Stolpersteine Mommsenstraße 18

Hausansicht Mommsenstr. 18

Diese Stolpersteine wurden am 08.11.2021 verlegt.

Stolperstein Margarethe Berg

HIER WOHNTE
MARGARETHE BERG
GEB. HIRSCH
JG. 1872
DEPORTIERT 20.8.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Margarethe Hirsch wurde am 3. Mai 1872 in Rügenwalde/Pommern geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann David Hirsch und seine Frau Bertha geb. Menchau. Margarethe war die Älteste von vier Geschwistern. 1878 oder 1879 wurde Ester Else geboren, sie starb 21–jährig am 11. März 1900. Rosa Rifke kam am 31. März 1882 auf die Welt und der Bruder Lester Hannes am 3. Februar 1884.

Im Alter von 21 Jahren heiratete Margarethe am 3. Oktober 1893 den Kaufmann Siegfried Berg (*5. Januar 1867). Das Ehepaar wohnte anfangs in der Alten Schönhauser Straße 3.
Die erste Tochter Irma Charlotte (Lotte) kam am 26. Juli 1894 auf die Welt. Damals war das Ehepaar Berg in die Schlegelstraße 10 umgezogen.
Am 15. Juli 1899 wurde Lola Irene geboren. Die Familie hatte inzwischen wieder die Wohnung gewechselt und wohnte nun in der Lothringer Straße 55. Lola starb am 3. Januar 1918 im Virchow Krankenhaus. Sie war erst 19 Jahre alt. Sie hatte nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zur Krankenpflegerin gemacht. In der Sterbeurkunde ist als Adresse die Weddinger Brunnenstraße 41 angegeben. Dort befand sich das Mutter- und Kinderheim des Frauen–Vereins der Berliner Logen, sowie das Schwesternheim der Großloge, in dem Lola ihre Unterkunft hatte.
Margarethe und Siegfried waren zum Zeitpunkt des Todes ihrer Tochter schon lange geschieden.
Laut Lolas Sterbeurkunde war Siegfried Berg in Amerika wohnhaft – „näheres nicht bekannt“.

Am 12. Februar 1905 hatte Margarethe in zweiter Ehe Arthur Woog geheiratet. Am 6. Dezember desselben Jahres kam der gemeinsame Sohn Cornelius Maximilian auf die Welt.
Es schien auch in dieser Ehe zu Zerwürfnissen gekommen zu sein, die für Margarethe gravierende Folgen hatten und so wurde auch ihre zweite Ehe zu einem nicht bekannten Zeitpunkt geschieden.
Im Entschädigungsverfahren von 1960 heißt es: „Diese Ehe soll jedoch auf Antrag des Ehemannes für nichtig erklärt worden sein. Das aus dieser Ehe stammende Kind Kornelius Woog soll dem Vater zugesprochen worden sein.“
Die gemeinsamen Einträge in den Berliner Adressbüchern für Arthur und Cornelius Woog unterstützen diese Aussage. Arthur Woog, kaufmännischer Direktor – er war in den 20-er Jahren im Aufsichtsrat der Buttelawerke Hannover – und Cornelius Woog, Ingenieur und später Vertreter waren seit 1933 bis 1938 unter mehreren gemeinsamen Schöneberger Adressen gemeldet.
Nach der Scheidung legte Margarethe den Ehenamen Woog ab, sie nannte sich von da an wieder Margarethe Berg.
Durch den häufig vorkommenden Namen ist nicht nachzuverfolgen, wo Margarethe Berg gewohnt hat und wann sie in die Mommsenstraße 18 gezogen ist. Da ihre Tochter Charlotte (Lotte) in die USA ausgewandert war – sie heiratete dort und trug den Ehenamen Fertig – und Cornelius bei seinem Vater lebte, kann davon ausgegangen werden, dass Margarethe Berg keine eigene Wohnung hatte, sondern bei jemandem in der Mommsenstraße zur Untermiete wohnte. In der Sonderkartei für Juden, die im Zusammenhang mit der Volkszählung im Mai 1939 angefertigt wurde, ist lediglich ihr Name erwähnt, nicht aber bei wem sie lebte.
Im Herbst 1941 – die ersten Deportationen in die Ghettos im Osten Europas waren angelaufen – wurden jüdische Berliner zwangsweise aus ihren Wohnungen aus- und in andere Unterkünfte eingewiesen. Teilweise pferchte man sie in sogenannten „Judenhäusern“ zusammen oder quartierte sie bei anderen jüdischen Mietern ein. Es sollten bevorzugt große „Judenwohnungen“ freigemacht werden, um Wohnraum für Funktionäre des NS–Regimes und für Bombengeschädigte zu schaffen.

So erging es auch Margarethe Berg, die ihre Wohnung oder ihr Zimmer in der Mommsenstraße verlassen musste und bei Seligsohn in der Eisenzahnstraße 6 zur Untermiete in eine Parterrewohnung einquartiert wurde. Sie hatte noch einige Möbelstücke aus dem Mommsenstraße 18 mitnehmen können – offenbar bewohnte sie bei Seligsohn ein Leerzimmer. Der Wert dieses Mobiliars (Messingbettstelle mit Federboden, Nachttisch Marmor, Ruhebett, Frisierkommode, Kleiderschrank mit Spiegel, kleiner Tisch und 3 Stühle, 2 Vorleger, Koffer, Plättbrett, Wäscheschlucker, Nähmaschine unbrauchbar) wurde nach ihrer Deportation vom Obergerichtsvollzieher eingezogen und auf lediglich 50 Reichsmark taxiert.

Cornelius Woog hatte inzwischen, wie auch seine Halbschwester Charlotte, Nazideutschland verlassen. Er war zunächst nach England gegangen, von wo aus er versuchte, seiner Mutter durch einen Freund der Familie zu helfen. Dieser erklärte später: „Seit meinem letzten Zusammensein mit Herrn C. Woog vor dem Krieg in England, habe ich regelmäßig Frau Berg in der Eisenzahnstraße 6 besucht und sie im Namen des Sohnes unterstützt. … Im Jahr 1942 war es Frau Berg klar, dass sie eines Tages – wie alle Juden – abgeholt würde und sie bat mich zu einer letzten Besprechung, um ihr nach einer evt. Abholung helfen zu können. Dies gelang mir selbstverständlich nicht. …“.

Cornelius war von England weiter in die USA ausgereist. 1940 wurde er dort zusammen mit seiner Frau Nina in der Volkszählung erfasst. Margarethe kannte seine Adresse, sie schickte ihm am 10. April 1940 über das Rote Kreuz eine verzweifelte Nachricht: „Euer langes Schweigen beunruhigt mich sehr. Lieber Cornel bist du noch dort? Hoffe, dass Ihr gesund. Erwarte Lebenszeichen. Bin sehr deprimiert. Tausend Grüsse Mutter“.
Vier Monate später, am 20. August 1942 wurde Margarethe Berg mit dem 100 Menschen umfassenden, sogenannten 46. Alterstransport in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert.

Ihre Schwester Rosa Rifke Herrmann geb. Hirsch hatte zuvor am 21. Juli 1942 den gleichen Weg nach Theresienstadt antreten müssen. Ob sich die beiden Schwestern im Ghetto noch getroffen haben, wissen wir nicht. Rosa starb zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in Theresienstadt, während Margarethe nur einen Monat nach ihrer Ankunft nach Treblinka weiterdeportiert wurde. Treblinka war als reines Vernichtungslager erschaffen worden. Die dort ankommenden Menschen wurden nicht registriert, sondern mussten sich sofort nach ihrer Ankunft entkleiden, um unmittelbar darauf in die Gaskammern getrieben zu werden.

Cornelius Woog stellte zusammen mit seiner Halbschwester Charlotte Fertig in den 1950er Jahren von den USA aus einen Antrag auf Entschädigung. Er starb 1996 in Wethersfield Connecticut. Sein Vater Arthur Woog war bereits am 20. Mai 1940 in seiner Schöneberger Wohnung an den Folgen einer Zuckererkrankung und Herzschwäche gestorben.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 
WGA 

Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“


Stolperstein Max Marcus Eisenstädt

HIER WOHNTE
MAX MARCUS
EISENSTÄDT
JG. 1889
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Der Kaufmann und als solcher „Reisender in Posamentierwaren“ Adolf Aron Eisenstädt (* 1857) und seine Ehefrau Ester Emilie geb. Magnus (* 1842) hatten ein gemeinsames Kind: Max Marcus, geboren am 15. März 1889 in Großbeeren/Teltow bei Berlin.

Aron Eisenstädt (er unterschrieb seine Dokumente wechselnd mit Adolf oder Aron) hatte aus seiner 1883 geschlossenen Ehe mit Emma Krause schon einen Sohn gehabt, Wolf Willy. Der Säugling starb im Alter von 7 Wochen im Dezember 1884, eine Woche nach dem Tod seiner 27-jährigen Mutter. Emma war am 27. November – möglicherweise an den Folgen der Geburt – in der Berliner Universitätsklinik gestorben.

Aron, der innerhalb weniger Wochen Ehefrau und Kind verloren hatte, lernte einige Jahre später in Hamburg die 15 Jahre ältere Modistin Ester Emilie Magnus kennen. Sie heirateten am 9. April 1888 vor dem Hamburger Standesamt.
Aus welchen Gründen das Ehepaar Eisenstädt nach Großbeeren zog, ist nicht bekannt. Zur Zeit der Heirat wohnte Aron noch in Berlin in der Zehdenicker Straße. Am 15. März 1889 brachte die bereits 46 Jahre alte Emilie Eisenstädt den Sohn Max Marcus zur Welt, vielleicht benannt nach dem Großvater mütterlicherseits, Marcus Magnus. Sein Rufname war jedoch Max. Die Familie zog später nach Berlin Prenzlauer Berg in die Wörther Straße 43, wo alle familiären Ereignisse der kommenden Jahre stattfinden sollten.

Ende März 1919 starb Ester Emilie Eisenstädt 77-jährig im Beisein von Max in ihrer Wohnung. Max war inzwischen ebenfalls als Kaufmann tätig.
Vater und Sohn blieben zusammen wohnen, auch als Max am 2. August 1920 die 26jährige Rosalie Kroner heiratete. Offenbar haben die jungen Leute nie zusammengelebt. Rosalies Adresse ist in der Heiratsurkunde mit Warschauer Straße 8 angegeben. Dieses war auch 2 Jahre später noch ihre Anschrift, als sie im Alter von 28 Jahren starb.
1924 war für Aron und Max das Jahr, in dem beide noch einmal heirateten. Am 10. Januar nahm Max die Schneiderin Martha Goldstein (*24. Oktober 1889 in Kobylin) zur Frau und sein Vater heiratete im März die 1875 geborene Verkäuferin Therese Lindemann.

3 Jahre später, am 12. Februar 1927 starb Aron Eisenstädt, laut Sterbeurkunde war der inzwischen in den Ruhestand getretene Kaufmann ein Synagogendiener geworden. Seine Witwe blieb in den kommenden Jahren in der Wörther Straße 43 wohnen. Sie wurde im Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo sie zwei Wochen nach Ankunft verstarb.
Wo Max und Martha in den Ende der 20-er und den 30-er Jahren wohnten, kann nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden, die Eintragungen in den Berliner Adressbüchern lassen keine eindeutigen Rückschlüsse zu.
1939 war die Wende in der Ehe der Eisenstädts. Max soll damals in der Iranischen Straße 2 untergebracht gewesen sein. Dies war die Adresse des Krankenhauses der Jüdischen Gemeinde.
Martha Eisenstädt verließ 1939 Deutschland und damit auch ihren Mann. Sie ging nach England. Es ist gut vorstellbar, dass eine gemeinsame Ausreise des Ehepaares geplant war, Max’ Aufenthalt im Jüdischen Krankenhaus die Pläne aber durchkreuzte. Martha lebte 1939 in London im Stadtteil Hampstead, sie verstarb aber schon am 18. September des darauffolgenden Jahres.

Max Marcus Eisenstädt

Max war zur Zeit der Volkszählung im Mai 1939 in der Mommsenstraße 18 gemeldet. Ob dieses schon die Adresse vor Marthas Ausreise war, oder ob Max nach der Entlassung aus dem Krankenhaus dort bei einem anderen Mieter ein Zimmer bezog, ist unklar.
Bis zu seiner Deportation 1943 war er wie alle Juden den stetig zunehmenden Schikanen des Naziregimes ausgesetzt. Er wurde zur Zwangsarbeit bei der Deutschen Lufthansa AG in Staaken für einen Hungerlohn von 32,-RM herangezogen. Sein Zimmer in der Mommsenstraße musste er verlassen und wurde in dem Eckhaus Schlüterstraße 17/ Pestalozzistraße 99a bei Erich Gross und dessen Schwiegermutter Jette Kroner einquartiert. Erich Gross war schon im November mit seiner Frau Gertrud untergetaucht und Jette Kroner nach Theresienstadt deportiert. Für Jette Kroner und Erich Gross, der in der Illegalität denunziert und dann deportiert wurde, liegen Stolpersteine vor dem Haus Pestalozzistraße 99a. Gertrud Gross überlebte. Die Wohnung von Erich Gross wurde zur „Judenwohnung“ deklariert, die Miete in Höhe von 20 RM hatte Max deshalb an die Hauswartsfrau Hedwig Wendicke abzuliefern. Von seinen Besitztümern waren ihm nur einige wenige Habseligkeiten geblieben. Das mit dem Tag seiner Deportation beschlagnahmte Vermögen bestand aus einem Kleiderschrank, einem eisernen Bettgestell mit Matratze, Oberbett, Unterbett und Kopfkissen, einem kleinen Tisch, Herrenbekleidung und Leibwäsche im Wert von 35 Reichsmark.
Max Marcus Eisenstädt wurde am 2. März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Wir wissen nicht, ob Max Eisenstädt nach Ankunft im Lager noch registriert wurde oder ob er sogleich in einer der Gaskammern ermordet wurde.
Es war der zweite Großtransport mit 1756 Menschen nach der „Fabrikaktion“ – unter ihnen befand sich Gustav Wiener, der Vater Frieda Wieners, die auch in der Mommsenstraße 18 wohnte und für die ebenfalls ein Stolperstein vor dem Haus verlegt wurde.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolpersteininitiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945

-Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

-Brandenburgisches Landeshauptarchiv

-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

-Yad Vashem – Opferdatenbank

jewishgen.org: UK Death records
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179613.php

Stolperstein Sophie Holländer

HIER WOHNTE
SOPHIE HOLLÄNDER
JG. 1876
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
ERMORDET

Sophie Holländer wurde am 15. Juni 1876 in Kiew geboren, wo sie aufwuchs und das Gymnasium besuchte. Sie war eine noch junge erwachsene Frau, als zwischen 1918 und 1921 auf dem Boden der Ukraine und Polens 100 000 jüdische Menschen Opfer antisemitischer Pogrome wurden. Das wäre eine wahrscheinliche Erklärung, warum Sophie Holländer ihre Heimat verließ und nach Berlin kam. Es gibt jedoch keinerlei zugängliche Dokumente oder andere Informationen, die ihr Leben beleuchten könnten.
Einzig ihre Adressen ab 1939 sind bekannt. Bei der Volkszählung vom 17. Mai 1939 wurde sie in der Mommsenstraße 18 erfasst. Dort war sie bei einem der Bewohner als Untermieterin gemeldet. Zu einem späteren Zeitpunkt lebte sie in der Charlottenburger Rückertstraße 4, welche auch der Ausgangspunkt ihrer Deportation war. In der Rückertstraße wohnte Sophie Holländer bei den Schwestern Sara und Hulda Rosenkranz. Beide Frauen nahmen sich am 19. Februar 1941 mittels einer Gasvergiftung das Leben. Sophie Holländer wurde ein Jahr später deportiert.
Die Deportationsliste enthält einige wenige weitere Informationen. Demnach war Sophie Holländer ledig, ohne Beruf und besaß – besonders bemerkenswert – einen französischen Pass mit der Nummer H 209/38. Offenbar hat er sie nicht zunächst, wie andere ausländische Juden, vor der Deportation geschützt. Möglicherweise war er erst 1938 ausgestellt worden und sollte Sophie zur Emigration verhelfen. Dies war nach der Teilbesetzung Frankreichs durch die Deutschen im Sommer 1940 zumindest viel schwieriger geworden.
Am 19. Januar 1942 wurde Sophie Holländer mit dem sogenannten 9. Osttransport (Welle 9) in das Rigaer Ghetto deportiert. Der Transport ging vom Bahnhof Grunewald aus und erfolgte trotz eisiger Kälte in diesem Winter in gedeckten Güterwagen. Ihr weiteres Schicksal, insbesondere die Umstände ihres Todes, sind nicht bekannt.

Transportliste Sophie Holländer

Transportliste Sophie Holländer

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:
Landesarchiv Berlin
Deportationslisten
Gedenkbuch
Anna Fischer „Erzwungener Freitod“
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5646906
Mapping The Lives

Stolperstein Ida Löwenthal

HIER WOHNTE
IDA LÖWENTHAL
JG. 1866
DEPORTIERT 5.8.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Otto Puffahrt „Gartow – Vom Rittersitz zur Ferienregion“

Otto Puffahrt „Gartow – Vom Rittersitz zur Ferienregion“

Ida Löwenthals Vater, der Pferdehändler Abraham (Adolf) Löwenthal, lebte mit seiner aus Tübingen stammenden Frau Rosalie geb. Blanck in der Mitte des 19. Jahrhunderts in dem kleinen Städtchen Gartow im heutigen Kreis Lüchow–Dannenberg. Er war gegen 1860 vom 10 km entfernten Schnackenburg dorthin gezogen. In der Hauptstraße in Gartow waren kurz zuvor einige Häuser abgebrannt und in eines der neu erbauten Häuser, Nr. 31, zogen Abraham und Rosalie Löwenthal ein. Sie lebten in unmittelbarer Nähe des Schlosses der Gräflichen Familie von Bernstorff, die u.a. einen ansehnlichen Reitstall und weitere sonstige Pferdeställe besaßen. Für einen Pferdehändler war das sicher eine gute Ausgangslage.

Rosalie brachte in Gartow 8 Kinder zur Welt: Louis (1861), Emma (1862), Rosa (1865), Ida (28. November 1866), Sallie (1868), Julius (1871), Sophie (1873) und Ella (1877). Neben dem Wohnhaus befand sich die Schule, die von den Kindern besucht wurde.
Es ist nicht bekannt, ob in Gartow weitere jüdische Familien lebten, in Schnackenburg hatte es eine kleine jüdische Gemeinde gegeben, noch heute zeugen 8 Grabsteine auf dem Friedhof von ihrer Existenz.

Das ehemalige Wohnhaus der Familie Löwenthal in der Gartower Hauptstraße, heute unter Denkmalschutz stehend.

Das ehemalige Wohnhaus der Familie Löwenthal in der Gartower Hauptstraße, heute unter Denkmalschutz stehend.

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zog die Familie mit allen Kindern nach Uelzen. Vielleicht bot das Leben auf dem Lande sowohl beruflich für Abraham als auch für die Ausbildung der Kinder keine ausreichende Grundlage mehr. Ende der 1880er Jahre lebten Abraham und Rosalie – Abraham hatte seine Geschäfte aufgegeben und war in Rente gegangen – in Hannover. Einige von Idas Geschwistern hatten geheiratet und waren in andere Städte gezogen.
Louis ging nach Hamburg, er war dort zweimal verheiratet, 1887 mit Auguste Nathanson und 1900 mit Olga Fliess.

Julius war nach Mainz gezogen, er und seine Frau Mathilde Marx bekamen einen Sohn, der im Alter von 9 Monaten im Juni 1901 verstarb.
Sophie war schon in Berlin, als sie 1902 Georg Glaser heiratete. Sie starb 1935, ihr Sohn Dr. jur Werner Glaser, ließ sich in Italien nieder.
Ella blieb zunächst in Hannover und heiratete 1898 den Musikdirektor Adolf Hermann Ruhoff. Mit der Eheschließung trat sie zum evangelischen Glauben über. Sie bekam zwei Söhne, Hellmuth Adolf, * 1902, und Hermann Armin *1904. Auch diese Familie zog nach Berlin, wo Ella am 14. Januar 1939 an den Folgen ihrer Krebserkrankung verstarb.
Emma war mit Eduard Koppe verheiratet, beide starben sehr früh, Eduard 1911 und Emma 1914. Damals wohnten sie in der Goethestraße 69. Das Ehepaar hatte drei Kinder, Waldemar Koppe, Charlotte, verheiratete Wendriner und Clara, verheiratete Spitz. Charlotte Wendriner war in den letzten Jahren die Vermieterin ihrer Tante Ida. Auch Idas Nichte Clara Spitz wohnte lange Zeit mit ihrer Tochter Lore bei Charlotte in deren Wohnung.
Möglicherweise war Ida, die immer ledig blieb, ihren Schwestern Emma und Sophie nach Berlin gefolgt. Wir wissen nicht, welchen Beruf Ida ausübte und wo sie vor ihrer Zeit in der Mommsenstraße lebte.
Zum Zeitpunkt der Volkszählung im Mai 1939, in dem Juden in einer Sonderkartei erfasst wurden, wohnte Ida als Untermieterin bei ihrer Nichte Charlotte. Charlotte Wendriner, von Beruf Buchhalterin, lebte seit ihrer Hochzeit mit dem Kaufmann Albert Wendriner in der Mommsenstraße 18. Als Ida bei ihr einzog, war sie schon verwitwet und hatte sicherlich genügend Raum, um ihre Tante bei sich aufzunehmen. Charlotte muss aber damals schon sehr krank gewesen sein, denn sie starb im Juli 1939 an den Folgen einer Lebererkrankung im Jüdischen Krankenhaus.
Damit war auch für Ida die sicherlich glücklichere Wohnsituation beendet. Ida wurde alsbald als Untermieterin bei Fanni Piorkowski in ein Zimmer in der Nestorstraße 54 eingewiesen. Dieses hatte sie sich mit einer weiteren Untermieterin zu teilen. Lt. Vermögenserklärung, die Ida wenige Tage vor ihrer Deportation abgeben musste, hatte sie „kein Vermögen“. Die wenigen Habseligkeiten, die ihr geblieben waren, bestanden aus einem Reisekorb, einer Lederreisetasche, einigen Kissen und etwas Bettwäsche. Am 3. August 1942 wurde ihr die „Verfügung Einziehung Vermögen“ unter der Adresse Große Hamburger Straße 26 zugestellt.
Dort harrte Ida zusammen mit hunderten Menschen in einem ehemaligen Altersheim aus, bevor sie am 5. August 1942 zusammen mit ihrer Vermieterin Fanni Piorkowski mit dem Transport I/38 nach Theresienstadt verschleppt wurde. Das Ghetto Theresienstadt war zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos überfüllt. Bereits am 26. September schickte man Ida in den sicheren Tod nach Treblinka. In dem Vernichtungslager Treblinka wurden die Menschen nach Ankunft gar nicht mehr registriert. Aus dem Zug heraus führte der Weg direkt in die Gaskammern.

Ida wurde als Einzige der 8 Geschwister Löwenthal im Holocaust ermordet. Von den Geschwistern Sallie und Rosa gibt es keine Aufzeichnungen, ihr Schicksal ist unbekannt.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Quellen:

-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945

-Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

-Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de

-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

-Yad Vashem – Opferdatenbank

-Otto Puffahrt „Gartow – Vom Rittersitz zur Ferienregion“
- „Beiträge zur Geschichte der Juden in Uelzen und Nordostniedersachsen“ Ralf Busch Hrsg.

Stolperstein Moses Reich

HIER WOHNTE
MOSES REICH
JG. 1885
DEPORTIERT 24.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 16.1.1942

Moses Reich kam am 13. Juli 1885 in Rzeszow/Galizien auf die Welt. Die Stadt hatte zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch eine mehrheitlich jüdische Bevölkerung. Bis 1939 war die Bevölkerung auf 41 000 Einwohner gegenüber ca. 20 000 um die Jahrhundertwende angewachsen. Der Zweite Weltkrieg setzte der Geschichte der Rzeszower Juden ein Ende: knapp 20.000 Einwohner jüdischer Herkunft wurden ermordet.
Allem Anschein nach gehörte Moses Reich zu den aus dieser Stadt stammenden Mitgliedern jener Familie Reich, die sich als Kaufleute in Berlin Mitte niedergelassen hatten. Leizor und Elias Reich waren die Inhaber der Leder-, später Kurz- und Textilwarenhandlung in dem Kaufhaus „Lübeck“ in der Rosenstraße 15. Das Geschäft wurde von Moses Reich bis 1938 geführt, auch nachdem die zahlreichen Kaufhäuser in der Rosenstraße 1935 aufgelöst worden waren.
Wo Moses Reich in all diesen Jahren gewohnt hat, kann nicht mit Bestimmtheit angegeben angegeben werden. Die erste verlässlich nachgewiesene Adresse war 1939 die Mommsenstraße 18, vermutlich wohnte er dort bei jemandem zur Untermiete. Es sollte nicht seine letzte Unterkunft gewesen sein. Viele jüdische Mieter mussten nach 1939 ihre Wohnungen verlassen, um Wohnraum für Funktionäre des NS – Regimes zu schaffen. So wurde auch Moses Reich zwangsweise umquartiert. Er fand in der Goethestraße 12 bei Paula und Walter Dienstag und ihrem Sohn Joachim in deren 4 ½ -Zimmerwohnung eine vorübergehende neue Bleibe. Außer ihm waren dort noch zwei weitere jüdische Untermieter, Hans Wolff und Alice Hoymann, einquartiert worden.
Am 24. Oktober 1941 wurde Moses Reich in das Ghetto in Łódź, von den Nazis in Litzmannstadt umbenannt, deportiert. Es war der zweite von Berlin ausgehende Transport – von der Staatspolizeistelle auch als „Welle II“ bezeichnet – mit 987 Berliner Jüdinnen und Juden. Im Ghetto wurde Moses Reich als Gärtner und Textilkaufmann registriert und in die Brunhildstraße N25 eingewiesen.
Im Ghetto lernte er die am 26. November 1893 in Wien geborene Julie Sommerburg geb. Stern kennen, oder er kannte er sie schon aus Berlin. Julie Sommerburg war Stenotypistin und Witwe des 1935 verstorbenen Journalisten Otto Sommerburg. Sie hatte in Schöneberg gelebt und war am 1. November 1941 von der Rosenheimer Straße 33 aus nach Łódź deportiert worden. In dem Elend des Gettos fanden Moses und Julie Halt aneinander und heirateten am 17. Dezember 1941. Das Ehepaar konnte nur wenige Wochen zusammensein. Moses Reich erlag den unmenschlichen Bedingungen des Ghettos am 16. Januar 1942, seine Frau Julie wurde am 4. Mai 1942 nach Chełmno/Kulmhof deportiert und sofort nach Ankunft ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945


-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

-Loose: „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941 – 1944
http://www.paula-dienstag.jimdo.com/
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179803.php
https://ome-lexikon.uni-oldenburg.de/orte/rzeszow

Stolperstein Frieda Wiener

HIER WOHNTE
FRIEDA WIENER
JG. 1901
DEPORTIERT 19.1.1942
RIGA
1944 STUTTHOF
ERMORDET 1.12.1944

Frieda Wiener war die Tochter des Buchdruckers und Schriftsetzers Gustav Naphtali Wiener – er stammte aus dem Raum Hannover – und der Näherin Martha Wiener geb. Heimann. Martha war als Tochter eines Schneidermeisters in Danzig geboren worden. Zur Zeit ihrer Hochzeit am 10. Oktober 1899 wohnten beide in Pankow – Niederschönhausen.
Das erste Kind der Wieners, ein Junge, kam im ersten Jahr ihrer Ehe tot zur Welt.
Frieda Sara – ihr zweiter Vorname war zugleich ihr späterer Zwangsname – wurde am 16. November 1901 geboren. Noch wohnten die Wieners in der Danziger Straße in Niederschönhausen. Bald darauf erfolgte ein Umzug nach Reinickendorf. Dort wurde am 23. November 1903 Friedas Schwester Thekla Ester geboren. Frieda wird sich später kaum an die kleine Schwester erinnert haben, denn diese wurde nur 9 Monate alt und starb im September 1903. Friedas Mutter war damals hochschwanger und brachte am 26. Dezember 1903 den Sohn Hans Sirach zur Welt. Ein weiterer Bruder, Kurt Ely, wurde am 31. März 1905 geboren.
Als Friedas Mutter Martha 1922 starb, wird Frieda schon ihren Unterhalt eigenständig verdient haben. Sie war – ganz in der mütterlichen Familientradition – von Beruf Schneiderin. Da sie ledig blieb und die Einkünfte aus ihrer Arbeit ihr sicherlich keine großen Sprünge erlaubten, wohnte sie wohl ihr ganzes Leben lang bei Anderen zur Untermiete. Es existieren keinerlei Dokumente, die Aufschluss über ihre Anschriften geben könnten.
In der Sonderkartei für Juden, die im Mai 1939 im Zuge einer Volkszählung angelegt wurde, ist Frieda Wiener als Untermieterin bei Rosa Hirsch geb. Jacobi in der Mommsenstraße 18 genannt.
Weil ein NSDAP Parteigenosse die Räume beanspruchte, wurde Rosa Hirsch 1939 aus dieser Wohnung vertrieben und in die Duisburger Straße 19 eingewiesen und so musste auch Frieda Wiener umziehen. Sie kam 2 Häuser weiter in der Mommsenstraße 20 unter. In diesem Haus wohnte die 10 Jahre ältere Ida Linde und es ist sehr wahrscheinlich, dass Frieda bei ihr ein Zimmer bezog. Beide Frauen wurden am 19. Januar 1942 in dem 1009 Menschen umfassenden IX.Transport nach Riga verschleppt. Der Transport ging vom Bahnhof Berlin Grunewald ab, trotz eisiger Kälte in gedeckten Güterwagen.
1944 begann man angesichts des Vorrückens der Roten Armee, die Insassen des Rigaer Ghettos auf dem Seeweg in das bei Danzig gelegene KZ Stutthof zu transportieren. Am 9. August traf der erste von vier Transporten aus Riga in Stutthof ein. Es war der Todestag Ida Lindes, möglicherweise hat sie schon den Transport im Bauch des Schiffes, wo die Menschen „wie Heringe zusammengedrängt, ohne Wasser und Toiletten“ lagen, nicht überlebt.
In Stutthof erfuhren die Menschen noch einmal die ganze grausame Wirklichkeit eines Konzentrationslagers mit Hunger, Schlägen, Appellen und Tag und Nacht brennenden Krematoriumsöfen.

Es ist nicht bekannt, mit welchem der vier Transporte aus Riga Frieda Wiener nach Stutthof gebracht wurde, ihr Todestag ist auf den 1. Dezember 1944 festgelegt.

Vor ihrer eigenen Deportation hatte Frieda erleben müssen, wie ihre Brüder verfolgt und verhaftet wurden.
Kurt, von Beruf Buchbinder, gelang es unterzutauchen und er überlebte unter unbekannten Umständen den Holocaust.1934 hatte er die Wäschenäherin Lilly Rosenthal geheiratet, deren Schicksal unbekannt blieb. 1950 lebte er in Kleinmachnow, heiratete dort ein zweites Mal und 1953 ein drittes Mal.

Hans wurde 1937 unter dem Vorwand „Vorbereitung zum Hochverrat“ verhaftet und zunächst ins Zuchthaus Brandenburg – Görden eingeliefert, von 1940 bis 1942 saß er im KZ Sachsenhausen ein und wurde im Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert. Dort arbeitete er als Häftlingspfleger im Krankenbau, später kam er ins Nebenlager Schwientochlowitz. Im Januar 1945, nachdem das Vernichtungslager Auschwitz aufgelöst worden war, verbrachte man ihn nach Mauthausen, wo er am 6. Mai durch Einheiten der US Army befreit wurde. Im Auschwitz Prozess 1964 trat er als Zeuge in der Strafsache Mulka auf.
Seine Ehe mit der evangelischen Telefonistin Elsbeth Rieger war 1941 während seiner Haftzeit in Sachsenhausen geschieden worden. Das Ehepaar hatte ein Kind.

Gustav Wiener, der im März 1928 wieder geheiratet hatte, wurde am 2. März 1943 mit dem „32. Osttransport“ nach Auschwitz deportiert. Vielleicht ist er seinem Sohn Hans unter diesen elenden Umständen noch einmal begegnet. Er hat das Vernichtungslager nicht überlebt.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolpersteininitiative Charlottenburg -Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945


Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin
Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945
https://www.auschwitz-prozess.de/zeugenaussagen/Wiener-Hans/
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.180024.php
Winfried Nachtwei (ehem. MdB): http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1556

Stolperstein Clara Spitz

HIER WOHNTE
CLARA SPITZ
GEB. KOPPE
JG. 1892
DEPORTIERT 28.5.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 18.9.1943

Clara (häufig auch Klara geschrieben) kam am 13. August 1892 in Berlin auf die Welt. Ihre Eltern waren Eduard und Emma Koppe geb. Löwenthal. Clara hatte noch zwei Geschwister: Charlotte verh. Wendriner, (* 20.Januar 1894) und Wilhelm Waldemar Koppe, zu welchem keine weiteren Dokumente vorhanden sind.

Clara heiratete am 1. Mai 1915 vor dem Charlottenburger Standesamt Arthur Spitz (*1. Dezember 1890). Sie wohnte damals bei ihren Eltern in der Niebuhrstraße 67, ihr Mann in der Schlüterstraße 11. Er zog dann vorübergehend zu ihr und den Schwiegereltern in die Niebuhrstraße. Zu dieser Zeit war Arthur Spitz noch kaufmännisch tätig. Er gründete 1918 zusammen mit dem rumänischen Schauspieler Lupu Pick die „Produktionsfirma Rex – Film GmbH“ und die „Rex – Film Vertriebsgesellschaft Arthur Spitz und Lupu Pick OHG“.

Um 1920 ziehen Clara und Arthur Spitz nach Frankfurt am Main.
Arthur ist dort bereits als Theaterdirektor tätig, als am 7. September 1921 die gemeinsame Tochter Lore in Frankfurt geboren wird.
Für Clara beginnt an der Seite des Theaterdirektors eine unruhige Zeit mit zahlreichen Umzügen.
Vermutlich 1927 kehrt die Familie nach Berlin zurück und wohnt zunächst in der Düsseldorfer Straße 49. Die Ehe von Clara und Arthur Spitz ist zu diesem Zeitpunkt wohl schon zerrüttet und das Ehepaar lebt getrennt. Ab 1930 ist Clara mit Tochter Lore als Untermieterin von 3 Zimmern bei ihrer Schwester Charlotte Wendriner in der Mommsenstraße 18 gemeldet, während Arthur in den Adressbüchern bis 1934 unter Bayrische Straße 12 eingetragen ist. 1935 geht Arthur nach Wien an das Neue Wiener Staatstheater.
Er wendet sich endgültig von Clara ab. Er hat sich in die in Kiew gebürtige Schauspielerin Anita Dickstein („Der Liebling der Frauen“, „Frau ohne Herz“) verliebt und lässt sich 1937 von Clara scheiden.
1939 verlässt er als jüdischer Künstler Deutschland – er hatte noch einige Zeit mit Anita Dickstein („in einem illegalen Verhältnis“) in der Pommerschen Straße 3 gewohnt – und wandert in die USA aus. Seine deutsche Staatsbürgerschaft wird ihm am 12. Juli 1939 aberkannt. Er lebt in Hollywood und New York und heiratet Anita Dickstein. Am 24. Januar 1950 stirbt er in New York.
Auch Claras Tochter Lore wandert in die USA aus, lebt in New York und heißt nach ihrer Heirat Lore Glenville.

In Berlin bleibt für Clara nur noch der Kontakt zu ihrer Schwester Charlotte und Tante Ida Löwenthal, der Schwester ihrer Mutter Emma, die ebenfalls bei Charlotte zur Untermiete wohnt. Als Charlotte 1939 stirbt, wird auch Clara zwangsweise aus der Mommsenstraße ausgewiesen. Ein Jahr lang lebt sie unter unbekannten Umständen in einer Wilmersdorfer Wohnung, dann von März 1941 bis zum 1. Januar 1943 zur Untermiete bei Böhm in der Nestorstraße 34.

An diesem Neujahrstag wird sie in das ehemalige Krankenheim der Israelitischen Gemeinde Adass Jisroel in der Elsässer Straße 85 (heute Torstraße 146) gebracht.

Der Erlös in Höhe von 163 RM für die beschlagnahmten wenigen Habseligkeiten, die Clara noch in ihr Zimmer in der Nestorstraße mitnehmen konnte, fiel am 1. Mai 1943 dem Deutschen Reich zu. Nach ihrer Deportation hieß es dann: „Kein Vermögen, Heiminsassin, kein Nachlass“.
Fünf Monate blieb sie in dem „Siechenheim“– zusammengepfercht mit zahlreichen anderen älteren Menschen – bis sie am 28. Mai 1943 mit dem Transport I/95 in das sogenannte „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert wurde. Mit diesem Transport wurden etwa 300 liegende Patienten der „Siechenheime“ Auguststraße 14/16 und Elsässer Straße 85 und zahlreiches Pflegepersonal deportiert.
In dem hoffnungslos überfüllten Ghetto, in dem die ohnehin geschwächten Menschen unter unsäglichen, unmenschlichen Bedingungen leben mussten, hat Clara Spitz nicht lange gelebt, sie starb am 18.September 1943.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945

-Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

-Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
-
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

-Yad Vashem – Opferdatenbank

-Regina Scheer: „AHAWAH Das vergessene Haus“ Spurensuche in der Berliner Auguststraße
-Maaß, Phillip (Hrsg) „Verfolgung und Exil deutschsprachiger Theaterkünstler“
-https://de.wikipedia.org/wiki/Lupu_Pick