen. 4000-4500 wurden kurze Zeit später Auschwitz ermordet, die übrigen als Zwangsarbeiter auf andere Lager verteilt. Zu letzteren gehörte Helmut: laut den Ermittlungen seines Bruders Hans wurde er Ende Juni 1944 nach Sachsenhausen weitergeschickt. Von dort musste er am 10. April den sogenannten Todesmarsch antreten und soll um den 25. April in der Nähe von Neuruppin von der SS erschossen worden sein.
Gertrud Teppichs weitere Kinder überlebten, lediglich von Gerda Rahmer ist das Schicksal unbekannt. Bernd-Anselm und Melanie blieben in England, Hans – John – lebte zuletzt als ein bekannter Graphiker in New York. Fritz kämpfte im Spanischen Bürgerkrieg, kehrte 1939 nach Belgien zurück, von wo er weiterfliehen musste nach Frankreich und schließlich nach Portugal. 1946 kam er nach Berlin zurück, wo er 2012 starb. Er verstand sich zeit seines Lebens als Antifaschist und – undogmatischer – Kommunist. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens kämpfte er im Namen von Melas Sohn Tom, sein Neffe und Gertruds Enkel, um Anerkennung und Restitution des 1937 „arisierten“ Besitzes an den Kempinski-Hotels.
Recherchen und Text: Dr. Micaela Haas. Quellen: Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Adressbücher Berlin; Interview mit Fritz Teppich in RotFuchs, September 2011); www.joodsmonument.nl/; Yad Vashem Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, 2005