Erich Collin erledigte in der Gruppe einen Großteil der Korrespondenz und der geschäftlichen Verhandlungen. Er galt als der Gentleman der Gruppe, er war gebildet, kultiviert, sprach mehrere Sprachen, hatte aber auch ein bisschen den Ruf, ein „zerstreuter Professor“ zu sein. In einem Interview erzählte seine Schwester Anne-Marie über ihn: „Meine Haupterinnerung ist, dass er ein Träumer war. Wir nannten das natürlich ‚dusselig‘, er vergaß alles und war so mit sich beschäftigt, mit seiner Welt, und das war eine Welt von Form und Musik.“
Im Frühjahr 1930 lernte er bei einer Konzertreise nach Frankfurt am Main in einem Tanzlokal die Halbfranzösin Fernande Holzamer kennen. Die beiden heirateten am 30. Juni 1931 und lebten in der Carmerstraße 7 in Berlin-Charlottenburg. Im März 1932 wurde die Tochter Eva Suzanne, genannt „Suse“ geboren. Ab Oktober 1934 wohnte die Familie in der Landhausstraße 42 in Berlin-Wilmersdorf.
Als er 1935 wegen seiner jüdischen Herkunft nicht in die Reichsmusikkammer aufgenommen wurde, konnte Erich Collin in Deutschland nicht mehr als Künstler tätig sein und floh – wie die anderen jüdischen Mitglieder der Comedian Harmonists – nach Wien, wo sie eine neue Gruppe gründeten.
Die Familie Collin wohnte im 18. Wiener Bezirk. Die ausgedehnten Tourneen mit den Comedian Harmonists machten Ehefrau und Tochter nur selten mit. Spätestens ab 1938 lebten beide bei Verwandten in Paris. Tochter Suzanne sollte nicht aus dem Koffer leben müssen. Ab 1939 wohnte Fernande Abraham Collin mit ihrer Tochter zunächst in Lyon-Villeurbanne, während ihr Mann auf Tournee war – u.a. in Australien. Die Gruppe plante, sich in Australien niederzulassen. Seine Schwester Anne-Marie hatte Erich Collin dorthin schon nachkommen lassen. Er versuchte auch, Frau und Tochter zu sich nach Australien zu holen, es gab jedoch Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Pässen. Als Fernande und Suzanne Abraham Collin endlich die Papiere für die Ausreise bekamen, war die Überfahrt per Schiff wegen des Zweiten Weltkrieges bereits zu gefährlich geworden.
Auch bei den Comedy Harmonists, wie sich die Gruppe in Australien nannte, war Erich Collin für die geschäftlichen Dinge verantwortlich. Nach der Auflösung der Gruppe im Jahr 1941 ging er nach Amerika und arbeitete eine Zeitlang in einer Weinhandlung. Als die bankrott ging, wurde er arbeitslos. Durch die Vermittlung von Albert Einstein, der ein guter Bekannter der Familie in Berlin gewesen war, bekam er eine befristete Anstellung als Dozent für deutsche Musik an der New Yorker Universität. Danach verdiente er sein Geld als Verkäufer für Enzyklopädien und in einer medizinischen Buchhandlung. Schließlich belegte er einen Ausbildungskurs für Kunststofftechnik und fand eine Anstellung in einer Fabrik. Dann wurde er Direktions-Assistent in einem Warenhaus.
Fernande und Eva Suzanne lebten seit Kriegsbeginn in einer Pension in Neuilly bei Paris und hatten keine Möglichkeit, aus dem von deutschen Truppen besetzten Frankreich nach Amerika zu emigrieren. Fernande nutzte nur noch ihren Mädchennamen Holzamer, sprach mit ihrer Tochter französisch und gab beide als staatenlos aus. Auf diese Weise gelang es ihr, gegenüber den Besatzern ihre deutsche Staatsbürgerschaft zu verbergen. Erst nach Kriegsende erfuhr Eva Suzanne die Wahrheit über ihre Herkunft.
Nach dem Krieg fehlten Fernande Collin die Mittel für eine Überfahrt nach Amerika. Das Geld, das Erich Collin seiner Familie schicken konnte, wurde für den Lebensunterhalt benötigt. Erst dank finanzieller Unterstützung von Erich Collins Arbeitgeber konnten Fernande und Suzanne schließlich im Januar 1947 nach New York reisen und sahen nach neun Jahren in Los Angeles ihren Ehemann und Vater wieder. Erich Collin wohnte zu dieser Zeit in einem winzigen Appartement in Hollywood.
1947 wurde er erneut arbeitslos. Aus der Sehnsucht nach musikalischer Betätigung und aus der wirtschaftlichen Not heraus beschäftigte er sich ab dieser Zeit mit der Neugründung einer Gruppe im Stil der Comedian Harmonists und fand schließlich einige amerikanische Sänger, mit denen er sich zusammentat. Mit dem Programm „From Classic To Jazz“ trat die Gruppe zunächst in Kalifornien und ab Sommer 1948 in Europa auf. Im Februar 1949 machten sie in Basel Plattenaufnahmen. Leider kam es aber zu Konflikten innerhalb der Gruppe und damit war das Projekt am Ende. Am 23. Dezember 1949 wurde Erich Collin als Eric Abraham Collin in den USA eingebürgert.
1952 war er wieder arbeitslos. Aufgrund seiner Erfahrungen und seines handwerklichen Geschicks richtete er sich eine kleine Werkstatt für Design und Produktion von Kunststoffgegenständen ein, wo er u. a. Acrylgestelle zur Präsentation von Uhren und Brillen als Schaufensterdekorationen anfertigte. Diese Beschäftigung übte er mehrere Jahre aus, obwohl er ab 1952 hauptberuflich als Plexiglas-Spezialist bei den Northrop-Flugzeugwerken tätig war.
Ab dem Sommer 1954 versuchte Eric Abraham Collin erneut, eine Gesangsgruppe zu gründen, zum Teil mit Mitgliedern der amerikanischen Gruppe von 1948/1949. Die Gruppe sollte schlicht „The Harmonists“ oder auch „The American Harmonists“ heißen. Letztlich führten aber Personalprobleme, Meinungsverschiedenheiten und die permanente Geldknappheit dazu, dass er dieses Projekt aufgab. Damit scheiterte endgültig seine Hoffnung, jemals wieder ein Gesangsensemble im Stil der Comedian Harmonists auf die Beine stellen zu können.
Im Jahr 1959 bekam Eric Collin eine Entschädigungszahlung, und ab 1960 erhielten er und seine Frau kleine Verfolgtenrenten aus Deutschland.
Eric Collin starb am 29. April 1961 in Los Angeles unerwartet während einer Blinddarmoperation an Herzversagen. Sein Grab befindet sich auf dem Hollywood Memorial Cemetery in Los Angeles.
Recherche und Text: Jan Grübler und Martina Wunsch Quellen und Literatur:
- Jan Grübler in: http://www.comedian-harmonists.net/?page_id=491
- Czada, Peter, Günter Große: Comedian Harmonists. Ein Vokalensemble erobert die Welt. Berlin 1993/1998.
- Fechner, Eberhard: Die Comedian Harmonists. Sechs Lebensläufe. München 1988.
- Friedman, Douglas E.: The Comedian Harmonists. The Last Great Jewish Performers in Nazi, Germany. West Long Branch 2010.