Stolperstein Goethestr. 16

Goethestraße Ecke Herderstraße

Goethestraße Ecke Herderstraße

Der Stolperstein für Max Borchardt wurde am 5.6.2004 verlegt. Das alte Haus steht nicht mehr. Der Stolperstein liegt vor dem Vorgartenzaun des Neubaus an der Goethestraße Ecke Herderstraße.

Stolperstein für Max Borchardt

Stolperstein für Max Borchardt

HIER WOHNTE
MAX BORCHARDT
JG. 1890
ERMORDET 21.4.1942
IN
HEILANSTALT
MESERITZ-
OBRAWALDE

Max Borchardt wurde am 27. Februar 1890 geboren, seine Eltern waren Christian Borchardt und Anne, geb. Dedelow. Über die Familie ist kaum etwas bekannt. Wir wissen nicht, seit wann sie in Berlin ansässig war, ob Max noch Geschwister hatte oder welchem Beruf Christian Borchardt nachging. Als er starb, muss Max noch ziemlich jung gewesen sein, denn ab 1910 verzeichnet das Berliner Adressbuch Anna Borchardt, geb. Dedelow als Witwe, wohnhaft in der Ruppiner Straße 35. Sie schlug sich als Näherin durch, ab 1914 taucht auch sie nicht mehr im Adressbuch auf.

Wann und bei wem Max Borchardt in der Goethestraße 16 wohnte, bleibt ungeklärt. Da er nicht als Hauptmieter im Adressbuch stand, war er vermutlich Untermieter. Auch über seine Krankheit und ihren Verlauf weiß man wenig. Die Patientenakten von Obrawalde sind auf mehrere Archive verstreut, die Akte von Max Borchardt ist nicht darunter. Es existiert lediglich ein dürrer Eintrag im „Sterbebuch“ über eine vermeintliche psychische Erkrankung. Daraus ist nicht zu erkennen, wann Max Borchardt erkrankte, ob und wenn ja zu welchem Zeitpunkt er in einer Berliner Nervenklinik untergebracht war und wann er nach Obrawalde gebracht wurde.

Bekannt ist, dass die 1904 gegründete Nervenheilanstalt in Obrawalde bei Meseritz (heute Międzyrzecz, Polen), die noch 1938 neben der Anstalt für „Geisteskranke“ verschiedene medizinische Abteilungen hatte, 1939 in eine reine „Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke“ umgewandelt wurde, in die ein großer Teil der Patienten aus Berliner Kliniken verlegt wurde. So könnte Max Borchardt unter den vielen nach Obrawalde transportierten Kranken aus den Wittenauer Heilstätten (seit 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) gewesen sein.

Obrawalde gehört zu den Einrichtungen, die etwa ab 1941 systematisch zu Tötungsanstalten umgewandelt wurden. Schon in den Jahren davor hatten in den pommerschen Heil- und Pflegeheimen unter dem Vorwand, Platz für die Bedürfnisse des Militärs schaffen zu müssen, massenhafte „Verlegungen“ stattgefunden, die nichts anderes als Krankenmorde waren. In Obrawalde wurden ab 1942 die Patienten mit Überdosen von Beruhigungsmitteln ermordet oder – wenn sie für „arbeitsfähig“ befunden worden waren – durch unmenschliche Arbeitseinsätze getötet.

Am 21. April 1942 um 12.30 Uhr starb Max Borchardt, angeblich an „Herzmuskelschwäche bei Grippe“. Die den Mord verschleiernde Bezeichnung der Todesursache kann sowohl auf die eine wie auf die andere der oben erwähnten Tötungsarten hinweisen.

Text: Micaela Haas, Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Quellen: Landesarchiv Berlin: Sterberegister der Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde; Berliner Adressbücher; Thomas Beddies: Die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde im Dritten Reich. In: Kristina Hübener (Hg.): Brandenburgische Heil- und Pflegeanstalten in der NS-Zeit (Schriftenreihe zur Medizin-Geschichte des Landes Brandenburg 3), Berlin 2002