Stolperstein Misdroyer Straße 38

Hausansicht Misdroyer Str. 38

Dieser Stolperstein wurde am 08.11.2021 verlegt.

Stolperstein Käthe Brasch

HIER WOHNTE
KÄTHE BRASCH
JG. 1885
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 26.1.1942

Käthe Brasch kam am 9. Oktober 1885 in Berlin auf die Welt. Ihre Eltern waren der Arzt für Hals- und Lungenleiden Dr. med. Gustav Brasch und Doris Brasch geb. London.
Käthe hatte noch eine jüngere Schwester, Erna, die am 14. Dezember 1891 geboren wurde und einen Halbbruder, Heinz, von dem kein Geburtsdatum bekannt ist. Vermutlich ist Heinz der gemeinsame Sohn von Gustav Brasch und seiner zweiten Ehefrau Selma.

Gustav und Doris Brasch ließen sich 1894 scheiden und Gustav heiratete Selma Nitsche, mit der er in der Culmstraße 4, der heutigen Kulmer Straße in Schöneberg lebte. Nach seinem Tod am 7. Juli 1907 zog Selma Brasch in die Misdroyer Straße 24, später, nach neuer Nummerierung, die Nr. 38.

Käthe blieb bei dem Vater und der Stiefmutter wohnen. Ihre Schwester Erna schreibt:

bq. Sie lebte auch nach der Scheidung unserer Eltern im väterlichen Haushalt bei der zweiten Ehefrau des Vaters als Haustochter und mußte nach dem Tode des Vaters mit Klavierstunden ihren Unterhalt verdienen, bis die Nazis diese Erwerbsquelle verschlossen und sie nach Litzmannstadt deportiert wurde.

Erna war nach der Scheidung der Eltern bei der Mutter Doris in der Schlüterstraße 74 geblieben. Das geht aus der Heiratsanzeige von Erna und Peter Hermann Merten hervor.
Sie hatte den protestantischen, damaligen Gefreiten am 3. Juli 1918 geheiratet. Damals war sie ebenfalls evangelisch getauft. Der Schutz durch eine Ehe mit einem nicht–jüdischen Ehemann und möglicherweise einflussreiche Trauzeugen – es waren der Rittergutsbesitzer Egon Wüstenberg und Direktor Otto von Carnap – bewahrte sie wohl vor Verfolgung und Ermordung. Sie überlebte den Krieg und starb am 11. Mai 1955 in Berlin eines natürlichen Todes.
Auch der Vater Gustav hatte sich vom jüdischen Glauben abgewandt, er galt als Dissident, wie es in seiner Sterbeurkunde heißt.

Am 18. Oktober 1941 wurde Käthe Brasch in das Ghetto Lodz (Litzmannstadt) deportiert. Sie wurde zunächst in der als Sammelstelle für bevorstehende Deportationen missbrauchte Synagoge in der Levetzowstraße untergebracht, bevor sie mit 1012 weiteren Personen in das jüdische Ghetto verschleppt wurde. Dort brachte man sie in einer der primitiven Unterkünfte in der Alexanderhofstraße 19/N unter. Sie überlebte die unmenschlichen Bedingungen des Ghettos nur 3 Monate und starb am 26. Januar 1942.

Käthes Halbruder Heinz war promovierter Studienrat, er stellte später gemeinsam mit der Halbschwester Erna, seiner Frau und den Kindern einen Antrag auf Entschädigung auf Mobiliar, Vermögensschaden und Rentenschaden. Demnach besaß Käthe Brasch in Zeuthen ein Grundstück, beliehen mit einer Hypothek von 4806,37 RM in der damaligen Prinz Heinrich Straße 12. Das Grundstück verfiel dem „Deutschen Reich“, wie es in der Terminologie der damaligen Machthaber hieß. Heute befindet sich auf dem Gelände Niederlausitzer Straße 12 der Zeuthener Yachtclub e.V.
Mitglieder des Vereins „Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e. V.“ ließen 2015 auf dem Gehweg vor dem Yachtclub einen Stolperstein für Käthe Brasch verlegen. Auf Protest des Clubs und anderer Zeuthener Bürger hin wurde der Stolperstein wieder entfernt, mit der Begründung, die Inschrift „Hier wohnte“ träfe nicht den wahren Sachverhalt, da es sich nicht um Käthe Braschs Wohnsitz gehandelt hätte.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek
Entschädigungsbehörde Berlin
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945“

Loose: „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941-1944

Yad Vashem – Opferdatenbank

Irmtraud Carl u.A.: „Aktenlage klar – Berliner jüdische Bürger in Zeuthen 1933-1945“ S.53 ff
https://www.zeuthen.de/Am-Zeuthener-See-2016-05-634396.pdf
https://www.maz-online.de/Lokales/Dahme-Spreewald/Fuenf-Steine-fuenf-Namen-fuenf-Schicksale