Privat wohnte Kurt Lilien in der Güntzelstraße 30 in einer 1927 entstandenen Künstlerkolonie im ansonsten ruhigen und bürgerlichen Berliner Stadtteil Wilmersdorf. Gegenüber, in der Hausnummer 3, wohnten die Schauspielerin Hilde Wörner und ab 1927 der Journalist Egon Erwin Kisch. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki verbrachte ab 1934 in der Nummer 53 seine Kindheit. (https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/gedenktafeln/detail/marcel-reich-ranicki/3014)
Laut „Dietzlers Auto-Adressbuch“ war Kurt Lilien 1932/33 Besitzer eines amerikanischen Automobils der Marke Chandler Typ 19, mit dem er zweifellos ein Statement im Straßenbild setzte.
Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten war Kurt Lilien als Jude der Gewaltherrschaft schutzlos ausgeliefert. Nach dem Auftritts- und Filmverbot für “nichtarische Künstler” entschied er sich 1933 für die Flucht in die Niederlande. In Amsterdamer Exil lernte er, inzwischen 52jährig, die aus Bukarest stammende Cornelia Grünfeld kennen und heiratete sie im Januar 1935. Auch traf er zahlreiche andere Geflüchtete, mit denen er schon in Berlin auf der Bühne gestanden hatte, darunter Max Ehrlich, Otto Wallburg und den Theaterdirektor Rudolf Nelson. Gemeinsam spielten sie an Nelsons Kleinkunstbühne, dem Leidschepleintheater oder später an der Hollandsche Schouwburg. Später in Joodsche Schouwburg umbenannt, wurde das Theater im Juli 1942 geschlossen und in eine Deportationsstelle umgewandelt. Von dort wurden Kurt Lilienthal und Cornelia Grünfeld am 20. Januar 1943 nach Westerbork deportiert.
Das sogenannte “Durchgangslager” Westerbork wurde im Zweiten Weltkrieg als „Portal zur Hölle“ bezeichnet. Tatsächlich wurden auf Befehl von Heinrich Himmler ab 1943 Transporte aus den Niederlanden in das Vernichtungslager Sobibor organisiert. Zwischen März und Juli 1943 trafen vermutlich 19 Transportzüge mit insgesamt 34.313 Juden und Jüdinnen aus den Niederlanden in Sobibor ein, darunter am 28. Mai 1943 auch das Ehepaar Lilienthal. Nach der dreitägigen Zugfahrt wurden sie höflich empfangen, um eine mögliche Gegenwehr zu vermeiden, mussten dann aber im Lager II ihre letzten Besitztümer und Kleidung abgeben. Ein Weg durch ein Waldstück führte direkt zu den Gaskammern. Noch am Tag ihrer Ankunft wurde Kurt Lilien zusammen mit Ehefrau Cornelia Grünfeld-Lilienthal ermordet. Er wurde 60 Jahre alt.
Recherche und Text: Thimo Butzmann, Archivbeauftragter im Theater des Westens, und Katrin Schwenk, Stolperstein-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen:
Berliner Adressbücher der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Deutsches Bühnenjahrbuch der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger
Programmzettel Berliner Bühnen
Internationale Gedenkstätte des Holocaust Yad Vashem
https://de.wikipedia.org/wiki/Gerry_Wolff
https://collections.arolsen-archives.org/de/document/130334408
https://www.steffi-line.de/archiv_text/nost_film20b40/463_lilien_kurt.htm