Stolpersteine Dernburgstr. 7

Hauseingang - Dernburger Straße 7

Die Stolpersteine wurden am 24. September 2024 verlegt.

John Gottowt - Dernburger Straße 7

HIER WOHNTE
JOHN GOTTOWT
JG. 1881
FLUCHT 1933 DÄNEMARK
1938 POLEN
VERSTECKT GELEBT
ERMORDET 29.8.1942

English

John Gottowt wurde am 15. Juni 1881 in Lemberg, damals Österreich-Ungarn, heute Lwiw, Ukraine, als Isidor Gesang in eine jüdische Familie hineingeboren. In Deutschland wurde er nicht nur ein berühmter Film- und Theaterschauspieler, auch als Theater- und Stummfilmregisseur war er gefragt. John Gottowt war sein Künstlername.
Er war mit der Schwedin Elisabeth Adler, einer Malerin, die selbst keine Jüdin war, verheiratet. Zusammen hatten sie vier Kinder, Nils, Johanna, Eva und Olaf Gesang Gottowt.
1905, nach seiner Schauspielausbildung in Wien (ein Architekturstudium in München hatte er abgebrochen), begann Gottowt, mit Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin zu arbeiten. Gottowt war hauptsächlich als Charakterdarsteller und Regisseur an verschiedenen Theatern in Berlin, Wien und München tätig. Sein Rollenfach in Reinhardts Ensemble übernahm später Ernst Lubitsch. Die Familie lebte in München, aber als Max Reinhardt Gottowt eine Festanstellung als Schauspieler und Regisseur am Deutschen Theater in Berlin anbot, zog die Familie zurück nach Berlin.
Seine erste Filmrolle war der Zauberer Scapinelli in Paul Wegeners „Der Student von Prag“ (1913), der als erster bedeutender deutschsprachiger Film gilt. Kurz darauf führte er Regie in dem Film „Das Schwarze Los / Pierrots letztes Abenteuer“ mit Alexander Moissi (einem der berühmtesten Schauspieler der Zeit) in der Hauptrolle. Außerdem trat er in Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker „Nosferatu“ von 1922 (für den sein Schwager Henrik Galeen das Drehbuch geschrieben hatte) in der Rolle des Prof. Bulwer auf.

John Gottowt 1920

John Gottowt 1920

Zusammen mit Henrik Galeen übernahm er ab 1920 das künstlerisch sehr erfolgreiche Theater an der Kommendantenstraße in Berlin und einige Jahre später das politisch-literarische Kabarett „Die Gondel“ am Potsdamer Platz mit Texten u.a. von Kurt Tucholsky. Zusammen mit Galeen drehte Gottowt mehrere Filme und wirkte in insgesamt 30 (hauptsächlich Stumm-) Filmen mit.
Als Jude wurde er 1933 mit Berufsverbot in Deutschland belegt, da war das Paar schon eine Weile geschieden, lebte aber noch in derselben Wohnung. Lisa, die ebenfalls bedroht war, flüchtete nach Schweden, wo die erwachsenen Kinder schon seit einiger Zeit lebten. Er wollte aber nicht nach Schweden, wo die Familie ihn womöglich hätte schützen können, sondern versuchte sein Glück in Dänemark. Dort fand er keine Arbeit und musste 1938 das Land verlassen, von dort zog er nach Krakau in Polen und lebte lange versteckt. Am 29. August 1942 wurde er von einem SS-Offizier in der Kleinstadt Wieliczka bei Krakau entdeckt und erschossen.

Text: Harriet Williams, Schweden, Enkelin von John Gottowt und Elisabeth Adler
Quellen: http://www.steffi-line.de/archiv_text/nost_film20b40/252_gottowt_john.htm https://de.wikipedia.org/wiki/John_Gottowt
https://www.wikiwand.com/de/John_Gottowt

Elisabeth Gottowt - Dernburger Straße 7

HIER WOHNTE
ELISABETH
GOTTOWT
GEB. ADLER
JG. 1883
FLUCHT 1933
SCHWEDEN

English

Elisabeth Adler, genannt Lisa, wurde am 11. November 1883 in Göteborg, Schweden, geboren. Sie hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Alle drei Töchter waren ausgebildete Künstlerinnen. Ihre Mutter Johanna Adler gründete und leitete ein florierendes Milchunternehmen in Göteborg, ARLA (das sie 1936 an die Bauern verkaufte und mit dem Geld eine bis heute existierende Stiftung für die Unterstützung von Studenten gründete), und so wuchs Lisa in einer wohlhabenden Familie auf. Ihr ältester Bruder Axel kümmerte sich um das Familienunternehmen, damit die Schwestern im Ausland Kunst studieren konnten.
Lisa studierte Malerei in München, wo sie ihren späteren Ehemann Isidor Gesang kennenlernte. Isidor studierte Architektur in München. Da er unbedingt Schauspieler werden wollte, zog das junge Paar nach Wien, wo Lisa ihr Kunststudium fortsetzte.
Hier wurde 1904 das erste Kind, Nils, geboren. Lisas Schwester Elvira und ihr Bruder Axel kamen nach Wien, um Lisa zu bitten, nach Schweden zurückzukehren, aber es war zu spät, Nils war bereits geboren. Elvira Adler verliebte sich in Isidors besten Freund Henrik Galeen, der ebenfalls Jude war. Henrik Galeen war Autor und schrieb das Drehbuch zu F.W. Murnaus Film „Nosferatu“ (1922).

Elisabeth Adler - Dernburger Str. 7

Elisabeth Adler

Axel Adler liebte Wien, er blieb ein Jahr und gründete eines der ersten Kinos in Österreich, das „Welt-Biograph-Theater” am Stubenring in Wien.
Lisa und Isidor – unter seinem Künstlernamen John Gottowt inzwischen ein berühmter Charakterdarsteller im Film und an Theaterbühnen in Berlin, Wien und München – zogen nach Berlin, wo sie drei weitere Kinder bekamen, Eva und Johanna 1906 und Olaf 1907. Ungefähr 1911 kehrte die Familie zurück nach München. Lisa besuchte eine Kunstschule und einer ihrer Klassenkameraden war Adolf Hitler. Als Theaterregisseur Max Reinhardt John eine Festanstellung als Schauspieler und Regisseur am Deutschen Theater in Berlin anbot, zog die Familie zurück nach Berlin und wohnte in der Dernburgstraße 50 (nach dem Krieg wurde die Hausnummer in 7 geändert) in Charlottenburg. Das ist die Adresse, an die sich ihre Kinder als ihr Zuhause erinnern.
Während des Ersten Weltkriegs lebte Lisa in Berlin, wo sie sich um ihre vier Kinder kümmerte, während ihr Mann vier Jahre lang in der deutschen Armee an der Front diente. Da sie Geld von ihrer Familie aus Schweden bekam, hatte sie keine finanziellen Sorgen. Lisas Tochter Hanna gewann 1926, mit 20 Jahren, den ersten Preis und eine Medaille des Norddeutschen Skiverbands als beste Skilangläuferin. Die Familie hatte, genauso wie die Familien Einstein und Brecht, die in der Nachbarschaft lebten, ein Ruderboot auf dem Lietzensee, ein großes Vergnügen für alle.
1933 erhielt Lisa Adler eine Warnung von einem deutschen Insider, der zu ihr nach Hause kam und sie aufforderte, Berlin noch am selben Tag zu verlassen. Er sagte, er habe ihren Namen auf einer Liste gesehen, sie würde schon am nächsten Morgen abgeholt werden. Lisa, die schon seit einiger Zeit von John geschieden war, verließ Berlin umgehend (ihre Kinder lebten schon seit längerem in Schweden) und verbrachte den Rest ihres Lebens in Schweden, wo sie 1981 im Alter von 98 Jahren verstarb.

Text: Harriet Williams, Schweden, Enkelin von Elisabeth Adler und John Gottowt
Quellen: https://www.geni.com/people/Lisa-Adler/6000000006337629146
https://gw.geneanet.org/karosenius?lang=de&n=adler&oc=0&p=anna+maria+elisabeth+lisa