Stolperstein Lynarstraße 5

Hausansicht Lynarstr. 5

Dieser Stolperstein wurde am 19. November 2021 verlegt und von Helmuth Pohren-Hartmann gespendet.

Stolperstein Jacob Studinski

HIER WOHNTE
JACOB STUDINSKI
JG. 1876
DEPORTIERT 14.11.1941
MINSK
ERMORDET

Jacob Studinski wurde am 22. Dezember 1876 in Czersk (damals Westpreußen, heute Województwo Pomorskie) geboren. Er war der Sohn von Daniel Studinski und seiner Frau Friederike geb. Herzog. Er hatte vier Geschwister, die bis auf die einzige Schwester alle im Holocaust umkamen: – der Bruder Kasper, geb. 1881, wurde am 14. November 1941 – wie Jacob – nach Minsk deportiert und dort ermordet. Für ihn und seine Frau liegen Stolpersteine in Schöneiche Gemeinde Schöneiche bei Berlin , – der Bruder Lesser, geb. 1883, starb 1942 in Berlin – vermutlich an den Folgen der Verfolgung, – der Bruder Robert Raphael, geb. 1885, wurde am 4. August 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Die ältere Schwester Marianne, geb. 1869, verh. Kaatz, wurde am 3. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Sie hatte das Glück, mit dem sog. „Freiheitstransport“ vom 5. Februar 1945 gerettet zu werden. Diese Rettungsaktion, durch die 1200 jüdische Menschen aus unterschiedlichen europäischen Ländern überlebten, ging auf direkte Verhandlungen des Schweizer Bundesrats a.D. Jean-Marie Musy – im Auftrag des jüdisch-orthodoxen Industriellenehepaares Recha und Isaac Sternburg – mit „Reichsführer SS“ Himmler zurück, der ein Lösegeld von 1000 $ verlangte – aber nie bekam, denn das Kriegsende war nah. Marianne Kaatz wanderte später über Paraguay nach Brasilien aus.

Am 3. Juli 1903 heiratete Jacob Studinski Thekla Natus, die am 12. August 1876 in Gelsenkirchen das Licht der Welt erblickt hatte. Am 14. April 1904 wurde die gemeinsame Tochter Julie geboren. Damals lebten sie in Recklinghausen, wo Jacob ab 1904 ein großes Schuhgeschäft – Am Markt 8 – mit 10 bis 12 Beschäftigten besaß. Er war über 20 Jahre Vorsitzender des Reichsverbandes Deutscher Schuhhändler in Recklinghausen. Die Familie Studinski lebte in sehr guten Verhältnissen und bewohnte eine große und elegant eingerichtete Wohnung im gleichen Haus.

Nach Boykottaufrufen gegen ihn und dem erzwungenen Verkauf seines Geschäftes in Recklinghausen zog das Ehepaar Studinski 1936 nach Berlin und wohnte zunächst in der Pariser Str. 2, ab 1937 dann in der Lynar Str. 5, 1. OG, im Grunewald. Jacob wollte nahe bei seiner Tochter Julie sein, die mit ihrem Mann Paul Wertheimer und dem Sohn Rolf seit Mitte der 20er Jahre in Berlin lebte. Zudem hoffte er, in der Großstadt Berlin, wo ihn niemand kannte, als Jude besser leben zu können.

Julie und Paul Wertheimer flohen mit ihrem Sohn Paul Mitte 1939 nach Argentinien und versuchten, auch für Julies Eltern Jacob und Thekla Studinski Visa zu bekommen, was ihnen auch gelang. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte jedoch deren Ausreise aus Deutschland. Thekla Studinski verstarb am 2. Oktober 1941 in Berlin und wurde in Weißensee beigesetzt.

Jacob Studinski besaß Wertpapiere, Bankkonten etc., die ihm von Nazideutschland vor seiner Deportation geraubt wurden. Julie Wertheimer stellte nach dem Krieg Anträge auf „Wiedergutmachung“ für den Besitz ihrer Eltern. In der Entschädigungsbehörde beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten in Berlin existiert eine Akte über ihn, im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam – Golm lediglich eine Karteikarte.
Jacob Studinski musste sich in der von den Nationalsozialisten als „Sammellager“ missbrauchten Synagoge in der Levetzowstr. 7-8 melden und wurde mit dem sog. „5. Osttransport“ am 14. November 1941 in das Getto Minsk deportiert und überlebte nicht. Sein Sterbedatum ist nicht überliefert. Den Entschädigungsakten ist zu entnehmen, dass Jacob Studinski posthum vom Gericht mit Datum 9. Mai 1945 für tot erklärt wurde.

Recherche und Text: Helmuth Pohren-Hartmann, Stolperstein-Initiative Stierstraße, Berlin-Friedenau
Quellen: – Volkszählung vom 17.5.1939
- Gedenkbuch des Bundesarchivs – Spuren im Vest Juden im Vest Recklinghausen, Suchergebnisse für „Studinski“ – Spuren im Vest