Stolpersteine Sächsische Str. 5

Hauseingang Sächischestraße 5

Hauseingang Sächsischestraße 5

Die Stolpersteine wurden am 8. April 2022 verlegt und von der Enkeltochter Marianne Boswell gespendet.

Stolperstein William Leiser

Stolperstein für William Leiser

HIER WOHNTE
WILLIAM LEISER
JG. 1895
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
1.8.1933

William Leiser wurde am 15. Juli 1895 in Filehne im damaligen Regierungsbezirk Bromberg, Provinz Westpreußen (heute Wielen in der Woiwodschaft Großpolen, Województwo Wielkopolskie) als Sohn von Jacob Leiser und seiner Frau Henriette geboren. Er heiratete Luci Dawidowicz, die am 13. 2. 1895 in Posen das Licht der Welt erblickt hatte. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor: – Werner, der am 13. 11.1916 in Posen geboren wurde, und – Franciszek (später Franz), geboren am 27. 9.1919 ebenfalls in Posen.

Familie Leiser 1912 in Posen. William Leiser: 2. Reihe von unten ganz links.

Wann genau die Familie Leiser nach Berlin kam, ist nicht bekannt. Man kann vermuten, dass sie – wie so viele Menschen aus dieser Region – nach der Wiederherstellung der Polnischen Republik nach dem Ersten Weltkrieg und unmittelbar nach der Geburt des kleinen Franz Posen verließen, da sie Bürger Preußens waren und nicht Polen werden wollten. Jedenfalls gründete William Leiser 1920 ein Geschäft für „Landesprodukte“ (Nahrungs- und Genussmittel) in Berlin-Mitte, Alexanderstraße 53.

William Leiser
Landesprodukte (Nahrungs- und Genußmittel)
Gegründet 1920, Liq.: 1937
Alexanderstrasse 53 (Mitte)

William Leiser.

William Leiser.

Luci Leiser verließ ihren Mann William und die beiden Söhne, als diese noch sehr klein waren, und heiratete in zweiter Ehe Eli Boschwitz und zog in sein Haus am Hohenzollerndamm 81 (Stolpersteine für Eli und Luci Boschwitz sowie dessen Schwägerin Martha Boschwitz und deren Kinder Ulrich und Clarissa (Stolpersteine Hohenzollerndamm 81 – Berlin.de).

William Leiser bekam das Sorgerecht für seine Söhne Werner und Franz und zog mit ihnen in die Sächsische Straße 5. Sein Sohn Werner beschrieb ihn als besonders liebevollen und zugewandten Vater.

Werner, William und Franz Leiser.

Werner, William und Franz Leiser.

Er heiratete in zweiter Ehe die wesentlich ältere Martha Ruben, die am 2. Februar 1885 in Bielefeld geboren worden war. Über sie, ihre Herkunft und ihr Leben sind keine Details bekannt.

Das Einzige, was der Sohn Werner seinen Töchtern über ihren Großvater erzählte, war: „My father’s business partner fled the country with company money. My father thought he would be in serious trouble. There was a knock on the door, he thought it was the SS, and he shot himself.” (Meines Vaters Geschäftspartner floh aus dem Land mit Geld der Firma. Mein Vater dachte, er sei in größten Schwierigkeiten. Es klopfte an der Tür, er dachte, es sei die SS und erschoss sich.)

Werner und Franz Leiser.

Werner und Franz Leiser.

Nach dem Selbstmord des Vaters am 1. August 1933 begann für den 17-jährigen Werner und seinen 15jährigen Bruder Franz, die zu ihrer Mutter Luci Boschwitz gegangen sind, eine Odyssee, über die es im Familienkreis unterschiedliche Erzählungen gibt. Das ist nicht verwunderlich, denn viele Überlebende sprachen selten oder nie über ihren Leidensweg.

Werner – wie auch Franz – flohen mit ihrer Mutter Luci, dem Stiefvater Eli Boschwitz und den beiden jüngeren Halbgeschwistern 1933 zunächst in die Tschechslowakei, dann nach England. Werner wurde nach Palästina geschickt, wo er ein Jahr lang in einem Kibbutz arbeitete. Familie Boschwitz mit seinem Bruder Franz wanderte im Dezember 1935 mit dem Dampfer SS Majestic von Southampton in die USA aus. Werner folgte ihnen im Oktober 1936 aus Palästina via Cherbourg mit dem Dampfer SS Aquitania.

Stolperstein Martha Leiser Sächischestraße 5

Stolperstein Martha Leiser

HIER WOHNTE
MARTHA LEISER
GEB. RUBEN
JG. 1885
DEPORTIERT 4.8.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Martha Leiser tauchte zehn Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes – am 2. März 1943 – unter. Ob sie denunziert oder aus anderen Gründen von der Gestapo aufgespürt wurde, ist nicht bekannt. Sie wurde von dem von den Nationalsozialisten als „Sammelstelle“ missbrauchten Jüdischen Altenheim in der Großen Hamburger Straße 26 aus mit dem sog. „40. Osttransport“ am 4. August 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann nach Berichten von Marianne Boswell und weiteren Nachkommen
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939 – Gedenkbuch des Bundesarchivs – Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, Berlin, Edition Hentrich, 1995 – Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945, https://www2.hu-berlin.de/www.geni.com – Passagierlisten SS Majestic und SS Aquitania