HIER WOHNTE
ALFRED BURSCH
JG. 1879
DEPORTIERT 2.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 1.7.1943
Alfred Leopold Bursch wurde am 8. August 1879 in Berlin-Mitte, in der Jerusalemer Straße 56 geboren. Seine Eltern stammten beide aus der Provinz Posen und hatten im Jahr zuvor in Berlin geheiratet: Wolf (auch Wilhelm) Bursch (geb. 1852 Koschmin/Koźmin, Kreis Krotoschin; gest. 1926 Berlin-Wilmersdorf) und Antonie, geb. Landsberg (geb. 1854 Rawitsch/Rawicz, Kreis Kröben; gest. 1917 Teltow-Seehof).
Alfred Bursch hatte drei jüngere Schwestern: Valeska, genannt Wally (verheiratete David, geb. 1881 Berlin; gest. 1933 Teltow-Seehof), Hedwig (verheiratete Glaser, geb. 1882 Berlin; gest. 1975 New York) und Gertrud (verheiratete Dreyfuss, geb. 1885 Berlin; gest. 1968 New Orleans). Die drei Schwestern und ihre Familien lebten ab den 1930er-Jahren in einem Haus, das ursprünglich von Vater Wolf Bursch als Sommervilla im Teltower Ortsteil Seehof erbaut worden war (heute: Max-Sabersky-Allee 4). Alle konnten bis 1941 in die Vereinigten Staaten fliehen. Gertrud Dreyfuss arbeitete dort als freischaffende Malerin, Burschs Neffe Dr. jur. Heinz David (1903–1956) wurde wie sein Onkel Patentanwalt. Für sie liegen 12 Stolpersteine in der Max-Sabersky-Allee in Teltow. (geschichtswerkstatt-teltow.de)
Alfreds Vater Wilhelm Bursch besaß seit 1884 in der Dresdener Straße 76 eine Fabrik für Polstermaterialien, die er 1909 in die Hände seiner beiden Schwiegersöhne Kurt Glaser und Georg David übergab, die sie bis Ende der 1930er-Jahre erweiterten und erfolgreich weiterführten. Durch die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom Dezember 1938 waren sie gezwungen, ihren Betrieb abzuwickeln.
Alfred Bursch wurde zunächst Diplom-Ingenieur, bildete sich aber zum Patent-Anwalt weiter; vielleicht gab ein Besuch im Jahre 1909 bei seinem Onkel M. Landsberg in Chicago dazu den Anstoß. Im Juli 1910 wurde er in die Liste der Patentanwälte eingetragen, 1912 eröffnete er ein eigenes Büro in der Friedrichstraße 158 (Ecke Unter den Linden). Von 1923 bis etwa 1928 war Bursch zusätzlich Prokurist der dort ebenfalls angesiedelten Patent-Export GmbH.
1912 trat er der Freimaurerloge Victoria bei, einer Bruderschaft, deren Mitglieder zu mehr als 60 % aus dem Judentum kamen.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte Bursch als Frontsoldat.
1921 heiratete er in Berlin die Stenotypistin Lina Cohen und zog mit ihr in die Hedemannstr. 9, nicht allzu weit entfernt von seinem Büro. Alfred Burschs Eltern wohnten seit 1910 in der Prinzregentenstraße, zunächst in der Nummer 114, dann in der 91. Nach dem Tod seiner Frau zog Wolf Bursch 1918 in die nahegelegene Helmstedter Straße 20, 3. Etage. Nach dessen Tod 1926 übernahm Alfred Bursch diese Wohnung.
Am 9. Mai 1922 kam die gemeinsame Tochter Antonie Ruth Bursch zur Welt. Sie wuchs in der Helmstedter Straße 20 auf, galt später laut GESTAPO als „flüchtig“ und konnte versteckt überleben. Antonie Bursch emigrierte im Januar 1947 von Berlin über Bremen in die Vereinigten Staaten. Dort heiratete sie 1949 den Schriftsetzer Ernest Wolf, geboren 1913 als Ernst August Wolf in Havelberg, Sachsen-Anhalt, verstorben 2006 Palm Beach, Florida. Hier starb auch „Toni“ Wolf am 10.November 2008.
Im September 1938 verhängten die Nationalsozialisten ein Berufsverbot für alle noch praktizierenden jüdischen Rechtsanwälte. Das traf offenbar auch Alfred Bursch: im Berliner Adressbuch von 1938 findet sich letztmalig seine Büroadresse in der Friedrichstraße.
1943 wurde das Ehepaar Bursch aus der Helmstedter Straße 20 zunächst in das von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbrauchte Altenheim der Jüdischen Gemeinde in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht, dann mit dem sogenannten „32. Osttransport“ am 2. März 1943 vom Güterbahnhof Moabit in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo Alfred Bursch am 1. Juli 1943 ermordet wurde.
Über die eingezogenen Vermögenswerte Alfred Burschs (u.a. ein Grundstück in der Flottwellstraße) führte eine Erbengemeinschaft 1951 längere Verhandlungen. Die Wiedergutmachungsansprüche wurden weitgehend abgelehnt.
Recherche und Text: Oliver Wurl
Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Personenstandsregister im Landesarchiv Berlin
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akte 36 A(II)4891
- Presse-Mitteilungen zum Berliner Handelsregister
- Ingo Drechsler: Das Schicksal der durch die Nationalsozialisten verfolgten Brüder der Johannisloge Victoria Nr. 492 i.O. Berlin: Gedenkbuch . 3. Auflage, Berlin 2014.