Stolpersteine Pariser Straße 7

Hauseingang Pariser Straße 7

Der Stolperstein wurde am 10.04.2024 verlegt.

Stolperstein Toni Hammer

HIER WOHNTE
TONI HAMMER
GEB. MARGULIES
JG. 1884
DEPORTIERT 14.8.1942
THERESIENSTADT
1943 AUSCHWITZ
ERMORDET

Toni Hammer kam als Taube Margulies (auch Margules oder Margulis geschrieben) in Jassy/Iași in Rumänien, Region Moldau, auf die Welt. Ihr Vater war der ebenfalls aus Jassy stammende Isaie (Isaak) Meyer Margulies, ihre Mutter war Ernestine Ester Margulies, geb. Davidovici. Sie stammte aus dem nicht weit von Jassy entfernten Roman.
Toni wurde am 23. Januar 1884 geboren, ihr älterer Bruder Samuel 2 Jahre zuvor am 20. Dezember 1882. Der jüngere Bruder Mendel kam im Juli 1886 in Roman auf die Welt. Er starb im Alter von 8 Jahren und 2 Monaten im September 1894. Damals lebte die Familie bereits in Berlin, in der Rückertstraße 4. Kurz nach Mendels Tod, am 25. Dezember 1894 wurde Wilhelm, das jüngste der 4 Kinder geboren.
Die Lebensumstände der Familie Margulies müssen bescheiden gewesen sein. Isaie war in den Adressbüchern als Eierhändler oder auch mit dem Zusatz „Partiewaren“ vermerkt. Partiewaren waren alte, unansehnliche Waren, die zu reduzierten Preisen abgestoßen wurden. Den Eierhandel führte er seit 1916 zusammen mit einem Erich Margulies in der Swinemünder Straße 18. Möglicherweise handelte es sich dabei um einen Verwandten.
Während Wilhelm einen kaufmännischen Beruf ergriff, betrieb Samuel einen Kunsthandel am Tauentzien 6, später in der Lützowstraße 31.

Toni blieb bei ihren Eltern wohnen und war zur Zeit ihrer Hochzeit mit Moritz (Moses) Hammer am 5. Januar 1911 „ohne Beruf“, wie in der Heiratsurkunde vermerkt war. Moritz Hammer war zu dieser Zeit Geschäftsreisender. Das junge Ehepaar wohnte anscheinend dauerhaft zur Untermiete, zunächst in der Lützowstraße 30, später in der Paulsborner Straße 7.
Am 6. Oktober 1915 brachte Toni einen Sohn, Werner Wolfgang, zur Welt. Das Kind wurde gleich nach der Geburt ins „Kaiserin Auguste Victoria Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reich“ in Charlottenburg gebracht, starb aber nach wenigen Stunden. Vielleicht hat der Tod von Tonis Mutter im August desselben Jahres zu Komplikationen in der Schwangerschaft geführt.
Toni bekam kein weiteres Kind. Die folgenden Jahre brachten keine Erkenntnisse über Toni und Moritz Hammer. Erstmals 1926 schienen sie eine eigene Wohnung bezogen zu haben, am Kaiserdamm 111, ein Jahr später wurde Moritz Hammer in der Schöneberger Aschaffenburger Straße 6 als Haushaltsvorstand verzeichnet.
Am 3. Januar 1931 starb Moritz Hammer 49-jährig im Schöneberger St. Norbert Krankenhaus. Die Todesursache ist nicht bekannt.
War es Zufall, dass Tonis Bruder Samuel genau einen Tag zuvor seinem Leben durch Gasvergiftung ein Ende gesetzt hatte? Seit 1917 hatte er eine Kunsthandlung betrieben, die 1931 vor dem wirtschaftlichen Aus stand. Er sah wohl keine berufliche Zukunft mehr.
Innerhalb von 2 Tagen verlor Toni den Bruder und den Ehemann. Ein Jahr später, im Juni 1932 starb auch der Vater Isaie Margulies im Alter von 80 Jahren.
Wie ihrer Meldekarte zu entnehmen ist, musste Toni nach dem Tod ihres Mannes die eheliche Wohnung in der Aschaffenburger Straße verlassen.
Ab 1934 ist sie unter sechs verschiedenen Adressen jeweils zur Untermiete zu finden. 1939, als die Juden in einer Sonderkartei erfasst werden, finden wir Toni unter Pariser Straße 7 und Prinzregentenstraße 74 und 1940 wohnte sie in der Brandenburgischen Straße 38 bei Goldberg. Durch die häufigen Umzüge hatte sie vermutlich keinen eigenen Besitz mehr, eine Vermögenserklärung, die sie vor der Deportation auszufüllen gehabt hätte, existiert nicht.
Am 14. August 1942 wurde Toni Hammer mit dem 100 Personen umfassenden 44. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Fast ein Jahr musste sie die grauenvollen Zustände wie Hunger, katastrophale hygienische Zustände, Seuchen, usw. ertragen, bis sie am 6. September 1943 mit 2483 anderen Jüdinnen und Juden in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet wurde.
Ein genauer Todeszeitpunkt ist nicht bekannt.
Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
Landesarchiv Berlin
Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Deportationslisten
Yad Vashem – Opferdatenbank
Arolsen Archives
Digitale Landesbibliothek Berlin – Berliner Handelsregister
Das weitere Schicksal von Samuels Margul(i)es Familie ist aufgezeichnet unter:
https://spurenimvest.de/2024/01/03/margules-peter/